^mmmmmii^:
mm^'/:::
'^^w
i^i
1
!v fUH
«^^:-jm
■^'^'mmm.
'ftmmk*!i' M»u>iji<«»i-iiw.
iiw^i»»
'iS^BV^il
-^*iS6*P««^^^
ym
m. ä
GERMANIA.
VIERTELJAHRSSCHRIFT
FÜR
DEUTSCHE ALTERTHUMSKÜNDE.
BEGRÜNDET VON FRANZ PFEIFFER.
HERAUSGEGEBEN
KARL BARTSCH.
ZWANZIGSTER JAHRGANG.
NEUE REIHE ACHTER JAHRGANG.
WIEN.
VERLAG VON CARL GEROLD'S SOHN.
1875.
INHALT.
Seite
Pfälzische Beichte aus Rom. Von K. Bartsch 1
Mitteldeutsches Magnificat. Von demselben 3
Samuel von Lichtenberg. Von W. Crecelius 7
X für U. Von F. Latendorf 8
Über das Verhältniss der Klage zum Biterolf. Von A. Edzardi 9
Die zehn Lebensalter. Von Adalbert Jeitteles 30
Spenden zur Altersbestimmung neuhochdeutscher Wortformen. Von Fedor Bech 31
Eine Reliquie von Heinrich Aeger aus Calcar. Von Nolte 51
Zur salfränkischen Eideshilfe. Von K. v. Amira 53
Heinrich Wittenweiler. Von Dr. J. Baechtold 66
Holunke. Von W. Crecelius 68
Kritische Beiträge. Von Hans Lambel. 1 71
Zu den Murbacher Hymnen. Von E. Wilken 81
Abschrift von Hartmanns Ivvein. Von K. Bartsch 84
Althochdeutsche Glossen. Von Nolte 129
Zu Konrads Trojanerkriege. Von K. Bartsch . . . 150
Zur Thidrekssaga. Von Hugo Treutier 151
Die Stuttgarter Oswaltprosa. Von A. Edzardi 190
Über isländische Apokrypha. Von K. Maurer 207
Brachstücke aus Meister Eckhart. Von Fedor Bech 223
Zur Heimatfrage Walthers. Von J. V. Zingerle 257
Zur Waltherfrage. Von J. Ficker 271
Die Quellen der Mägassaga. Von Hermann Suchier 273
Angelsächsische Studien. Von Joseph Strobl 292
Zur Textkritik von vier romantischen Saga's. Von Gustaf Cederschiöld . . . 306
Ein litauisches Sigfridsmärchen. Von A. Edzardi 317
Nachträgliches zum jüngeren Hildebrandsliede. Von demselben 320
Allerlei aus Zeitzer Handschriften. Von Fedor Bech 322
Deutsche Handschriften in Paris. Von J. Baechtold 335
Niedersächsische Fastenandacht. Von H. Martens 341
Volksthümliches aus Niederösterreich über Thiere. Von C. M, Blaas 349
Zum Fiölsvinnsmäl. Von Hermann Möller 356
Beiträge zur Kenntniss der Fseröischen Poesie. I. Von E. Kölbing 385
Ahd. Glossen zu Sallust. Von Kai-1 Zangemeister 402
Zur Textkritik des Rother. Von A. Edzardi 403
Wirnts von Gravenberg Verhältniss zu seinen Vorbildern. L Von H, Meissner . 421
Die Benutzung des Parzivals durch Wirnt von Gravenberg. Von R. Sprenger 432
Mitheilungen aus Grazer Handschriften. Von Adalbert Jeitteles 437
Bruchstücke aus einem Passionale. Von K. Th. Heigel 444
LITTERATUK.
Richard ITeinzel, Geschichte der niederfränkischen Geschäftssprache. Von H. Paul 85
Karl MülleiihofF, Laurin. Von K. Bartsch 94
Eduard Sievers, Paradigmen zur deutschen Grammatik. Von H. Paul 104
Friedrich Blnhme, die gens Laugobardorum. Von Karl Meyer 109
Entgegnung. Von Hermann Fischer 111
Zur älteren romantischen Litteratur im Norden. I. Von E. Kölbing 226
W, Wilmans, die fintwicklung der Kudrundichtung. Von E. Wilken 249
Zupitza, Julius, Altenglisches Übungsbuch. Wülcker, Richard Paul, Altenglisches
Lesebuch. Von PI Kölbing 360
Dr. Ludwig Schmid, des Minnesängers Hartmann von Aue Stand, Heimat und Ge-
schlecht. Von Hermann Fischer 373
Karl Weinhold, die altdeutschen Bruchstücke des Tractats des Bischof Isidorus
von Sevilla de fide catholica contra Judaeos. Von E, Kölbing 378
BIBLIOGRAPHIE.
Bibliographische Übersicht der Erscheinungen auf dem Gebiete der germanischen
Philologie im Jahre 1874. Von Karl Bartsch 449
MISCELLEN.
Karajans Bibliothek . 123
Gesellschaft für Herausgabe altfranzösischer Texte 125
Personalnotizen 128 256 383
Nachtrag zu Germania XVHI, 465. Von Dr. Carl Pauli . 128
Altdeutsche Freskobilder 255
Handschriften in Olmütz 255
30. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner .-. • • 256
Übersicht der germanistischen Vorlesungen an den Universitäten Deutschlands, Öster-
reichs und der Schweiz, sowie in Dorpat im Sommer 1875 381
X für U. Von R. Köhler 383
Johann von Morßheim, der Dichter des Spiegels des Regiments. Von demselben 383
Zu „lütbrechic". Von Schröer 384
Bericht über die Sitzungen der deutsch-romanischen Section auf der XXX. Ver-
sammlung deutscher Philologen und Schulmänner zu Rostock, vom 28. Sept.
bis 1. Oct. 1874. Von Dr. F. Lindner 496
Der Briefwechsel der Brüder Grimm mit Joseph Görres. Von J. Baechtold . , 502
Nachtrag zu Germania XX, 378. Von E. Kölbing . .508
PFÄLZISCHE BEICHTE AUS ROM.
(2'') Ih gihu alamahtigen fater inti allen sinen sanctin
inti desen uuihidon inti thir gotesraanne allero minero sunteno,
thero ih gidahda inti gisprali inti gideda, tliaz uuidar gote
uuari, inti daz uuidar minera cristanheiti uuari inti uuidar (3')
5 minemo gilouben inti uuidar mineru uuihun doufi inti uuidar
mineru bigihdi. Ih giu nides, abunstes, bispraha, sueriennes,
firinlustio, zitio forlazanero, ubermuodi, geili, sl ifheiti,
tragi gotes ambahtes, huorouuilleno, farligero inti mor-
des inti manslahta, ubarazi, ubartrunchi ; thaz ih minan
10 fater inti mina muater so ni ereda so ih scolda, inti daz ih
minan hereron so ui ereda so ih scolda, inti inau so ni minnoda
so ih scolda, inti mine nahiston so ni minnoda so ih scolda, inti
min uuip inti min kind so ni minnoda inti ni leerda so ih scol-
da, inti mine iungeron so ni leerda inti ni minnoda so ih scolda^
15 indi mine fillola so ni ereda indi ni leerda so ih scolda.
Ih gihu thaz ih then uuihon sunnundag inti thia heilagun
missa so ni ereda inti ni marda so ih scolda. Ih gihu daz ih
minan decemon ni fargalt so ih scolda, thaz ih stal inti fer-
stolan fehota. Ih gihu thaz ih siohero ni uuisoda, serege
20 ni gidrosda, gast nintfianc so ih scolda, gisahane nigisuon-
da thie ih gisuenen mohda, thaz ih meer giuuar inti unsipberon
gisageda thanne ih scoldi. Ih gihu thaz ih daz giloupda thaz
ih gilouben ni scolda, thaz ih ni giloupta thaz ih gilouben
scolta. ih gihu unrehtero gisihto, unrehtera gihorida,
25 unrehtero gidanco, unrehdero uuordo, unrehdero uuerco,
unrehtero sedelo, unrehtero stadalo, unrehtero legero,
unrehtero gango, unrehtes anafanges, unrehtero cosso.
Ih gihu thaz ih minan heit brah, minan heit suuor in uui-
hidon inti bi gotes heilogon. Ih gihu ungihorsami, un-
21 Hs. me*r. 27 Hs. anafanger (?). 28 l. meinan heit suuor,
GERMANIA. Neue Reihe VIII. (XX. Jalirg ) 1
2 KAKL BAKT.^CH, PFÄLZISCHE BEICHTE AUS ROM.
30 githulti, untriuuono, abulges zit hielt inti strites,
Ih gihu thaz ih heilac ambaht inti min gibet ruoholoso deda
inti daz ih daz uuiha uuizzod unbigihtic inti unuuirdic
nam inti daz so ni hialt inti so ni ereda so ih scolta,
(3') inti daz heilaga cruci so ni ei^eda noh ni gidruog so ih scoida,
35 noh thero gibenni thero fastono inti thero crucithrahto
so ni erfulta noh ni hialt so ih scoida. Ih gihu thaz ih bis-
scoffa inti priesda inti gotesman so ni ereda inti ni min-
noda so ih scoida, meer sprah inti suuigeda thanne ih
scolti. Ih gihu daz ih mih selbon mit lustin inti mit ar-
40 gen uuillon int mit argen githancon biuual int gi-
unsubrida meer thanne ih scoldi. Thes alles inti an-
deres manages thes ih uuithar gotes uuillen gifrumita
inti uuidar minemo rehde, so ih iz uuizzantheiti dadi
so unuuizzandi, so ih iz in nath dadi so in dag, so ih iz slafandi
45 dadi so uuahhandi, so ih iz mit uuillen dadi so ana uuillon
so uuaz so ih thes alles uuidar gotes uuillen gidadij so gan
ih es in gotes almahtigen muntburt inti in sino ginada
inti in lutarliha bigiht gote almahtigen inti allen si-
nen sanctin inti thir gotesmanne, mit gilouben inti
50 mit riuuuon inti mit uuillen zi gibuozzanne, inti
bitdiu thih mit otmuodi, thaz thu giuuerdos gibe-
ton furi mih; thaz druhdtin thuruh sino ginada
giuuerdo mir farlazan allo mino sunda. Inther priast
quede thanne: Dns custodit te ab omni malo
55 Benedicat te ds pat. Custodiat te ds filius. Inluminat
te ds sps scs. Indulgeat tibi dns omnia peccata tua
et cetera.
Vorstehende Beichte findet sich in der ehemals pfälzischen aus
Lorsch stammenden Handschrift der Vaticana Nr. 485, Bl. 2^ — 3^; cf.
Pertz' Archiv 12, 335. Die Schrift gehört dem 9. bis 10. Jahrhundert
an. Herr Dr. Mau hat die Gefälligkeit gehabt mir eine Abschrift zu
besorgen. Ich habe einen wortgetreuen Abdruck gegeben, nur die oft
fehlerhafte Worttrennung habe ich berichtigt und Interpunktion hinzu-
gefügt.
Ihrer Fassung nach steht diese Beichtformel am nächsten der bei
IMüllenhoff und Scherer, Denkmäler etc. unter Nr. LXXII gedruckten
sächsischen Beichte. Der Eingang stimmt anfangs wörtlich, weiterhin
35 l. crncitrahto. 53 l. iuti ther priast. 54 l. custodiat. 55 l. in-
lumiuet.
K. BARTSCH. MITTELDEUTSCHES IVrAGXIFICAT. $
in den Gedanken, zeigt aber gleich eine bemerken swerthe Abweichung
in dem unmittelbar aus dem Latein hertibergenommenen sandin, das
auch 49 nochmals wiederkehrt, für Mlagon in S und den andern Beichten
(Nr. LXXIII ff.). Das in der sächsischen Beichte auf Mlagon folgende
wthethon erhält seine Eichtigstelluug und Ergänzung durch den römi-
schen Text. Dieser hat dagegen eine Lücke nach gideda 3, indem auf
dieses Wort in der sächsischen Beichte folgt fan thiii the ik erist sundja
icerhjan bigonsta. ok iuhu ik so hvat so ik thes gideda; der Schreiber
sprang also von dem einen gideda auf das folgende und ließ das da-
zwischenstehende aus.
Die Übereinstimmung reicht bis overdrankas S 10 = uhartrunchi 9 ;
was nun in S folgt, fehlt bis ik giuhu S 13; das folgende thaz in dem
römischen Texte kann allerdings noch von ih giu (6) abhängig gemacht
werden; indeß ist es leicht möglich, daß auch hier ein Überspringen
von Worten der Vorlage stattgefunden hat. Es fehlen dann die Worte
Thes giuhu — scolda S 16 — 17; die Worte ni ereda indi nach fillola
scheinen fehlerhaft eingedrungen, da von einem Ehren diesen gegen-
über nicht wohl die Rede sein kann. Die Worte S 20 usas drohtmas
bis 21 so ik scolda fehlen in P'', wie wir diesen zweiten vaticanischen
Text nennen wollen, und die folgenden Sätze sind umgestellt; die
Worte fhaz ih stal inti ferstolan fehota P" 18 f. sind aus S 30 heraufge-
genommen, ebenso die Worte P" 22 — 24 ih gihu bis scolta; sie nehmen
S 29—30 vorweg und geben den Gedanken in vollständigerer Form
durch den Gegensatz des nicht glaubens was zu glauben gewesen
wäre. Ebenso sind ausgeführter die Worte von S 31 mmeth suor an
lüiethon in P* 28. 29. Ln Folgenden ist S 31 ff. anders und weiter aus-
geführt in P^ 29 — 36. Eine Umstellung hat nur stattgefunden mit S 38
bis 39 biscopns — scolda, was in P* vor S 34 steht. Gegen das Ende
nähern sich beide Texte wieder mehr; P* allein hat die Schlußanweisung
für den Priester mit der lateinischen Formel.
K. BARTSCH.
MITTELDEUTSCHES MAGNIFICAT.
(1") wolde
In den homuot stigin:
des muoste siu nidir sigiu
Durch ur gerunge der hochvart,
5 al die werlt zu der helle gekart.
KARL BARTSCH
Diu selbe magit Marie,
von allin sunden vrie,
Des wivis homuot hat vertrevin.
des si wir in din huldin blevin.
10 Diu wolde den homuot krenkin,
sich in de otmuot senkin:
Des sal siu iramir gehogit wesin,
von ür otmuot diu werlt genesin.
Nu loven si mit rechte
15 di engele und al gesiechte.
Ex hoc beatam me dicent omnes (generationes).
Dar von sprach diu selige magit
'al gesiechte mich selich sagit,
Judhin, heidhin, diu cristenheit
machit miuin namen breit.
20 Predigin, bichtin, lerin,
judhin, heidhin bekerin,
Daz se gelouvin an minin sun
vnde erin minin magetüm,'
Alse siv iz inme geiste irsach,
25 daz sprach siu vore unde sint geschach.
Siu is wunne der himilischin irl'm,
al engele se lovin unde vlien.
Siu is dhes volkis ein vroude der Ysrahele.
Dhiz ist ein kurz gediute,
30 se lovin engele unde liute.
Dar umme sprah siu rechte
'mich seligin al gesiechte,
Wende her mir groze dhink hat getan.
her ruchte (1'') sich mit mir bevan.
35 Her bewarte mich vor sundin,
her ruchte sich zu mir vrundin,
An mir meinsche werdin.
der himile schuof unde erdin,
Her hat mir groze gnade getan,
40 daz ich ün magit mochte untfan
Vnde magit sin genesin
unde vrouwe in himilriche wesin.
Obe engele mich zu vrowin han,
her hat mir groz ere getan.
Qui potens est.
45 Her allir dinge hat gewalt,
al dhink nach sineme willin gestalt.
Et sanctum nomen eius.
Unde der heilige name sin
hat geheiligit den namin min.
MITTELDEUTSCHES MAGNIFICAT.
Heilich daz sprichit sanctus,
50 lieilich daz diutich u alsus :
Starke vein e, an erdhe,
daz spWchit: heilich der name werdhe.
Got is von rechte stark genant,
himil unde erdhe in sinir hant.
55 Heilich daz sprichit ouh reine,
wende ne sunde ue wart so deine
An mannin noh an wivin
diu an um mochte beclivin.
Heilich sprichit dhoh an erdhe,
60 wende der vil werdhe
Rechte gar an erdhe was,
er sin diu reine magit genas,
Unde al erdis itil ere
ist Linie gar ummere.
65 Her heizit dhoh an erdhe,
wende der ivi\ werdhe
Vnffemischit zu der erdhin was.
(2") die liute
Die gerne hochvart tetin,
70 of ses die State hetin.
Swer den horaüt begat,
iz si mit willin odir mit tat,
Vnde al dhe in vullin bringin,
die wil got zu sprengin
75 Verne von sime riche,
den tiuvilin geliche.
Dhe tiuvile hat got zu sprengit,
ovir al die werlt gemengit,
In wazzere und in berge
80 daz sin nickere unde twerge.
In walde imde brache,
got hat iir deine ruche,
Daz sin elve dhorse und wichte,
de der werlde tügin zn nihte.
85 Ouh viel ir menich dusunt
in der tiefin helle grünt.
Mente cordis sui.
AI dar na se gedachtin,
dar na in piue sich brahtin.
Alsus sint se zu spreugit,
90 ovir al de werlt gemengit,
Gemengit ziä den liute.
ich ne kan iz ü niht baz gedhiutin.
K. BARTSCH, MITTELDEUTSCHES MAGNIFICAT.
Deposuit potentes de sede.
Der judliin ere ist vergan,
got hat die geweldigin ave getan
95 Von deme stiile der gewalt,
durh üren homuot gevalt.
Die judhin sin untsetzit,
ür eren geletzit,
wen dese zu menigin jarin
100 geweidige küninge warin.
Nu sint die hogin gesiechte
wordin eigene knechte;
Daz riche ist ün ave gegan,
(2'') ur % ist hin getan,
105 Ur synagoga züstort,
nvirseget der ewige mort
Unde andir menich groz gewalt
vonme stuole ist gevalt.
Vonme stuole müstin kerin
110 werlichir {l. werltlichir) erin.
Got hat die tiuvile ouh gevalt
von den eren und von der gewalt,
Dhe un zu himile was gegevin,
do se begundin widirstrevin
115 Durch üren bosin willin.
do müstin si valiin
Von deme himile her nidhir.
daz hat got getan dir widir.
Dhe hir nah sineme willin levin,
120 den wil her die selvin ere gevin:
Daz sint de otmütigen.
die rechtin unde die dhuldigen.
Swer sich in gotte nidherit,
von gotte wirt gehogit.
125 Swer in den homuot stigit,
mit deme tiuvile nidhir sigit.
Et exaltavit bum'iles.
Die otmütigin in dher erdhin
in himile gehogit werdhin.
Esurientes implevit bonis.
Got hat die hungerin gevult
130 mit sineme gute unde mit sinir gedult.
Die hungerigin die der rechticheit gerin^
die wil got maniges guotes gewerin
Unde menigir gnaden vullin
durh ürin gütin willin.
135 Dar umme is groz selicheit
hunge
W. CRECELIUS, SAMUEL VON LICHTENBERG. 7
Zwei Pergamentblätter in Octav, von der hiesigen Universitäts-
bibliothek, in der sie die Bezeichnung cod. Heidelb. 362" tragen, aus dem
Besitz des Antiquars List u. Francke in Leipzig erworben, enthalten vor-
stehende Bruchstücke einer mitteldeutschen gereimten Bearbeitung des
Magnificat. Über die mitteldeutsche Heimat nicht nur der Handschrift,
sondern des Gedichtes selbst kann kein Zweifel sein; dafür zeugen die
Reime gekart (: hochvart) 5; vlen (: Jerusalem) 27 ; bevän {'.getan) 34; sundin :
vrundin 35 f.; untfän (: getan) 40; ere : timmere 63 f.; zustort (: mort) 105.
Die Handschrift ist im 13. Jahrhundert geschrieben, das Gedicht aber
noch im 12. Jahrh. entstanden; dafür lässt sich weniger geltend machen
der Reim hringin : zns'prengin, indem e : i vor ng im Mitteldeutschen,
mehr noch im Niederrheinischen, gebunden zu werden pflegen, als die
Reime loillin : valiin 115, vullin : icillin 133, und das Reimen auf tief-
tonigen Silben, otmütigen : dhiddigen 121, nidherit : gehögit 123, und
düsunt : grünt 85. Inhaltlich von Interesse ist namentlich die Stelle 77 — 84.
Wahrscheinlich fehlt zwischen den beiden Blättern ein Doppel-
blatt, wie aus dem vollständigen lateinischen Texte ersichtlich, den ich
hier folgen lasse, indem ich das im deutschen Texte nicht wieder-
gegebene in Klammern setze.
[Magnificat auima mea dominum et exultavit spiritus meus in
deo salutari meo], quia respexit humilitatem ancillae suae: ecce enim
ex hoc beatam me dicent omnes generationes. Quia fecit mihi magna
qui potens est et sanctura nomen ejus. [Et misericordia ejus a progenie
in progenies timentibus eum fecit potentiam in brachio suo.J Dispersit
superbos mente cordis sui; deposuit potentes de sede et exaltavit
humiles. Esurientes implevit bonis [et divites dimisit inanes].
i. K. BARTSCH.
SAMUEL VON LICHTENBERG.
Der lateinische Dichter Samuel, von dessen Dichtereien Watten-
bach in dieser Zeitschrift zwei mitgetheilt hat (XIX, 74 ff. und 297 ff.),
ist ohne Zweifel kein anderer als Samuel von Lichtenberg oder, wie
er sich lateinisch nennt, de monte rutilo. Eine „Barbaralexis Samuelis
ex monte rutilo in discretos procos" druckt Zarncke, die deutschen
Universitäten im MA. S. 84 wieder ab. In einer Handschrift der
Gothaer Bibliothek findet sich ein „Dialogus Samuel Hanoch ex monte
rutilo inter virum adolescontcm et virginem", an dessen Ende steht
8 F. LATENDORF X FÜR U.
„Explicit dictaraen Samuelis ex Liclitenburck australi." Jobann Butz-
bach sagt in seinem Auctarium zu Tritbemius folgendes über ihn:
Samuel ex raonte rutilo, HberaHum artium apud Heydelbergam
professor insignis, ingenio subtilis et eloquio facetus, ligata oratione [com]-
petenter exercitatus atque soluta, scripsit utraque nonnulla ingeuiosa
siutagmata, quibus nomen suum longo lateque divulgavit. De quibus
nil adhuc vidi preter barbaralexim quandara contra indiscretos ama-
tores. Miror hominis petulantiam, quod nobile ingenii donum tarn vilibus
levibusque studiis accomodat. Audio cum tarnen nobiliora quedam
scripsisse quibus priorem levitatem debita gravitate honestius recom-
penset 1509. (Ich habe diese Biographie bereits in der Zeitschrift des
Bergischen Geschichtsvereines VII S. 284 abdrucken lassen.)
ELBERFELD. W. CRECELIUS.
X FÜR U.
Mittheilung und Anfrage.
Die älteste deutsche Quelle für diese Redensart, und zugleich eine
willkommene Bestätigung der Ausdeutung dieses Spruches auf die Zahlen-
werthe o und 10 ist nach dem Wb. von Dan. Sanders s. v. U
Lauremberg, Scherzged. I 136 ff.
(ik) laet mi nicht verleiden
voer L to schriven C und vor V schriven X^
kan ik den nicht veel mehr, so bin ich darup fix.
In den Niederlanden lässt sich die Wendung schon ein Jahrhundert
früher in den Sprichwörtersammhmgen von Campen und Gheurtz nach-
weisen; bei Hari'obomee Spreekw. II 354* in der heutigen Orthographie
Hij kan wel eene X voor eene V schrijven.
Bei diesem Spruche ist Campen von Agricola unabhängig, zu
dessen Vorlage er auch sonst sowohl in Weglassung als — und nament-
lich — in Hiuzufügung eine specifisch nl. Haltung beobachtet, s. die
überaus schätzbaren Mittheilungen in Suringar's neuester Schrift: Joannes
Glaudospius in sijne Latijnsche Disticha als vertaler van Agricola's
Sprichwörter aangewezen. Gäbe uns der verdiente Forscher doch bald
eine vollständige Ausg. Campens; sie verdiente und fände auch wohl
bei uns Deutschen alle Beachtung.
SCHWERIN i. M. F. LATENDORF.
A. EDZARDI, KLAGE UND BITEROLF.
ÜBER DAS VERHÄLTNISS DER KLAGE ZUM
BITEROLF.
Das Verliältniss der Klage zum Biterolf ist schon mehrfach Gegen-
stand der Erörterung gewesen. W. Grimm (H. S. 150 ff.)*) spricht sich
dafür aus, daß beide Gedichte von einem Verfasser herrühren. Diese
Ansicht ist meines Wissens, öffenthch wenigstens, nie bestritten worden,
bis Jänicke in der Einleitung zum Biterolf die Frage einer neuen und
eingehenden Untersuchung unterzog, die ihn zu dem entgegengesetzten
Resultate führte, daß Klage und Biterolf trotz mancher Berührungen
doch nicht von demselben Dichter verfasst seien.
Da ich, mit einer Ausgabe der Klage beschäftigt, auch den
Biterolf vielfach heranzuziehen hatte, ward auch ich auf diese Frage
geführt. Es drängte sich mir nämlich die Wahrnehmung auf, daß nicht
nur im Wortschatze sich zwischen beiden Gedichten eine merkwürdige
Übereinstimmung findet, sondern auch im Stil, im häufigen Ge-
brauche der gleichen (nicht eben formelhaften) Wendungen, und, was
am auffallendsten ist, daß ganze, oft mehrere Verse lange Sätze mehr
oder weniger wörtlich übereinstimmen. Manches davon hat Jänicke
angemerkt**), augenscheinlich ist ihm aber das auffallende dieser Er-
scheinung nicht völlig klar geworden ; sonst würde er auf diesen Punkt
gewiß mehr Gewicht gelegt haben.
Ich stelle zunächst objectiv das zusammen, was ich an mehr oder
weniger auffallenden Übereinstimmungen anzuführen habe, um nachher
meine Bemerkungen daran zu knüpfen.
Da es für diese folgende Untersuchung von Wichtigkeit ist, ordne
ich jede der drei Hauptabtheilungen — Übereinstimmungen in ganzen
Sätzen, im Ausdruck (Stil, Wendungen), im Wortschatze — in folgender
Weise: zunächst gebe ich Übereinstimmungen des Biterolf mit dem
gemeinsamen Texte der Klage, dann mit Klage *B, endhch mit Klage *C,
indem ich die Stellen, welche in den beiden ersten Aventiuren des
Biterolf, sowie in der ersten Aventiure ***) der Klage sich finden,
mit Sternchen bezeichne. Endlich sei noch bemerkt, daß ich nach
*) dem Lachmann, zu den Nibb. p. 287, beitrat.
**) p. XIII, Anmerkung 2.
***) Ich halte die Aventiuren-EintheiluMg übrigens in der Klage nicht für echt,
vgl . Einl. 55 f.
10
A. EDZARDl
meiner Ausgabe*) der Klacje und nach Jäuickcs Ausgabe des Biterolf
citiere und mich iu der Schreibung diesen Texten anschHelJe.
Überciiistininiuiig in ganzen Sätzen von einem oder mehr Versen.
Natürlich beweist nicht jede der hier aufgeführten Stellen an sich
etwas; da ich aber einige Beweisstellen für schlagend halte, so werden
auch die übrigen Übereinstimmungen durch ihre Menge den Beweis
wesentlich unterstützen.
1. Biterolf ^ dem gemeinsamen Texte der Klage.
Klage:
*97 ff. daz er (der kunec *C) bete [ze
wibe *B] ein wi^),
daz tugentlicher vrowen lip
bi ir jären niemen vant.
Biterolf:
*55 ff. der selbe recke bete ein wip
daz man so werder frouwen lip
bi ir beider stunden
unsanfte baste funden.
*241 Helcbe so ist genant ir name.
*561 Welsunc so was daz genant.
*92 ff. daz man in allen riehen
sagte von im masre
daz er ein degen wsere.
12185 daz man immer saget ze msere,
♦107 f. icb enweiz von wanne ez wsere
komen,
oder wä ez bete der belt ge-
nomen
11521 f. swanne si wären dar komen,
die besten wurden do genomen
8819 swä si balt beten sich genomen
3400 swä sieb der degen habe ge-
nomen
*154 f. si mohten wol volbringcn
swaz in ze tuonne geschacb.
*275 f. under kristen unde beiden,
in den namen beiden
*311 Sol er des haben ere
3215 f. eteliche kristen.
genuoge gerne wisten,
*100 Helcbe so was si genant.
*490 daz man durch drizec kunege
lant
gevriesch wol diu msere,
welch sin eilen wsere.
*479 daz man daz saget ze msere,
*483 f. von swannen sie dar wären
komen,
oder swä man sie het genomen
3867 ff. von wannen sie dar wceren
komen,
oder wä sie bseten genomen
Günthers ros daz guote.
1966 f. swaz ich ze tuonne ie gewan,
des hülfet ir mir gemeine.
*604 f. ez wart den namen beiden,
beiden unde kristen
1996 sol er des (des iemen */J) haben
ere
*89 ff. . . • kristen.
genuoge, die daz wisten,
*) Die wohl noch vor diesem Aufsatze erscheint.
KLAGE UND BITEROLF.
11
*332 f. die durch ir höhez eilen
zuo im ritent in siu lant
*687 den vil liebe da geschach
*776 und tete vil williclichen daz.
2660 si täten williclichen daz,
7154 vil williclichen tete er daz.
*928 weder brücken noch die stege
*1159 f. . . die besten wät, j
die ieman noch gesehen hat. ^
8145 f. der aller beste arzät, i
den zer werlde ieman hat. I
*1816 derwartso schone war genomen. i
8636 ir wart vil vaste war genomen. |
vgl. 12330. (
*1408 wie mohtens des getrowen
*1446 f. klagte die grözen ere
diu an den beiden was gelegen.
*1589 f. von Lütringe Irinc,
dem vil hohe siniu dinc
zemanegem strite wären komen
*1783 Ir heile danken si began
2198 daz möhte man für wunder
sagen.
3839 daz manz immer wolmac sagen.
12149 daz manz für wunder wol mac
sagen.
2290 do wolde er des niht haben rät,
2330 f. mit henden manegen brustslac.
frou Dietlint ir selber sluoc.
3115 f. da noch ein wazzer nider gät:
Möun ez den nämen hat.
3025 f. unde ouch Geraoten
vil sere verschroten {;vgL 3760)
3188 haßte er aller künege guot
3435 f. Häwart unde ouch Irnfrit,
die zwene beiden riten mit.
*91 die riten zuo zim in daz (sin
*C) lant.
2173 daz in daz liep geschsehe
{*B, ähnlich *C).
2905 unt tet vil willecliche daz.
3034 . . beidiu brücke unde stege
4521 f. der aller beste sigeiät,
*B: den niemen in der werlde hat.
3860 da wart ir vaste war genomen
2628 f. der wart ouch da war genomen
mit güetlichen dingen.
Sound ähnlich oft in der Klage,
z. B. 557. 994. 1870 u.ö.
s. Einl. p. &0.
vgl. 967 f., 1491 f.
2211 ist an dir einem gelegen.
*423 ff. unt Häwast unt Irinc
*B: den recken wären iriu dinc
von grözen schulden also komen
ähnlich *C.
906 f. undanc begunde er sagen
sinem grözen unheile.
*458 daz manz ze wunder wol mac
immer sagen.
1058 ie wolt ich des haben rät,
978 vil manegen swinden brustslaC
sluogen in diu werden wip.
3599 f. da noch ein altiu burc stät:
Pazzowe si den nämen hat.
vgl. 2473 f.
2075 f. dö vant man Gernöten
so sere verschroten,
2295 f. swaztüsentkunegemöhtenhän,
daz hast er eine wol vertan
{vgl. 1096).
2623 f. Irinc und Irnvrit,
die dri wurden ouch da mit
bestattet etc.
12
A. EDZARDI
3810 Dil von wart liiitc vil verloru
3901 f. da si da fiioren i'if den wegen,
einen ieslichen degen
gruozt er etc.
8518 da mite ein ieslicher degen
sich la?se etc.
3902 f. einen ieslichen degen
4240 waer iwer witze niht so kranc
4591 f. sin vater unt viou Dietlint
wären zweier bruoder kint.
4715 f. Man solouchdaz niht verdagen,
man sol von Blcedeline sagen
5271 f. bereitet nach ir rehte
ritter unde knehte {vyl. 9 3 7 5 f.)
3903 f. gruozt er nach sinem rehte
ritter unde knehte
j- = 4937f.
5Ü75 f. die brähten dar besundert
ir recken vier hundert
4717 f. der füeret dar besundert
dri und drizic hundert
5226 f. des bringens üz gesundert
sibenzehen hundert.
6785 der trost was in nuo benomen
5588 die wile und ich daz leben hän
9969 die wile ichz leben mac gehän
6236 er hete ouch des gedingen
6360 die sint in dem gedingen
7503 f. ßwer in ze koufen hete gegert,
er wser wol tüsent marke wert.
= 2787 f.
7065 f. swer ir ze koufen hete gegert
diu gebe wser tüsent marke wert
vgl. noch 9168 f.
76S9 die ie daz beste täten {vgl.
10556).
7617 f. Sifride
dunket, daz er alliu lant
mit sinerkraft ertwinge wol.
7800 da habent si michel reht zuo.
*188 di's Hutes wart so vil verlorn
4585 da sie nü wären iif den wegen
2779 ff. muoz hin wider üf den wegen
von dannen ein ieslicher degen
reit zuo dirre hochzit.
1838 */j ir witze wären dar zuo kranC
*C vor leide was ir witze kranc
1706 f. min vater und din muoter
die wären eines vater kint.
2899 f. irn sult ouch niht verdagen :
min unschulde sult ir sagen
3208 f.*C die riter nach ir rehte
mit zuhten giengen gegen in
*B aber nach des hoves rehte
die riter giengen gegen in*)
*453 ff. Sie heten üz gesundert
driu unt drizec hundert
sie brähten mit in in daz lant.
2415 f. der wart üz besundert'
sibenzehen hundert.
2440 in was ir trost gar benomen,
{ahnlich *C 2439).
ahnlich Klage 927. 1195 C.
1604 C. 4163, Einl. p. 60.
1330 do het er des gedingen
f der het des gedingen*/?
*466 l der was in dem gedingen *C.
*4588*C . . swer es hsete gegert,
ez waere hundert tüsent marc
wert.
4511*ß . . des hete si gegert,
wol ahzec tüsent marke wert.
2122 die ie daz beste täten.
*148 f. wander hset wol elliu lant
mit siner kraft verkeret
3950 dane hat ouch niemen reht zuo.
*) Das Original lautete wohl: do giengeu nach ir rehte
die ritäre (ritsere) gegen in.
KLAGE UND BITEROLF.
10
7882 f. da wir die ere unt den lip
suln wägen etc.
8454 si habent anders keinen list
2562 dar zuo hän ich keinen list
8352 wes ist iu nu ze muote
86G3 daz erwägen mohte der palas.
8738 f. man möhte von den kreften
den palas hoeren diezen
8004 wile, du habest undanc
11934: so habe diu wile undanc
8929 f. lougen er des niht mohte,
wan ez im niht entohte.
9198 f. . . seht, wä der välant
hie habet, der . .
9550 her Dietrich bat unde gebot
9986 f. so sol ouch ich daz wol bewarn,
daz in min kraft iht widerstö.
9720 vii maneger muoter kinde
10654 f. da mohte vil wol der tot
erbouwen sine sträze.
10658 f. die truogen bede ungespart
diu guoten swert an der haut.
10083 nü was ouch Herbort dar komen,
der hete diu ma^re ouch ver-
nomen.
10800 daz michel wunder hie geschach
11104 ez was in dar zuo nu komen
11417 fF. swie halt Wolfhart der masre
nie waere komen an die stat,
da er vehtens wurde sat.
11390 f. daz in da niht gelac
der wille . .
4051 f. . . unz an den lesten tac,
daz sin wirde nie gelac.
11476 f. des willen unverborgen
man noch vil manegeu helt vant.
1020 t". dune soldest ere unde lip
durch daz niht gewäget hän.
1730 siueheten anders deheinen list.
3262 f. wie ist (nü) so ze muote
minem vater etc.
724 ff. daz da von erwagete
beide turne unt palas
vgl.21S4.i.;23Sl.NL.B.2359
1 *598 man sol undanc der wile sagen
i vgl. 906 f.
*285 f. dö lie siz gen als ez mohte,
wan ir niht anders tohte
{so *B, ähnlich C*)
1394 f. nü sehet wä der välant
liget, der . .
4198 Etzel bat unt (ouch) gebot
*618 ff. daz heiz aber ich vil wol be warn,
daz ich . . . böte wsere
In der Klage 2280. 2375.
3018 u, ö. ; allerdings auch
sonst ja nickt ungewöhnlich,
1868 f. wie der tot umbe sich
mit kreften hat gebowen!
1760 f. die helede lutzel sparten
diu scharpfen wäfen an der hant.
4373 f. Do was ouch Rümolt nü komen,
der het diu msere ouch ver-
nomen.
4170 vil michel wunder da geschach
80 ^B, ähnlich *C.
4571 dar zuo was er nü gedigen
4333 C daz ez mir kceme dar zuo
3809f.*C':er ist doch komen an die stat,
da er ist sti'ites worden sat.
3853 f.*ß: der künde strits nie werden
sat:
er ist nü komen an die stat,
da uns etc.
4055 f. wan daz ir klage nie gelac
unze an den dritten tac.
1892 f. die helfe unverborgen
man do an Etzelen vant.
14
A. EDZARDI
11981 daz cz als ein doner döz.
12102 ein wunder ist, daz da genas
der dritte inder under in.
12482 der wirt hete des niht rät,
12818 do silmten si sich niht mer.
13148 daz er iuch gerne welle sehen
1578 ez döz alsam von donerslegen.
3562 f. wunder ist, daz si ie genas
den tac an daz ende,
2565 f.*/Jdaz ez ein michel wunder was,
daz er der klage ie genas.
1840 der wirt niht hete zornes rät.
60 *C, ähnlich *B.
2369 sine sümten sich niht mere.
3298 f. daz er iuch innere zwelef tagen
wil hie ze Bechelären sehen.
3350 der kunec iuch vil gerne siht.
2760 iwer eilen unt min haut
974 swie sie wseren beiden
13328 unser eilen unde hant
13381 = 13398 swie er ein heiden wsere
Auf den ähnlichen Gedanken Biter. 2346 f. und Klage 2520 f.
(vgl. 1720 — 1729) macht Jänicke aufmerksam. Ferner ist zu vergleichen
Bit. *327 f. mit Kl. 155 ff.: Bit. *1377 mit Kl. 371 f. und 1471 f. B.
2. Biterolf
*33 ob er noch lebendic wsere
*918f. {vgl. 7286) . . dise hat
der tiuvel gesendet in min lant
*1984 da von er witen was erkant.
2040 des lop was so wite erkant
12069 daz si witen warn erkant.
2016 von den er üf den regenbogen
vil selten wart gesetzet
3233 wie si komen in daz lant
}^
er starke
4957 f. Häwart
6227 f. Herbort
der helt üz Teneraarke
7G80 daz man in an dem willen vant
Klage *Ä
2292 ob er noch lebendec wseve.
vgl 2048.
1510 f. daz er ie kom in daz lant,
daz schuof des ubeln tiuvels nit.
3603 f. sin lop, sin ere (unt) sin hof
wären witen bekant (erkant d)
2436 f. den e ufen regenbogen
mit vi-euden was gebowen
*215 oder wie sie koemen in daz lant
(*C: do sie körnen in daz lant).
2621 f. Häwart der starke
der kunec üz Tenemarke
3488 unt in dem willen er sie vant.
5830 ich rate, sprach der wigant. 2753 ja rate ich, sprach der wigant.
Endlich wären hier noch die oben gelegentlich angeführten Stellen
(Klage *ß: 285 f. 425 f. 1471 f. 2440. 2565 f. 4170. 4522j zu nennen.
3. Biterolf = Klage *a
*413 f. wenne daz gcschaähe
daz er Etzeln saehe
*728 daz kan so gähes niht ergän
*155 f. swie dicke daz geschashe,
daz Kriemhilt vor ir saehe
3345 daz enkan so gähes niht ge-
schehen.
KLAGE UND BITEEOLF.
15
*]G79 if. der mobte man da schouwen
sehs unt ahzic frouwen
wip unde ouch meide
3171 die rehten sträzen durch daz
lant
3835 nu lut iu wesen niht ze leit.
6916 tugentrich ist si genuoc.
7609 so ich aller beste kan
9541 f. daz si die helde giiote
suochten üz dem bluote.
9740 unde gestet ir also bi
10211 den voget üzer Tenelant
10393 = 13384 s6 er beste künde
13294 e daz sie schieden von in dan
12979 f. von hern Dietriches bete,
Hildebrant ez ungerne tete
*124ff. in ir kemenäten
mohte si da schowen
mer meide unde vrowen etc.
3595 die rehten sträze in Beyer laut
3103 daz enwas in niht ze leit.
*39 was si tugentlich genuoc.
4647 so ich aller verst kan.
1659 f. da sie die helede guote
zugen üz dem bluote. vgl.
1609 ff.
3767 daz si im also bi gestan
2622 der kunec uzer Tenelant.
4671 so si beste moht unt künde
3014 S daz sie von im schieden dan.
*203 f. durch Kriemhilden bete,
daz der kunec gerne tete.
5192 daz künde nieman wenden
7243 swaz er hete dort vernomen
756 daz enkunde niemen wenden C
{iiicht a noch Db).
4470 swaz er hete dort vernomen
10725 f. da si an den stunden 963 f. da sie in den stunden
Dietleiben vunden. Ortlieben vunden
Endlich wären hier noch die oben gelegentlich angeführten Stellen
(Klage *C: 1840. 1996. 4333. 4588) zu nennen.
11. Berührungen im Ausdruck (Quellenberufungen u. dgl.;
Wendungen; Stil im allgemeinen).
Es kann natürlich nicht meine Absicht sein, hier alles derartige
anzuführen: dazu müsste der Umfang dieses Aufsatzes viel größer
werden, als in meiner Absicht liegt. Nur das wichtigere, so weit es mir
aufgefallen ist, möchte ich zusammenstellen *) :
1. Biterolf = dem gemeinsamen Texte der Klage.
*5 f. ditze fremde msere
daz ist so redebasre
*1 f. Hie hebet sich ein maere,
daz wsere vil redebaere
*) Die Grenzen zwischen diesem und dem ersten Theil sind kaum scharf zu
ziehen. Es steht daher auch manches unter I, was man nnter II erwarten könnte,
und umgekehrt. Auch glaubte ich hierin nicht all zu peinlich verfahren zu brauchen,
da der Zweck — eine größere Übersichtlichkeit — auch wohl so erreicht wird.
16
A. EDZARDI
*22 ft". des kan idi iuiiiht ende geben,
der dise rede tilite
der liez uns unberihte
*2C flf. haete er iht da von geschriben,
daz lieze wir iuch iinverdeit:
uns hat des nieraan niht geseit.
7217 daz hat uns nieman noch
geseit.*)
vgl. 13439.
2006 der ditze msere an schreip
10664 der ditze msere erste schreip
5726 ja künde iu nieman gesagen,
wie ....
= Rother R 394: nu nekan \\
nichien man gesagen
*1018 ich enkau iu daz niht vol ge-
sagen.
*147 f. An einen, den ich iu nenne,
daz man in dar bi erkenne.
4724 f. unt in dort alle nennen,
daz sis mugen erkennen.
10059 als ich iu hän geseit
und so öfter.
2014 waz sol ich sprechen mere?
5633 Waz mac ich mere da von
sagen ?
8944 ich sage iu als ichz hän ver-
nomen
4729 flf. uns seit der tilitasre,
der uns tihte diz msere,
ez enwaere von im niht (söj be-
liben,
ern haete ez gerne geschri-
ben etc.
4735 f. wser ez im Inder zuo komen,
oder haete erzsusvernomen etc.
4575 daz hat uns uiemen geseit
4440 niemen uns gesaget hat
2445 wan sie angeschriben sint.
1798 daz iu daz niemen kan gesagen.
1656 *Ciu künde niemen wol gesagen
4706 f. des enkan ich die wärheit
iu noch niemen gesagen.
2443 f. Ein teil ich iu der nenne,
die ich von sage bekenne. ,
*33 f. *C die sol ich iu nennen,
daz ir sie muget erkennen.
2667 als ich iu dicke hän geseit
4270 *B. Als ich iu g hän geseit.
4054 waz mac ich sagen mere?
1803 *C waz mac ich sagen danne?
*439 ich sag iu (man sagt *B), als
ichz hän vernomen
Diese Wendungen sind mehr oder weniger formelhaft, und es
ist daher auf die Übereinstimmung einer einzelnen mit *B oder *(7**)
kein großes Gewicht zu legen. Im allgemeinen ist aber doch eine
große Ähnlichkeit in diesen Quellenberufungen unverkennbar, nament-
lich fällt die Übereinstimmung in den häufigen Betheuerungen des
Nichtwissens auf. Es mag ferner hier vorläufig darauf hingewiesen sein,
daß Q,uellenberufungen (und Anreden an die Zuhörer) sich ganz un-
*) Ähnlich ist Bit. 568 uns ist niht rehte daz genant; 833 uns ist der mcere niht
geseit; *1964 daz buoch hat uns verhohi daz; 5645 ich hän der mcere niht vernomen;
ferner *1968 ff. ein ander mtere ist uns geseit,
möht ich daz wol ze ende sagen,
so wolde ich iuch daz niht verdagen,
des ist uns ende niht gegeben etc.
**) ^o^- ftuch unter 2. imd 3.
KLAGE UND BITEROLF,
17
verhältnissmäßig häutig im Anfange des Biterolf zeigen und auch in
der Klage in der ersten Aventiure sowie am Schluße viel häufiger
sind als in den übrigen drei Vierteln des Gedichtes*). Diese Berufungen
nennen ebenfalls daz hiiocli (125. 179. 188. 1964 u. ö.); daz mcere 203.
208. 490. 1458. 9156. 11231 u. ö.) [dm mcere 4787. 5427. 10397 u. ö.];
und selbst diu rede 23 (wie Klage 81. 84*^), während 173 rede wohl
etwas anders gebraucht ist.
Hieran mag sich eine Reihe mehr oder weniger ungewöhnlicher
Wendungen schließen, die in beiden Gedichten übereinstimmen:
*280 f. dem so vil der zun gen
von guoten recken wasre bi.
*1164 wizer denne blanc
*460 die besten recken die er vant
2342 f. min ungelücke in minen tagen
daz muoz sin verwäzen!
7775 mahtu . . dinem gelücke sagen
danc, vgl. 8904.
11934. 12166.
*1552 . . . (die geste)
degene aller beste = 5694.
8674.
beide aller beste 5668.
*14 daz riche (siniu lant *229)
bouwen.
44.38 ir gememm z u n g e
gab . . den rät {so *B, ähn-
lich *C).
2940 *C. wirs danne wol.*"*')
2810 diu besten swert, diu man vant.
*236 diu wile si verwäzen.
*598 undanc sol man der wile sagen
906 f. undanc begunde er sagen
sinem Frozen unbeile.
995 f. • • minen gesten,
degenen aller besten etc.
4653 der mit dir bowet diniu lant.
ze tode slän *1079 Bit. = Klage 779. 833. 15015. 4129. — wart freuden
Iffire *1500 Bit. = Klage 2495. — guote knehte *1454. 7599. 8455.
9362. 10575. 11312. Bit. = Klage 4685. — wider . . ein wint Bit.
3593. 3837. (Ö514). 10111 u. ö. = Kl. *159. 737; ein niht 11057 Bit. =
Kl. 1821. 2427. — anden rechen im Biterolf häufig (s. Jänicke zu 3702),
desgl. in der Klage (Einl. p. 68). —
2427 wol drier sperschefte lanc
vgl. d. Anm.
*746 diu naht gienc in also hin
*98 siniu jar diu giengen hin
6918 daz iuch des an mir niht bevilt
7802 =: 8870 zir aller angesihte
6887 güetlich sehen an
2652 siben sperschefte wit,
vgl. d. Amn.
680 dem wirte gie sin zit hin
2294 daz in des niht bevilte
4148 ze siner angesihte
701 vil minneclichez an sehen
*) Vgl. meine Klage, Einl. p. 75 ff.
**) Der ganze Vers wörtlich = Parz. 149, 10, wie auch die Verse 3493 f. ■•*C
und 4417 f. fast wörtlich im Parzival stehn, s. d. Anm. zu 3493.
GERMANIA. Neue Reue. Vni. (XX. Jahrg.) 2
18
A. EDZARDI
8185 als den vil blccdcn wiben
s. d. Anm.
7644 daz Etzelen eolt rotl ,.
^^.r, j n XI ' ixf dienen
7748 daz Gunthcres goltJ
vgl. 10574.
9603 ir rät sie truogen alle enein
6903 unz an den jungesten tac
vgl. 11038.
11848 unz au sinen lesten tac.
1121 als ein blccde wip
vgl. Kl. 405 fF.
2869 Die herren wurden des enein
2682 unzandenjungestentac = 3505
ooAKf *^ a^ einen jungesten tac
l *C unz an sinen lesten tac.
schin werden läzen Bit. 1102, vgl. scliin werden Kl. 2143. — under
wegen lazen Bit. 7739. 8994. 10569. 12800 «. ö. = Kl. 1155. — den
muot troesten Bit. 4166 = Kl. [2576*5]. 2735. — Zu Bit. 11631 einem
dem lihtisten man vgl. Kl. 2145 ein lihter man. — zogen läzen
Bit. 7339 (vgl. die Anm.) = Kl. 3068. — läzen äne liaz 4232. 6731.
7410 = Kl. **15. — 10745 Bit. üz der rede komeu, vgl. Klage *118
an die rede komen, zuo der rede komeu 14A1 *C, an die rede gän
3466. — der bluotige regen 5tY. 11046 = ZZ. 814 (^m?. 72); der
bluotvarwe bach Bit. 12242, der bluotege (heizbluotege 519) bacli
Kl. 515. 696.
8075 Do sprach der Dietmäres suon 2791 *C Do sprach der Dietmäres suon.
Do sprach der Boteluuges
suon 2319. 2827.
1710 f. wie vil du miner ere
uberrucke hast getragen!
3060 diu klage ir helfe dö gewan
1529 mit sinen banden gevrumt
3864 nach den hiunischen siten
1135 der gotes haz.
1054 der gotes slac = 1468 *B.
1464 *-ß der vreisliche gotes zorn.
892 dö greif der eilende zuo.
4195 dö griffens al gemeine zuo.
1358 ez, wgene, ouch nimmer werde
u. dgl, vgl. 22 1 3 f. tmd 1 3 74*0.
1856 die vil wol gesunden
diu swertes ecke 10558. (651) Bit, vgl. Kl. 2107 des swertes ecke. — in
kurzen stunden 11665. 11815 Bit. = Kl. 2007 *B. 4251 *B; vgl. 4043. —
daz man vil lute erklingen horte . . und ähnliche Wendungen Bit. 10352.
10466. 10553. 11089, vgl. Kl. 2294. — künde gewinnen c. gen. der
Person Bit. 5172 = Kl. 2284. — dort unde hie 1621. 6260. 8758. Bit.
10762 f. sl truogen alle den last
der sorge über rücke
vgl. die Anm.
10599 . . . Rümolt
groze helfe dö gewan.
13450 mit sinen banden erworben
13436 nach hiunischen siten
vgl. 4790 flF.
12794 der gotes segen
6084 der gotes rät
11488 si griffen stritlichen zuo
11374 ichwsene ouch immer mer erge
10506 mit den wol gesunden
KLAGE UND BITEROLF. 19
i= Kl. 976, jeue dort uut dise liie Kl. 4159. — e noch sit 12362 Bit.
(sider noch e 5746) = Kl. 711. — gehorte unde sach Bit. 4818, oft
in der Kl, s. Einl. 72. — ritter unde (oder) knehte -8. *53. 2094.
2826. 3904. 6724 u. ö., in der Kl. mehrfach, s. Einl. 72.
Es folge nun eine Zusammenstellung alles dessen, was an Eigen-
thümlichkeiten des volksthümlichen Stils (speciell der Spielraanns-
poesie) sich im Biterolf findet. Auf diesen Punkt hat Jänicke schon
hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, daß diese Eigenheiten
besonders häufig in den ersten beiden Aventiuren vorkommen (XVIII).
Ich komme darauf noch zurück. Für die Klage ist ähnliches, wenn
auch nicht in solchem Maße, von mir in der Einleitung (p. 60 ff.) zu-
sammengestellt. Hier soll nur angeführt werden, daß die bekannten
Zahlen*) sich häufig finden, nämlich 3. oft, z. B. *1289. "1350 . . .
4574. 4676. 5208. 5428 . . . 11700 u. ö.; 30. z. B. *725. ^1042. . .
4897. 5304. 6718 (drtzic kilnege lernt = Klage =^490). 7676. 7829. 8596.
11687 u. ö.; 6. seltener, z. B. 11645 (11648); 12. *522. *'-582 . . .
2491. 4014. 5240. 5775 {zivelif). 6703. 7831. 7973. 8951 {zxvelif). 9573.
11621. 11637 (zicelif). 11701. 11726 u. ö.; 36. 11642. — 7. *466. *511.
*915 . . . 2154. 2421. 2658 . . . 6812. 8652. 8959. 10418 u. ö.; 14.
z. B. 11023. 11219. Daneben finden sich aber auch andere Zahlen nicht
selten (10. 20. 40 u. s. f.); zu beachten ist unter diesen die formelhaft
erscheinende 17. 5226. 5379 = Kl. 2416 sowie deren doppeltes, die 34.
910. 7261. Ganz besonders ist aber das häufige Vorkommen der Zahl
1000 zu betonen, da dieß nicht allgemein üblich, andererseits aber
grade in der Klage ebenfalls häufig ist: 1000 steht im Biterolf *301.
*352. *554. *1533. n981. (2303). 2453. 3015. 3795. 5140. 5334. 6196.
6609. 9742. 10247. 10398. 11445. 13168 u. ö.; ferner tüsent mark*115.
2788. 7066. 7504. 9169; in der Klage steht 1000 ebenfalls mehrfach,
nämlich 1026. 1096. 2002. 2295. 2709, vgl. 4512 *B, 4584 *C (80.000
Bit. 4575 = Kl. 4512 *B). Endhch ist die formelhafte 86**) hervor,
zuheben, die Bit. *1680. 11545. 11666. (12420), Kl. 2434 steht.
Auch sind folgende Wendungen zu beachten:
7896 daz ratet dir der välant 1394 der välant, der ez allez riet
vgl. 7286.
=•=1044 sö man noch dicke den gesten *2338 f. ez möhte noch misselingen
tuot. an solhem dienest einem man
3160 also gesten noch geschiht.
*) Für die Klage vgl. Einl. p. 63 f.
**) s. Klage, Eiul, 64. 77 und zu 2434.
20 A. EDZARDI
'^ 1302 80 frouwen noch in zühten Germ. XYllI 425 gibt Paral-
tuont. lelstellen aus Rother.
4276 als noch kint vor den beiden
tuont
7816 als man noch vil dicke tuot
9405 EÖ Sit vil maneger hat getan.
Die gleichen Formeln finden sich häufig^ so do er . . sach, der
. . sprach z. B. *219. 4803. 5441. 6033 u. ö.; er kom da er . . sach
z. B. 6011; sagen msere, wie ez [ergangen u. dgli\ wa^re z. B. *1781 f.
■"'1895 tind viel öfter. Für die Klage ist zu vergleichen Einl. p. 60 f. Ferner
finden sich die gleichen formelhaften Beiioörter, so Giselher der guote
6208 u. ö. = Kl. 3586; der guote Rüedeger 4278. 4725. 6199. u. ö. =
Kl 2601, Rüedeger der (tugent) riche 6589, vgl. Kl. 2333: Rüedeger
der (lobes) riche, ferner steht Rüedeger der riche oft im Biterolf in
der Klage 2497. 3023; der starke Gernot 3047. 6743 = Kl. 499^ [der
recke Gernöt 4971, vgl. Klage 2128 *C: küener recke Gernot]; Ilelche
diu here *760. *1445 u. ö. = Kl. *2481. 4540; daz Sigelinde kint ^{f.
6403 = Kl. *160*(7 (Sigemundes*^;, vgl. *163 f.
Ferner finden sich vielfach die gleichen St ah reime in heiden Ge-
dichten. Einige sind eben erimhnt, andere sind: des küneges bruoder
Bloedelin 4936 Bit. = Kl. 4126; golt geben 4370 Bit. = Kl. 2018;
gerne git sin guot Bit. *1322, gerne gib ich iu min guot Kl. 3935;
langer leben *1644 Bit. = Kl. *504. *565*Ä 1173; lant läzen *1932
Bit. = Kl. *36-5. 2124; (sint) die wege wol erkant *1719. 5621. 5/f.
= Kl. 2860; wilt du witze walten 9303 Bit.- Kl. 2802 wil Etzel
Witze walten, kranker witze wielt Kl. 4530; wunde wit 3728 Bit. =
KL 1506*5. 1564*5; wunden gewinnen 3584 Bit. = 1316 KL; wun-
der geworhte 10753 Bit. = KL 1601; wäfen unde wät Bit. 7373,
wäfen unt gewant Bit. *472. 2215, vgl KL 2798 flf.; Wormez diu wite
8647 Bit. = KL 4044. 4446; werden wol gewert 978. 5972 Bit. =
EL 1042. 3793; riten an den Rin 4429. 5436 Bit. = KL 2970. 3348.
Es ließ sich in diesem Abschnitte nicht vermeiden, daß vieles
vorweg genommen wurde, was eigentlich unter 2. und 3. zu erwähnen
gewesen wäre. So mögen hier nur noch nachträglich einige Fälle auf-
geführt werden, in denen Biterolf mit der einen Bearbeitung der Klage
zusammentriflft, und zwar
2. Biterolf = Klage B.
6814 ff. daz man wgerliche 2583 verre bräbt üz heiden lant
zen heiden bi den stunden
niht bezzers hete funden.
9156 mantuotunsandemmserekunt, *96 dazmoere tuot unsvon im kunt,
KLAGE UND BITEKOLF. 21
11188 hie muget ir wunder hooren 1656 hie muget ir wunder hoeren
sagen. sagen.
11994 man sach bescheidenlichen daz 3398 sagt mir bescheidenliche daz
Häufig stellt im Biterolf eine Zahl mit oder mere (z. B". 86 oder
mere steht 12420) u. dgl. (*440. 12641 u. ö.). drizec oder me 1548 u. s. f.;
ebenso mit oder haz '^■llb. *1695. 4575 . . . 11637. 12429 u. ö. Diese
Wendung steht neben zweimal (1860. 2030, vgl. 2835) im gemeinsamen
Texte auch zweimal in *B, nämlich zeliene iinde (oder A) mere ^158 *B
und vierzec tüsent oder mer4260*B. — slahen unde stechen 8733. 9286 Bit.
= Kl. 764 B; mit sticken und mit siegen Bit. 10315.
Die Wendung . . der sprach duo | dem . . zuo, welche im Biterolf
häufig vorkommt (s. Jänicke zu 1194) findet sich in der Klage nur
einmal in *B, an einer Stelle, die ich nicht für echt halte, nämlich
2751 f.
Von oben gelegentlich angeführten Stellen wären etwa noch Kl. *B
1464. 1468. 2576. 4438 hier zu nennen.
3. Biterolf = Klage C.
Bit. 2847 deist unsin, vgl. Kl. 1454* (7: daz was gar ein unsin. —
si frumten verhouwen 10499 Bit. := Kl. 1426 *C: gevrumt erslagen. —
dirre wäre gotes degen Bit. *255, vgl. Kl. 1624* (7: der wäre degen
{In den beiden letzten Fällen halte ich übrigens den Text von *C nicht
für echt.) — holden muot (willen 9930) tragen *1175. 9930 Bit. =
Kl 3321 *a — [Üf unt ze tal Bit. 12270 = Kl 3554].
Von oben gelegentlich augeführten Stellen wären etwa noch Kl.
*C *439. 1374. 1803. 2791 hier zu nennen.
Alles dieß würde schon genügen zum Beweise, daß zwischen
Klage und Biterolf ein nahes Verwandtschaftsverhältniss bestehn muß.
Die Berührungspunkte sind so mannigfach, daß sie nicht in dem einen
aus Kenntniss des andern sich erklären lassen*). Wo möglich noch
schlagender sind die
III. ÜbereiiLstiniiiiuiigeii im Wort«9chatz,
wo an Entlehnung noch weniger zu denken ist.
1. Biterolf = dem gemeinsamen Texte der Klage.
antragen, an^e^m^enBit. 58 71 Anmerkung;**); an gewinnen Bit. 133595
[bejagen Bit. 7127. 8430. 9695. 10461. 13032 = Kl. *200*B (a); betagen
*) Als ein Beispiel, wie in solchem Falle das Verliältniss sich etwa stellt,
können die Berührungen mit dem Rother (s. unten p. 28 f.) dienen.
**) Die Belegstellen aus der Klage für die in diesem Verzeichniss aufgeführten
Wörter, sotern sie nicht angegeben sind, s. Klage, Einl. 68 ff.
22 A. EDZARDI
9388 Bit., in der Klage *200Cb, auf dieselbe Thatsache angewendet'-)] ;
behagen G022 Bit. = Kl. 1636. 3636 *B {missehagen 14); bedietcet 6377
Bit.^ bediet (: geriet) Kl. 1069; hescheidenlichen 8138. 11676 (imhesch.
8909) Bit; = Kl. 2889. 3398 *B; baltltche 3664. 13004 (baldediche *1482)
Bit. = Kl. 3995; benehen Bit. *1478 (Anm.) = Kl. 1766 (Anm.). 1943;
dürkel *1149. 2855 Bit. = Kl. 793. 3539.
enthalten (Aufenthalt gewähren) Bit. *973 = Kl. 2245; sich er-
hobt Bit. 4459. 10358 = Kl. 1337; ere gernde Bit. *35 = KL 2167. 4324;
freide (Subst.) Bit. 11377 (Anm.), freidebmre Bit. 10856, freide (Adj.)
Kl. 4075; rmsfer Bit. 11401 = Kl. 3182; vertragen c. dat. der Person
(und Acc. der Sache) Bit. *1073. 10510 = Kl.'(*552). 1299. 4273*B;
vercli häufig in Zusammensetzungen im Bit. (s. zu *1624) und in der
Klage (s. Einl. Q^); fremden (trans.) Bit. 2352, Kl. 2263.
goumen Bit. *1150. 3212 = Kl. 3152; gehügen Bit. 4408 = Kl.
1677; gestän (beistehn) Bit. 9469. 9926 = Kl. 1037; hergesellen Bit.
3029. 3825 = Kl. 1262; lionettmge Bit. 10697. 12187 (koneiotp *1866)
= K1. 920; JcurzUche 7817. 8422. 11531 Bit. = Kl. 1169*C. 3934; eren
hört Bit. 12418, ungeluckes hört Kl. 909, tilgende hört Kl. *65*C;
über hurten s. Bit. zu 8788.
letzen 11900. 11911 Bit. = Kl. 2879; lehendic Bit. *1562. *1583.
6433; misselingen Bit. 6474 = Kl. *270. 2338; nttslac Bit. 10894 = Kl.
1534; ougenweide Bit. 3260, Klage viermal; prüeven in beiden Gedichten
mehrfach belegt (vgl. Bit. zu 2785, Klage Einl. p. 70, s. imteu p. 28).
schirmen Bit. *359, ze scherme Kl. 2080 (vgl. schermen 3356);
sigen Bit. *736 (u. ü.?) = Kl. 950. 2345. 2500 {gesigen 3457 *B);
sweizen Bit. 10485, sioeiz {sweizen*B) 2357 Kl. ; seine Bit. *1030.
*1180. 9773 = Kl. 990; tioalm vgl. Bit. 12652 Anm., Kh 4561.
unhescheidenheit Bit. *503 = Kl. 735; ungenäde (= Unglück) 2348
Bit. = Kl. 2398. 2741; unverdrozzen Bit. *1413 (Anm.) = Kl. 1209; real
Bit. 11436. 11441 (u. ö.?) = Kl. 2063. 2501; wideru'infnje Bit. 10266
(Anm.) = Kl. 2228, tvine 4335 Bit.; ivunschliche Bit. *67. *286 = Kl.
2111, vgl. 980 [ze wünsche *46 Bit. = Kl. *97d]; zam loerden Bit. 12720
= Kl. 2306 (Anm.), ^nachen 10342 Bit., sin 12650 Bit.; ziere *1516 Bit.
= Kl. 1625*C. 2800*B.
2. Biterolf = Klage B.
bouc rot Bit. 6694 = Kl. 3486; crhoire Bit. 3450. 6226. 10860.
13190 = Kl. 4615; oihte Bit. *7n. 7722 = Kl. *426; zw flinsherte ringe
*) Darnach wäre meine Beurtlicilimg dieser Stelle vielleicht zu ändern.
KLAGE UND BITEROLF. 23
Klage 1319 vgl. Biter. 5209: stälherte ringe'^ gesinde (msc.) Biter.
9701. 11262 = Kl. 1572 (wo *B geändert hat, s. Einl. Iß); genendec-
liche Kl. 1236, genende 12955 (er ernande *S11) ', küener getelinc Bit.
5698. 6309. (8728). 9095 = Kl. 1320; manlich Bit. *559 = Kl. 1547;
nahtselde Bit. *1247. 2371. 3112. 4972. 5552. u. ö. = Kl. 3629; tmge-
lowpUch Bit. 6289 = Kl. 3637; üzerwelt Bit. 5505. 5805 = Kl. *464;
10 1 der wegen Bit. 7018. 8530 = Kl. 3456.
3. Biterolf = Klage C.
degenUche Bit. 10213 (undegenlwhe 9913. 11122) = Kl. 1235; en-
blanden Bit. 2953 (Anm.). 9120. 11354 = Kl. 4010; ervarn mit noch
durchschimmernder sinnlicher Bedeutung Bit. *274. 5835 = Kl. 2771;
eigen man Bit. 10887 = Kl. 2318; versniden Bit. 10842 = Kl. 2083;
geicizzeyiheit Kl. 2194, ungewizzenheit Bit. 2998; sipi^e Kl. 3292 = Bit.
4582. 5572. 6659, außerdem verchsippe , sippefriunt u. dgl. (s. Jan. zu
4165); sich samenen Kl. 1185 = Bit. 5265. 7258. 9985. 10086. schonen
Kl. 1455, geschonen Bit. 10450; kemenäte Bit. -439. *1880. 2267 = Kl.
*124. 2795; toheliche Bit. 8046. 9321 = Kl. 2908; ioiunen Bit 3600.
11101. 11331 = Kl. 2357; warten (= spähen) Bit. 8725 = Kl. 3092;
tvcetlich Bit. 7328. 8088 = Kl. 262. 2758.
Anhangsweise mag hier noch das Wenige folgen, was ich über
Wortformen und Reime zu sagen habe. Diesen Punkt hat Jänicke schon
so ausführlich in seiner Einleitung behandelt, daß ich hier nur weniges
hinzusetzen will, einiges auch von dem dort schon erwähnten wieder-
holend. Zu beachten ist:
unstaten : bat en Biter. 9049, vater : bat er KL 1323; die sine
(mine) : Eine Bit. 8953 (9317) = Kl. 2657. 2901. 4489; dehein (nom.
masc.) : stein Bit. 3382, dehein {acc. msc.) : euein Kl. 2869 ; deheine {nom.
sg. masc.) : algemeine 7554 Bit., deheine (w. sg. f.) : gesteine Kl. 4530^
: kleine 4537 (*C, : algemeine *i?); ich verbir : ir Bit. 8015, ich bit : Si-
frit 7300, ich nim : im Kl. 86; minnist : list Bit. 8453 = Kl. 1729;
fiure : ungehiure Bit. 10605 = Kl. 1763; süene (d. h. suone) : küene
Bit. 12371. 12403. 12535, Kl. 1304, vgl. zu 1643 f.; march : starc Bit.
8713. 8871. 9201. 9235, s. Kl. Einl. p. 45; genät : stät BÜ. *1157, Kl.
4:622* C : ubernät : sigelat; auffallend ist frouwen : trouwen (= triwen)
Bit. 7019. 7149 = Kl. 4332 C : riwen : getrowen, heachtensiverth sän im
Beim 8101. 9700. 13293 {neben sä, auch im Beim) = Kl. 3224: -ß-^
3906 *Z?; albegarwe : varwe Bit. 8132, vgl. Kl. Einl. p. 12.
24 A. EDZARDI
Endlich führe ich an henehen mm KK 1943, neben sin Bit. 6100.
10421. (vgl. Jänicke zu *682); zu Bit. 3060: ungruoz der sine, vgl. kunec
der mtne Kl. 1327*). Burgondcere**) habe ich in der Klage aus Reim-
corrcctur erklärt (Einl. p. 82 f.), nämhch an den Stellen 3606 *B und
4460. Auch im Biterolf findet sich diese Form,
nämlich: wo das Original vielleicht lautete:
4703 f. niht die Burgondsere. under di Burgonden 1 , t^ ,.^„ »
do hiez ouch sagen ir maere do hiezir sagen künde J ^
7743 f. den die Burgondasre, den die Burgonden,
die stolzen beide msere die stolzen helede junge
13039 f. die stolzen Burgondajre (die helede junge steht oft im Bit.)
al ir zit üf werdiu msere.
Natürlich sind meine Herstellungsversuche nur Möglichkeiten, die
in Betracht kommen, falls man den Bearbeiter des Biterolf mit dem
ersten Umdichter der Klage in Berührung bringen will, oder wenn man
annimmt, daß auch die unserem Biterolf zu Grunde liegende Dichtung
wieder Umarbeitung eines älteren Werkes war (vgl. unten p. 26 Anm.).
Aus allem angeführten erhellt, daß eine nahe Verwandtschaft
zwischen Biterolf nnd Klage besteht, wie auch W. Grimm schon gute
Gründe dafür angeführt hat***). Natürlich hat aber auch Jänicke sich
nicht ohne triftige Gründe dagegen erklärt. Er kommt zu folgendem
Resultat (XXVII):
„Recapitulieren wir jetzt, was für und gegen W. Grimms Annahme
gesagt ist, so hat sich oben s. XXIII f ergeben, daß die Widersprüche
des Inhalts nicht gegen einen Dichter entscheiden, wohl aber spricht
der verschiedene Umfang der Sagenkeuntuis und ihre Handhabung im
Biterolf nicht dafür. Dasselbe Resultat liefert ungefähr die Betrachtung
des Formellen: manches im Reim und Versbau ist beiden Gedichten
gemeinsam, doch lässt sich dies auch genügend erklären
aus der gleichen Heimat und Zeit des Bit. und der Klage. Da-
gegen finden sich im Bit. manche Freiheiten in viel ausgedehnterem
Maße (wobei man den größeren Umfang des Gedichtes nicht allzu sehr
in Anschlag bringen darf), manche andere auch die in der Klage gar nicht
vorkommen. Dazu treten die vorhin besprochenen Differenzen im Stil
und Sprachgebrauch. Wenn man auch zugibt^ daß ein Dichter Sprache,
Reim und Versbau mit der Zeit ändern konnte, wie es für Hartmann
*) So nach meiner Auflassung der Stelle, die ich in der Anm. zu 1326 ff. er-
läutert und in den Nachträgen begründet habe.
**) Im Mild, ist die Form meines Wissens sonst nicht belegt.
***) Auf die ich hiermit verweise, da ich sie nicht mit aufgeführt_habe.
KLAGE UND BITEROLF. 25
die Anm. zu Iwein vielfach dartun, so wird man docli auch hier, da
die Annahme eines Verfassers für Bit. und Kl. nur auf einer Vermutung-
beruht, lieber diese Vermutung wegen der angeführten Verschieden-
heiten fallen lassen als sie trotz dieser Verschiedenheiten aufrecht zu
erhalten suchen."
Dieß Urtheil beruht auf sorgfältigen Einzel- Untersuchungen
und lässt sich daher im wesentlichen nicht bestreiten. Hervorzuheben
ist indessen, daß auch Jänicke vielfach Übereinstimmungen im For-
mellen (in Reim und Versbau u. dgl.) zugibt. Es lässt sich nun wohl
ein Weg finden, auf dem sich die beiden widersprechenden Ansichten
vereinigen lassen, indem die Wahrheit wohl in der Mitte liegt.
Ehe ich zur Entwickelung dieser meiner Ansicht übergehe, will
ich mich aber gegen einen Grund wenden, den Jänicke geltend gemacht
hat,*) daß nämlich zwischen der „dürftigen, unfreien Weise des Klage-
dichters (Lm. zur Klage p. 288)", die es „nicht weiter brachte als zu
einer fast mechanischen Umformung eines älteren Werkes" und der
des Biterolfdichters , der „sich völlig Herr seines Stoffes fühle" eine
„innerhalb weniger Jahre unüberwindbare Kluft" sei. Ich muß hier-
gegen durchaus Einspruch erheben. Allerdings ist dem Biterolf eine
gewisse Gewandtheit in der Handhabung des formellen nicht abzu-
sprechen; aber fehlt dieß der Klage? Natürlich spreche ich nicht von
einer der Bearbeitungen *B und *C, sondern von dem Original, da&
beiden zu Grunde liegt, wie ich in meiner Einleitung glaube bewiesen
zu haben. Ich meine, man muß sich hüten, das Talent des Dichters
der Klage ebensowohl zu unterschätzen wie zu überschätzen. Man
darf nicht vergessen, daß der Stoff von vornherein gegeben war und
wird daher die Schönheit der ergreifenden Scene in Bechelaren nicht
der Kunst des Dichters allein zuschreiben, eben so wenig aber auch
dieselbe dafür verantwortlich machen, wenn die fortwährend auf ein-
ander folgenden Klagen im ersten Theil uns ermüden. Über die Wahl
des Stoffes lässt sich streiten, darüber aber, meineich, nicht, daß nur
eui nicht gering begabter Dichter so viel Abwechslung in die ewigen
Wiederholungen hat bringen können, daß uns diese Partie überhaupt
noch erträglich ist.
So viel hierüber. Ich möchte nun die Ansicht aufstellen, daß nicht
das ursprüngliche Gedicht, sondern die Umarbeitung der Klage, welche
ich in meiner Ausgabe „das Original" nenne, mit dem Biterolf denselben
Verfasser hat. So, scheint mir, lassen die widerstreitenden^Ausichten
*) in seiner Einl. XXIV.
2(\ A. EDZARDI
sich vereinigen. Es bleiben dann aber noch verschiedene Möglichkeiten ;
CS kann nämlich die Bearbeitung des Biterolf, welche uns erhalten ist,
vom Umdichter der Klage herrühren oder das alte dieser zu Grunde
liegende Gedicht. Denn, daß der Biterolf in der uns vorliegenden Ge-
stalt Bearbeitung eines älteren Gedichtes ist, bestreitet wohl niemand.
Jänicke hat in der Einleitung überzeugend nachgewiesen, daß die
beiden ersten Aventiuren von dem Bearbeiter hinzugedichtet sind, oder,
wie ich mich vorsichtiger ausdrücken möchte, daß der Bearbeiter, wenn
er die beiden Aventiuren nicht selbst dichtete, darin doch viel selb-
ständiger verfuhr als in dem großen zweiten Theile. Jänicke hat ferner
nachgewiesen, daß dieser Bearbeiter ein Spielmann war (XVIII). Ich
möchte dafür noch auf eine Stelle hinweisen, die dieß sehr deutlich
zeigt. Es heißt nämlich
4054 £f. hete ein künec nu goldes rot
groezer daune wsere ein berc,
si tseten niht als miltiu werc.
der fürsten lop und ere,
daz swindet leider sere.
Daß derselbe auch den Rother und andere Spielmannsgedichte
gekannt habe, werde ich am Schluße wahrscheinlich zu machen suchen.
Nun wird diese Bearbeitung von Jänicke „um 1210 und nicht
viel später" gesetzt. In der That lassen die Reime und die Behandlung
des Versmaßes dieselbe nicht über 1190 hinaufrücken, sie stimmt viel-
mehr darin ungefähr zu den Bearbeitungen *B und *C der Klage. Da-
mit wäre die Wahrscheinlichkeit, daß der ümdichter der Klage und
der Bearbeiter des Biterolf ^ine Person seien, schon gering geworden,
denn die ümdichtung der Klage glaube ich um 1170 (vielleicht 1170
bis 1180) setzen zu müssen. Wir haben also als den wahrscheinlicheren
Fall den ins Auge zu fassen^, daß der Dichter des verlorenen
Originals des Biterolf mit dem Umdichter der Klage iden-
tisch sei. Immerhin will ich aber die Möglichkeit der ersteren
Annahme nicht leugnen. Sehen wir aber von ihr ab, so bleiben nur
folgende Erklärungen für die Übereinstimmungen in den ersten Aven-
tiuren des Biterolf mit der Klage: entweder, und das ist mir das
wahrscheinlichere, haben auch diese ersten Aventiuren mit den andern
den gleichen Verfasserund sind nur stärker umgearbeitet als die übrigen*),
*) Im Grunde widersprechen Jänickes Uutersucliungen dem auch nicht, denn
neben den von ihm aufgezählten sprachlichen Abweichungen finden sich auch wieder
viele auffallende Übereinstimmungen (vgl. auch oben meine Zusammenstellungen).
Eine Möglichkeit, für deren Wahrscheinlichkeit ich freilich keine positiven Gründe
anführen kann, wäre auch, daß der Ümdichter der Klage ebenfalls den Biterolf aus
KLAGE UND BITEROLF. 27
wie wir auch die Bearbeitungen der Klage zu Anfang stärker ändern
sehen; oder es müsste der Bearbeiter die Klage benutzt haben (und
zwar in beiden Bearbeitungen), wofür aber der Übereinstimmungen zu
viele und zu auffallende sind*).
Aus dem hier entwickelten Gesichtspunkte erklären sich alle Über-
einstimmungen des gemeinsamen Klagetextes mit dem Bit., und das
sind weitaus die meisten. Für die Fälle, in denen nur einer der Texte
*B oder *C zum Bit. stimmt, würde aber folgen, daß, sofern auf die
betr. Übereinstimmung überhaupt Gewicht zu legen ist, der betr. Text
für echt zu halten wäre.
Nur für *C ist dieß auch zutreffend. Denn in den meisten Fällen
werden dadurch meine auf anderem Wege gewonnenen Resultate be-
stätigt, so Kl. *C *124 ff. 1454. 3103. 3595 u. ö. — ferner enhlanden
4010, versniden 2083, sich samenen 1185, toumen 2357 u. a. In einzelnen
Fällen, wo ich unentschieden war, gibt die Übereinstimmung mit Bit.
die Entscheidung an die Hand oder die hier gewonnenen Resultate
weichen in unwesentlichen Punkten von jenen ab, so Kl. *C *39. *155 f.
*203f. 1659 f. 3321. 3345. 3767 u. ö. — ermni 2771, geioizzenheÜ 2194.
u. a. Nur ganz wenige Fälle bleiben übrig, in denen sie meinen für
die Klage genommenen Ansichten gradezu widersprechen. Darunter ist
aber kein Fall von besonderem Gewicht, so daß ich diese Überein-
stimmungen sehr wohl für zufällig zu halten berechtigt bin. Hierher
gehört Kl. *C 756. 963 f. 1426. 1624. 3554. 4470, auch ivcetUch 262. 2758.
Bei *B mag die Sache wohl ebenso liegen. Ich war allerdings
eine Zeit lang geneigt zu glauben, daß der Bearbeiter der Klage *B
und der letzte Bearbeiter des Biterolf identisch seien, weil grade in
Quellenberufungen und an Stellen, wo schwerlich *B das Echte bewahrt
hat, sich mehrfach Übereinstimmungen zwischen Klage *B und Biterolf
finden, auch die im Biterolf häufige Verbindung von oder mere mit einer
Zahl (s. S. 21) neben zwei Fällen im gemeinsamen Text sich auch zwei-
mal in *B (nicht aber in *C) findet, wo ich *C aus anderen Gründen
einer alten Vorlage umgedichtet hätte, und daß er die ersten Aventiuren hinzugefügt,
der letzte Bearbeiter aber sich auf geringere, im wesentlichen formelle Änderungen
beschränkt hätte, wie die Bearbeiter der Klage ^*B und '■'C. Wenn sich für diese An-
nahme, die vorläufig durchaus nur eine unerwiesene Vermuthung ist, irgend etwas an-
führen lässt, so ist es die verhältnissmäßig sehr häufige Übereinstimmung von Stellen
der ersten Klageaventiure mit den beiden ersten Biterolfaventiuren, die beide aus diesem
Giimde mit Sternchen bezeichnet sind.
*) Über einige Übereinstimmungen zwischen Klage *B uud den ersten Aventiuren
des Biterolf spreche ich noch unten.
28 A. EDZARDI
für echt halte. Theilweise sind aber diese Gründe nicht so zwingend,
theilweise ist auf jene Übereinstimmungen nicht genug Gewicht zu
legen, die angedeutete Ansicht damit zu begründen, die aber immer-
hin möglich bleibt*).
Ziehe ich das Resultat aus dem bisher gesagten, so ist es für
die Klao-e dieß, daß Übereinstimmungen eines Textes mit Bit. bei der
Frao-e der Echtheit ins Gewicht fallen, und daß somit ein neuer, nicht
unwichtiger Gesichtspunkt für die Textkritik gewonnen ist.
Ich hatte in meiner Klage (Einl. 77, Anm. 11) die Vermuthuug
aufo-estellt, daß der Anfang, etwa die erste Aventiure nach der Ein-
theiluno- in *C, von dem Umdichter hinzugefügt sei, um eine Einleitung
zu gewinnen. Es sind nun die zahlreichen Übereinstimmungen mit Bit.
und namentlich mit dessen Eingange gerade in der ersten Klageaven-
tiure, auf die ich schon oben hingewiesen habe, zu beachten, welche
diese Ansicht nicht wenig stützen. Ferner sei bemerkt, daß auch ein-
zelne Wörter sich nur im Eingange der Klage, häufig aber im Bit.
finden, so pris Kl. *207. *25*C, Bit. oft, s. zu 52; betragen Kl. 222 *B,
Bit. oft, s. zu 242; diet *577 Kl. (sonst nur noch *C 2669) = Bit. *1677;
prüeven *48. *305. *561. [4695 C] ; lool gelobt *240 *B Kl. ; vgl. hochgelobt Bit.
*277 (Anm.); wzer/corn *364, üzerkant *4:4:'[ [ttzerzüe/i *464*B] finden sich
meines Wissens sonst nicht in der Klage; ein icint *159. [737], spcäter
ein niht 1821. 2427. Außerdem findet sich eine Reihe von sonst in der
Klage mehrfach vorkommenden Wörtern in der ersten Aventiure nicht,
was natürlich in jedem einzelnen Falle Zufall sein kann.**).
Schließlich sollen noch eine Reihe von Übereinstimmungen des
Biterolf mit dem Rother zusammengestellt werden, die nach meiner
Ansicht auf Benutzung dieses Gedichtes schließen lassen***).
Biterolf: Rotherf):
*300 selbe wolde er got sin (Jnm.) 25G8 Her wolde selve wesen got.
*1905 er gedähte im eines namen 168 einis zeines her ime gedachte.
*) Dafür könnten außer dem angeführten die Stellen Kl. *B 2621. 2751 f.
2754; gesinde msc. 1572, ■Cizenvelt 3456 u. a. sprechen.
**) Ich kann mich hier nicht weiter auf diese Frage einlassen, doch möchte
sie wohl eine Untersuchung lohnen. Es würde sich dann namentlich fragen, ob Wörter,
die in der ersten Aventiure der Klage nicht vorkommen, ebenfalls im Bit. fehlen. Vgl.
auch Nachtr. zu Kl. 4460 ff.
***) Daß die Gudrun im Bit. benutzt ist, ist bekannt. Auch das Nib.-Lied scheint
darin benutzt zu sein.
t) Ich citicre nach einem genau verglichenen Exemplar des Maßmannschen
Abdruckes. Verszahlen aus Partien, die ich für sicher interpoliert halte, sind in Klam-
mern gesetzt, solche, die ich für vielleicht interpoliert halte, mit Sternchen versehen.
KLAGE UND BITEKOLF.
29
2635 daz im giäwe nu der bart
4846 als man herren boten sol.
Anderes der Art s. oben.
4461 der alte man
5685 nach wünsche stuont in ir diuc
5663 f. brähten die recken junge
zuo der samenunge
5810 f. si wären im nu so nähen,
daz 81 den rouch wol sähen
vgl. Kl. 3100.
6422 ob mir daz wäfen min gestät
6440 wil mir diu stange min gestän.
6039 f. den aller tiuresten man
der ie urbor gewan
8634 ir tüsent ritter wol gar
10698 da dürften si nibt fragen
7479 ff. mit golde unt mit gesteine.
manege perle kleine
sach man verwieret dar in
9158 f. Stuotfuhs niht mohte tragen
nehein ros einer inile breit.
11629 wir wellen Rüedegers gedagen
10622 daz im got gebe leit.
3192 dazheteerfüreinkindes spil
7845 daz was im gar ein k in des spil
3369 Mir nist der bart nie so grä.
u. d(]l. m.
2027 f. So sal men einir kunin-
ginne | ir botin minnin.
So heißt Berhter formelhaft.
Über diese Wendung s. Germ.
XVm, 448.
3437 f. So vor ich helede junge
Z6 der samenunge
2645 f. Die ligetin sich also nähe,
Daz si den rovh gesägen
4246 Biz ime die stange ze brach
1005 mir nezo breche die stange min.
Orend. 52. 49. 1 mirne breche dise stange.
4071 der aller türiste man,
der ie konin[c]riche gewan
3404 Zvelif dusent ritare walle gare.
4017 Da dorfte nieman urägan, vgl.
Kl. 3293.
4581 Da clappende daz gesteine.
Mit den is perlin deine.
itber gewiere, gewierot s- Germ.
XVIII, 419.
648 den ne mohte niehein ros ge-
tragen = Orend 33. 3. 4.
*4195 Nu willich lotheres gedagin..
1248 daz der got geve göt.
808 iz ni ist niehein kindis spil.
11342 phat treten = Roth. 3685; järiä Bit. 7873 {Anm). 11107 = Both.
2856. 3045; jäcliancle Bit. 7483 = Roth. 223 u. ö.; recken namen Bit,
11343 = Roth. 1897, fiirsten namen Bit. 11622 = Roth. [4343]; die schar
breit Bit. 11278 = Roth. 722; tiurlich Bit. 5666, im Roth, oß; sich
für nemen Bit. 3566. 5752. 9102 = Roth. [4349].
Nach dieser Zusammenstellung scheint im Bit. die uns erhaltene
Bearbeitung benutzt zu sein. Daß der Rother überhaupt benutzt ist,
scheint mir aus der beträchtlichen Zahl der übereinstimmenden [Wörter
und] Wendungen hervorzugehen, wenn schon viele derselben sich sonst
auch hier und da in der Spielmannspoesie wiederfinden. Schheßlich
merke ich noch an, daß die besonders im Oswalt häufige Formel . .
hiez er springen, . . bringen sich im Biterolf zweimal findet, nämlich
30 ADALREKT JEITTELES, DIE ZEHN LEBENSALTER.
6219 f. dar nach hiez er springen
und Waltheren bringen.
6205 f. Do bat der künic springen
und vil balde bringen;
ferner steht *877 f. [der degen] ze gähes gar e man de
daz er in an gerande,
eine im Orendel häufige Formel.
ANKLAM im December 1874. A. EDZASDL
DIE ZEHN LEBENSALTER.
Zu den von Wilh. Wackernagel in seinem anziehenden Buche
'Die Lebensalter S. 30 ff. angeführten Reimsprüchen, welche die
Theilung des menschlichen Lebens in 10 Altersstufen zum Gegenstand
haben, hat unlängst Karl Bartsch in den 'Germanist. Studien Bd. I, 6
einen Nachtrag geliefert, der aus viel früherer Zeit als die von Wacker-
nagel mitgetheilten Sprüche datiert*). Eine andere nicht sowohl durch
ihr Alter als durch ihre Fassung interessante handschriftliche Lesart steht
in dem der hiesigen Universitätsbibliothek gehörigen und unter Signatur
Theol. L 1021 aufgestellten Mischband auf dem Vorsetzblatt zu der Schrift
von Pamph. Gengenbach 'Die zelien alter der welt\ s. 1. 1534. 8. Nach
den Schriftzügen und Spracheigenthümlichkeiten zu schließen, scheint
sie nicht allzu lange nach dem Erscheinen des genannten Buchs niederge-
schrieben worden zu sein. Sie ist von den von Wackernagel und Bartsch
bekannt gemachten Versionen mehrfach verschieden und lautet:
Die zehen Alter.
Zehen jar ein kint,
zwainzig jar wiz und sin,
dreissig jar ein erwagsener man,
vierzig jar wol gethan,
funffzig jar stille**) stan,
sechzig jar ein weiser man,
sibentzig jar widter abe lan,
achtzig jar an khrukhen gan,
neuntzig jar der khinter spott,
ain hundtert jar genadt dier gott.
GRAZ. AD ALBERT JEITTELES.
*) Aufgenommen in Wackernagels 'Kleinere Schriften'.
**) Hs. Stil er.
F. BECK, SPENDEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG NEUHD. WORTFORMEN. 31
SPENDEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG NEU-
HOCHDEUTSCHER WORTFORMEK
(Fortsetzung zu dieser Zeitschr. VI (XVIII) 257 folg.)
VON
FEDOR BECK.
Försterei, f. (vergl. Weigand I, 484) findet sich bis jetzt zuerst
erwähnt bei Schäfer, Sachsenchronik I, S. 29: czwischen dem hrucken-
hof lind der forsterye (Dresdener Urk. a. 1413).
Fourier, m., glaube ich schon vor dem 16. Jahrh. in Deutschland
zu finden bei Bruder Hansen in den Marienl. 907 : ave gotes forir icas.
de im hat siin logiis in dich ghenomen; dasselbe Wort scheint vorere im
Urkundenbuch der Stadt Göttingen ed. Schmidt I, S. 212, 12; Walther
uppe der reyse eyn hovetman, eyn anleggere und vorere ivas (a. 1364) j
S. 397, 30 (a. 1397).
füdern, fodern, swv., mit Auslassung des r für fürdern^ fördern
geht noch hinter das 15. Jahrh. zurück in österreichischen Quellen,
z. B. bei Zeibig, Urkundenbuch des St. Klosterneuburg S. 86: daz wir
in fuederleich sulen sein (a. 1303), ebenso S. 117 (a. 1309); bei Raab,
Urkundenb. von Seitenstetten S. 240: zu helf und zu fuedrung und: di
auch ir genäd und ir fuedrung darzü getan habent (a. 1360) ; füderlichen
auch in Docens Mise. II, 51 (14. Jahrh.).
förmlich, adv. erscheint am frühesten bei Meister Eckhart 399, 5 :
und möchte ez formeliche äne zuoval besten) vergl. auch 21, 36 sioie daz
lieht st förmelich in deme lüfte, ez ist doch loeselich in der sunne.
forschung, f., mhd. vorschunge in einem Fragmente einer theo-
logischen Abhandlung des 14. Jahrhunderts in den Altd. Bl. II, 98:
dise vorschunge het ouch etteliche bracht in sogetänen wän.
franke, franken, m. als Bezeichnung einer Münze schon in den
Reichstagsacten von Weizsäcker I, 515, 6: item sal ein franke gelden
zwene unde zivenzigesten halben lüißpennig (a. 1385/86); in einem Münz-
vertrag von 1393 in den Chroniken der deut. Städte IX, 998, 27 : item
ein guten alten francken nun oder zehen pfenninge höher denne ein guten
rinschen güldin.
freier, m., schon sehr früh vorhanden, so bei Ebernand von Er-
furt 968: er was hier frigere, diebrütlouft er zesamene treip; Joh. Marien-
32 FEDOR BECH
Werder im Leben der h. Dorothea III, c. 26 : noch irer cztrunge freyte
sy der schöne hrewtegam mit vil hotin addir freyer, dy her czü ir sante;
dij bot in adir f reifer worn de>' heylige geist (um 1400).
freite^ f. „Liebes-, Heiratswerbung", am frühesten bis jetzt in den
handschriftl. Varianten zum Armen Heinrich von Hartmann V. 1453:
■nmh tlich vriät ; im Urkundenbuch des histor. Vereins von Niedersachsen
VII, 24, 4: ein hrief den her Hervian lantgrave zcu Hessen uns gegeben
hat tiff die frihäte fraicen Agnes unser lieben hüsfrawen (a. 1409); bei
Johannes Rothe Chron. cap. 422: dise lobellche botschaft unde friote
und cap. 675: iif dem hove tcart eine friote geslagen; bei Konr, Stolle
Chron. 41: von einer frlete'^ 44 um.me dy f riete des alden hern tochter.
frequentieren, swv., finde ich zuerst bei Ernst von Kirchberg S. 767 :
dy schule her frequentirte, mit kunst her vast sich czlrte.
fresser, m., erscheint mhd. in der Form vrezzer zuerst bei Berthold
von Regensburg 19, 34: die trenker unde die frezzer, die dicke und oft
tind eteliche tac unde naht zem wine ligent\ und 190, 36: frezzer und über-
trinker.
frevler, m., ist vor 1469 schon zu finden bei Berthold von Regens-
burg 493, 2: nü sich, freveler an gofe, wä bist du nü mit dinen s-ünden;
Bechstein im Wörterbuch zu Matthias von Beheims Evangelienbuch
S. 319 5 Rechtsbuch nach Distinctionen ed. Ortloff S. 116, 50: queme
ouch disse frevelere dovon. Von mitteld. Formen^ in denen nach dem
Anlaut / {v) oft noch ein Vocal (o oder e) eingeschoben ist, finden
sich außer den in dieser Zeitschrift (X, 402-403; VII, 100; V, 233)
vermerkten noch folgende Beispiele: Fahne, Forschungen I, 2, 23; icere
dat Sache, dat de man dri mäinde in verafuele stüende (a. 1260); II, 2, 87:
zu boissen umbe den vuravil (a. 1330); II, 2, 89: mit vuravelgeide ; Diefen-
bach Gloss. 621'' violentus, vorehil; in Urkunden der Wetterau, Weist.
V, 246 verebelichen und so 247 und in Hoefers Auswahl 253 (a. 1332)
vireheliche] — im Mitteldeutschen Schachbuch ed. Sievers steht nach
der Handschr. virebilich statt des in den Text gesetzten vrebilich 213, 31 ;
216, 29; 222, 10; — in einem Zeitzer Manuscr. (Aposteln und Ge-
zügnissbriefe, a. 1422 — 38) vorehelich; — in Boehraers Urkundenbuch
von Frankfurt S. 719: der — icidder die scheffene virebilt hette (a. 1367).
Mit Ausnahme von Weist. III, 661, einem Weisthume der Grafschaft
Werdenfels in Baiern vom Jahre 1431 (wo es heißt: mit veräffenlichn
zornigen icordtn) und einem Weisthum von Webenheim u. Minbach
V, 695 (wo sich verebel findet) habe ich derartige Formen nur in md.
Gegenden wahrgenommen. Dort können sie durch die Nachbarschaft
des Niederdeutschen hervorgebracht sein, wo gewöhnlich icrevel ge-
SPENDEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG NEUHOCHD. WORTFORMEN. 33
sprochen wurde, vgl. Schröders Anm. zu Reinke de Vos 5676 ; Diefeub.
621^ violentia wreyvilkeit. Deu betreffenden Vocal im Anlaut halte ich
daher nicht für ursprünglich, sondern für einen dunkeln unklaren
Zwischenlaut, der in dieser Cousonanten Verbindung auch anderwärts
zu Tage tritt, z. B. in den Denkm. von Müllenhoff und Scherer 79, 5
virist = vrist'^ in Haupts Zeitschr. III, 519, 3 (= Bekehrung des Paulus,
aus dem 12. Jahrh.) daz ich niut besizze die vereislichin [hjizze und so
noch bei Stieler im Teutschen SjDrachsch. 32 : vereischliche^ das, scahiei
genus\ verechfer = vrechter, f rächt er im D. Wörterb. IV, 47 ; /wj'acÄf-
ivagen = frachhcagen ebenda 425; furumh = frumh bei Mich. Beheim
233, 23; vorig = lorig bei Ernst v. Kirchberg 764, 45: heisir Otto, der
loart hegrahin sunder vorig gar keisirlich zii Brünsing (doch icrig 766);
wahrscheinlich auch voryren = vrreren in Joh. Rothes Chronik cap. 421,
vergl. in dieser Zeitschr. V, 233, und Joh. Rothes Elisabeth S. 2049 C.
fröhlichkeit, f., am frühesten bis jetzt in der Windberger Inter-
linearversion der Psalmen S. 649 : frolicheit, jocunditas.
frühstück, n. , bereits in deu Liedern unter Neidharts Namen in
MS. H. III, 309^' und 310": von dem vruestük süln icir gän sän daii
hinne ziio dem bade.
füglich, adj., findet sich in den Gesta Rom. 172, 5 (Anfang des
15. Jahrh.); die fügleich zu dem streit icären\ Diefenb. 31 P jugalis,
fügelich (a. 1470).
fuhrlohn, f uhrmann, fuhrioerk; Zusammensetzungen mit Fuhre
trifft man schon vor dem 15. Jahrhundert; so vuorlon bei Heinrich von
dem Türlin in der Krone 17351: tmd vuort in äne arebeit dne vuorlon*)
in daz lant'^ im Freiberger Stadtrecht ed. Schott 270, 10: he gibit sm
vürlon alse recht ist; vergl. Ott Rulands Handlungsb. 5, 11: das fuor-
lon hän ich ausgericht. — Orlamundische Statuten in Walchs Beitr.
II, 74: die selbigen fürlüte sullin czolles frey sm (14. Jahrh.?). — Stadt-
recht von Meran (14. Jahrh.) bei Haupt Ztschr. VI, 426: die underkoüfel
sullent nemen — ze lone — von ie dem vuorman der die pfert lihet ouch
zicene zweinziger ; Freiberger Stadtrecht 270, 8 : sendet he daz silber dar
bi eineme vürman; und S. 18: dem vürmanne sal he zu rechte keine schult
^feften; Wiener Weichbildbuch ed. Schuster Art. 49 (ftiorman und fuor-
leut)-^ — Conrad von Weinsberg, Einnahmen- und Ausgabenregister S. 69:
item ich gäbe einem fürman von Meintz bies gen Coln 1\ gülden (a. 1437
*) Das Wort ist an dieser Stelle vielleicht nicht echte Überlieferung für verlon
oder vergenlon, vergl. ebenda 20278 und 20287; Espe, Bericht vom J. 1845, S. 21: vo
svllen sie ferlon gehen (a. 1380) und Kulmisches Recht ed. Leman S. 4.
ÜERJUNIA. Neue Reihe. VII. (XIX.) Jahrg. 3
34 FEDOR BECH
bis 38) ; ebenda S. 70 : den fürlUten von Coln gen Och gab ich zu lönne
5 cjulden. — Wittenbergische Urkunden in Espes Bericht vom J, 1845,
S. 21 : sotäne wäre die czu koufenschacz und czu furioerc gehöret (a. 1380).
fundieren, swv., schon bei Meister Eckhart 39, 15: daz inner be-
kennen ist daz sich verminftechUch ist fundier ent in unserr sele wesen;
in den Predigten und Tractaten deutscher Mystiker ed. Pfeiffer (Haupts
Ztschr. VIII) 426, 4: ditt iverk, ditt dar uf dise widertragunge gefun-
dieret sint] Ernst v. Kirchberg 727, 65: dy kirchen hatte — der
hischof gefundiret (: gecziret).
fünfer, m. vor Serranus zu 'finden in Schreibers Urkundenbuch
der St. Freiburg I, 524 : wie dicke deheiner der vorgenanten fünfer (vor-
her ist die Rede von dem gemeinen fünßman) abgienge; und weiter:
alle ding, die zuo der fünfer haut gesetzt sint (a. 1368).
funken, swv., vor Matthesius schon anzutreffen im Lohengrin 3006
(Mhd. Wörterb. III, 436") und im J. Titurel 36, 4 ed. Hahn (in den
Resrensburffer Bruchstücken bei K. Roth S. 37 : sich venchet für sich
funket, wie auch 495, 4 ed. Hahn sich venket : ungenket); 407, 1: von
golde ein ar geroetet, gefiuret und. gefunket (: gedunket) ; 3656, 4: der
schuof daz vil helme nach im functen (: hesuncten).
fürbitte. f. erscheint, ganz im neuhochd. Sinne, in der ind. Form
vorbete schon vor Luther bei Ebernand V. 1812: er seite in ivie diz
komen loas, daz er von der vorbete genas sancti Benedicti; im Urkunden-
buch der St. Leipzig I, S. 175: der sal dem rate äne vorbete unde un-
leßelichen 10 nüioe gr. geben (a. 1444—46).
fürhang, m. im Sinne von: hervorstehender, über die Straße reichen-
der Theil an einem Gebäude, in einem Weisthum von Andernach
(a. 1498) bei Grimm II, 629: vort so sollen die vurhenge und overhenge
vur den kaifhüseren uf der stede maisse und isen vur den vinstern hangen.
fürsprache, m., ei*scheint in der Walkenrieder Urkunde I^ S. 230:
Conradus de Bela vorspräche (a. 1260); bei Michelseu, Codex Thuring.
diplom. S. 63: Andreas Eegilfüs vorspräche (a. 1400); Purgoldts Rechts-
buch (Ortloffs Samml. II) S. 153: die gemitten vorsprochen an den ge-
richten; und an dem geriehte da ist der vorsprochen zcunge veile; S. 158:
nach unserm stadtrechte nymant vorsproch ist; 166 u. 178; 268: der
valsche vorspräche und so 304.
furzen, swv. bombisare, schon aus dem 14. Jahrhundnrt nachweis-
bar, z. B. in Morolf I, 3484: M. durch sine liste sere forczen began; II,
424: czorn machet gräe häre, der ars farczet, das ist wäre und 522;
Böhmers Urkundenb. von Frankfurts. 751 (a. 1377): wer in des hant-
werks orten virkwn ioorte dede adir furczte ader anders unhubisch
were u. s. w.
SPENDEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG NEUHOCHD. WORTFORMEN. 35
fußen, swv., sich stützen, stoßen, bereits enthalten in den Magde-
burger Fragen ed. Behrend B. I, cap. 6, dist. 2: dy sparren synes daches
füssen nicht uff dy nmioere (14. Jahrh.).
fütterung, f. mittelhochdeutsch bis jetzt am frühesten in dem Ur-
kundenbucbe von Neustift in Tirol S. 419 (a. 1390): mein gut — ist
frey von aller vogtey und futrung [advocacia et pahulacio).
gallosche, f. Überschuh, auch kalosche; aus dem 15. — 16. Jahr-
hundert mit cloczen und calotzchen belegt; aber wohl schon im 13. Jahrh.
in Deutschland bekannt, wie der Name Heinrich genant Kaloze zeigt
im Urkundenbuch von Arnsburg S. 168 (a. 1292).
galraei, m., vergl. Lexer s. v. calemine'^ am frühesten bei Böhmer
Urkundenbuch von Frankfurt S. 505 in einem Zollrodel von 1329 (?):
item cride und calmei, die ingiebt keinen zol, und sermetäne.
garkoch, m., zeigt sich zuerst im Nordhäuser Schultheißenbuch
von Förstemann N. Mitth. (15. — 16. Jahrh.) II, 16: von garhretern: sen-
det ein hrether adir garkoch eynen unser horger heym ungebe fleisch, der
gebit eyn pfunt deme rathe.
gattung, f., schon vor Luther vorhanden, wie folgende Beispiele
zeigen: Nürnberger Polizeiordnung ed. Baader S. 222: dieselben drey-
erley gattung mag ein yeder alle oder eins teils, loelche er wil, pachen, doch
also, das ein yede gattuny ires gelts und anzal wert sey; Niclas von
Wyle, Translat. 282, 2; Anthonius Phor, Buch der Beisp. 157, 31 ; Weist.
III, 778.
gebäcke, n., vor dem 16. Jahrh. schon vorkommend in der Er-
lösung ed. Bartsch 6493 : mit sieden und gebacke (: gesmacke) ; im Nord-
häuser Schultheißenbuch II, 53: wer da zu kleine buche, wullin sie den
geback alle lassen nemen unde durch got geben.
gebick, n., ist dasselbe, was sonst gebucke oder gebücke lautet, eine
aus niedergebogenen und in einander geflochtenen Büschen gebildete
Hecke^ Umfriedigung, abgeleitet von bücken = niederkrümmen, incur-
vare, flectere, opprimere, prosfernere, vergl. Lexer Handw. I, 763. Das
Wort bringt schon eine Urkunde des Unterelsaß bei Grimm Weist.
I, 670: der holzer eines ist das gebticke (a. 1320); ferner Graf Wilhelm
von Holland (in v. d. Hagens German. VI, 260) 337: ich slüf durg
busch, durch hecke rüch, Durg hagen inde gebucke,' Zu lest ich mit ge-
lucke Zu hoiste up dat gebirge quam; Kehreins Samml. S. 44 aus einer
Mainzer Urkunde vom Jahre 1366: gebucke umb die burgh. Dasselbe
meint auch der Ausdruck: gehickte hege in den Weisthümern V, 319:
item, hauwet iemans tmd thiit schaden inne der gebickten hege tcf der
straizen xmd xourd gerügt, der ist u. s. w.
3*
3i) FEDOR BF.Cfl
gehrän, ii., als der gehrCnce, hraxatwa, auf einmal gebrautes, bereits
bei Lambert, jMühlhaus. S. 113, 115, 156 und 157 (aus dem 14. Jahrb.);
in den Alten Gesetzen von Nordhauscn (N. Mitth. III, 3, 59): eyn ick-
lich sal bewerte phemiinge gehe deme rate von deme gebrmce und sal doz
gehritice läze schrihe; bei Oswald von Wolkenstein 119, 2, 8: des sei
xoerd dort geschunden mit mangerlai geprew (: reiv)-^ bei Clara Hätzlerin
S. 291", 64; in den Nürnberger Polizeiordn. 212, 2 gebraio.
gehräitde, n., im Programm des Gymnasiums von Zeitz a. 1870
(Die bischöflichen Satzungen) S. 5, 57 : geschosse von den hofen und
gebrüiceden (a, 1457); in Michelsens Eechtsdenkm. aus Thüringen S. 4C9:
zcu fei'tigung syner gehrmcede (a. 1485); im Urkundenbuch der Stadt
Leipzig no. 474: des vngeldes halben von dem gehricde (a. 1475).
gebühr, f. zeigt sich schon im 14. Jahrhundert, vergl. Fahne,
Forsch. II, 2, 106: inde ivat sus ervelt , dat sal man zu dryn mainden
deylen der stede, deme raide inde den andern heirren mallige sin gebür.
gebüsch, n., erscheint bis jetzt am frühesten in einer Urkunde bei
Schäfer, Sachsenchronik I, 385, dort werden angegeben iiij huner
vonn einen gei^usche und iciesenflecke bey dem dorffe Steinpach (a. 1375).
gecken, swv., findet sich schon um 1200, im Karlmeinet 468, 19:
Karlle begunde den bart zo drecken. Hey sprach: we wenet hey mich zo
g eckend Meynet hey, dat ich sy eyn dore?
gedecke, als stn., in den Weisthümern IV, 622: und hätt der arm
man nit gedecks, soll der becker alss vil gedecks dar geben, dass der deyk
bewart sy (aus dem 15. Jahrb.); dat gedecke, die Zimmerdecke, in der
Kronika fan Sassen ed. Scheller S. 283.
geßissenheit, f., scheint erst im 15. Jahrhundert aufzutreten, vergl.
Niclas von Wyle Translat. 293, 38; 294, 16; 311, 17.
gehalt, m., in der Bedeutung „innerer Werth", erschien mir am
frühesten in einer Urkunde von 1477 bei Würdtwein Diplom. Magunt.
II, 368 : monzen schlagen 7ijf ein glichen gehalt und schnyde; und S. 369 :
zioen verstendig redelich loardyn, der einer alle werck, so sie geschickt sin
und zuvor ehe sie üssgeen, am gehalt versuchen solle.
gehöße, n., finde ich zuerst in der Chronik Johans von Posilge
ed. Voigt u. Schubert S. 129 (= ed. Strehlke in den Scriptores rer.
Prussic. 111,239): item in desim järe vorbrante Osterode die stat, das
nicht meer bleib wen di kirche unde des pfarrers gehoffte (a. 1400); S. 230
(= ed. Strehlke S. 322) her lies desin alle ir güttir unde gehofte vor-
bürnen yn den grünt (a. 1410); ferner in Höfers Auswahl S. 79, Z. 8:
ouch sulen wir den hof böwechtich halden an gehüße unde an vrede
(a. 1309).
SPENDEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG NEUHOCHD. WORTFORMEN. 37
geifeTj m , am frühesten im Vocab. optimus S. 10, 66: saUva,
geifer (Altd. Bl. H, 198).
gelach, n., das Lachen; das von Weigand bis jetzt vermisste ge-
leche finde ich bei Hans von Bühel im Dyocletian V. 2172: do tvart
nit ein groz gelech (: hecli).
gelag, n., „Zusammenliegen zu lustigem Trinken oder Speisen";
von Wichtigkeit für die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ist jeden-
falls eine Stelle in Fahnes Forsch. I, 2, 97: item dat eyn yecUch hroder
^ind suster komen sali up /St. Sebastianis dach und vertzeren yre gelaich
zosamen, want dan die hroderschaft yren conreit doin und halden sali,
und eyn yeclich sal syn gelaich hetzalen u. s. w. {^= Düsseldorfer Schützen-
urkunde a. 1435); vergl. das Weisthum zu Scheidweiler a. 1506 bei
Grimm II, 388, Z. 9: der kellner — soll ihnen die örter{?) bezahlen,
yedem sein gelach under einem schillingh; damit stimmt die von Vilmar
Idiot. 235 aufgestellte Bedeutung „Zeche, Pikenik".
geUchter, n., über das Alter dieses Wortes ist noch zu vergleichen
eine Stelle bei Berthold von Regensburg 93, 7: daz du waenest, daz ist
ez, unde dannoch mer alle siniu glihtertde (13. Jahrb.); cfr. diehteride bei
Lexer Handwb. und Weist. VI, 96: eines ieden hausgenosz söhn, tochter,
getichter und gehrüder u. s. w.
gelt, Interjection, schon von Jacob Twinger von Königshofen ge-
braucht S. 21 ed. Schilter (:= 261 ed. Hegel): wer het dich unsern
rihter gemacht? gelte (Exod. II, 14 ed. vulg. = num) du wellest mich er-
slahen also du gestern dete des kimiges knecht?
gereuch, n., bereits im 11. Jahrli. vorhanden, vgl. Haupts Ztschr.
III, 445: in dero hello da ist — — heches gerouche.
gelzenleichter, m., tritt bis jetzt am frühesten auf in Job. Rothes
Chronik c. 565, wo es nach dem Texte bei Menckeu heißt: vnde Hessen
do monchen vnde gelczen alle mit einander einen gelczenlichter,
genealogie, f., braucht schon Bruder Hans in den Marienlied. 789 :
die hoghehorne, etel maghet vrie, von conincUchen otel ivas ir gheslecht, yr
genealogie.
gerauf e, n., taucht schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts auf,
so in dem Mainzer Friedebuch (a. 1335—52) bei Würdtwein Diplom.
Magunt. 1,497: ist daz ieman leuffet gewapent zu einem gereute oder zu
einem gestoher, dar umh ist er keine bezzerunge schuldig.
gerber, m., mhd. gerioer, schon lange vor 1400 nachweisbar aus
den Stellen in der Germania 15, 268; gereioer in den Stadtrechten von
Freiberg S. 276 : dt schüworchten und dt gerewer haben ouch eine innunge
mit einander M in der stat] im ]\Iitteld. Schachbuch ed. Sievers 280, 5:
38 FEDOR BECH
pelzcer, gerwer, vletschhouwer {um 1355); im Urkundenbuch von Seiten-
stetten ed. luaab S. 132: Dietrich der gerher (a. 1302) und S. 136: von
Dietriche dem geriver (a. 1304).
gescheidigkeif, f., in der Form gescMdekeit öfter im 15. Jahrhundert,
z. B. in den Osterlündischen Novellen in den Altd. Blättern I, 143 und
154; im Buch der Beispiele von Ant. Phor 36, 26; 36, 38; 109, 21; in
Niclas von Wyles Translat. 209, 10; bei Johannes von Posilge ed. Voigt
S. 342: is were eine geschtdikeit und nicht eine vorrichtunge.
geschlinge, geschlink, n., kömmt in dieser Schreibung nicht erst
bei Frisch^ sondern schon früher, im 15. Jahrh. vor, so in einer Ur-
kunde über die Lästerer oder Landfleischer im Leipziger Urkunden-
buche I, 278 (a. 1462) : also die fleischhauwer sagen, man habe vor alders
keyn geslingk noch heuht noch ander kleinott herynn zcu marckte brengen
ftorenj^ dunckt uns soUichs dem gemeinem nucz nicht elich seyn\ ebenda
heißt es weiter: also unser vorforn — irkant, das di lesterer solliche
cleinot also heubt geslynckt unde ander kleinot heryn haben mögen brengen;
S. 339 (a. 1466): gesling heubt und andere cleynot mögen die lesterer her
in füren.
gestrilppe, n., erscheint als gestrüppich und gestreupich um das
Jahr 1508 in den Weist. VI, 43.
geioanthaus, n., findet man bereits im 14. Jahrhundert, und zwar
in einer Nordhäuser Urkunde, in Förstemanns N. Mitth. III, 4, 76
(a. 1365): wir — willekorn — — daz nü noch nummerme in der —
nuwenstadt — nichein räthüs edir rete sollen st edder werden, noch gewant-
hüs, wäghüs noch koufhüs.
geivoge, n., hier war wohl auf das mhd. gewaege als Collectivum
von wdc bei Lexer Handwb. I, 971 zu verweisen; dasselbe in der
Weltchronik Rudolfs von Ems, bei Scherer St. Gallische Handschr. 5":
dem äne wazzer was gegeben nach genätürter art sin leben daz
lag in, dem gewege tot. Mitteldeutsch würde das Wort gewäge gelautet
haben,
gewürz, n., fand ich bis jetzt am frühesten bei Niclas von Wyle
Translat. 279, 3 : mit senf geseltz geicürtz und sutze ingemacht und beraitet
und vil ander fremder spysen. (15. Jahrh.)
gichtbruch, fem. bei Luther (nicht masc), schon früher bei Joh.
V. Marienwerder I, cap. 28 : ir ewirt was ein gochczomig man beide von
zcüneigunge smer nätüren und ouch von krancheit der gichtbroch.
gelben, swv., im Sinne von „gelb werden", wie es für die mittel-
hochdeutsche Zeit vermuthet worden ist, findet sich wirklich bei Konrad
von Megenberg 39, 14: daz weiz in den äugen plaichet und gelbet.
SPENDEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG NEUHOCHD. WORTFORMEN 39
gipfel, m., die älteste Stelle, in welcher dieses Wort erscheint,
bietet bis jetzt Oswald von Wolkenstein 28, 2, 8: hoch auf dem gipfd;
dazu vergl. Griseldis, Apollonius von Tyrus ed. Schröder in den Mit-
theilungen der deutschen Gesellschaft zu Leipzig 5. B. 2. Heft, S. VIII :
ain überhoher berg, des güpfel raicht über alle wölken.
gleichförmig, adj., am frühesten bei den Gottesfreunden des 14,
Jahrhunderts ed. Schmidt S. 34: in solichem gltchem we und gltchför-
migen übernatürlichen trucken.
gleis, n., Radspur; als Collectiv daz geleise schon in den Weist.
I, 761 : kumet er zti rehteme geleise (a. 1310).
gleisner und gleisnerei erscheinen schon vor dem 15. Jahrhundert
mit eingebüsstem ch, so in einem mitteld. Fragment des 14. Jahrh.
in Haupts Ztschr. XIII, 556, 2: des timt dt glizenere nicht (vgl. 555
gltzunge)-^ in Matthias von Beheim Evangelienbuch, Matth. 6, 2; 23, 13:
we aber iich — , Pharisei ir glisnere (a, 1343) und so 15, 16 — 23; 23, 28:
von binnen sit ir vol gltsnerie und ungerechtickeit ; dazu geltsen und ge-
lisenheit ebenda S. 258'' und ebenso die entsprechenden Stellen in der
mitteld. Evangelieuübersetzung, welche Heinrich Hoppe herausgegeben
hat, in Haupts Ztschr. IX, 278, 5 und 279, 25 folg. ; endUch in den
Fundgruben I, 153, 25: daz niden di glissenaere unde dt scrtbaere.
gliedmaß, n., erscheint außer bei Luther schon bei Johannes Rothe
in der Chronik cap. 70, wo es nach dem von v. Liliencron zu Grunde
gelegten Texte lautet: das ander (zeichen) ist die üssetzigen, die nasse
unde mundt unde ander gledermaß vorlorn hän, zu reynigen von yrer
suche und den die vorlorne gledemaß von stundt iveder zu brengen: dagegen
in dem Düringischen Gedichte Von der stete ampten ed. Vilmar (= Von
des rätis czucht) 946: glich als daz hoübt me sinne hat Danne eyn
ander gelydemesze, Also sal ouch ein furste me wesze (Cod. wisze), wo
man nach dem Reime zu schließen ein gelidemez anzunehmen hat. Auch
ist abweichend der Plural gledemezer in den mitteld. Predigten von
Meister Eckart in Haupts Zschr. XV, 419.
glückselig, adj., hat sich bis jetzt zuerst gefunden bei Ernst von
Kirchberg 719, 29: der markgreve Albrecht, der was geheizin ursus, daz
ist in dütschin bere genant, gelückselig was her bekant.
gnädigen, swv., lässt sich auch aus dem 12. und 14. Jahrhundert
nachweisen; es steht in den Windberger Interlinearversionen der Psal-
men 24, 14: herro, gnädiges du {'propitiaberis) — lolrdis du gnädich —
sunte mtner\ S. 346: gnädigter, propitiatus\ Bruder Hansens Mar. 1736:
itzlich hielt siin reten stiip, Unfz got si h hat genedicht.
40 KKDOli I5ECII
gnätze, gnetz = Schorf, Hautausschlag, am frühesten bis jetzt nach-
weisbar in der Zusammensetzung gnatzoiige, vgl. Hennebergisches Ur-
kundenbuch ed. Schöppach I, uo. 54 (S. 37): Bertoldus gnazoge (a. 1296).
gnisten, knistern, swv., „Funken sprühen und so rauschen"; vgl.
Virginal ed. Zupitza 108, 2: er kam genistert als ein kiel, der vert durch
wilde vluote; ferner gnilzern bei Eberhard Zersne in der Minne Regel
4G14: spei' unde schildir brächen, daz ez gnyttzirt ohirlüt.
grachel, f., „die lange spröde Ahrenspitze" oder „Spreu", scheint,
wenn man nicht eine Zusammenziehung aus gran (vergl. Schröer Vocab.
no. 167) und achel (ahd. ahh\ ahil) annehmen darf, ursprünglich = ge-
rachel, aus rechen = zusammenscharren, harken abgeleitet. Dagegen
halte ich die Stelle in Herborts Troj. 6926 {ir iehceder tif den andern
stach, Daz sie vielen uf daz grach) für verdächtig; grach in der Be-
deutung von „Ährenfeld" ist nicht nachzuweisen. In Gotefrid Hagens
Eeimchronik 2842 heißt es: der greve sprach vp gerach ind zornlichen
in ane saich; ähnlich könnte es bei Herbort 1. 1. gelautet haben: daz
sie vielen vf gerach; die Form gerech ist freilich sonst bei letzterem die
übliche; doch cfr. Vilmars Idiot. 311.
graduieren, swv., tritt uns bis jetzt zuerst entgegen bei Niclas
von Wyle Translat. 353, 16: die gelerten und graduwierten mag man
ziechen nach dem und sy sint weltlich oder gaistlich.
grän, m. := „2y Karat bei Goldgewicht", nach den Mainzer Münz-
urkunden schon für das 14. Jahrhundert nachzuweisen, vergl. Würdt-
wein Diplom. Magunt. II, 184, 2: oh eine rechliche marg goldes odir
Silbers die vermuntzet wird an zweyn green oder do hy gebreche an dem
gewichte (a. 1354); dasselbe S. 193, 9; und S. 215, Z. 2 von unten
ebenso: an czwen grenen (a. 1382); und 227, 31: ab eyn marg goldes —
— an zweyn oder dryen green oder da by grebreche (a. 1388); 235, 3:
ein icliche gemischte gewogen margk sal holden XI loid und II gren
konigsilbers und dar under nit, äne geverde, und die andern funff loid
mynner II grein sollen mit kopper zügesatzt loerden (a. 1398). In dem
Bischofs- und Dienstmannenrecht zu Basel von Wackernagel §. 8, 10
steht dafür gersten chorn\ vgl. die Anm. zu dieser Stelle.
gravieren, swv., bereits bei Ernst von Kirchberg 730, 46: an allir-
hande capittel recht künde her in (= eiim) wol gravieren siecht.
greten, swv., „in weiten Schritten aus einander spreizen", zuerst
bei Joh. Rothe in den in dieser Zeitschr. VI, 275 vermerkten Stellen;
vergl. auch vergreten bei Ebernand 340 (ähnlich 338 zergen) und Bech-
steins Anmerkung dazu; außerdem in des Teufels Netz 7669: als tuot
graten hnffart, die an den herren ist ain boesi art und Schmeller-From-
maun I, 1015 s. v. graten.
SPENDEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG NEUHOCHD. WORTFORMEN. 41
groll, m., fiude ich am frühesten in den von Pfeiffer mitgetheilten
Sprüchen deutscher Mystiker, in dieser Zeitschr. III, 231": hap keine
vtgentschaft noch haz noch grollen gegen dime ehenmenschen (14. Jahrh.);
vgl. widergrullen bei Pfeiffer zum Jeroschin 280.
großmüthig, adj., in den Predigten und Sprüchen deutscher My-
stiker ed. Pfeiffer (in Haupts Ztschr. VIII) 257 : ir sele loas grozmüetig;
bei Muscatblut 8, 285: der zeente ist grozmütich.
gültig, adj., ist als simplex anzutreffen schon bei Zeibig^ Urkunden-
buch von Klosterneuburg no. 211 (a. 1324): si wurden zu rät, daz sie
die ainen (batstuhen) fuder liezen gen, so wurd deu ander dester guldiger;
in den Weist. IV, 623, Z. 7 von unten: hit giddigeme körn der plüger
sal dienen (15. Jahrb.); Weist. II, 84: die heddegiddien lüde (a. 1339).
gurt, m., kömmt alleinstehend vor bereits bei Nicol. von Jeroschin
12973: loen er st ot gevazzit vor zurucke hatte in den gurt (: durt =
dort)'^ in der Kronika van Sassen ed. Scheller 228,4: des tvard fil
manges rosses gorde (: iuorde) an dat hogesfe gespannen.
gürtein, swv., erscheint schon im Anfange des 15. Jahrh. in der
niederdeut. Form gordeln, ghordeln = accingere , in den vier Büchern
der Könige ed. Merzdorf S. 3 und 196.
hälfte, f., dabei war zu verweisen auch auf das althochdeutsche
Wort der halftanod bei Graff IV, 891 ^= medium, dimidium und Gramm.
11^ 253; noch in den Trierer Interlinearpsalmen aus dem 12. Jahrh.
101, 25: in deiao halfnote dage = in dimidio dierum; ja als femininum
noch in den Stadtrechten von Arnstadt aus dem 16. Jahrhundert, vgl.
Pechtsdenkmale von Michelsen I, S. 62, 1 : loein der in der halftnofhen
dieses flürs erioachsen wehre.
halle, f., als „offener Bau mit einem bloß auf Säulen oder Pfosten
ruhenden Dache, von Säulen getragener Vorbau", ist auch durch Bei-
spiele aus dem 13. und 14. Jahrhundert zu belegen: Urkundenb. von
Quedlinburg no. 54 (a. 1281): stationes que hallen vulgariter nuncu-
pantur; no. 77 (a. 1310) duas domunculas, que case, sed vulgariter hallen
seu luden nominantur; cfr. Lacomblet Urkundenb. II, 220; Purgoldts
Kechtsb. VIII, 35: darumh sint for den kirchen dye halle; X, 54; der
sali vor dy tliore treten ader under dy halle, dorumh seyn dy hallen vor
dy kyrche7i gemacht; und in diesem Sinne ein hallhaus, da alle kauff-
leuth under feil sollen haben in den Weisthümern II, 152.
händler, m., bis jetzt am frühesten in den Weisth. I, 344 (a. 1397):
Henni Hendler, Hanman Hendler.
handwerksmann, m., in Joh. Rothes Rittersp. 3422: ein andir hant-
icergis man und im Mitteid. Schachbuch 236, 18: em hantwerkis man;
42 FEDOR BECH
hantwerkman aus dem 14. Jahrh. bei Lexer Handw. I, und in den
Chroniken der deutschen Städte IV, 145, 16 n. 25 (a. 1368).
harmonie^ f., vgl. von armonie die Beispiele aus dem 14. Jahrh.
bei Lexer Handw. I, 95.
harschen, swv., tritt am frühesten in der Form harsfen auf bei
Nicolaus V. Basel 210, Z. 8 von unten: ich narrt daz herin hemmede
und det es über den verwundeten lichamen, das es in den wunden ge-
harsten solle; 251, Z. 3 von unten: und dunkel mich, das sü rehte hie
inne gerätenl verharsten; Closener 98, 10: daz hohl lag vor den porten
und darunter verharstet.
Harz, ra., „das nördlichste Waldgebirge Deutschlands", ist in
dieser dem alten hart entsprechenden Form nicht erst neuhochdeutsch
vorhanden, sondern schon im Mittelalter vorkommend, z. B. in den
Urkunden des Stiftes Walkenried I, no. 176 (a. 1231) : ctim foresto
quod Harz dicitur und S. 386, no. 13: de silva qiiae generaliter Hartz
vocatur; Urkundenbuch von Göttingen I, no. 140 (ed. Schmidt): von
denie HaHze hiz obir de Wesere (a. 1336); Magdeburger Schöppenchron.
96, 18: in dem holte, dat heit de hörst = in silva quae dicitur Harz
beim Annal. Saxo; vergl. die Form haruc bei Schmeller-Fromraan s. v.
forst] — die harczherren erwähnt im Hennebergischen Urkundeub. I,
S. 99, 2 (a. 1324).
haschen, swv., muß für das 14. Jahrh. schon vorausgesetzt werden
nach erhaschen, welches sich in folgenden Stellen findet: Koeditz von
Salfeld 86, 29: der erhaschete dt düpinne; Alte Statuten der Stadt
zu Clingen in den Rechtsdenkmälern von Michelsen I, 195: begriffen
danne dye richtere daz swert bar erhascht in der hant (Anfang des 15.
Jahrh.); Eberhard Zersne in der Minne Regel V. 1741: mit arbet unde
fromikeyd Saltü dich da nach stellen, Daz sy erhasche froyden cleyd;
Altdeutsche Schauspiele ed. Mono 103, 39 : wol uff min ritlere und myn
man, erhaschet dy wäfen und tut sye an! (a. 1391).
hauen; das neuhochd. Präteritum hieb (aus hiu, hieio entstanden)
ist nicht erst im 15. Jahrh. aufgekommen, sondern schon weit älter;
vergl. er hieb im Passionale K. 156, 60; er verhieb 267, 39; 467, 96;
Mb im Nie. von Jeroschin 22933; gehib 22421 ^ Mb (: Hb) in einem
mitteld. Gedichte des 14. Jahrhunderts bei Pfeiffer in der Einleitung
zur Deutschordenschronik des Nie. von Jeroschin S. XXVI; vergl. hob
und heb in der Minne Regel 4208 und 4234.
hausier, m., bis jetzt am frühesten im Urkundenbuche von Arus-
burg no. 1095: Contze Hane und Zule Huseler, scheffene zu Langisdorf
(a. 1390).
8PENDEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG NEUHOCHD. WORTFORMEN. 43
heber, m., findet sich schon vor Stieler (S. 805) in Purgoldts
Rechtsb. I, 22: die zwene, der touffer und der heher (= der daz kint
hehlt), sint zwene geistliche vetir ; in einer Beilage hinter Joh. Posilge ed.
Voigt und Schubert (aus dem 16. Jahrh.) S. 401, Z. 9 und 15: des
obels heher und Stifter.
heger, m,, ist für das 14. Jahrh. schon belegt durch Beispiele bei
Haltaus Gloss. 777.
heldin, f., tritt zuerst auf im Passional K. 648, 42: dö si quam
Petro benehen in eime guten sinne, si loas ein groz heldinne, dö sprach er
u. s. w. ; ferner noch bei Joh. Marienwerder im Leben der H. Doro-
thea B. I, Cap. 15: welche eyne heldyne sy was oher eren Uchnam ,
tnag eyn mensche vornemen; heldinne aber im Pass. K. 622, 39 scheint
auf falscher Lesart zu beruhen.
herlitze, f., ist schon in alter Zeit vorhanden, wie die Erwähnung
in den Weissenauer Glossen (Ende des 10. Jahrhunderts) in den Altd.
Blättern 11,211 zeigt: cornus, harlezhoum; das Wort steht auch in den
Leipziger Glossen (aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts) im An-
zeiger von Mone IV, S. 94: optus harlzhoum\ es wird ohnehin dasselbe
sein was arlizhotim oder erlizboum, unter dem auch cornus verstanden
wurde, vergl. Graff III, 118. Daß Spätere die Wörter arlitzber und a/'-
lizhoum bald als Crataegus, bald als sorhus fassen, spricht durchaus nicht
gegen die Identität von arliz und harliz.
himten, m., findet sich auch bei Ernst von Kirchberg 724, 44: si
gabin da ses maz von körne, und achte maz von havergelde, daz maz in
dütschem ich hy melde, hemete ist daz maz genant; und in einer hallischen
Urkunde vom J. 1272 bei Dreyhaupt, Beschr. des Saalkr. I, 815: sex
mensuras tritici et totidem ordei, que heymetzen Hallenses vulgariter ap-
pellantur. In Zeitzer Urkunden des 15. bis 16. Jahrh. lautet das Wort
heimbzen, heimzen, heymitzen, heynitzen, hennitzen] jetzt hört man, aber
selten, noch hinzmoß.
hohle, als femin., ahd. holz, erscheint md. im 14. Jahrh. als Berg-
mannsausdruck = „halbrund ausgehauener Baum, Trog von einem
gewissen Maße" (vergl. Frisch I, 462" und Adelung), in den Alten Ge-
setzen von Nordhausen, N. Mitth. III, 4, 64: item tver da kalk hörnet
am Konsteyne, dt sal ixlichs jär io von der rösen geben eyne holen kalk',
in den späteren Statuten aus dem 15. — 16. Jahrh. nach dem Sonder-
abdruck S. 65: man sal ouch dy kalgk hole püssen (außerhalb) der stat
nicht vorigen; aber auch in dem von Haupt herausgegebenen Stück aus
Enenkel, Zeitschr. V, 290, 808: ich hän üz einer hole gesehen valken
vliegen und 812: üz der hole her, wenn hier nicht die Form hole auf
ßechnung des Schreibers zu setzen ist.
44 FKDÜR KECJI
ÄW5a, hussa, Interjectiou, wol dasselbe, was schon das mitteld.
hossä bei Konrad Stolle Chron. IH**: hossä hossä duz laut ist den
Bossen! vergl. auch das Zeitwort hossen bei Lexer Handw. I, 1345.
inh-nnst, f., am frühesten bis jetzt bei Oswald von Wolkenstein
105, 4, 2: die vjeishaü gots, veimuft und kunst, Gotlicher rät, gots sterlc,
inhrunst, Gotliche vorcht, gotliche kunst, Gotlich lieh guot nie kande.
incorporieren, swv., schon im 14. Jahrhundert, vergl. die Gottes-
freunde von C. Schmidt S. 37: er incorporierte die sancte Kattermen
capelle in unserre frouioen munster; bei Dreyhaupt, Beschreibung des
Saalkr. II, 877: dy kirche zv Amendorf, dy hir voi'mäls was yn gecor-
poriert und gehoii.e zu Rodewelle yn (a. 1394).
indig, m., lautet am Ende des Mittelalters endit, vergl. Lexer
Handwöi't. s. v.
infein, swv., bereits im Passional K. 580, 75: der hischof, der
schone man, Den er geinfeit komen sach.
insgemein, adv., vergl. Joh. Marienwerder, Leben der H. Dorothea
11, 31: einem menschin mögen nicht in daz gemeine uf eine zeit sine ougin
hrechin kegin allen dingen (noch vor 1417); dazu in die gemaine im J.
Titurel 5233, 1.
inskünßige, adv., vgl, Pass. K. 437, 56 : -sin edel müt hiez in nicht
gutes inlegen und in daz kumftige hegen.
instanz, f., erscheint bereits in der Glosse zum Weichbildrecht
cd. Daniels und Gruben S. 191, 23: ir sollit merken, sollichir instancien
hette er icol icare.
inioohnerin, f., am frühesten bis jetzt bei Meister Eckhart 414, 7:
diu sele vergizzet aller bilde unde formen unde tcirt ein imconerinne mit gote.
caland, ra., öfter erwähnt in einem Gedichte des Pfaflfen Kone-
mann aus dem 13. Jahrh., theilweis herausgegeben von Schatz in dem
Programme des Gymnasiums zu Halberstadt a. 1851 ; in dem Urkundenb.
von Göttingen ed. G. Schmidt I, S. 88, 35 werden de kalandesherren
von Gotingen (a. 1325) und in dem Urkundenbuche von Mühlhausen ed.
Herquet die kalendeshrüder und ere metekalendeshrüder (a. 1343) genannt.
karawane, f , dasselbe Wort, welches schon in dem Ordensbuche
der Brüder vom Deutschen Hause vorkommt in der Form carvane,
swm. (13. Jahrh.) = Kriegsbagage, schweres Gepäck und 2. der Ort
und das Haus, wo solches aufbewahrt wird, nach Hennig im Glossar
zu den Statuten des deutschen Ordens S. 252. Vergl. S. 64, cap. 19
ed. Schönhuth : ?t&e7' daz sol er den caruanen von den pf erden unde mülen
unde harnasches etelicheme [der hrüderej die vnder ime sint hevelen zu
hehütene vlizecUche; S. 65, cap. 21: daz er den carvanen (bei Hennig:
SPENDEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG NEUHOCHD. WORTFORMEN. 45
^671 caruenen) unde die anderen dinc die zu deme ambete des marschalkes
gehorent hezzere unde vurdere; S. 66, cap. 22; müle unt -pfert von deme
cwvane die mac er Wien: S. 70, cap. 36: der schiltknechte meister mac
von deme carvane gehen eime hrüdere einen satel) ferner Joh. Marien-
werder;, Leben der H. Dor. lib. II, cap. 7: das ich küme mochte geen
US der kirche in im /sc. der Carthüser hy Gdantzk] karban in eyn ge-
mach. Außerdem sind zu vergleichen über die danach benannten kar-
wens-, karbis , karbs-herren, welche die Aufsicht über den karioan führten^
sowie über die karbishöfe die Anm. zu Johannes Posilge ed. Voigt S. 182
und Scriptores rer. Prussicarum III^ 287.
karnöffel, karnilffel, m., als Kartenspiel näher behandelt in einem
Gedichte aus der Mitte des 15. Jahrhunderts : ein suberlich hofflich spruch
von dem spiel karnqffeltn, bei Fichard Frankf. Archiv III, 293 folg.,
wo die Spielkarte wiederholt das karnöffeUn genannt wird (im Reime
auf lom und sin).
karthäuser^ m. ; mit der heutigen Schreibung stimmen Stellen in
dem Urkundenbuche von Freiburg ed. Schreiber I, S. 364: dem prior
und den bruodern der karthüser und des karthüserordens (a. 1346) und
djie karithuser S. 372 (a. 1347), sonst die karitüser S. 367 u. 369 u.
374; bei Jacob Tw. von Königsh. ed. Schilter S. 228: h-obst Felix der
wart carthüseler.
käsekorb, m., gehörte schon dem 14. Jahrhundert an, wie aus dem
Eisenachischen Rechtsbuche ed. Ortloff ze ersehen ist, III, 4 (S. 703):
ein iczlich ding, dt do geneilt sint und gewet, di enhoren doch zcum hüse
nicht, also kesekurbe und kesehret; Rechtsbuch nach Distinctionen II,
1, 231: alle gehangen dele zcu kesen noch kesekorbe gehorn ouch nicht zu
deme hüse.
kauffahrt, f., aus welchem Worte kauffartei hervorgegangen, findet
sich zuerst in dem Magdeburg-Görlitzer Recht bei Gaupp, Das alte
Magdeb. und Hallesche Recht S. 293: Ist daz ein man befevart oder
koyfvart varen toil büzen landes (a. 1304); ebenso im Sächsischen Weich-
bildrecht ed. Daniels und Gruben 137,21.
kauz, m., für das höhere Alter des Wortes spricht der Zuname
Kitz in dem Urkundenb. von Arusburg no. 464 (a. 1316): Conradum
dictum Kuiz und no. 540 (a. 1321): Conrado dicto Küze.
keinesicegsy adv., in einer Habsburgischen Urkunde vom Jahre
1387 in den Beiträgen von Kurz und Weissenbach I, 148, Z. 11; Weist.
V, 69, Z. 6; deheines iveges in den genannten Beiträgen I, 141, Z. 6
(a. 1364); Weist. V, 85, Z. 12 (a. 1343); S. 87, §. 3; S. 88, Z. 6.
46 FEDOR BECH
kelleret, f., schon in den Weisthümcrn IV, 196: uf der kellerige
Wasser (a. 1456); noch älter kelnerie im Hennebergischen Urkundenb.
III, 57, 40: üz xinsir kelnerie (a. 1366) und in der Zeitschr, des Vereins
für thür. Gesch. IV, 317: das zcu Urkunde habe ich der kelnereye sigil
an disen briejf gehangen (a. 1395).
kerhe, f., wird bereits erwähnt in einem hüchelm daz da rät gibet
wider den hrant der gehüioede (aus dem Ende des 14. Jahrhunderts), ab-
gedruckt in Espes Beriebt an die Mitglieder der deutschen Gesellschaft
aus dem J. 1839, S. 9: se machen de vndersten czigele vnden an deme
dache mit kerben, also das sich de czigele, dy obene legin, gehalden mögen
an den vndersten; S. 11: man mache de balken alle daß si eyn luenigh
langher syn eynes halben fuszes da man kerben yn mache umme imd umme
dar das gebüicede glich vnd veste ujfe ste; vergl. Haupts Zeitschr. XVII,
33, 707, wo vielleicht kerben statt kerbere zu lesen ist. Im Mitteid.
Schachbuche 213, 21 (a. 1355) findet sich dafür die Form karp, stm.;
außerdem kerphe in einer Urkunde vom J. 1327 bei Schreiber, Ur-
kundenb. von Freiburg I, 277 : wir süllen in irem loassere enkein
kerpfen noch wuor machen; endlich Kerbholz kömmt bereits im 14. Jahr-
hundert vor bei Lambert, Die Rathsgesetzgebung von Mühlhausen
S. 53: win koitfen in geselleschaft vff kerueholze zu trinkene.
kleinmüthig, adj., ist mittelhochd. schon vorhanden, und zwar bei
Konrad v. Megenberg 45, 2 : wer sein augöpfel her für pauzend hat mit
der ganzen groezen der äugen, der ist klainmüetig ; in der Hohenfurter
Benedictinerregel 48, 17 (vergl. die Var.) ; im Buch der Beispiele 25, 1 ;
24, 26; bei Niclas von Wyle Translat. 243, 24: 247, 9.
kleinschmied, m., zeigt sich bis jetzt am frühesten in einer Urkunde
von 1215 bei Böhmer, Urkundenb. von Frankf S. 23, Z. 6 von unten:
Conradus et Wilhehnus confratres dicti Cleinesmide', in einer Jechaburger
Urkunde vom J. 1395 bei Würdtwein Diplom. Magunt. I, 195: dry
ackere kegen deme sülzenboi'n by Frizen cleinsmedes ackeren gelegen; im
Anzeiger für Kunde IH, Jahrgang 1856, S, 274: hüfsmede, goltsmede,
meßirsmede, kleynsmede, phansmede (düringisch aus dem 14. — 15. Jahrh).
Bei den Brüdern vom deutschen Hause St. Marien gab es im 13. bis
14. Jahrh. auch eine kleine sniitte nach dem Ordensbuch ed. Schönhuth
S. 64, 19 (:= S. 176, 20 ed. Hennig): under deme marschalke sol ouck
sin daz satelhüs unde die deine sniitte; S. 67, 26 (= S. 180, 28 ed.
Hennig) : also mac ouch der commendür von deme satelhüse unde von der
deinen smiden nemen swes er zu ime selben bedarf; S. 71, 38 (= S. 187, 40
ed. Hennig) : der brüder von der deinen smitten sol den brüdern wider
machen ir zoum oder stegereife oder sporne u. s. w.
SPENDEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG NEUHOCHD. WORTFORMEN. 47
klingklang, m., der Ansatz zu diesem Worte schon in einem Ge-
dichte des 14. Jahrhunderts, in v. d. Hagens GAbenteuern II, 619, 238:
tvsent harpfen klingen klanc (: danc) waeren niht so siieze (= Altd. Wälder
II, 78, 244).
klotz, m. und n.^ finde ich in der Bedeutung von Kugel, Geschütz-
kugel, und zwar als Neutrum mit dem Pluralis klotzer, namentlich
hliklotzer, schon in einem Frankfurter Verzeichnisse aus dem Jahre 1391,
vergl. Böhmer Urkundenb. von Frankfurt S. 766 u. 767 u. 768, wo es
wiederholt heißt /// bussen (Büchsen), XXX kloczer, oder III hüssen,
XXX hly kloczer.
knicken, sw., als Intransitivum schon in den Liedern Muskatbluts
ed. Groote 75, 8 : cristenglauh vnd daz recht get knycken uff der steltzen.
kolter, n., Pflugmesser, war schon vor dem 17. Jahrhundert in
einigen Gegenden Deutschlands eingebürgert, vergl. Weist. 11^ 538: das
achte ey sol der scholtess mit einem kolter von einander haioen; 589: das
fumfft ey soll der gehöber hart sieden oder broden und uff die husschwelle
legen und mit einem kolter zerschlagen; 587: so weith, als er mit einem
kolter von dem schorrenstein von sich loerffen kan] 597, Z. 6: man
soll für sein dhür an dem gadder ein heissen kolffter (?) leggen, und so
weit damit geworjfen kunt werden , soll man dass gericht stellen; 726:
dat echte ei sal si im up den durpell leggen, dat stdlen si mit dem kolter
van ein andern houwen (a. 1413).
köstlichkeit, f., bereits vor dem 15. Jahrh. im Karlmeinet 386, 36 :
he enloch neit, de e geseide de kostelicheit van dem gereide.
kötze, f., „geflochtener Rückentragkorb" schon in Job. Rothes
Chron. Cap. 437: so koufte her einen esil unde vaste den kram in zioü
kotzen unde treib on von eime lande in das ander.
kribbeln, swv.; erwähnenswerth ist hier noch Eberhard Zersne,
insofern er am frühesten die niederd. Form des Wortes aufweist,
V. 4193: her tzetterte myd den backen, Van rechten tzoime wart her bleych,
Ez krebbelte ym in dem nacken.
krüger, m., Bierwirth , als Zuname schon vor dem 15. Jahrh. im
Hennebergischen Urkundenbuch I, 65, 32: honum Alberti dicti Krüeger
(a. 1316); in einer obersächsischen Urkunde bei Espe, Bericht vom
J. 1845 an die Mitglieder der deutschen Gesellsch. S. 11: ouch sullen
al unse richtere und crügere, die in unseni lande gesezzen sint, sweren uff
dissen brieff (a. 1358).
küfer, m., bereits in dem alten Recht der Stadt Straßburg er-
wähnt aus dem 13. Jahrh. bei Gaupp, Deutsche Stadtr. des Mittel-
alters I, 59'': die kiifere = qui faciunt vasa vinaria und 77'': cuparii,.
48 FEDOR \mcu
die kuofere (Hndschr. koufcre), und 91: kueßer (a. 1263). Vergl, die
Altd. Dichtunjifen von Meyer u. Mooyer 46, 140 : sin sprach^ ge zu dem
kneffer, der leit dir ein reiß dar vmb.
kuppelei, i, dafür bei Hans Folz in Haupts Zeitschr. VIH, 540,
109 kupplerei.
kuftel, im Plural kutfeln = Eingeweide, lässt sich mitteldeutsch
schon aus dem Jahre 1308 nachweisen, und zwar aus den Alten Ge-
setzen von Nordhausen in Förstemanns N. Mitth. HI, 2, 13 (61): ivaz
huze man vortcerkit an dem vleische, di vortoerken dt an den kofelen, di
kotelen seilen; ferner von den kotelern ^= di kofeln seilen IH, 3, 48 (19);
aus dem 14. Jahrh.; — kutelhof im Urkundenbuch von Leipzig I, 38,
no. 62: vier steine unsleides, die man alle jär gehen sal dem clöstere zcu
der Celle uz dem kuttelhove zcu Lipczig (a. 1362).
laden, m., mittelhochd. lade, im Sinne von Kaufladen schon im
Stadtrecht von Meran (a. 1337) bei Haupt Zeitschr. VI, 420: üf dem
laden verkaufen ; 414: sine koufmanschaft veile haben hie vw üf stnem
laden; 416: daz hrot sol man after des niht verkaufen, sicaz des ist, ez
habe der beche uf der (? lies dem) laten oder inrehalben des laden; im
Stadtbuch von Augsburg ed. Meyer S. 45 : ez sol auch kain rintschühsfer
ze sträzze mit tischen stän, wan an dem fritage; in smem hüse unde uf
sime laden unde ze gesatzten kristensteten mag er alle tage stän (a. 1276) ;
bei Konrad von Ammenhausen nach der Zofinger Hndschr. 168*: ztoei
stigleder — die henkt er {der sateler) veile uz für sin gaden, Da eft^ inne
icürket an dem laden- — als Femininum steht es in dem Rechtsbuch
nach Distinctionen V, 9, 15 ed. OrtlofF: von dei' cremer sellunge rede ich
nicht fei, tcen sunderlich in dene steten, do sy von willeckor unde von
irsaczten rechte oren gemeinen gesiez haben durch eyne gassze, do sullen
alle laden eyne keyn der andern sten\ inivert unde uszward an den ecken
sal keyne lade stän; und in Weist. HI, 779: man mach dem beckei'
all die weck nemen uff der laden von dem gegadt die da bruchig sin
(a. 1456). In der Bedeutung von Fensterladen steht es in dem Rechts-
buch nach Distinct. II, 1, 166: alle laden unde fenster, ysern unde hulczern^
angehangen, gehören zcu deme hüse. Ob der Dativ Plur. leden in den
Chroniken der D. Städte II, 312, 5 {der gab teglich prot und speis
zu den leden dem volck hinauß) von lade und nicht vielmehr von daz
let = lit abzuleiten ist, scheint mir fraglich. Letzteres bezeichnete nicht
bloß den gelenkartig eingefügten Deckel an einem kojpf (Becher) oder
napf (Flore 1579, Schmeller II, 438, Schöpf, Tirol. Id. 389); Weist.
I, 529 : drei loeibecher, der sollen zicen Hede haben und dei- drit kein liedt ;
vergl. Stieler 1121 kannenliet, krugliet; an einer Truhe, Kellers Erz.
SPENDEN ZUR ALTERSBESTIMMUNG NEUHOCHD. \YORTFORMEN. 49
389^ 12: lif der trüJien lit (: mit)\ an einem Kasten (Kiste^ Lade), Sach-
sensp. I^ 24, 3: kästen mit upgehavenen leden (gewölbten Deckeln) und
ebenso in den daraus abgeleiteten Rechtsbüchern; raan nannte so auch
Klappen, Läden, Ladentische, kleine Thüren, insofern dieselben in
Angeln gehen, sich gliedartig bewegen, auf- und zugeklappt oder hinauf
und heruntergelassen werden können. Ganz besonders heißen in niederd.
und mitteld. Gegenden so die Tische, auf welchen Fleischer, Bäcker
und andere, auch Höker ihre Waaren feil boten, insofern sie in Angeln
giengen und von oben nach unten sich aufklappten, mochten sie nun
am Hause in der Fenstergegend oder an der Krambude angebracht
sein; vergl. Ui'kundenbuch von Fraukf. ed. Böhmer S. 201: in trihus
tuguriis seu fenestris quae dicuntiir lide (a. 1280); Urkundenbuch von
Göttingen ed. G. Schmidt I, S. 285: we ok eyn led ghände heft üt sineme
hüs eder hoden, dar M veyle wäre uppe heß^, schal gheven van deme lede
6 Gott. d. to tinse; deyt he aver sin led to unde nehefi dar neyne veyle
icare cett. (um 1375); Walch, Verm. Beiträge H, 103 (= Alte Geraische
Statuten! : der fleischhauer mag das finnig fleisch am, Sonnabend wol feil
haben, doch also, daß er solch f. fleisch vorn auf die lith lege und ein
loeis tüch dar under; ZAvickauer Kramerordnung vom Jahre 1348 (bei
Espe, Bericht vom J. 1848) S. 31 : daz keiner der hy wassir unde weide
suchet weder uf dem markte noch vor den brüdeim noch zu kirchen sten
sol wen under den cremern, diivile ein cräm oder ein lyt irgent ledic ist',
und ebenda: ouch ist recht, daz keine lyt mer sullen sin an den ecken
wen ein, daz üz dem seibin cräme get, der an der ecke lyt, daz sol an
beiden orten sin der cremer; in einer Wittenberger Urk. vom J. 1358
(bei Espe, Bericht von 1845) S. 9: ouch sal nymant gewant swden, er
enhab eyn lit in deme koufhüse; ebenda, in einer Urk. von 1354, ist
von einem lettins = litzins, Ladenzins die Rede; die Alten Gesetze
von Nordhausen (Förstern. N. Mitth. III, 2) 41, 221 : nichein unser borger
eder borgerinne, dt da phlit heringe zu sellene, sal nicheinen her ine vor-
coufe an der sträze uf tische edir uf banke, wen uf slme eigenen lefe;
Michelsen, Rechtsd. aus Thüringen, 4, 403 (aus dem Gerichts ouche des
Rathes zu Erfurt, a. 1482 — 92): nachdem die meistere des hanticerckes
der kannengiesser dem selben Heinzen Beynhüsen syne lede zcügethän und
auch ettliche kannen gephant hatten, so sollen sie yne syne lede loider vff-
thün. Eine Tliür oder Klappe an Schweinkoben sowie an Ofen, selbst
an Hosen heißt in Düringen und im sächsischen Osterlaude heutiges
Tages noch das led, das sauled, das üfenled, das hüsenled. Außerdem
ist hierher zu ziehen fensterlet bei Job. Rothe Chronik Cap. 42: mit
gülden thoren unde vensterleden (so auch Cod. Gothan.) sowie bodenled =
GERMANIA. Neue Reilie YIII. (XX. Jalirg ) 4
50 F. BFX'H, SPENDEN Zr^R ALTERSBESTIMMUNG NEUHD. WORTFORMEN.
liölzcncr, in Angeln gehender Fensterladen an der Bodenluke bei Vil-
mar Id. 240 und heimlet = Klappe am Visier des Helmes in den
Scriptores rer. Pruss. V, 329 (a. 1518). Ganz dieselbe Bedeutung hat
endlich noch lit (lied) in dem heutigen augenlied, welches mittelhochd.
schon im Gebrauch war, vergl. ougelit bei Lexer Handw. II, 186. Die
alte Sprache unterschied sonst zwar zwischen Mit = operculum und
lit (lidf lidh) = artus; es scheint aber schon früh eine Verwechselung
oder Vermischung beider eingetreten zu sein. Im Neuhochd. ist die
Bedeutung von lit oder let grade zu auf laden übergegangen.
lader, m., bringt in der mitteld. Form ledere schon eine Willkür
vom J. 1454 im Urkundenb. von Leipzig I, 248, Z. 4: man sal kein
centener gut nicht aheladen, es sy eins hurgirs addir eins gastes, efi thnn
denne dy gesicornen ledere.
lagerhier, n., wird in einem Zeitzer Handelbuche aus der Zeit des
Bischofs Dietrich schon erwähnt, fol. 119": es sy eyn altherkomen vnd
geiconheit, loer da prüwet in einer andern gassen adir vierteill dan da er
inne icont, der sali sine lagirMr adir hir in keines andern mannes hüß
nicht legen lassen an laub und ivissen des rätts (a. 1469).
ladstock, m., ist neuhochd. Benennung für das frühere ladeisen,
ladeysen, mehrmals aufgeführt in Böhmers Urkundenb. von Frankf.
S. 766—767 (a. 1391); vergl. lad-iser bei Lexer Handw. I, 1812.
lake, f., am frühesten in Mitteldeutschland bei Hermann von
Bybera (Kirchhoff, Weist, von Erfurt) 57, 41 : de piscibus qui iacent in
der lake (a. 1332).
längs, als Präposition mit dem Acc, finde ich schon in einer
Kölner Urkunde aus dem J. 1340 bei Höfer, Auswahl 335, Z. 9 : lanfks
dey gregt zu Henderholts Hoveioart und Zeile 12: lancks dat bi'uch ende
tuschen der santstraesen ; ferner in einem Weisthum von Deuz aus dem
J. 1386 bei Grimm III, 4, Z. 31: längs den stein und S. 5, Z. 3: lang^
dat Boecholtz.
lankioirig, adj,, habe ich in der Form lancioerig gefunden in den
Anmerkungen von Schilter zu Jac. v. Königshofen S. 913: ir lancwerige
großmehtige kriege (15. Jahrh.) und in einem Pförtener Briefe vom J.
1503 bei Schöttgen und ICreysig, Diplom. Nachlese II, 465: geczennke,
darynne sie ettwann langiverig gestanden.
larifari, leeres albernes Gerede, halte ich für eine Entlehnung
aus dem Italienischen; vergl. Fichard, Frankf. Archiv III, 204: Da
sungen sie die messe terrihilis La re fa re ut in excelsis Bisz an das
graduale: Liebe swester habe dir das zu, dieszem male!
NOLTE, EINE RELIQUIE VON HEINRICH AEGER AUS CALCAR. 51
larve, f., erscheint schon in den Salfeldischen Statuten (14. Jahrh.)
bei Walch, Beitr. I, 22 und 68 als Überschrift: wer in den larfen leuffet
(vergl. Purgoldts Rechtsbuch IX, 109: daz man — — in der kyrchen
nickt mit larffen lawße).
lässig^ adj., schon früh im Mitteid. vorhanden, wie man nun aus
der Hohenfurter Benedictiuerregel ersieht, 48, 43: swer so versümich
ist und so lazcic, daz er nit wil oder enmach nit trachte oder lese.
läusekrautj n., findet sich zuerst bei Konrad von Megenberg 420, 16:
Staphisagria haizt perchkicher, und haizent etleich läuskraut mit urlauh.
verlautharen, swv., bei Daniels und Grruben in der Glosse zum
Sachs. Weichbildrecht 422, 31 : icere er aber ynlendisch geivest, und hette
das nicht verlütbart yn jare tind yn tage.
laute, f., doch schon im Evangelium Nicodemi, bei Roth, Kl. Bei-
träge IV, Heft 16 — 17 (a. 1865), S. 53, V. 69: paide zimbel unde trum-
hen, cythara und ouch zitolen, psalterium, iceische violen daz chobus (? lies
chorus = sacpfife nach Diefenb. 153'') mit der lauten, paide tamhüren
und die pauken (? lies hauten, hCden).
lehne, f., die Bache, am frühesten wohl in der Zusammensetzung
lyenenbusch im Urkundenb. von Arnsburg no. 811 (a. 1354); Vilmar
Id. 242.
liederlich, adj., tritt schon vor 1400 auf, im Reinfried V. 4917
und 16381.
EINE RELIQUIE VON HEINRICH AEGER AUS
CALCAR.
Der ehemalige Kölner Karthäuser Codex 3. 133 trägt in der
Darrastädter Hofbibliothek die Nummer 819. Ich theile aus ihm nach-
stehendes Stück mit, welches den Karthäuser Mönch Heinrich Aeger
zum Verfasser hat, über den ich in der Wiener Ztschr. für die ge-
sammte kathol. Theologie 1855 Bd. 7 Heft 2 S. 195 folg. ausführlich
gehandelt habe.
fol. 139 vers. Wan die sele bloesz ist und ledig aller dinge, so
wirket got alle werk in ir. Die sele sal also bloez und ledig sin aller
dinge und also in got vereyniget sin, daz sie sal duncken, daz nit en sy
dan eyn got, und daz er nye me geschufi'e dan sye alleyn. Alsus sal die
sele al ir kreflfte samen in iren frihen willen, daz si ungehindert blibe von
4*
52 NOLTE, EINE RELIQUIE VON HEINRICH AEGER AUS CALCAR.
ir selber und allen dingen. Quanto magis te nuclaveris a fantasmatibus et
per bonam voluntatem in intellectu deo unitus fueris, tanto magis ad sta-
tum innocentiae appropinquas. Quo quid melius, quid felicius, quid iocun-
dius? Divide inter animara et carnem. Cogita animam iara esse in eter-
nitate et hoc quod neseit nee intelligere potest, hoc patitur. Qui michi
ministrat, me sequatur et ubi sum ego, illic et minister meus erit.
Ee en gerüet die siele nimmer e si gefuret werde ober ir kreffte und
mogenheit in den Ursprung und daz stille gotlicher naturen. Aldo*) rin-
det sie vol genugede und ewige selikeit. Und ye lediger usganck, ye fri-
her ufganck und naher inganck in die dieffe abgrunde der wysloser got-
heit, in die sie versinket und vereinit wirt, daz sie nit anders mach wullen
wan daz got wil. Secundum Bernardum isto modo homo deifit hoc ex
gratia, quod deus est ex natura. Waz ist daz daz dem hoesten unge-
schaffenen geist allerbeist smacket under allen dingen? Daz ein ist an-
ders nit dan minen willen genück syn in allen dingen. Ja wistehe(?) ich daz
myn lob und wille gelege an neszeln und anderin unkrüt uszbrechen, daz
were ymme daz begerlichste zu volbrengen. Dar (fol. 140) urab so halt
dich ledigclich und lais mich mit dir wirken, so wie ich wil is si susz ader
sür, wan ich bin die ewige wysheit, ich weis allein was dyn bestez ist. We-
res du din selbes also ledig als du des obersten engeis bist, der oberste
engel und alles daz got galeisten mach, ja auch got selber were als gar
din dyn eigen als du dyn selbis eigen bist etc. Videtur mihi quod ista
ledikeit tantum sit in isto silentio. Diewil daz die sele it merket, so en
ist si nit in der stiller heimelichkeit godis. De armen des geistes die gent
uszer in selber und uszer allen creaturen. Si en sint nit, sie en haut nit,
si en wirkent nit etc. Und diese armen^ die en sint nit, wan daz sie sint,
daz sint sie von genaden got mit gode und des selben en wissen sie nit.
Wan die siele komet an diese edelkeit daz sie alsus an nicht hanget, so
en vindet sie kein scholt an ire, daz komet von der friheit, da sie
dan in swebet, wan sie eyn mit gode ist. So sie danne zo dem lichame
komet und ir selbes nit lebit, so vindet si aber scholt als e. So wirt
si gebunden und get weder in sich selber und gebrüchet des, daz sie
dort befonden hat, so erhebet aber sie sich über sich selber und komet
hin ubir dae sie yrn swang und alle yre genugde inne haben mag.
Der Copist fügt bei: Hucusque in libello domus argentine.
DARMSTADT. NOLTE.
*) So cod. a über o.
KARL V. AMIRA, ZUR SALFKÄNKISCHEN EIDESHILFE. 53
ZUR SALFKÄNKISCHEN EIDESHILFE.
Die Ordnung innerhalb der nach sal fränkischem Recht zur Eides-
hilfe antretenden Magschaft habe ich in meiner Schrift über die „Er-
benfolge und Verwandtschaftsgliederung nach den altniederdeutschen
Rechten" p. 29 folg. nur flüchtig berührt, da über das fragliche Rechts-
verhältniss Quellenzeugnisse aus der Zeit vor dem 9. Jahrh. mir nicht
zur Verfügung standen, die späteren aber dem Plane meiner Arbeit
gemäß zum eigentlichen Beweise nicht verwendet werden sollten. Nur
der 2. Peyron'schen Extravagante wurde gedacht als der einzigen
hier einschlagenden Nachricht, die uns die salfränkischen Legalquellen
an die Hand geben. Bekanntlich sind es aber noch drei Formulare
aus karlingischen Formelbüchern, die sich näher darüber auslassen,
welche Blutsfreunde dem Hauptschwörer beim Eide zu helfen haben.
Die Formeln beziehen sich insgesammt wie die 2. Extravagante auf
den Eid im Freiheitsprocess. Die uns hier vor allem interessierenden
Worte sind:
Form. Lindenbr. n. 169 (Roziere n. 483): Sed ipsi scabini ...ei
[dem Beklagten] visi sunt judicasse ut supra noctes quadraginta cum
duodecim Francis, sex de parte jpaterna, et sex de materna in ecclesia
illa jurare debuisset, quod de parte paterna aut de materna secundum
legem Salicam ingenuus esse videretur.
Form. Marc. App. n. 2 (Roziere n. 479) : . . . taliter fuit judicatura,
ut hac causa apud loroximiores parentes suos octo de i^arte genitore suo
et octo de parte genitricae siiae, si praemortui non sunt, apud duodecim
francos tales, qualem se esse dixit ... in quadraginta noctes in proximo
mallo . . . hoc debeat coujurare.
Form. App. App. n. 5 (Roziere n. 480). Sic ab ipsis personis
taliter ei fuit judicatum, ut apud duodecim homines parentes suos octo
de patre et quatuor de matre, si praemortui non sunt, et si praemortui
sunt, apud duodeoim homines hene Francos Salicos in ipso mallo . . . hoc
conjurare debeat, quod avus suus ille quondam nee genitor suus ille
quondam coloni Sancti illius . . . nunquam fuissent.
Die Formeln stimmen hinsichtlich der geforderten Eideshilfe
weder mit der 2. Peyron'schen Extravagante, noch unter sich völlig
überein. Von der Extravagante weichen sie sämmtlich schon dadurch
ab, daß sie nicht einen selbzwölft, sondern einen selbdreizehnt zu
54 KARL V. AMIRA
schwörenden Eid verlangen. Allerdings ist der mit 12 Helfern zu er-
bringende Eid der dritten Peyron'scheu Extravagante bekannt: . . . „prae-
beat ipse . . . duodecim sacramentales et ipse sit tertiusdecimus". Doch
gilt dieß nicht für den Freiheitsbeweis, sondern für den Beweis der
Echtheit von Urkunden. Vielleicht ist auch schon in der lex Salica
ein selbdreizehnt geschworener Eid gemeint, wenn im tit. LVIII ge-
sagt wird: „XII juratores donare debet"; und in tit. LX des He-
rold'schen Textes: „cum XII juratoribus se exinde educat." Indeß Cap.
Sal. II c. 4 (ed. Boretius) schreibt zum Beweise im Proceß „de dote
et de res in hoste praedata et de homine qui in servitio revocatur"
einen Eid vor, den nicht, wie Waitz (d. a. Recht der sal. Franken
p. 172) meint, 12 Eidhelfer neben dem Hauptschwörer, sondern den
im Ganzen 12 Männer schwören („In quantas causas thalaptas de-
beant jurare", wozu Cod. 3: „In quantas causas talentas [1. talaptas]
juratores sunt XII"). In der lex Ribuaria ist der Zwölfereid ein selb-
zwölft geschworener (vgl. L. Rib. VI, VII, IX, X, 1, XIII, XIV, 2,
LVII, 5, LXVII, 5 mit LXVI, 1), während der Sechsteid ein selbsiebent
geschworener ist (LXVI, 1). In der lex Chamavorum ist der Behaltungs-
eid im Freiheitsproceß selbdreizehnt, der promissorische Eid bei der
Freilassung selbzwölffc geschworen (a. a. O. c. X u. XI). So ist auch
für salfränkischen Rechtsbrauch des 6. Jahrh. der Zwölfereid gerade
im Freiheitsbeweis als ein selbdreizehnt zu schwörender beglaubigt
(Form. Andeg. n. 10 bei Roziere n. 482). Vgl. ferner für den Unschulds-
eid Gregor. Turon. bist. eccl. VIII, 40 und Form. Sirm. n. 30, wonach
der Unschuldseid im Proceß wegen Todschlags „manu sua tertiadecima"
und verdreifacht „manu sua trigesima septima", also doch als Zwölfer-
eid geschworen wird (ebenso der Eid im Freiheitsproceß, Roziere
n. 481). Es ergibt sich, daß der Begriff des Zwölfereides schon im
6. Jahrh. ins Schwanken gerathen war. Die Einen verstanden ihn als
einen mit 12 Helfern, die Andern als einen selbzwölft geschworenen Eid.
Uneinigkeit unter unsern Quellen besteht ferner hinsichtlich der
erforderlichen Art der Verwandtschaft zwischen Hauptschwörer und
Eideshelfern. Die letzteren treten nach der zweiten Extravagante in
zwei Gruppen, Vater- und Mutterseite, aus einander. 4 Vater- und 7
Muttermagen sollen schwören, falls den väterlichen Vorfahren des Haupt-
schwörers, 4 IMutter- und 7 Vatermagen, falls den mütterlichen Vor-
fahren die Freiheit abgestritten werden will. Denn das Princip ist: „ex
qua parte mundior est, ex ipsa parte plus dabit testes." Weiterhin gilt
nach der Extravagante der Grundsatz, daß auf jeder Verwandtschafts-
seite stets die nächsten Blutsfreunde („qui proximiores sunt") als
ZUR SALFRÄNKISCHEN EIDESHILFE. 55
Eidhelfer aufzutreten haben. Und es ist sogar ein Incidentverfahren vor-
gesehen, über die Frage^ ob die vorgeführten Eidhelfer auch wirklich
die nächsten Magen des Hauptschwörers seien, — ein Incidentver-
fahren, -welches möglicher Weise zu Zeugenbeweis und Zweikampf
führen kann. Im Gegensatze zur Extravagante verlangt die Linden-
brog'sche Formel schlechthin den Schwur von 6 Vater- und 6 Mutter-
magen , gleichviel für welche Seite der Verwandtschaft der Kläger Un-
freiheit behauptet hatte („ . . • advocatus . . . illum interpellabat, dum diceret
eo, quod de capite suo legibus esset servus . . . quod genitor suus vel ge-
nitrix sua aut avus suus aut avia sua [servitium] fecerunt. Sed ipse
vir . . . hanc causam in omnibus denegabat, quod . . . secundum legem
nullum servitium agere deberet eo, quod de parte paterna aut de ma-
terna secundum legem ingenuus esse videretur"). Andererseits gedenkt
das Beweisurtheil nicht des Erfordernisses, daß der Schwur von den
nächsten Vater- und Muttermagen zu leisten sei. Von den beiden
Formeln im App. Marc, wahrt n. 2 zwar den letztgedachten Grund-
satz der Extravagante. Hingegen ist, wie dieß schon H. Siegel (Gesch.
des deut. Gerichtsverf. I p. 186) hervorgehoben hat, die Regel „ex qua
parte" etc. sowohl in n. 2 wie in n. 5 aufgegeben, nur in anderer Weise
wie in der Lindenbrog'schen Formel. Nach n. 2 nämlich hat der Kläger
behauptet, „quod genitor suus nomine illo colonus Sancti illius . . .
fuisset", nach n. 5 ,.quod avus suus . . . vel genitor suus coloui Sancti
illius . . . fuissent". Obwohl hiernach als Klaggrund nur Unfreiheit der
väterlichen Vorfahren angegeben ist, schwören doch beide Male 8
Vater- und 4 Muttermagen. Endlich trennen sich die beiden Formeln,
— was gleichfalls von Siegel betont ist, — auch dadurch von der
Extravagante, daß sie den freundlosen Beweisführer nicht sachfällig
werden, sondern noch einen mit 12 Salfranken zu schwörenden Eid
erbringen lassen.
Hinsichtlich des geschichtlichen Verhältnisses dieser Widersprüche
dürfte Folgendes in Betracht kommen. Die verwandtschaftliche Eides-
hilfe beruhte auf dem Gedanken, daß unter allen unbescholtenen
Rechtsgeuossen der Verwandte am besten im Stande sei, sich über
die Eidesi'einheit seines Verwandten eine Überzeugung zu bilden (vgl.
K. Maurer in der Münchener krit. Überschau V, 1857 p. 206 — 213 und
R. Sohm, Altfränk. Reichs- und Gerichtsverfassg. p. 582). Andererseits
konnten, wenn man dieser Rücksicht folgend, sämmtliche Eidhelfer
der nächsten Verwandtschaft des Hauptschwörers entnahm, doch Fälle
eintreten, in denen bestimmte Verwandte eben so sehr am Beweis-
thema wie am Beweisführer ein persönliches Interesse hatten, so daß
56 KAKL V. AMIRA
sich gegen ihre Verlässigkeit das Mißtrauen regen mußte. Ein solcher
Fall war im Freiheitsproeeß gegeben. Hier war von vorne herein zu
erwarten, daß die meisten Eidhelfer auf derjenigen Verwandtschafts-
Reite sich würden auftreiben lassen, auf der die unfreien Vorfahren
des Hanptschwcirers gesucht wurden. Dem natürlichen Mißtrauen gegen
sie ont>[traTig. wenn nicht ihr gänzlicher Ausschluß von der Eideshilfe,
so ddch ihre Zurücksetzung hinter die unangefochtene Verwandtschafts-
seite, also der Grundsatz „ex qua parte" etc. In der Lindenbrog'schen
Formel ist dieser Grundsatz verschwunden, in den beiden Formeln
des App. Marc, in sein Gegentheil verkehrt, sofern nicht dort das
Verhältniss der Vater- zur Mutterseite wie 2:1 als ein für alle Fälle
gemeinsam giltiges angenommen ist. Ferner: Mit ihrem absoluten Er-
forderniss der verwandtschaftlichen Eideshilfe sowie mit ihrem Er-
forderniss der Eideshilfe der nächsten Verwandten stimmt die Extra-
vagante vöUig zu lex Chamavorum X: „Si quis hominem ingenuum
ad servitium requirit, cum duodecim hominibus de suis proximis pa-
rentilms in sanctis juret et se ingenuum esse faciat aut in servitium
cadat."- Der Unterschied in der Zahl der Eidhelfer beweist, daß die
salfränkische und die charaavisch-fränkische Quelle von einander un-
abhängig sind. Um so nachdrucksamer fällt ihre sonstige Einstimmig-
keit in's Gewicht. Es lässt sich hieraus der Schluß ziehen, daß sie die
ursprünglichen Regeln über altfränkischen Freiheitsbeweis treuer be-
wahren als die Formeln. Indem die Formeln nicht nur die altsalische
Eidhelferzahl vermehrt, sondern auch das absolute Erforderniss der
Verwandtschaft in ein primäres verwandelt oder aber das absolute Er-
forderniss nächster Verwandtschaft aufgegeben zeigen, überliefern sie
spätere und particulare Besonderheiten des salfränkischen Gerichtsge-
brauches im Gegensatz zum alten Volksrecht. Dieß Ergebniss fügt sich
bestens zu dem vorhin über die Regel „ex qua parte" Bemerkten. Wenn
nun auch die ursprüngliche Gestalt des salfränkischen Freiheitsbeweises am
wenigsten getrübt in der Extravagante vorliegt, so lässt sich doch kaum
annehmen, daß die neu schaffende Rechtsübung durchweg willkürlichen
oder gänzlich unjuristischen Gesichtspunkten gefolgt sei. Bereits wurde
auf die Möglichkeit hingedeutet, es könne das Zahlenverhältniss zwi-
schen Vater- und Mutterseite in App. Marc. n. 2 u. 5 als gemeingiltig
lür alle Arten der Klagbegründung aufgestellt sein. Das Zahlenver-
hältniss 2 : 1 würde vorliegen, wie es auch im angelsächsischen Recht
zwischen Speer- und Spindelhälfte bei Leistung der Werbürgschaft,
Geben und Nehmen des Wergeldes und Schwur des Unschuldseides
durchgeführt ist (vgl. „meine Erbenfolge etc." p. 87, 96—98). Über-
ZUR SALFRÄNKISCHEN EIDESHILFE. 57
haupt widmet das altniederdeutsche Verwandtsehaftsreeht und insbe-
sondere die salfränkische Successionsordnung der Speerseite höhere
Werthschätzung als der Spindelseite. Man wird zu der Ansicht geführt,
daß in einzelnen Gerichten unter dem vorwaltenden Einfluße der
nationalen Verwandtschaftsstructur die eigenartigen Regeln des Frei-
heitsbeweises allmälig in Vergessenheit gerathen seien.
Daß die Blutsfreunde im Zusammenhang mit ihrem Recht zum
Nehmen von Erbe und Wergeid und ihrer Pflicht zum Geben von Wergeid
auch verbunden gewesen seien, einander zum Eide zu helfen, war bis
auf H. Siegel gemeine Meinung gewesen. Siegel stellte a. a. 0. p. 183 ff.
eine Rechtspflicht der Magschaft zur Eideshilfe in Abrede. Hingegen
haben sich v. Bethmann-Hollweg, Civilproc. IV 1868 p. 509 n. 51 und
O. Gierke, deut. Genossenschaftsr. I, 1868, p. 16 n. 24 auf die Seite
der früher gangbaren Lehre gestellt, der letztere, indem er die Eides-
hilfe aus der gerichtlichen Schutzpflicht der Sippe folgerte, während
der erstere sich auf lex Sah tit. LX berief. Man wird aus einander
halten müssen einmal die Frage: warum zieht das Beweisrecht in
bestimmten Fällen die Magschaft zum Hilfseide bei? — sodann die
Frage: verpflichtet das Verwandtschaftsrecht die einzelnen
Mitglieder der Sippe in jenen gesetzlichen Fällen zur Eideshilfe? Daß
die das Beweisrecht angehende Frage nicht mit Argumenten des Ver-
wandtschaftsrechts, sondern nur mit processualischen Gründen zu lösen
sei, scheint mir durch K. Maurer a. a. O. p. 206 — ^213 zur Genüge
dargethan. Doch ist bezüglich des salfränkischen Beweisrechtes hieran
die Bemerkung zu knüpfen, daß es dem Anscheine nach nur in wenigen
Fällen die Eidesreinheit durch den Beistand der Magschaft bedingt
sein ließ. So war zum selbsiebent geschworenen Behaltungseide Theil-
nahme der Blutsfreunde nicht erforderlich (Urk. a. 680 bei Brequigny-
Pardessus, diplomata n. 397) ; ebenso wenig zum selbviert geschworenen
Läugnungseide; dieser wird mit Umsassen aus der Hundertschaft ge-
schworen (Form. Andeg. n. 28 bei Roziere n. 487 „apud homines tan-
tus vicinis circa manentis de ipsa condita mano suo quarta") und so
wohl auch der selbsiebent geschworene Läugnungseid (Roziere n. 453).
Zum selbdreizehnt zu schwörenden Entschuldiguugseid wählt der Haupt-
schwörer die Helfer aus (Gregor. Turon. bist. eccl. VIII, 40: „electis
duodecim viris, ut hoc scelus pejeraret"). Und daß die Eidhelfer in
diesem Falle aus den Umsassen genommen wurden, ist aus Form.
Andeg. n. 49 (Roziere n. 493) ersichtlich : „visum est ad ipsis personis
decrevisse judicio . . . apud homines XII mano sua XIII. vicinus circa
manentes sibi ... hoc debeat coujurare". Wiedermn ^'zum Reinigungs-
58 KAl^L V. AMTRA
eide werden nach Form. Sirmond. n. 30 §. 2 (Rozi^re n. 491) 36 Helfer
verlangt, die als ,,horaines visores et cognitores" charakterisiert werden.
Wie aus dem zuletzt angeführten Belege erhellt, sah man in der sal-
fräukischen Rechtsübung darauf, daß der Eidhelfer im Stande war,
nicht nur über die Vertrauenswürdigkeit des Hauptschwörers, sondern
auch über den Sachverhalt selbst sich eine Ansicht zu bilden. Es ließe
sich dem gemäß wohl denken, daß verwandtschaftliche Eideshilfe über-
haupt nur in solchen Fällen erforderlich war, in denen es sich um
verwandtschaftliche Angelegenheiten handelte. — In Bezug auf die*
zweite Frage nimmt H, Siegel, wenn auch eine Verbindlichkeit zur
Eideshilfe läugnend, doch eine ,,Eidesgemeinschaft" an im Sinne eines
Rechtes der Blutsfreunde, sich mit dem Eide beizustehen. Nur dürfe
man sich zum Beweise dieser in der Sippe begründeten Eidesgemein-
schaft nicht auf das „juramento" in C. Sah tit. LX berufen, gerade die
Stelle also, die wiederum von Bethmann-Hollweg benutzt worden ist,
um die verwandtschaftliche Pflicht zur Eideshilfe darzuthun. Die Stelle
verordnet in §, 1, wer sich aus der Sippe heben wolle („qui se de pa-
rentilla tollere vult"), habe sich zur Malstätte vor den Hundertschafts-
vorsteher zu begeben und. hier drei Erlenzweige über seinem Haupte
zu brechen und nach den vier AVindrichtungen zu werfen: „et ibi
<licere debet, quod juramento et de hereditatem et totam ratiouem
illorum se tollat." Siegel erklärt „juramento" als instrumeutalis. Gram-
matisch, wegen des erst nachfolgenden et — et würde diese Erklärung
freilich als die annehmbarste erscheinen. Und da überdieß unser tit.
LX in den sog. leges Pleinrici I' c. 88 §. 13 wiederkehrt, wobei von
einem „foris jurare" oder „abjurare" der Sippe gesprochen wird, so
ist Siegels Deutung nicht ohne quellenmäßige Stütze. Der letztern
Tragkraft schwindet, sobald sich uns der wahre Charakter der 11. Heinr.
enthüllt. Besten Falls können diese nur eine Übung bezeugen, wie sie
im 11. oder 12. Jahrh. in England bestand. Entweder im Einklänge
mit einer solchen oder nach eigenem subjectiven Ermessen hat der
Compilator des Rechtsbuches die wenigen Stellen umgearbeitet und
umgedeutet, die er aus den Volksrechten der continentalen Stämme
aufgenommen (s. „Erbenfolge etc." p. 99 folg.). Frühzeitig schon hat
man das „juramento" in tit. LX cit. von einer Eidesgemeinschaft und
zwar gerade von der Eideshilfe verstanden. Dieß ergibt der hand-
schriftliche Befund unsers Titels in §. 2. Von einzelnen uns z. Z. nicht
näher berührenden Varianten abgesehen, werden hier in den meisten
Hss. die Consequenzen des Austrittes aus der Sippe in nachstehender
Weise angegeben :
ZUR SALFRÄNKISCHEN EIDESHILFE. 59
„Et si postea aliquis de suis parentibus aut occidatur aut moria-
tur, nulla ad eum nee hereditas nee compositio perteneat, sed
hereditatem ipsius fiscus adquirat."
Der Parallelismus zu „quod juramento — se tollat" in §. 1 ist
Mer nicht vollständig durchgeführt. Um ihn herzustellen, schließt der
Herold'sche Text, statt mit „sed — adquirat", mit den Worten:
„simili modo si ille moriatur, ad suos pareutes non pertinet causa
nee hereditas ejus, sed amodo cum XII juratoribus se exinde educat."'
d. h. „in Gleichem sollen nach des Ausgeschiedenen Tod seine Bluts-
freunde weder Wergeid noch Erbe anzusprechen haben, er aber soll
sich von jetzt an mit 12 Eidhelfern reinigen"; d. h. doch wohl
nicht mehr mit 12 der Magschaft entnommenen, sondern mit 12 Eid-
helfern schlechthin. Wegen „educere" in dem angegebenen Sinne s.
tit. LVI, 1 : „ut aut per ineo aut per compositione se aeducat" ; —
Cap. Sal. V (ed. Boretius) c. 6: „in veritatem testimonia ... unde se
aeducat;" — c. 7 ibid. „si ibi se non eduxerit . . . culpabilis judicetur".
Man wird sich auch das Bedenken vorlegen müssen, daß in den Worten
unsers tit. LX §. 1 von einem eidlichen Austritte aus der Sippe eigent-
lich nichts zu finden ist. Es ist vorgeschrieben, nicht daß der Aus-
tretende einen Eid zu leisten, sondern nur daß er von einem Eide zu
reden habe. Brechen und Werfen der Zweige gehört natürlich nicht
zum Eide; es versinnbildlicht, daß der aus der Sippe Scheidende seines
Stammbaumes Aste für sich als gebrochen und abgefallen betrachten
will. Erkenne ich dem Gesagten zufolge in „juramentum" gegen Siegel
eine Eidesgemeinschaft der Blutsfreunde, so kann ich doch Bethmann-
Hollweg und Gierke nicht beitreten, wenn sie aus ihr eine Pflicht zur
Eideshilfe im Rechtssinne entspringen lassen. Siegel hat bereits hervor-
gehoben, daß salisches Recht keinen processualen Zwang, kein „man-
nire" des Hauptschwörers gegen seine Anverwandten zur Erlangung
eidlichen Beistandes kennt, wie es einen solchen Zwang gegen die
Geschäftszeugen kennt (a. a. O. p. 183 n. 24). Sollte die Rechtsordnung
in ihrer Eigenschaft als Proceßrecht die Eidesreinheit vom freiwilligen
Gewähren und Versagen verwandtschaftlicher Eideshilfe abhängig ge-
macht, in ihrer Eigenschaft als Verwandtschaftsrecht dem Beweisführer
einen Anspruch und ein Zwangsmittel auf Leistung der Eideshilfe an
die Hand gegeben haben? Daß dem Verwandtschaftsrecht ein solcher
Anspruch entsprungen sei, könnte offenbar nur für jene Fälle an-
genommen werden, in denen das Beweisrecht gerade keine verwandt-
schaftliche Eideshilfe forderte. Dem Ansprüche nachzukommen, würde
aber den wnderwilligen Blutsfreund nichts haben autreiben können, als
60 KARL V. AMIRA
etwa das eigene Interesse am Ausgange des Processes, die Furcht vor
förmlicher Trennung des verlassenen Verwandten von der Sippe, also
vor Verlust der Erbschaft und des Wergeides, dann endlich gesell-
schaftliche Rücksichten.
Umstritten ist das Verhältniss zwischen dem mit Helfern zu
schwörenden Eide und dem Gottesurtheilim salfränkischen Recht.
Siegel (a. a. O. p. 270) hat bekanntlich die Ansicht aufgestellt, in der
1. Sah zeige sich das Bestreben des Gesetzgebers, den Eid der Partei
zu verdrängen und als Ersatzmittel das Feuerordal einzuführen.
R. Sohm hingegen findet in der 1. Sal. das Conjuratorensystem des
fränkischen Rechts noch in seiner Entwickelung ; das Gottesurtheil sei
des Bekla*i^ten eigentliches Beweismittel; zum Schwur mit Helfern ge-
lange dieser nur in Folge eines Zugeständnisses von Seite des Gegners
(Zeitschr. für Rechtsgesch. V p. 403; vgl» jedoch auch Altfränk. Reichs-
und Gerichtsverfassg. p. 575 — 577, wo der Parteieneid für „das Be-
weismittel des altdeutschen Processes" erklärt wird). Auch K. Maurer
in der Münch. krit. Überschau V p. 215 n. 2 und v. Bethmann-HoUweg
a. a. O. p. 509 weisen dem mit Helfern geschworenen Eide eine sub-
sidiäre Stellung nicht nur- hinter dem Zeugenbeweis, sondern auch
hinter dem Gottesurtheil an, — ersterer nicht ohne hierin eine sal-
fränkische Abnormität zu erkennen. Zunächst ist an den salfränkischen
Grundsatz zu erinnern, daß beim Mangel der gesetzHch geforderten
Eideshilfe dem Beweisführer als letztes Auskunftsmittel das Gottesur-
theil zu Gebot steht. Für bestimmte hier einschlagende Fälle kennt
schon die 1. Sal. und zwar in einer der ältesten Redactionen den
Kesselfang als subsidiäres Beweismittel. S. die Zusätze des Cod. Guel-
ferbyt. zu 1. Sal. tit. XIV §. 2, XVI §. 3. Primär also war der Par-
teieneid erforderlich. In schweren Delictssachen erwähnt seiner die 1.
Sal. als das Beweismittel des Beklagten (tit. XXXIX §. 2 tit. XLII
§. 5), und so sehen wir denn auch den Eid mit Helfern schon im
6. Jahrh. vielfach als alleiniges Beweismittel in Debets- wie in Civil-
sachen angewandt. Abgesehen von den cit. Formeln von Angers und
Sens verweise ich in dieser Hinsicht auf Cap. Sal. I, 9, sodann auf
Gregor. Turon. bist. eccl. VIII, 40, V, 4, 50, VII, 23, VIII, 16, 40, IX,
13, 32, wo es sich überall um Unschuldseide handelt, und auf VIII, 9
ibid., wo mit 33 Eidhelfern der Beweis der Vaterschaft geführt wird.
Neben diesen Thatsachen steht nun die andere, daß, wenigstens in
bestimmten Fällen^ bereits das Beweisurtheil nicht auf Eid, sondern
auf ein Ordal erkennt, so in Kampfsachen auf den Kesselfang schon
nach 1. Sal. tit. LVI §.1, im Proccß wegen Diebstahls auf das Loos-
ZUR SALFRÄNKISCHEN EIDESHILFE. 61
ordal nach Cap. Sal. IV, 10 §. 3, wegen anderer Delicte auf Zweikampf,
der bei den Franken Ordal war, nach Gregor. Turon X, 10; in Civil-
sachen, z. B. wegen Verletzung von Grundeigenthum auf das Kreuz-
ordal nach Form. Bigu. n. 12, Merkel n. 43 (Roziere n, 502). Das
Gottesurtheil trägt keineswegs in allen diesen Fällen den Charakter
eines letzten Auskunftsmittels an sich, als zu welchem man beispiels-
weise in dem Rechtsstreit zwischen dem Bischof von Paris und dem
Abt von S. Denis im J. 775 seine Zuflucht zum Kreuzordal nahm
(ürk. bei Mabillon, de re dipl. p. 498). Schon aus der Klage konnte
unmittelbar die Nothwendigkeit des Gottesurtheils entspringen. Die 1.
Sal. tit. LIII §§. 1, 6 spricht von einem „admallare aliquem ad ineum".
Man konnte einen auf Kesselfang ansprechen.
Aber gerade auf die Exegese des tit. LIII cit. spitzt sich die Frage
nach dem Verhältniss zwischen Parteieneid und Gottesurtheil zu. Der tit.
LIII bespricht folgenden Sachverhalt. Der Beklagte gibt dem Kläger
Geld dafür, damit dieser statt mit dem Kesselfang mit Eidhelfern vorlieb
nehme. Mit Leichtigkeit führt dann der Beklagte seinen Unschuldsbeweis,
und der öffentlichen Gewalt entgeht ihr Friedensgeld, während der Kläger
seinen Zweck erreicht. Denn ihm zahlte aus Scheu vor dem Kesselfans: der
Beklagte gerne die ganze verlangte Bußsumme, soferne er damit über
die Entrichtung des Friedensgeldes hinweg kam. Damit beantwortet
sich die von F. Dahn, Studien über die germ. Gottesurth. p. 48 auf-
geworfene Frage, welchen Vortheil der Kläger wohl von derartigen
Transactionen haben mochte. Es bedarf also auch nicht der Dahn'schen
Hypothese, daß in vorhistorischer Zeit bei den Salfrauken an der Stelle
des Kesselfanges ein zweiseitiges Ordal gestanden, daß es daher für
den Kläger vortheilhaft gewesen sei, den Beklagten sich frei kaufen
zu lassen, und daß dieser Loskauf sich noch in die historische Zeit
hinein erhalten habe, nachdem das zweiseitige Ordal durch den Kessel-
fang ersetzt war (a. a. O. p. 49—54). Weiterhin ist darauf hinzuweisen,
daß der in 1. Sal. tit. LIII behandelte Fall als nur in demjenigen De-
lictsproceß eintretend gedacht ist, in welchem die Buße des überführten
Beklagten mindestens 15 sohdi beträgt. Die Bestimmungen des Gesetzes
beschäftigen sich zunächst mit der zu zahlenden Geldsumme. Diese
wird je nach der Bedeutung des Vergehens in der Art normiert, daß
sie niemals einen bestimmten Bruchtheil der Buße übersteioft, welche
der Beklagte, wenn sachfällig, zu zahlen haben würde. Nicht als ob
damit ein Maximum oder Minimum festgesetzt werden wollte, woran
die Parteien schlechthin gebunden sein sollten. Die Absicht geht viel-
mehr dahin, der öffentlichen Gewalt das Friedcnsgeld zu sichern,
62 KARL V. AMIRA
welches verfallen würde, wenn der Beklagte zur Führung des Unschulds-
beweises außer Stand wäre: „Si plus ad manum rederaendum dederit
fritus grafioni solvatur, quantum de causa illa, si convictus fuisset"
(§. 2; ähnl. §§. 4, 1). M. a. W. es soll nicht dem Abkommen der
Parteien überlassen bleiben, ob des Königs Beamter das Friedensgeld
erhalten solle oder nicht (so auch v. BethmannHollweg p. 509). Es
ergibt sich, daß an den überlieferten Principien des Beweisrechts keine
Änderung getroffen wird. Das Princip besagte : Im Delictsproceß schwört
sich der Beklagte mit Helfern nur dann frei, wenn sich dieß der
Kläger gefallen lässt. Vorausgesetzt nämlich, daß die Delictsbuße min-
destens 15 solidi beträgt, kann der Kläger Widerspruch gegen den
Unschuldseid erheben, gleich bei Beginn der Klage oder nachdem der
Beklagte sich zum Eide erboten. Der Kläger kann den Unschulds-
eid des Beklagten schelten. 15 solidi beträgt die Meineidbuße
(1. Sal. XLVIII. Cap. Sal. VI, 15). Der Kläger kann den Unschulds-
eid des Beklagten nur dann schelten, wenn die Streitsumme die Höhe
der Meineidbuße erreicht. Macht der Kläger von seiner Befugniss Ge-
brauch, so ist der Beklagte in der nämlichen Lage, wie wenn er der
Eideshilfe entbehrte, d. h.. er reinigt sich durch das Gottesurtheil, wie
sich durch das Gottesurtheil der Unfreie reinigt, dessen Eid von Rechts
wegen gescholten ist (Cap. Sal. IV, 5, 6, 8, 11; V, 7). Schelte der Eides-
reinheit liegt in entehrender Klage, z. B. wegen Diebstahls (Cap. Sal.
IV, 10 §. 3). Daher solche Klagen, an der Spitze natürlich die Meineid-
klage, den Beklagten ohne weiteres zum Gottesurtheile nöthigen (Cap.
Sal. VI, 16; IV, 10 §.3).
Daß die hier versuchte Exegese von 1. Sal. tit. LIII richtig, be-
legen die späteren Neuerungen im Beweisrecht. Sie giengen von jenem
Falle des Delictsprocesses aus, da beide Kläger und Beklagter zur
königlichen Gefolgschaft gehörten (Cap. Sal. II, 8). Einmal sollte der
Antrustio dem Antrustio nicht auf jede Klage ohne weiteres, son-
dern nur auf eine solche Klage zu antworten haben, die der Kläger
mit einem videred, d. h. mit einem Angriffseide beschwor (über den
videred s. unten). Zweitens: zum Gottesurtheil sollte der Antrustio
vom Antustrio nur in den schwersten Delictsfällen getrieben werden
können, nämlich nur in denjenigen, die Sühne mit dem Wergeid
verlangten: „Si vero de leodem cum rogatum habuit, debet^ qui
eum rogavit, cum XII videredo jurare et ipsas in XIV noetes aeneo
calefacere debet. Et si... quicumque antrustio ille de causa superius
conpraehensa (d. h. die geringeren Bußsachen) per sacramenta absol-
vere non potuerit, aut manum suam in aeneum pro leude mittere dis-
pexerit ... tuuc ille, qui eum rogatum habet, solem illi colliget ...*'
ZUR SALFRÄNKISCHEN E [DESHILFE. GS
In geringeren Bußfällen also war von jetzt ab der Antrustio dadurch
privilegiert, daß ihm der Unschuldseid nicht durch des Klägers bloßes
Wort verlegt werden konnte. Die erste von diesen beiden Neuerungen
wurde durch den edictus Chilperici auf den gemeinen Delictsproceß
ausgedehnt (Cap. Sah V, 9). Aus der zweiten erhellt, daß nach ge-
meinem salfränkischen Beweisrecht im Delictsproceß der Kläger dem
Beklagten den Unschuldseid durch seine Schelte verlegen konnte^ auch
wenn die Streitsumme den Betrag des Wergeides (200 solidi) nicht
erreichte. Primäres Beweismittel war somit auch hier der Eid, secun-
däres das Gottesurtheil. Letzteres erscheint motiviert durch die Eides-
schelte. Die Eidesschelte verlangte, wenn dem Kläger keine Zengeß
zu Grebot standen,, das Gottesurtheil. Diesen Satz suchte die spätere
Gesetzgebung nur zu mildern, nicht abzuschaffen. M. s. Cap. Sah
VI, 15: „De eo qui alterum imputaverit perjurasse. Si quis alterum
inculpaverit perjurasse et ei potuerit probare, XV solides eonponat qui
perjurat; si tamen non potuerit adprobare, cui crimen dixit, XV solidos
solvat et postea, si ausus fuerit, pugnet." Vermag der Kläger seine
Eidesschelte nicht auf Zeugenaussagen zu stützen, so soll er, um auf
dem Kampfordal bestehen zu dürfen, 15 solidi erlegen. Vor dem Cap.
VI cit. war dieß nicht erforderlich. Und bezüglich der Schelte des
Zeugeneides hatte es auch gemäß §. 16 ibid. beim alten Recht sein
Verbleiben, und zwar in dem doppelten Sinne, daß die Eidesschelte
hier ohne weiteres zugelassen blieb und daß sie nach wie vor zum
einseitigen Ordal, dem Kesselfang, f-ihrte, während Schelte des Par-
teieneides fortan des zweiseitigen Ordals benöthigte. Außer dem vom
Gesetze aufrecht erhaltenen Anwendungsfalle sollte nach §. 4 ibid.
Provocation zum Kesselfang fortan unzulässig sein. In Cap. Caroli
M. a. 779 c. 10 endlich erscheint als Beweismittel im Meineidsproceß'
das Kreuzordal, Die merowingische und karlingische Gesetzgebung
zeigt dem Bisherigen zufolge das Bestreben, nicht den Parteieneid
durch das Gottesurtheil zu ersetzen, sondern umgekehrt die Schranken
des Parteieneides möglichst nieder zu legen. Man erreicht dieß, indem
man die Eidessclielte erschwert und zwar einmal, indem man zur
Eidesschelte Führung eines Zeugenbeweises oder aber Erlag der Pro-
ceßbuße verlangt, sodann indem man an die Stelle des einseitigen
das zweiseitige Ordal setzt. H. Brunner, Enstehg. d. Schwurger. p. 178
hat gezeigt, daß im anglonormannischen Recht das Kampfordal von
vorausgehender Eidesschelte abhängig ist. Dem Kampfordal gieng ein
von beiden Parteien geschworener Eid voraus. Ähnliche Grundsätze
lassen sich im altfränkischen Recht nachweisen. Vor dem einseitigen
G4 KARL V. AMIRA
Ordal hatte der Beweisführer einen Unschuldseid zu schwören, so
vor dem Kesselfang (Roziere n. 595, 597), vor dem Ordal des glühenden
Eisens (ibid. n. 595, 597, 602 und III p. 354), vor dem Ordal der
Wassertauche (ibid. n. 581, 584, 590, 595). Ein Rituale für das Ordal
des kalten Wassers lässt beide Parteien schwören: „Postea jurent sa-
cramenta et accusans et defensor, quasi duellum ingressuri jurent . . .
Deinde vero ... in aquam demittatur" (Roziere n. 583). Aber bereits
unter K. Hludowic d. Fr. wurde der Eid aus dem Rituale des Gottes-
urtheils entfernt. Von diesem eidlosen Ordal wird gesagt: ,,Hoc Judi-
cium autem petente domino Hludowico imperatore constituit beatus
Eugenius praecipiens, ut omnes episcopi, comites, abbates, omnisque
populus Christianus, qui infra ejus imperium est, hoc judicio defendant
innocentes et examinent nocentes, ne perjuri super reliquias sanctorum
perdant suas animas in malum consentientes" (Roziere n. 511; ähnlich
n. 512, 514). Das altfränkische Gottesurtheil ist Bestärkungs-
mittel des Unschuldseides. Es ist bedingt durch einen geschol-
tenen Unschuldseid. Der nämliche Rechtssatz kehrt in den ältesten Be-
standtheilen der 1. Frisionum wieder. Sind mehrere wegen eines Tod-
schlags alternativ angeschuldigt, so reinigt sich ein jeder mit dem
Zwölfereide; aber die Reinheit dieses Eides bedarf, nachdem ihn die
mehreren Beklagten erbracht, einer Bestärkung durch das Loosordal
(1. Fris. tit. XIV). Im altfriesischen Freiheitsproceß können sich die
beiden Parteien den Eid mit Helfern durch Herausforderung zum
Kampfordal verlegen. Dieses findet seine juristische Basis in der Eides-
schelte; der Herausforderer spricht: „ego solus jurare volo, tu si audes
nega sacramentum meum et armis mecum contende." Faciant etiam
illud, si hoc eis ita placuerit : juret unus et alius neget et in campum
exeant (1. Fris. tit. XI §. 3). Nach einem späteren Zusätze zu 1. Fris.
tit. III reinigt sich wer eines Diebstahls beschuldigt ist, durch einen
Eid; der Kläger widerlegt ihn durch seinen Eid; beide Eide werden
mit alleiniger Hand geschworen; der Beklagte aber hat hierauf zum
Kesselfang zu schreiten. (1. Fris. tit. III §. 8). Im Vorbeigehen mag
auch an Isot erinnert werden, die sich das Gelingen der Eisenprobe
gerade durch den vorausgehenden mit listigem Doppelsinn gestabten
Unschuldseid sichert. Auch in der Dichtung fällt auf das Verhältniss
zwischen Eid und Gottesurtheil das Schwergewicht. Es ist altfränkisches
Recht, was hier nachklingt: das Beweismittel des Beklagten ist der
Eid; BeStärkungsmittel des Eides ist das Gottesurtheil. Endlich ist
an dieser Stelle der Ausführung zu gedenken, die kürzlich K. Maurer
in dieser Zeitschrift XIX, 147 über das altnordische Gottesurtheil
ZUR SALFRÄNKISCHEN EIDESHILFE. 65
gegeben. Auch im Recht des norwegischen Stammes sind die Spuren
nachgewiesen, an denen das ursprüngHche Wesen des Gottesurtheils
nicht bloß als eines Ersatzmittels für mangelnde Eide, sondern auch
als eines Bestärkungsmitteis für geschworene Eide erkennbar ist.
An den Wörtern darf ich, nachdem ich von den Sachen gehan-
delt, nicht vorübergehen. Bei Etymologien von Rechtsausdrücken ist
ja der Juristen Laienkenntniss nicht ganz und gar zum Schweigen
verwiesen. Den salfränkischen Namen für den mit Helfern geschworenen
Eid glaubte H. Kern in seinem verdienstvollen Buche über die Glossen
der 1. Sah p. 136 — 138 in videred zu entdecken. Der videred soll im
Wege der Volksetymologie aus vided (vithed) entstanden und gleich-
bedeutend sein mit dem friesischen witheth, in welchem Kern wohl
mit Glück einen „Miteid" ( — gegen v. Richthofen — ) ausfindig macht.
Wenn wir uns jedoch an das Quellenmäßige halten, so ist videred
keineswegs jeder „Miteid", jeder mit Helfern geschworene Eid, son-
dern immer nur ein solcher Eid, den der Kläger, der Anschuldiger
zu schwören hat. Schon Zöpfl, ewa Cham. p. 30 u, 32 und Siegel
a. a. O. p. 269 haben hierauf aufmerksam gemacht. In Cap. Sah II, 8
ist videred nicht der Eid, den „Kläger und Beklagter gegeneinander
leisten" (J. Grimm RA. 906), nicht der Eid, womit der Beklagte des
Klägers Eid überbietet, sondern allein der mit Helfern geschworene
Eid des Klägers; so auch in Cap. Sal. V, 9: „Si quis causam mallare
debet et sie ante vicinas causam suam notam faciat et sie ante rachym-
burgiis videredum donet." Der videred ist Angriffs- nicht Vertheidi-
gungseid. Eine Interpretation, die nach Kern's eigenen Worten p. 138
auch mit withed bestehen kann, falls dieß die ursprüngliche Form war.
Ist videred nicht für den mit Helfern zu leistenden Eid technisch, so
fordert ein anderer salfränkischer Kunstausdruck, der für die Eidhelfer
gebraucht wurde, unsere Aufmerksamkeit. J. G. Eccard, leges Fran-
corum Salicae et Ripuariorum (1720) p. 94 hat ihn in einer ahd. Glosse
aufgespürt: ,,hamedn id sunt conjuratores quod geidon dicimus." Gaeidon
ist bekannt; die Glosse versteht hierunter und ebenso unter hamedii
schlechthin die Eidhelfer. Eccard versucht hamedii als identisch mit
samedii zu deuten. Allein h im Anlaut ist sicher beglaubigt. Das Wort
steht genau so zweimal in einer Gerichtsurk. v. K. Theodorich III a. 680
(nach dem Original bei Brdquigny-Pardessus dipl. n. 394): „Sed veniens
antedictus A. ad ipso placito L. in palacio nostro una cum hamedius
suos ipso sacramento, quod eidem fuit judecatum . . . ligibus visus fuit
adimplisset et tarn ipse quam et hamediae suae diliguas [1. de linguas]
eorum derexissent." Bei „cum hamedius suos" erinnert man sich so-
GEKMANIA. Neue Reihe. VIU. (XX. Juhrg) 5
G6 J. BAECHTOLD
gleich an „cum rachineburgius istos" in 1. Sal. tit. L, 3. Die Form
rachineburgius ist salfränkischer nom. oder acc. pl. Cum mit dem acc.
begegnet in den romanischen Denkmälern der Merowingerzeit auf
Schritt und Tritt. Zu rachineburgius lautete der sing, rachineburgj'o
oder rachineburgia. Vgl. recemburgio und herburgzo in den Varianten
zu 1. Sal. tit. LXIV (Kern p. 162). Burgio entspricht dem ags. byrgea.
Ebenso entspricht dem goth. sakjis (= causator) salfränk. gasacio.
Hiernach scheint ein sing, hamedio anzunehmen, wenn nicht der lati-
nisierte plur. hamediae auf einen sing, hamedza deuten würde. Der
zweite Theil der comp, ham-edia ist selbstverständlich, nachdem wir
wissen, daß der Eid salfränk. ed hieß; edia ist jurator wie gasacio
causator. ham schreibt der Romane für cham, dessen Deutung aus
„Salchamae, Bodochamae, Widochamae im längeren Prolog der 1. Sal.
sich gewinnen ließe, hamedius wären hiernach begrifflich die juratores
vicini circa manentes, von denen früher die Rede war. In der That
handelt es sich in der Urk. um einen Behaltungseid, bei dem, wie wir
oben gesehen haben, die Eidhelfer aus den Umsassen genommen
wurden. Aus der Glosse würde sich ein Bedenken hiegegen kaum
ergeben, da ihrem Schreiber der Ausdruck „hamedii" selbst fremd war.
MÜNCHEN, 20. October 1874. KAKL v. AMIRA.
HEINRICH WITTENWEILER.
Noch immer wird in unsern größern litteraturhistorischen Werken
der Dichter des „Ring" als ein Baier aufgeführt. Ich habe schon vor
Jahren (Lanzelet p. 16) einen schwachen und ungehörten Protest gegen
diese Annahme eingelegt, und zwar zu Gunsten der Schweiz, speciell
des Thurgau. Seitdem ist mir Hilfe gekommen in den imlängst er-
schienenen „Kleinen Toggenburger Chroniken von Gustav Scherer"
(St. Gallen 1874), der die Heimat des Wittenweilers für jeden Unbe-
fangenen evident nachgewiesen und zum nämlichen Resultat gelangt
ist, daß der Dichter dem Thurgau, der alten Wiege allemannischer
Cultur, entstammt.
Scherer geht bei seiner Beweisführung ebenfalls von den Orts-
namen des Gedichtes aus. Die Nissinger mit den Lappenhausern in
Streit gerathen und sich nach Hülfe umschauend,
santen überall
Gen Aurach in Sweiczer tal
HEINRICH WITTENWEILER. 67
Und zuo den von Gäygenhofen,
In Gadubri zuo dem ofen
Gen Kenelbach und Leybingen,
Gen Höfen und gen Vettringen,
Gen Ruczingen und Fttczenswille,
Gen Seurrenstorff und AVattwille etc.
(Ring V. 7038 u. ff. p. 18G der Stuttg. Ausg.)
Abgesehen von den fingierten Benennungen liegen die vier Weiler
Kengelbach, Höfen, Libingen und Vettingen in einer Reihe westlieh von
derThurbei Lichtensteig in Toggenburg; ebendort befindet sich Watt-
wyl; Füczenswille dürfte ein Wortspiel aufdas benachbarte Bütschwyl sein.
Bei V. 5379 (p. 142) häuft die Namenreihe sichtlich von Toggenburg
aus nach Glarus, Schwyz, Appenzell und schließt mit den entlegensten
an der Alb und Scheer in Würtemberg.
Der V. 5992 (p. 158) genannte Necker ist das Flüßchen in Tog-
geuburg, nicht der schwäbische Neckar. Seh. stützt sich in seiner
weitern Beweisführung auf Schweiz. Sittenzüge und namentlich auf die
speciell Schweiz, Sprachformen, die sich so vielfach im Ring finden.
Eine Anzahl bairischer Formen (es sind deren nicht so viel, als man
nach Schmeller (II. Aufl.) glauben möchte, der das betreffende Wort
stets bloß aus dem Ring belegt), fallen auf die Rechnung der Sprach-
mengerei, könnten auch darauf hindeuten, daß der Dichter einige Zeit
in Baiern gelebt hat.
Das Schloß Wittenwyl im Thurgau steht noch. Seh. führt eine
Reihe der Edlen dieses Geschlechtes auf, die bereits gegen Ende des
XlII. Jhs. als Vasallen der Grafen von Toggenburg erscheinen und
zu Anfaug des XIV. Jhs. ihren Wohnsitz nach den St. Gallischen
Städtchen Wyl und Lichtensteig, wo eben auch unser Dichter so hei-
misch ist, verlegten.
Bedeutungsvoll ist namentlich eine St. Galler Urkunde von 1426,
worin ein ,, Heinrich von Wittenwille genant Müller burger zu Liechten-
steig" mit seinem Siegel erscheint. Dasselbe, nur noch theilweise er-
halten, zeigt den Kopf eines Bocks nebst Hals und in der Umschrift
den Namen. Nun beginnt nach A. v. Keller, Vorrede zum Ring p. VIII^
der Text der Meininger Handschrift mit einer Initiale, worin das
Brustbild eines Klerikers dargestellt ist, welcher in der Linken einen
Ring hält und mit der Rechten darauf deutet. Unter diesem Buch-
staben ist ein Wappenschild, worin sich der Oberleib eines ste-
henden, schwarzen Bocks befindet, also das Wappen des thurg. Ge-
schlechts der Wittenweiler.
68 CRECELIUS
Weder über die Abfassungszeit noch über den Dichter selbst
ist bis jetzt etwas bestimmtes eruiert worden; es soll uns aber nicht
wundern, wenn sich der muntere Heinrich Wittenweiler — ganz
nach dem Bild der Meininger Hs. — ebenfalls noch, wie sein lands-
kräftiger Sangesgenosse, der Zatzikhofer, als Geistlicher enthüllt.
SOLOTHURN. Dr. J. BAECHTOLD.
HOLUNKE.
Heyne führt in dem neuesten Hefte des Wörterbuchs Beispiele
des Wortes Halunke an, in denen das ursprüngliche o bewahrt ist (Sp.
1760 Hollunke, Sp. 1763 Holuuke und holunken). Er hätte noch hinzu-
fügen können Schottelius, Ausführl. Arbeit von der Teutschen Haubt-
Sprache p. 1338: y^Holunk, nichtswerter loser Kerl, homo semissis."
Wenn ich das o für das ursprüngliche halte, so denke ich an die Ab-
leitung aus dem Slavischen, welche Heyne mit Recht nach Weigand
für die wahrscheinlichste ansieht. Zur Bestätigung derselben weise ich
auf eine gedruckte deutsche Zeitung aus dem Jahre 1541^ die einen
Brand in Prag beschreibt, in welcher Holunke in der Bedeutung des
böhmischen holomek als Bettler vorkommt. Wir haben also in diesen
Stellen genau die deutsche Form des Wortes in dem Sinne des zu
Grunde liegenden slavischen. Den erwähnten Druck beschreibt E. Weller
(die ersten deutschen Zeitungen, 1872, S. 126, unter Nr. 132, andere
Ausgabe); der Titel lautet; „Newe zeytung vonn dem erschrocken-
lichen fewr vnd brunst, so newlich in disem gegenwertigen M.D.XXXXI.
Jar — inn der klaynern statt Prag auff dem Küngklichenn schloß —
geschehen ist" etc. Unter den umgekommenen Personen werden auf-
gezählt Bij'': „Mer ij Kinder die sind eines Holuncken geweßt, auch
verLraont worden. Mer ist ein Holunck genant Vicentz der ist ver-
brant gefunden worden." Auf Biij*: „Mer einer Jacob Holumeck, dem
seind seine fingere seer verbrant worden;" hier haben wir die böh-
mische Form, wenn auch vielleicht als Eigennamen. — Derselbe Druck
enthält einen Beleg für
Höckin, Höckerin:
(Sp. 1651 f.), „Es war eyn hockin, oder ein huckerinn, die het ein kleine
kram auff der rechten band, wan einer hat wollen hinab gon von dem
HOLUNKE. G9
sal, das kremle hat auch gebrant, und ein ander kremle auff die lincken
hand gegen des Künigs Weinkeller, vnd neben der andren huckerin,
das ist ein kleins hauß gewesen das hat auch gebrant" (B'').
Ich benutze diese Gelegenheit, um einige kleine Nachträge zu
dem neuesten Hefte des Wörterbuchs zu liefern. Sehr vollständio: sind
in diesem die Zusammensetzungen mit hoch gegeben; allenfalls hätte
noch hochbejahrt sich darunter befinden können. [Für hochsträßich findet
sich ein Beispiel bereits in: Supplication an Kaiserliche Maiestat, Der
Mortbrenner halben, Wittemberg 1541, Fl „solcher hoch strefFlichen
Hendel vnd Thaten"]. Ebenso reichlich ist die Hochzeit bedacht; doch
vermisst man ungern den Hochzeitsgott Hymenaeus, die Hochzeitslust
und die Hochzeitsnacht (vgl. Preller Griech. Mythol. HS. 493: Hyme-
naios, das Bild der Hochzeitslust und der Hochzeitsgesänge), sowie
die Bemerkung, daß in der neuern Zeit das s der Composition fast
überall durchgedrungen ist. Leicht entbehrt man den Hochzeit svestivitäts-
termin aus dem Nutz- und Lustreichen Schauspiel, das unter dem Titel
,.Der Pedantische Irrthum" 1673 in Rappersweil herauskam (daselbst
S. 177); aber für den hochzeitlichen Ruf Talassio wird man wohl am
besten kurzweg Hochzeitsruf anwenden. Daß sich Heyne bei der Höf-
lichkeit vor dem Übermaß gehütet hat, wird ihm niemand verdenken,
wir kommen im ganzen mit dem Höflichkeit shesuch, der Höflichkeitshe-
zeugung, der Höflichkeitsformel und dem Höflichkeitsworte schon fürs
erste aus-, die Höflichkeitsphrase dominiert zwar noch stark in der Welt,
das Wort aber ist als Hybridum etwas anrüchig. Für das 17. Jahrh.
freilich hätte die Höflichkeit des Wörterbuchs lange nicht ausgereicht.
Meusebach (Zur Recension der deutschen Grammatik. Unwiderlegt
herausgegeben von Jacob Grimm, Cassel 1826) stellt aus dieser Zeit
weit mehr zur Verfügung, wie Höfflichkeitsrecommendation (Machiavel-
lischer Hocus Pocus 1675 s. 47), Höflichkeitsschranken (Clelia des H.
V. Scuderi, übersetzt durch. den Unglückseeligen 1664 S. 290), Höflich-
keitsioechsel (daselbst S. 500), Höflichkeitsgrenzen (das. S. 611), Höflich-
keitsgebrauch (König Demetrius übersetzt durch den Unglückseeligen
1653 S. 82). Die Hoffnung ist bei Heyne recht gut weggekommen.
Doch würden die Hoffnungsseligen sich auf Sp. 1677 vergeblich suchen,
auch die Hoffnungsträume sind verbannt. Bei der Behandlung des
Wortes Hof hätte auf Sp. 1655 (unter 3 a) noch hervorgehoben werden
können, wie Hof in vielen Fällen mit Hufe (mansus) zusammenfällt:
aus den Besitzern der Hufen {Hüben) werden schließlich Hofeserhen,
Hofesleute, Hofesmänner; ein Hofesding (Hofgeding) oder Hofesgericht
kann als das Hubengericht oder als ein unter der Autojität des herr-
70 CRECELIUS, HOLUNKE.
schaftliclien Hofes stehendes Hofgericht gefasst werdeu. Was die Zu-
sammensetzungen anlangt, so verzeichnet Schottelius noch den Hof-
fuchs schioäntzer (aus Moscherosch) und die Hoftücke; Gürtler's Novum
Lexicon (Basel 1715) hat Hof hilf 67' (custos atrii). Alle diese sind leicht
zu entbehren ; dagegen durfte der Hofschultheiß oder Hofschxdze nicht
fehlen: er spielt auch abgesehen von dem Immermann'schen eine zu
bedeutende Rolle, um so ganz bei Seite geworfen zu werden. Von
HohUn'ppen (Sp. 1719) findet sich auch das Substantiv auf ung bei
Jac. Frölinkint (Eyn beschreylich gedieht redefürung Dreier gebrüder
Eyns Weinsauffers, Hurers vnd Spielers 1535) c": „in gemeyner ver-
maledeiung vnd holhippung." Das aus Stolberg belegte höhnein hat
auch E. M. Arndt (Kriegs-Lieder der Teutschen 1814) S. 34:
Auf deine Wagen setzt er (der Franzose) sich,
Du mußt zu Fuße gehen;
Zu deinen Weihen legt er sich,
Du mußt als Schildwach stehen;
Dein Silber und dein rothes Gold
Er hijhuelnd sich ins Fäustchen rollt,
Und willst du zürnend blicken.
So bläut er dir den Rücken.
Auch für die Zusammensetzungen mit /Zo7^e bieten dieselben Kriegs-
Lieder S. 6 das Wort Hölletischem :
Umnebelt waren wir von Dünsten,
Vom gauklisch bunten Höllenschein,
Und spannen uns mit eitlen Künsten
Stets dichter in die Lüge ein,
Das Leben schwankte ohne Ziel,
Und jeder that was ihm gefiel.
Unter den mit Holz zusammengesetzten Wörtern hat Schottelius
S. 429 noch Holzbrüche (aus Faust ord. 1128), Holzbiiß und Holzbörde
(planicies regionis silvestris Meib.). Als technischer Ausdruck hätte
vielleicht Holzgeioächs angeführt zu werden verdient, vgl. Wagner und
Hebig Botan. Forsthandbuch (Gießen 1801) S. 3 „Holzgeivächse sind
Pflanzen mit holzigen Stämmen oder Stengel, die viele Jahre hindurch
dauern". Auffallend ist das Fehlen des Platen'schen, fast sprichwörtlich ge-
wordenen Holzklotzpflock. Ohne Beleg steht Holzmangold (pyrola rotundi-
folia) ; es kommt schon vor in Bocks Kräuterbuch : „Das Kraut heißt
recht Wintergrün, weil es vor dem Frost unerschrocken bleiben kann,
in etlichen Orten nennet mans holtz Mangelt, Waldt Mangolt."
ELBERFELD. CEECELIUS.
HANS LAMBEL, KRITISCHE BEITRAGE. 71
KRITISCHE BEITRÄGE
VON
HANS LAMBEL.
I.
Zum Grazer Marien leben.
Dieses von Herrn Prof. Anton Schönbach vor kurzem in der
Zeitschrift für deutsches Alterthum, Neue Folge V (XVH) 519—560
herausgegebene Gedicht gehört zu den silbenzählenden: bei solchen
Denkmälern entsteht immer die Frage, ob und innerhalb welcher
Grenzen der Dichter sich Unterdrückung der Senkungen erlaubt
habe. Der Herausgeber beantwortet die Frage S. 521 dahin, daß diese
Freiheit im vorliegenden Gedichte nur in zwei Fällen nachzuweisen
sei und zwar 1. in compositis, 2. bei ursprünglich zweisilbigen Wörtern.
Allein so eng wird man die Schranken doch nicht ziehen dürfen. Nach
meinen Beobachtungen darf die Senkung auch noch fehlen 3. bei stär-
kerer Interpunktion: 282 loirt^ nCt lool heim mit mir (doch kann man
auch betonen wirt, nü wöl heim nach 2); 365 {und was diu süeze doch
da hl) so künste rieh : stcdz si sach und ebenso 467, auf welchen
Vers ich aber im folgenden noch zurückkommen werde; 4. wohl
auch zur nachdrücklicheren Hervorhebung des Gedankens: so 23
(sioaz er hef envoUen) gap er durch got ein teil (den armen liuten) im
Gegensatz zu 28 und 32; (von der nahe liegenden Ergänzung eines
des wird man absehen können). 208 swaz du mir wöldest geben, (daz
selbe solt du ophern got). Die Gründe für diese beiden Fälle sind ein-
leuchtend, im ersten füllt die Interpunktionspause die Zeit aus, welche
der Senkung gebührte, im letztern entsteht durch die stärkere Betonung
überlange (vgl. Brücke : Die physiologischen Grundlagen der neuhoch-
deutschen Verskunst, Wien 1871, besonders S. 58); 5. bei Eigennamen:
Vers 7 von dem geslehte Jilda wird man nicht anders lesen können,
ebenso 290 zehant nante Mdrja oder wie ich lieber schreiben würde
Maria, denn beide Formen, die zwei- und dreisilbige, finden sich neben-
einander, vgl. 610. 441. 841. 643; vielleicht auch 709 daz Möyses ge-
schriben hat, wiewohl hier auch die Betonung Moyses möglich wäre.
Immerhin bleiben noch einige Verse übrig mit einer unterdrückten
Senkung, die sich unter keinem der angeführten Gesichtspunkte ein-
reihen lassen. Am wenigsten anstößig ist es, wenn die zwei neben ein-
ander stehenden Hebungen in dasselbe Wort fallen: so 425 aller
72 HANS LAMBEL
xcerlde erlcp.sa.re, oder wie mir Birtsch für das handschriftliche ^ceser
\orsch\ägt tcisaere, 99 er helejp jihif manode (]ar, 869 ze hdibemie hi hat
muot, welche Verse man allenffills auch mit Synkope und versetzter
Betonung lesen könnte, um die Auslassung der Senkung zu vermeiden.
Auf zwei Worte fallen die Hebungen zwischen welchen die Senkung
fehlt 74 als ez an der schrift lit, 296 ervüUet nach der schrift säge, 88 und
gar noch äne kint sit, 254 schiere er des enein kam, 373 dar nach si an
ir teere sdz, auffallend gerade im Versschluß; 397 von in allen da ge-
nant loart ist vom Herausgeber sicher gebessert genennet (vgl. 471);
929 und ersten an dem dritten tage ist leicht zu bessern^ indem man
schreibt am, das 651 überliefert ist; auch 258 sin gebet sprechen er he-
gan Joachim mit seneder klage lässt sich ohne Schwierigkeit bessern,
indem man entweder het (s. Lexer I, 233), oder gan (Haupt zu Erec "^
S. 329, Jänicke Ztschr. f. d. Phil. V, 112) schreibt, wenn man nicht
noch lieber er streichen will. Die Verse welche der Herausgeber S. 521
als 'unregelmäßig' aufführt, sind zum Theil wie 23. 208. 280 schon durch
das vorstehende erledigt und bedürfen keiner Emendation; auf 750 werde
ich noch zurückkommen; 50 lässt sich aber mit versetzter Betonung so
leicht lesen wie irgend ein anderer ir icären vil tilgende bereit oder mit
Syncope icdrn, und die Umstellung tugende vil war hier so wenig nöthig
wie 43 do nam er ze icibe Anndm [ze tüibe er], (die Betonung Anndm
ist hier gewiß ebenso berechtigt wie 643 Marja , 647, 670 Johdns, 661
Juddm, 663 Jakop und 180 u. 667 Anna, 261 Annen) und 888 und*) in
icerde der sünden buoz [der sünden icerde], wo ungrammatische Betonung
nicht einmal nothwendig ist, wenn man den Vers trochäisch liest.
Dagegen wird man doch öfter als der Herausgeber will, Kürzung,
namentlich Apokope des tonlosen e annehmen müssen, die in der Zeit,
welcher unser Gedicht angehört, überhaupt nichts Befremdendes hat
und mehrfach durch die Keime desselben (V. 18. 394. 804) bewiesen
wird. So V. 35 dise vuor [vuore Hs. u. Ausg.] nam err sich an (vgl. 172,
wo die Handschrift selbst überliefert schämen muoz die wil daz ich),
V. 50 kann man schreiben nach rehter minne se sinnete [minne sij),
122 daz ich so gar an [äne] kint nü bin, 158 dar umb [umbe] diu
frouice weinte, 866 entweder siner bekorung [bekorunge] der ist vil oder
derst, aber 889 durch die erloesung [erloesunge] bin ich komen, wenn man
nicht zu der Form ürlasünge seine Zuflucht nehmen will, die bekannt-
*) Daß dieses und in daz geändert werden müsse, wie der Herausgeber thut,
will mir nicht einleuchten : und mit dem persönlichen Pronomen statt des wiederholten
relativen ist doch nichts auflfallendes (s. mhd. Wb. I, 183^ III. 435"^), so wenig als der
Übergang vom collectiven Singular (daz) zum Plural {in).
KRITISCHE BEITRÄGE. 73
lieh bei Wolfram Parz. 806, 30 und Willeh. 331, 30 überliefert ist
(auch 425 könnte dann die aus dem Rolandslied und der Vorauerhs.
bekannte Form urloswre aushelfen), 886 ilher menschltch gesieht [geslehtej
daz ich, 953 und vertihif [vertilge] dm truren sd, denn Betonungen wie
hekorilnge , erloesünge, geslehte, vertilge sind für das 13. Jahrhundert doch
unglaublich.
Erinnern will ich zum Schluß dieser Bemerkungen, daß O^ Jänicke
das Princip der Silbenzählung in der Zeitschrift f. deutsche Philologie
V, 112 auch für den Dichter von Mai und Beaflor nachgewiesen hat,
der nach Schönbach (S. 521) von unserm Dichter nachgeahmt wurde.
Was die Reime betrifft, so habe ich zu bemerken, daß die S. 521
erwähnte Bindung i : ie durchaus nur vor r (Brückes r iivulare) er-
scheint (vgl. Weinhold Bair. Gramm. §. 90. Alem. Gr. §. 63), woraus
sie sich lautphysiologisch leicht erkläi't. Zu den rührenden Reimen,
die der Herausgeber ;^a. a. 0.) verzeichnet, ist hinzuzufügen menscheit :
heit 944. Unerwähnt ist ferner geblieben die Ausdelmung desselben
Reimes über zwei Verspaare 529 f. 907 f und eine Reimfreiheit, die
man freilich in der Ausgabe nicht findet, da sie der Hei*ausgeber an
den drei Stellen, wo sie überliefert ist, wegemendiert hat. Sie ist aber
ohne Bedenken zu restituieren, denn sie ist nicht schlimmer und
stimmt zur Technik der Zeit nicht schlechter als die Bindungen d : g
und ht : ft, die nicht weggeschafft wurden. Ich meine den Reim e : en.
Die Stellen sind folgende:
746 mit drin personen wir sin
und doch in einer gotheit
und in eine forme gekleit
mit ewicUchem geivalte,
750 mit tugenden manicvalten u. s. w.
So sind V. 749. 750 überliefert und sicher lesbarer als in der
Fassung die ihnen der Herausgeber aufnöthigt: mit eivecltcher getoalt, mit
tugenden manicvalt, unbekümmert darum, daß gewalt im ganzen Ge-
dicht nirgends als stf. nachweisbar ist (als stm. steht es deutlich 213.
737. 829; unentschieden ist das Geschlecht 834- 856). Die Betonung
ewicltchem ist nicht ohne Analogie: vgl. ewigen 765. 840. lüillecllchen S'dS.
loerdekeit 468. rehtlkeit 835; so wird es nicht nöthig sein die übrigens
leichte Änderung gwalte vorzunehmen. Die zweite Steile lautet nach
der Überlieferung:
ist der niht vil
515 die du ze junger nceme,
oh si dir gezoemen^
74 HANS LAMBEL
ohne Zweifel dem Gedanken angemessener als oh es dir gezceme, wie
der Herausgeber schreibt, denn darauf kommt es an, ob sie, die er zu
Jüngern annehmen soll, ihm würdig erscheinen, Audi die Änderung
des handschriftlich überlieferten junger in Jüngern ist hier wie 662 {die
Christ ze junger an sich nam) vom Übel; der Singular ist keineswegs
unstatthaft. Vgl. Karl 65 daz ivas Karl der reine, der alle die gemeine
ze friunde hat gewunnen, die sich versinnen kunnen und Grimms Gramm.
IV, 291, Kachtr, S. 954. Noch im zweiten Decennium des 18. Jhs.
finde ich die Construction bei Günther, Ausg. v. 1764, S. 34: (Der
Heiland) machte durch Gelassenheit die Zöllner sich zum, Freunde. Wenn
etwas geändert werden soll, so wäre es niht 514, wofür ich iht ver-
muthe.
Nach diesen zwei Stellen wird man auch 483 er hat ir toerden
süezen lip im selben ericelt ze minnen (: gebietcerinne) die Überlieferung
nicht antasten (Schönbach ze minne).
Schon die bisherigen Erörterungen führten mich auf das Gebiet
der Textkritik; ich fahre nun fort, einzelne Stellen zu besprechen,
wo ich der Auffassung des Herausgebers eine andere entgegenzu-
setzen habe.
V. 11 der arbeite e)' sich heioac
daz er ivan sines vihes 'pßae
So die Hs. Die Quelle des Dichters für diesen Theil seiner Erzählung
(vgl. Sehönbach S. 529) hat aber '^cui nidla erat alia cura nisi greguni
{Tischendorf Evang. apocr. p. 53): das führt a.ui andei^; der Fehler der
Überlieferung erklärt sich leicht aus dem vorhergehenden gewan.
138 f. Anna hat die Botschaft des Engels empfangen:
si gie da si ir kamer vant
und leit sich an ir bette sä
und lac rehte als vür tot aldd
al die naht und al den tac
daz si niht des gehetes pßac.
Die letzte Zeile, wie sie überliefert ist, steht nicht im Einklang mit
der Quelle, die vielmehr erzählt '^tota die et nocte in tremore nimio ac
in oratione permansit^ (Tischend, p. 56): also wohl daz si niht ivan
gehetes pflac.
163. Der Engel erscheint Joachime der gar sin dinc
an knehte und an vihe het.
Ist in der letzten Zeile der Accusativ möghch oder nicht viel-
mehr knehten zu schreiben? Derselbe Fehler findet sich in der Hs,
öfter, z. B. 375 iem statt iein. 449 cha statt chü, 469 nam st. nam,
KRITISCHE BEITRÄGE. 75
meschleich st. meschleich und wie ich glaube auch 267 dierne st. dierne,
denn in der Quelle heißt es cum puellis.
350 überliefert die Hs. : die muot ir stcete volgte mite. Der Heraus-
geber schreibt dafür dirre muot, aber solcher Änderung bedarf es nicht,
man lese nur diemuot.
355 fg. diu künde si wurJcen also wol
daz ez die liute nämen viir vol.
So die Ausgabe. Die Hs. hat navi, vielleicht also daz Hute? (doch vgl.
auch meine Anm. zu 163).
374 fg. daz worhte si danne haz
danne ieman do twte.
Die Hs. hat dan iem al due tete. Darnach lese ich dan iemen aldä tcete.
428 wird lesbarer, wenn man schreibt ir herze, ir Up, und ouch
ir sin : und ouch fehlt der Hs., der Herausgeber ergänzt nur und, aber
vgl. 661 {Marjä Älphei diu trtioc vier silne) sant /Simednem und ouch
Judam*).
461 f. Der Dichter hat Maria dem weiblichen Geschlechte als
Vorbild vor Augen gestellt und fährt fort:
sich idijylich loip, nü lois vro,
daz got dich hat gehoehet so,
daz er sich durch dich menschlichen lie
hie sehen und alhie emphie
465 die menscheit von unplicher art.
aldä dm name gehoihet ivart
über alliu wtp. nü nim war
diner werdeJceit und heioar
dinn namen, sit got die muoter sin
470 nach dir und nach dem namen dm
genennet hat. .
Wie Z. 466. 467 hier stehen, könnten sie nur einen Sinn geben, wenn
man sie von Maria verstehen dürfte. Das verbietet aber der ganze
Zusammenhang, der Dichter redet vielmehr immer noch zum Weibe
im Allgemeinen: dann aber ist es unmöglich zu sagen, daß der Name
*Weib' über alle Weiber erhöht worden sei. Ich fasse demnach w7p
als Anrede wie 451 und 461 und lese
aldä dm name gehoehet ivart
über alle (sc. namen). wip, nü nim loar u. s. w.
*) Der Herausg. schreibt hier SimSon, aber die lat. Endung wird hier so wenig
wie 816 vom Schreiber herrühren.
70 HANS LAMBEL
Nachdem der Dichter hierauf das weibliche Geschlecht ermahnt
der Würde des Namens nachzuleben, heißt es bei Schönbach:
480 f. du solt daz wol gelouben mir,
dd got hat so liep sin wtp,
er hat ir loerden siiezen lip
im seihen erioM ze minnen u. s. w.
Zu Z. 481 theilt der Herausgeber jedoch als handschriftliche Lesart
mit: da got nicht hat u. s. w. Das führt, wenn man die Gewohnheit
des Schreibers, Endconsonanten zu vernachlässigen (422 enge statt en-
get, 466 war statt wart, 628 scho statt schol) und den Gedankenzu-
sammenhang berücksichtigt, mit leichter Änderung auf das richtige
daz got niht hat so liep sam wip. Zum Gedanken vgl. 488 — 491:
dar an er uns machet schm
daz er wipUch geslehte hat
gehcehet übr al sin hantgetät
und über al sin geslehte.
So lese ich mit der Hs. Der Herausgeber streicht 490 al.
Seltsam mißverstanden hat der Herausgeher die Verse 707 bis
720, wie seine Interpunktion zeigt, und doch hätte ihn die von ihm
selbst (S. 524 — 529) herausgegebene lateinische Quelle schon auf die
richtige Auffassung führen müssen. Jesus hat 686 gesagt von angenge
was ich bi got ie {eixim in principio semper apud deum S. 525 V. 13).
Darauf fragt ihn 693 fg. Maria waz ist daz angenge, daz du bist gewesen
alle dine vrist bi dinem vater und mit im ? mit bezeichnender Betonung
{quod est hoc principium quo dicis te fuisse apud patrem etc. S. 525 V. 17)
und nachdem sie hierauf Antwort erhalten, noch einmal 707 fg.:
daz angenge, waz ist daz,
{daz soltü mir bescheiden baz)
daz Moyses geschriben hat,
dd unser geloube noch an stät,
in dem got himel und erde
geschuof lool nach ir werde?
(S. 525 V. 23 quod est hoc principium, Moyses quod scripsit, in quo celun-
('■tque terram creasse deum dixit?)
Hierauf antwortet Jesus 713 fg.:
daz ist daz wäre angenge:
dd got an wite an lenge
geschuof die zit den himel klär u. s. w.
(S. 525 V. 25 hoc verum est principium, in quo sunt creata tempus,
celum etc.)
KRITISCHE BEITRÄGE. 77
Es ist deutlich, daß hier zwischen dem uneigentlichen angenge
von Ewigkeit her*) (antiquum princiinum nennt es zum Unterschied
die Vita metrica S. 525 V. 19] und dem wahren angenge in der Zeit,
von dem Moses schrieb, unterschieden wird. Der Herausgeber jedoch
verdunkelt den Gedanken, indem er nach 707(?), nach 708 (.) setzt
und auch die Vs. 709 — 712 schon Jesus zuweist, daher er auch nach
712 (,) statt (?) setzen muß. Wie er 714 sein an loite an lenge ver-
steht, errathe ich nicht: der Dichter kann doch unmöglich von der
Schöpfung in Raum und Zeit (im Gegensatz zur räum- und zeitlosen
Ewigkeit) sagen wollen, daß sie ohne räumliche und zeitliche Aus-
dehnung (und diese beiden Begriffe zusammen liegen in den Worten
wlte und lenge) geschaffen worden sei: soll aber die Unermeßlichkeit
der Schöpfung bezeichnet werden, so wäre der Ausdruck doch sehr
unglücklich gewählt: ich schrieb daher an.
728 kann man der Überlieferung sich enger anschließend schrei-
ben da wir nü sin, da war (bar Hs., warn Seh.) wir do.
743 f. nü wer ist diu drivaltekeit
der goiltch magenkraft ist hreit?
So die Überlieferung, an welcher der Herausgeber keinen Anstoß
nimmt. Auch ich will nicht läugnen, daß die Stelle zur Noth einen
Sinn gebe, aber wenn man die entsprechende Zeile der Vita metrica
(S. 525 V. 36 que est illa trinitas divine maiestatis ?) und der vom Her-
ausgeber selbst angeführten Bearbeitung Walthers von Rheinau (waz
diu dricaltkeit st, der götlich magenkraft ist M) berücksichtigt, kann
man sich doch nicht der Überzeugung verschließen, daß hreit ver-
schrieben sei für bereit, das ebenso Z. 50 steht ir loären vil tugende
bereit.
798 genzlichen hie üf der erden: man braucht der nicht zu streichen;
der Herausgeber hat S. 521 selbst bemerkt, daß der Dichter viermal
gehobene Verse mit klingendem Ausgang auch mit dreimal gehobenen
bindet (nur 451 gehört nicht hieher, da auch 452 vier Hebungen hat).
Der Artikel steht auch 838.
813 f. siieziu muoter, niht krenke
dinen lip, doch gedenke
der Simeonis Worte
Die Hs. hat noch: ist vielleicht ^/ocÄ zu lesen?
*) von dem es 697 heißt däz angenge int n'ht vürwdr gean&venget mit iht (non
est inceptivum ulliiis inicii vel inchoativum S. 525 Z. 19 f.) was der Herausgeber yiel-
leicht doch mit Unrecht in geangenget ändert.
78 HANS LAMBEL
829 f. mit gotlichem geioalte ich icol
ei'lceste si, toan daz ich sol
mit rehtikeit si erloesen.
wand si sich den vinden hoesen
hänt loillecllchen gegeben,
in ir geicalt ir vriez leben.
sich in 832 gehört sicher dem Schreiber und ist ebenso wie die
Interpunktion nach 833 zu tilgen, damit die Construction ihre uner-
träghche Härte verliere. 831 : 832 ist dann ein gewöhnliches Reimpaar
aus dreihebigen Versen mit klingendem Ausgange und S. 521 zu
streichen.
850 f. mm Itp dich sunder meil gebar
und äne allen mitewist
du von mir geborn bist.
Die zweite Zeile ist jedenfalls unrichtig überliefert und muß offenbar
ebenso lauten, wie 433 tmd an aller manne mitewist, vgl. die vita me-
trica S. 526 V. 87 f. sine commixtione virilis contagii . . . te concepi und
Walther 4, 23.
Ich wende mich nunmehr von der Besprechung einzelner Stellen *)
zur Geschichte der Überlieferung unsers Gedichts im Allge-
meinen, über welche der Herausgeber S. 521 — 523 eine Ansicht ent-
wickelt, der ich nicht zu folgen vermag.
In der einzigen Handschrift, in der uns das Gedicht erhalten ist,
erscheint der Zusammenhang der Erzählung keineswegs durchaus un-
gestört. Bis Z. 508 liest man ohne fühlbaren Anstoß von Joachim und
Anna und dem Jugendleben Mariens bis zur Geburt Jesu, die der
Dichter als bekannt nur kurz erwähnt, um sofort zum Lobe Mariens
und einer Betrachtung über die Würde des weiblichen Geschlechts
überzugehn, worauf nun noch in wenigen Versen erzählt wird, wie be-
reitwillig Jesus oft Fragen seiner Mutter beantwortete. Von 509 bis
580 findet sich dann allerdings ein solches Gespräch zwischen Maria
und Jesus, aber es fügt sich inhaltlich durchaus nicht an 508, indem
es mit einer Antwort Jesu beginnt und sich vielmehr als Schluß der
Fragen und Antworten erweist, an die sich ohne Unterbrechung wieder
eine Betrachtung schließt 581 - 634. Hierauf folgt ohne vermittelnden
Übergang ein Abschnitt über unser vromven künne 635 — 670. Dann
*) Nur in einer Anmerkung will ich noch auf eine Stelle hindeuten, die ich freilich
nicht sicher zu heilen vermag: 628 f. heißt es man sol edel gesleine niht ntcete werfen under
diuswin; daß sUete hier unpassend ist, bedart'wohl keiner Auseinandersetzung; etwai/toecZe?
KRITISCHE BEITRÄGE. 79
folgt wieder ebenso unvermittelt ein Stück Wecliselrede zwischen
Maria und Jesus, mit dem die Handschrift schließt. 671 — 958. Dieses
Stück aber fügt sich inhaltlich vollkommeud passend zwischen 508 und
509 ein und stellt somit an dieser Stelle den zerrissenen Zusammenhang
wieder her.
Dieß der Thatbestand, aus dem sich jedenfalls zunächst soviel
ergibt, daß der Zusammenhang schon in der Vorlage gestört war.
Was aber folgert der Herausgeber weiter daraus? Er geht von
dem letzten Stück 671 — 958 aus, das 288 Zeilen enthält, also gerade
4 Blätter füllen würde, wenn auf der Seite 36 Zeilen einspaltig standen.
Unter dieser Voraussetzung würde auch der Schluß des Gespräches
509 — 580 gerade auf ein Blatt gehen. Bei den übrigen Theilen des
Gedichtes geht aber die Vertheilung auf Seiten zu 36 Zeilen nicht
mehr so leicht. Der Herausgeber sucht zunächst die Einleitung zu dem
mit 671 *ganz ex abrupto' beginnenden Gespräch abzugrenzen, deren
Beginn er, allerdings nur hypothetisch, auf V. 437 fixieren möchte,
*rait dem die Besprechung eines neuen Gegenstandes ausdrücklich er-
öffnet wird, nachdem der früher behandelte Stoflf in den Versen 435. 6
ebenso ausdrücklich als erledigt bezeichnet worden war\ So erhält er
'abermals von V. 437 — 508 ein Stück von 72 = 2 X 36 Versen, also
ein Blatt. V. 1 — 436 behandelt der Herausgeber in der Weise, daß
er 430 — 436 für einen von späterer Hand angefertigten Vermittlungs-
versuch' erklärt und als 'zweifellos' annimmt, 'daß die Erzählung
wirklich mit einem Verse 432 abschloß, bevor die Einleitung zu dem
Gespräch daran geknüpft wurde'. So gewinnt er abermals 6 Blätter
und es bleibt nur noch V. 581 — 670 übrig, wovon sich der Abschnitt
von unser vrouioen kümie (635 — 670) leicht wieder als ein Stück von 36
Versen, also Y^ Blatt heraushebt. Der Rest aber (581 — 634 der Preis
Marias) sei aus dem Lobe Annas (47 — 64) und Marias (441 — 508) zu-
sammengearbeitet, und wer solche Wiederholungen nicht auffallend
finde, den mache er aufmerksam, daß das Stück 595 — 630 ^36 Verse
allerdings für sich zusammenhängt. Auf diese Weise ergeben sich ihm
127« (13?) Blätter einer Handschrift, die Bruchstücke eines Marien-
lebens enthielten, welche dann 'durch eingeschaltete Verse in Zusam-
menhang gebracht wurden. Da aber zwischen den einzelnen Theilen
des Gedichtes durchaus keine sprachliche noch metrische Differenz
wahrnehmbar ist, so wird angenommen, 'daß schon in den zu begren-
zenden Theilen eine Überarbeitung vorliege, von deren Autor denn
auch die weniger genau bestimmbaren Stücke stammen. Das ursprüng-
liche Gedicht wird dann in die Mitte des 13. Jhs., die Überarbeitung
'bald darnach' gesetzt.
80 HANS LAMBEL, KRITISCHE BEITRÄGE.
Man wird dieser Methode das Zeugniss energischer Eindringlichkeit
nicht leicht versagen, aber auch eine gewisse Künstlichkeit derselben
Avird niemand entgehen, der sie aufmerksam und unbefangen prüft.
Wie, derselbe Mann, der sich die Aufgabe stellte, die Bruchstücke eines
altern Marienlebens durch Überarbeitung und Interpolation zu einem
Ganzen zusammenzufügen, der wirklich es nöthig fand von 430—436
ein überleitendes Zwischenstück aus eigenen Mitteln beizusteuern,
sollte entweder die klaffende Lücke zwischen 508 und 509 nicht be-
merkt haben, nicht bemerkt haben, daß 671 — 95S diese Lücke aus-
füllen, oder um eine ausfüllende Interpolation verlegen gewesen sein?
Ihm sollte entgangen sein, daß mit 958 das Gedicht unmöglich schließen
könne oder die Sorge um einen passenden Abschluß so wenig am
Herzen gelegen haben? Er sollte für das Stück von unser frowen Minne
^635 — 670) keine engere Anknüpfung gefunden haben? Das ist doch
unglaublich !
Oder sollen wir uns denken, daß dasselbe Schicksal der Zer-
trümmerung und Verwirrung, welches das ursprüngliche Gedieht ge-
troffen haben soll, auch wieder das Werk des Überarbeiters und Inter-
polators getroffen habe? Das ist kaum glaublicher!
Und woran soll man bei dem eingestandenen Mangel sprachlicher
und metrischer Differenzen die 'Zwischenstücke' von den ursprüng-
lichen Theilen mit einiger Sicherheit unterscheiden? Es fällt schwer
den Eindruck abzuwehren, als habe nur das Bestreben, Reste einer
Handschrift, welche 36 Zeilen auf der Seite enthielt, zu reconstruieren,
auf die Annahme einer Interpolation zwischen 430 und 436 geführt.
Und wer an den Wiederholungen in 581 — 634 Anstoß nimmt, dem
müssten streng genommen auch die Anklänge in 441 — 508 (vgl. 451 u.
59. 453. u. 57) verdächtig sein. Allein ohne die Annahme solcher
'Zwischenstücke' ist die Vertheilung der gesammten Verszahl auf
Seiten zu 36 Zeilen eben nicht streng durchführbar. Und dabei bleibt
es noch immer seltsam, daß uns ein wundei-bar spielender Zufall viel-
leicht gar zweimal (595 — 630 u. 635—670) nur je ein halbes Blatt
erhalten haben sollte.
Sollte sich solchen Schwierigkeiten gegenüber nicht eine ein-
fachere Hypothese als wahrscheinlicher empfehlen? Eine solche wäre
folgende :
Die Vorlage, aus welcher unsere Abschrift des Gedichtes floß,
Avar am Ende schadhaft: einige Blätter hatten sich losgetrennt und
giengen zum Theil verloren; um weiteren Verlust zu vermeiden, legte
man die noch vorhandenen losgerissenen Blätter zwischen Z. 508 (Schluß
E. WILKEN, ZU DEN MURBACHER HYMNEN. 81
der Rückseite) und 671 (Anfang der Vorderseite eines Blattes) ein und
in dieser Ordnung schrieb der Copist unbekümmert um den Zusammen-
hang die Verse ab. Wenn sich die Gesammtzahl derselben nicht ganz
genau zu 36 auf die Seite vertheilen lässt (und auf diese Ziffer weist
das Stück 671 — 958, von dem bei der Reconstruction der Handschrift
offenbar auszugehn ist, allerdings hin), so erklärt sich das wohl bei
der geringen Zahl überschüssiger Verse aus einem ja auch sonst nicht
unerhörten Schwanken der auf eine Seite fallenden Verszahl, wenn
die Verszeilen überhaupt abgesetzt waren, was nach dem V. 11 be-
merkten Fehler bezweifelt Averden darf.
Unter dieser Voraussetzung fällt die Annahme einer Überarbeitung
von selbst weg.
Die bairische Heimat aber unseres Gedichtes (S. 519 f.) ist
möglich, ja sie mag durch die nachgewiesene Benutzung des Mai eine
gewisse Wahrscheinlichkeit gewinnen, aber sicher ist sie nicht: denn
weder sind die aufgeführten Reime ausschließlich bairisch-österreichisch
(ja für ein bairisch-österreichisches Gedicht aus dieser Zeit ist es sogar
auffallend, daß kein ei u. ou f. ?, ü erscheint), noch ist es undenkbar,
daß Mai auch von einem nicht bairisch-öslerreichischen Dichter nach-
geahmt worden sein könne.
PRAG im October 1874.
ZU DEN MURBACHER HYMNEN.
Auch die neue Ausgabe der althochdeutschen Hjmnenübersetzung ^)
lässt eine von Jacob Grimm in seiner Edition S. 5 nur kurz berührte
merkwürdige Erscheinung ohne genauere Untersuchung. Grimm, der
sich über die Sache bekanntlich so äußerte: interdum monacho
dubitatio hcesisse videtur de vera verhi latini sigmßcatione ideoque duohus
illam tlieotiscis attingere studuit, quorum posterius uncis inclusi — hat
die betreffenden Stellen des Textes wenn auch nur in äußerlicher Weise
') Von Ed. Sievers: Die Murbacher Hymuen, Halle 1874. — In Bezug auf den
Text beiläufig folgendes: XV, 5, 4 entspricht dem deutschen Texte und wie mir scheint
auch dem Sinne besser die von Grimm gegebene Fassung des lat. Textes vigilve sensxis
somniet, die auch bei Daniel I, 42 als Variante steht. XXVI, 14 war wohl in beiden
Fällen die Lücke der Hs. durch hina auszufüllen, da der Umstand, daß bei hinädSn
der Gen. bisher nicht sicher belegt scheint, wohl nur zufällig ist, für Icinädon c. Gen.
GEKMANIA. Neue Reihe VIII. (XX.) Jali.j;. 8
82 K. WILKEN
markiert; die neue Ausgabe lässt dagegen die Doppelparaphrase un-
bezeichnet, und nur der deutsche Index macht gelegentlich darauf
aufmerksam").
Da bei der sonstigen ängstlichen Worttreue des Übersetzers sich
diese doppelte Version einzelner Stellen doch nicht ohne Weiteres er-
klärt, wird eine genauere Betrachtung der etwa 24 Fälle, die ich zu-
nächst übersichtlich zusammenstelle, nicht abwegig erscheinen.
1) I, 3,2 angelus =r pofo^ chundo. — Vgl I, 4,2 angelus = pnto.
2) T, 4, 1 hora = ivila, stunfa. — Vgl. IX, 4 septies = sihtm stun-
fon; XIII nonam := niunta wzJa.
3) I, 4, 3 punire ^= sclalian, icizzinon.
4) I, 6, 1 israhel = israhel, lint.
5) I, 7, 4 conditor = felaho, scheffo.
6) I, 9. 4 regia = turi, pwtun.
7) II, 1, 4 pandis = spreifis, inlncMs.
8) II, 3, 2 radiis = scimon, speichov.
9) II, 8, 3 fideli = triuaße, kalauhige. — Vgl. TIT. .5. 2 fideli =
trmaftemu.
10) III, 6, 4 Spiritus = ätumes, keistes. — Vgl. V. 4. 2 Spiritus =
dhim, keist.
11) IV, 3,4 revectans = moar traganti, loidar fuarinti.
12) V, 2, 1 depellitur = fartripon ist, wirdtf.
13) V, 2, 2 nitor = sconi, cliz. Vgl. III, 2, 2 nitore = scimin, cUzze.
14) VI. 3, 2 per = id)er, duruch.
15) VTII, 5, 2 invideamus = apastohem^, kafardem.
IQ) XV, 2, 3 dum = unzi, denne.
17) XVIII, 3, 1 pudicitiae = kahalHni, . . . .agini*).
18) XTX, 6, 3 in galilea = in galilea, in kawimizze. — Vgl. 8, 2 in
galilea = in gewimezze.
pibt Graff. II, 1030 Beispiele. — Zu VI, 6, 1 hätte bemerkt werden mögen, daß die zu
helfanf g^enaiier stimmende Lesunfj adiutor bei Daniel I, 68 sich vorfindet. — Bei
VTII, 3, 3 ist weder der lat. noch der deutsche Text gesichert, letzterer führt auf nox
nee succedens ortui.
') Doch mangelt S. 84 im Art. sctmo der Hinweis auf die auch S. 71 im Art.
cliz fehlende Form clizze (III, 2, 2).
*) Vielleicht ist doch apanatoem zu bessern.
^) Ich ergänze keilMgini, das zu den verwandten Formen heilafjt und -gtn bei
Graff IV, 878 stimmen würde. — Bez. des zweifelhaften kaunrth (XXII, 1, 2), das
Grimm zu ändern versuchte, mag an das gleichlautende Nom. propr. erinnert werden,
das Graff wohl mit Recht unter gawi gestellt hat: gawiAh also = terrcB regnum, rex,
dann nur so viel als regnum oder triumphus.
zu DEN MUEBACHER HYMNEN. 83
19) XX, 1, 4 probrosa = ihcizlicho, michusco.
20) XXI 11, 4, 4 hostem = heri, fiant.
21) XXIV, 3, 3 formam = kilihnissa, inlidi.
22) XXVI, 1, 4 veneratur = wirdit, eret.
23) XXVI, 7, 1 devicto = kerihtemo, uharwunnomo.
Auch könnte man als 24) aus II, 5, 4 potens = mahtiger, ma-
gantiu noch dazu rechneu. — Der Umstand, daß in den ersten Hym-
nen die meisten Düppelversionen begegnen, mag als ein zufälliger
gelten dürfen, da H. I — XXI von einer Hand geschrieben sind; auch
möchte ich darauf, daß die zweite Glosse mehrfach theils am Rande
(so 11. 15. 17. 23), theils oberhalb der ersten Glosse (14. 19) oder
unter dem lat. Worte (III, 2, 2) nachgetragen ist, kein besonderes
Gewicht legen.
Doch erhellt aus dem Angeführten zur Genüge, daß die Doppel-
versionen nicht etwa auf bloße Schreiberlaune zurückzuführen sind,
Flüchtigkeiten in der Übertragung sind ganz vereinzelt"), auch die Fälle
in denen die zweite Version als Berichtigung der frühern erscheinen
könnte, nur Ausnahme^). Vielmehr ist trotz einiger Verstöße, die dem
Latiuisten des 19. Jhs. freilich als etwas grobe Solcecismeu auffallen
mögen, die Version im Ganzen nicht nur wortgetreu, sondern zeigt
ein Vermögen, das sich als eine wenn auch noch ungewohnte Gewalt
über die Sprache bezeichnen lässt. Es zeigt sich diese namentlich in
dem Bestreben, selbst die biblischen Fremdworte so weit als irgend
möglich in Laut- und Begriffsform der Muttersprache zu übertragen,
und in Bezug auf diesen Patriotismus übertreffen die Hymnen wohl
jedes andere ahd. Denkmal').
Ein Schwanken in Betreff der wahren Bedeutung des lat. Wortes
tritt fast nirgend zu Tage®) — sollte auch ein Reichenauer oder Mur-
^) So wenn XVI, 3, 2 nee hostis durch nee hostis übersetzt wii'd, vgl. Sievers
zu der Stelle.
*) Dieß ist namentlich der Fall mit N. 24, dagegen ist N. 14 die zweite Glosse
nur genauer, nicht eigentlich besser, über 16 entscheide ich nicht.
") Es ist darauf zuerst von Grimm, dann auch von R. v. Raumer (Einwirkung
des Christenthums auf die ahd. Sprache S. 340 fif.) gelegentlich hingewiesen. Am auf-
fälligsten ist die Übersetzung von osanna durch kahaÜ , vgl. auch XIX, 8, 2. Ähn-
lich wie im Tatian (s. Räumer S. 356) wird Jesus mehrfach durch heilant übersetzt,
(vgl. heilant in Sievers Index), und XXIII, 1,3 ist wohl auch heilante aus c te
zu machen.
*) Es ist wohl nur N. 8 hier anzuziehen , wo gemäß der Doppelbedentung des
lat, radius = Strahl und = Radspeiche sich auch eine Version findet, die zwischen
beiden Bedeutungen die Wahl lässt; aber die erstere bleibt wohl vorzuziehen.
6'=
84 K. BARTSCH, ABSCHRIFT VON HARTMAXXS IWKIN.
bacher Mönch des VIII. bis IX. Jh. über den Sinn von hora, Spiritus,
per u. s. Av, im Halbdunkel gewesen sein?
Abgesehen von dem Bestreben, dem Sinne des lat. Wortes durch
die zweite Glosse noch näher zu rücken, vgl. 3) 7) 13) 14) 20) — wird
wohl auch die Erwägung, im Veralten begriffene Wortformen durch
geläufigere zu ersetzen, für das Verfahren des Glossators^) maßgebend
gewesen sein. Nach dieser Seite hin verdienen 5) 10) 11) 23) — viel-
leicht auch 2) 9) 15) 17) 19) 21) Beachtung. — Was den Wechsel
von 'poto und chundo betrifft (1), so ist zu bedenken, daß 2?oto sich
mit der Zeit als übliche Version von apostolus festsetzte, und so noch
im Mhd. namentlich als Comp, zwelfhote üblich ist, während für angelus
vor dem völligen Durchdringen der entlehnten Form angil, engil neben
dem freilich auch hier giltigen poio sich cliundäri (= chundo) z. B. bei
Notker wechselnd gebraucht findet, vgl. Raumer a. a. 0. S. 379. —
Von Interesse ist schließlich (12) die doppelte Übersetzung von de-
pellitur, wie denn überhaupt für den noch nicht fest geregelten Gebrauch
der Hilfsverben wesan und werdan, deren ersteres aber auch für das
lat. manere eintritt^"), die Hymnen sehr lehrreiche Belege bieten, wor-
über man sich nun leicht aus dem Sieverschen Index orientiert, und
die schon von Grimm Gr. IV, 12, 13 gemachte Bemerkung, daß in
den ältesten ahd. Denkmälern loesan vorherrscht, weiter belegt findet.
E. WILKEN.
ABSCHRIFT VON HARTMANNS IWEIN.
Eine Abschrift des hartmanni sehen Iwein vom J. 1521 befindet
sich in der Stadtbibliothek zu Lindau unter der Bezeichnung PH 62:
sie ist citiert in Pertz' Archiv 9, 587 und im Anzeiger für Kunde der
deutschen Vorzeit 1872, Sp. 368. Zu untersuchen wäre ob sie aus einer
der uns erhaltenen älteren Handschriften geflossen ist oder nicht.
K. BARTSCH.
') Ob eine allere Arbeit von jüngeren Händen revidiert wurde, oder derselbe
Autor sich selbst corrigierte, ist nebensächlich.
*") Dagegen tritt piUhan für remanere im Sinne des fehlerhaften Zurückbleibens
oder des Nachlassens (unhilibantich = incessahilis) ein, während das Wort im Schwe-
dischen und Dänischen {hlifva, blifve) den Sinn von loerden angenommen hat, und
also wenn man noch das nhd. bleiben = vianere in Anschlag bringt, einen merkwürdig
verschiedenen Gebrauch aufweist.
LITTERATUK: IIKiNZKL, GESCHICHTE DER NFR GESCHÄFTSSPRACHE. 85
LITTERATÜR.
Geschichte der niederfränkischen Geschäftssprache von Eichard Heinzel.
Paderborn (Schöuingh) 1874. 464 S. 8.
Unter niederfränkischer Geschäftsspracbe versteht der Verf. den Dialekt
der fränkischen und benachbarten Canzleien von Mainz abwärts bis in die
Niederlande, insofern er mindestens noch v für b oder t für z in Pronominal-
formen auch auBer dit aufweist, und andererseits nicht ndl. ist'. Die Urkunden
dieses Gebietes sind mit größerer Vollständigkeit publiciert, als leider die der
meisten übrigen Gegenden Deutschlands, und die darin auftretenden Dialekte
bieten ein hervorragendes Interesse, weil sie verschiedene Zwischenstufen zwischen
hoch- und niederdeutsch repräsentieren. Eine Verarbeitung des vorhandenen
Materials muß daher sehr willkommen sein, und der Verf. hat dieselbe mit
großem Fleiße und großer Genauigkeit unternommen. Er unterscheidet auf dem
Gebiete eilf verschiedene Typen, wie er es nennt, die zum Theil wieder in
Unterabtheilungen zerlegt werden. Für jede Abtheilung gibt er ein Verzeichniss
der Quellen, darauf eine Beschreibung, d. h. eine vollständige Zusammenstellung
der vorkommenden Schreibweisen und aus den ältesten Quellen auch der
Declinationsformen; dann folgt eine allgemeine Charakteristik und eine Über-
sicht über die geographische Verbreitung. Dazwischen sind größere oder kleinere
Excurse über verschiedene Fragen eingestreut. Über das eigentliche Wesen
dieser Typen spricht sieh der Verf. nirgends deutlich aus, aber man erkennt
aus der ganzen Behandlung, daß er sie als etwas von den gesprochenen Mund-
arten verschiedenes, gewissermaßen als Schriftsprachen für ein bestimmtes
kleines Gebiet auffasst. Die Anwendung dieser Typen ist nach H. nicht in be-
stimmte dauernde Gränzen eingeschlossen. Ihr Gebiet kann sich erweitern und
verengen; es kann derselbe Typus auf verschiedenen Gebieten und verschiedene
Typen auf demselben Gebiete auftreten. Diese von der Mundart losgelösten
Canzleisprachen sollen schon bestanden haben, als die ältesten lateinischen Ur-
kunden und Rechtsbücher aufgesetzt wurden. Ihre Existenz wird als selbstver-
ständlich vorausgesetzt. Dieselbe zu erweisen, zu zeigen, durch welche Umstände
sie sich gebildet haben, hat H. nirgends versucht. Seine Anschauungen beruhen
meiner Überzeugung nach auf einer unrichtigen Auffassung des Verhältnisses
von Schriftsprache und Mundart. Das Bestehen einer Schriftsprache ist nicht
so selbstverständlich wie das der Mundart. Jede natürliche Sprachentwicklung
führt nur zu einer fortwährenden Steigerung der dialektischen Verschieden-
heiten. Die Schriftsprache entsteht nur durch bewusstes Aufgeben des Natür-
lichen, durch einen gewaltsamen Zwang, den der Einzelne sich nicht zu seinem
Vergnügen auferlegt, sondern wozu ihn nur ein wirkliches Bedürfniss veran-
lasst. Dieß Bedürfniss kann aber nur darauf beruhen , daß er mit der Mund-
art sich nicht verständlich machen kann. Es besteht nur für den großen Ver-
kehr, der über ein weites Gebiet sich erstreckt, aber nicht für kleine Terri-
torien, innerhalb deren die sprachlichen Unterschiede so gering sind, daß das
gegenseitige Verständniss dadurch nicht behindert ist. Aber gei"ade für solche
86 LITTERATUK: HEINZEL, GESCHICHTE DERNFR. GESCHÄ FTSSPRACHE.
niintnt H. besondere Canzleisprachen an. Es gehört ferner doch Zeit und Übung
dazu, ehe eine Gemeinsprache sich fixieren und über die Mundarten erheben
kann. Wie soll aber die dürftige Anwendung von Eigennamen und einigen ver-
einzelten deutschen Wörtern in lateinischen Urkunden dazu genügen, wenn man
auch vielleicht für die spätere Zeit die Möglichkeiten zugeben mag? Wenn nun
wenigstens Heinzeis Typen sich als einheitliche und von einander deutlich ge-
schiedene Idiome darstellten! Aber keineswegs. Er muß Unterabtheilungen, Spiel-
arten unterscheiden, die nach einer Seite von ihrem Typus abweichen und die
verschiedene Typen mit einander verbinden, und muß schließlich bei der Ein-
reibung der einzelnen Urkunden doch mit einer gewissen Willkür verfahren.
Man vergleiche z. B. die Bemerkung S. 285 unten: Sobald ein Denkmal auch
nur ein uf zeigt, habe ich es zu VT gerechnet. Nur ein v/ph schien mir, wenn
andere Umstände dafür sprachen, den Charakter von IV nicht zu verändern.
Damit ist also doch zugegeben , daß diese Typen mehr oder minder passend,
aber immerhin nicht ohne Willkür unterschieden sind, daß sich recht wohl eine
Eintheilung in mehr oder weniger Typen und anders gezogen denken ließe, daß
also in Wirklichkeit in der Canzleisprache dieselbe Continuität, derselbe all-
mähliche Übergang von einer Sprachgestaltung in die andere stattfindet wie in
der Volksmundart, was die Vermuthung nahe legt, daß die Canzleisprache nichts
anderes ist als Volksmundart. Jedenfalls ist man berechtigt den Nachweis der
Verschiedenheit zu verlangen. Dazu war es nöthig die neueren Mundarten, da-
neben auch die Reime der älteren Dichter zur Vergleichung heranzuziehen. Da
diese von Heinzel ganz bei Seite gelassen sind, so müssen wir ihm überhaupt
das Recht absprechen über das Verhältniss von Canzleisprache und Mundart zu
urtheilen. Mindestens ist das Urtlieil unmotiviert, da die einzigen zu Gebote
stehenden Kriterien nicht benutzt sind. H. konnte überhaupt nach der Be-
schränkung, die er sich auferlegt hatte, wesentlich nur eine Materialiensammlung
liefern. Denn es war auch nicht möglich, ohne neuere Mundart und Reim eine
genügende Feststellung der Aussprache, eine eigentliche Lautlehre zu geben.
Ungefähr das nämliche Dialektgebiet wie H. hat gleichzeitig behandelt
W. Braune in den Beiträgen zur Gesch. der deutschen Sprache u. Lit. I, 1.
Hier werden neben den Urkunden auch die neueren Mundarten behanrlelt,
Braune geht dabei von der Voraussetzung aus, daß die Sprache in den Ur-
kunden den heimischen Dialekt der Schreiber darstellt. Er geräth bei dieser
Ansicht in keinen Widerspruch mit den Thatsachen. Vielmehr ergibt sich die
genaueste Übereinstimmung zwischen den heutigen Dialektgränzen und den
Gränzen der Urkundensprache. Daß H, diese Übereinstimmung verkannt hat,
liegt zum Theil daran , wie Braune in seiner Recension des Buches im Litter.
Centralbl. 1874 no. 25 bemerkt hat, daß ihm nicht klar geworden ist, daß in
der Kegel derjenige die Urkunde ausstellen lässt, in dessen Vortheil das be-
treifende Geschäft begründet ist. Es hätte überhaupt zunächst von den rein
localen Urkunden ausgegangen werden müssen, bei denen nur Personen der-
selben Mundart betheiligt sind. Bei diesen würde sich ergeben haben, daß die
Sprache stets zu der betreff"enden Mundart stimmt. Dann würde sich auch weiter
ergeben haben, daß in Urkunden, die sich auf verschiedenredende Personen be-
ziehen, immer die Sprache der einen Partei erscheint, daß es also keine Ge-
meinsprache für den Verkehr gab.
LITTEKATUR: HEINZEL, GESCHICHTE DER NFR. GESCHÄFTSSPRACHE. g7
H. hat Braunes Arbeit mit Rücksicht auf seine eigene besprochen in
einer Eecensiou der Beiträge Zeitschr. f. d. östr. Gymn. 18 74, S. 163 flf. Er
hat darin manches eingeräumt , sucht aber doch im Wesentlichen seine An-
sichten aufrecht zu erhalten. Bedauerlich scheint mir besonders seine Polemik
gegen Braunes äußerst zweckmäßige Eintheilung der fränkischen Dialekte in
Nieder-, Mittel-, Süd- und Ostfräukisch , deren allgemeine Einführung äußerst
wünschenswerth wäre. H. wendet zunächst ein, daß MüIIenhoffs Eintheilung
schon zu sehr eingebürgert sei, als daß man sie gegen eine andere vertauschen
könnte. Aber das ist wohl in dem Maße nur in dem engern Schülerkreise der
Fall. Aber wenn man sich auch schon viel mehr in dieselbe eingelebt hätte,
80 müsste sie doch aufgegeben werden, weil MüUenhoffs Abgränzung des Süd-
fränkischen auf einem unwesentlichen und nach kurzer Zeit wieder verschwin-
denden Unterschiede beruht, während im Rheinfränkischen durch ihren Con-
sonantenstand scharf und dauernd geschiedene Mundarten zusammengeworfen
werden. H. weicht ja selbst von MüUenhoffs Eintheilung und Terminologie ab.
Sein Niederfränkisch umfasst MüUenhoffs Nieder- und Rheinfiänkisch. Es ist
ein ganz haltloser Begriff. Einerseits wird das Niederländische von der mit ihm
auf einer Consonantenstufe stehenden Mundart von Geldern, Cleve und Mors
losgerissen, andererseits beruht auch die Südgränze auf gar keinem klaren
Kriterium. Auffallend ist Heinzeis Opposition gegen die Scheidung von Nieder-
und Mittelfiänkisch, die er nicht als gleichberechtigt der von Mittel- und Süd-
fränkisch anerkennen will. Die Scheidung muß doch gemacht werden, wenn wir
überhaupt eine Scheidung von Nieder- und Mitteldeutsch machen, mit der sie
zusammenfällt. Die Verschiedenheiten innerhalb des mittelfränkisehen Gebietes,
auf die H. aufmerksam macht, den allmählichen Übergang in das Sudfränkische
wird auch Braune zugeben. Aber das kann eben nirgends anders sein. Die Mund-
arten hangen überall continuierlich zusammen. Nie wird ein Sprung gemacht.
Unsere Eintheilung ist jedesmal willkürlich, aber wir bedürfen einer solchen aus
praktischen Gründen und müssen sie so zweckmäßig als möglich einrichten.
Es hindert ja nichts das Mittelfränkische in weitere Unterabtheilungen, be-
sonders in zwei Hauptgruppen zu sondern, die auch von Braune angezeigt sind.
Unter den von H. eingestreuten Excursen ragen zwei durch Umfang und
Bedeutung des behandelten Gegenstandes hervor: über die westgermanischen
Vocale 46 — 90 und über die Lautverschiebung 115 — 179. Leider kann ich
seinen Ansichten nur in wenigen Stücken beipflichten. H. leidet an einer Nei-
gung zur Künstelei, die das natürlich sich darbietende verschmäht, überall nach
absonderlicher und gesuchter Deutung hascht. Bei diesen beiden Untersuchungen
folgt er unverkennbar dem Muster Scherers, von dem er indeß mehrfach ab-
weicht. So ist sein Excurs über die Vocale eine Ausführung der von Scherer
z. Gesch. S. 1'26 ausgesprochenen Ansicht, daß der Hochton die Wirkung habe
den Eigenton des Vocals zu erhöhen, also eine Veräuderung in der Richtung
— u — a — i hervorzubringen. Mit Hülfe dieses Grundsatzes sucht er das Verhält-
niss von e zu i, o zu u, ä zu e, auch die Contraction von Diphthongen und
die Diphthongisierung von langen Vocalen zu erklären. Es ist nun zunächst
zweifelhaft, ob für den germanischen Accent eine Erhöhung des Stimmtons und
nicht vielmehr bloß eine größere Energie der Hervorbringung wesentlich ge-
wesen ist. Die vollständige Haltlosigkeit der Hypothese zeigt aber folgende
Überlegung. Erstens linden sich ähnliche Vocalveränderungen auch iu den übrigen
88 1.ITTP:RATUK : HEINZKL, GESCIITCHTE der NFR' gesciiäftssprache.
europilsclien Sprüchen, olme .biß, al)gescheii \oi der Diplithongisierung, der Ton
auf den bctrofffDCM Silben ruht. Die Verwandlung des a zu e, die doch auch
auf Erhöhung des Eigentoiis beruht, ist in den meisten Fällen gemeineuropäisch.
Sie findet sich gerade in einer Anzahl von Verben, die im litauischen, wo die
ursprünglichen Accentverhältnisse am getreuesten bewahrt sind, den Ton auf
der Endung haben z. B. lesü {— got. lisa), metü (= lat. mitto), vezü {= lat.
veho, got. viya). Dieses c erhöht sich weiter im lit. häufig zu i z. B. iriu
(rudere, Würz, ar), skiriü (sondere, Würz, skar); es wechselt e und i im praes.
und praet, z. B. hredüy bridaü (wate), kerM, kirtaü (haue). Ebenso wird im
slaw. e in ? verwandelt, welches stäts accentlos ist und ausgestossen werden
kann z. B. mtr({, mrq (morior), stlrq, strci (sterno), und mit Wechsel her({ (fero),
blrafhu, brachü, Inf. blraii, brati. Wenn man also einen Einfluß des Accents
annehmen will, so kann dieser nur darin bestehen, daß die Tonlosigkeit das
a zu e und weiter zu i treibt. Zweitens aber finden sich die von Heinzel auf
Eechnung des Accents gebrachten Vocalveränderungen, wieder mit Ausnahme
der Diphthongisierung, gerade so wie in den Wurzelsilben auch in den Ab-
theilungs- und Flexionssilben, und in proklitischen Partikeln. So geht a durch
c zu z über in dages, dagis, nimis, nimip *), swnjus aus sunivas, sunive, himivs,
katils, agis, aggvipa, salipva, in, ahd. ga-, ge-, gi-, za-, ze-, zi-. Langes a wird
zu e in dage, hanane. Vollends die Contraction von ai und au ist gerade in
den Endsilben auch im ahd. und selbst altn. consequent durchgeführt. Wjis
braucht es also zur Erklärung dieser Erscheinungen des Accentes? Dieß ganz
unnöthige Erklärungsmittel steht aber sogar mit den Thatsachen im Widerspruch,
den H. trotz aller künstlichen Mittel nicht zu beseitigen vermag. Er nimmt an,
um sein Princip zu retten, daß aus a entstandenes o schon gemeingermanisch
durchgängig zu u geworden sei, nicht ebenso e zu i. Hierfür könnte allerdings
die verschiedene Behandlung von indog. i und u in den nichtgotischen Dia-
lekten sprechen. Aber es finden sich doch auch eine Anzahl von H. selbst S. 46
aufgezählter i, die gerade wie u dem Einfluß eines folgenden a, (e, o) erliegen
ganz gegen das Princip der Tonerhöliung. Im übrigen widerspricht dieser An-
nahme Heinzeis und überhaupt seinem ganzen Principe das in den germanischen
Sprachen durchgehende analoge Verhalten von e, i zu a und o, u zu a, welches
sich auch in der ahd. Diphthongisierung von e zu ia, ie und ö zu ua, uo und
in der Verwandlung von ai und au in ei und ou zeigt. H. müsste ferner den
Übergang des o in m in eine Zeit zurückschieben, in welcher das germanische
Accentuationsgesetz noch nicht durchgedrungen war und annehmen, daß die
Wurzelsilben, in welchen derselbe eintrat, ursprünglich sämmtlich unbetont ge-
wesen seien, wofür man doch wohl einen Beweis fordern dürfte. — Absolut
verfehlt scheint mir ferner die Aufstellung einer gotisch-fränkischen Sprach-
gruppe, die in Bezug auf Vocalismus sich von den übrigen Stämmen absondern
MoU (S. Gl). Weder sind die verschiedenen Punkte von Übereinstimmung, die
H. aufführt, allen zu der Gruppe gerechneten Stämmen geraein, wie er zum
*) Mit Heinzel anzunehmen, daß nimis, nimip aus 7iimasi, nimajii durch Assi-
milation an das Schluß-i entstamlon seien, verbietet der Umstand, dalJ nimip auch in
der II. plur. eintritt, wo ein a abpjefallen ist. Überhaupt wurde das a nicht unmittelbar
zu i, sondern zunächst zu e übereinstimmend in allen indogermanischen Sprachen. Das
lit. zeiurt allerdint^s a in der II. plur. und III. sing. Dieß beruht aber wohl auf späterer
Assimilation an die übrigen Personen gerade wie ahd. nemat.
LITTERATUR: HEINZEL, GESCHICHTE DERNFR. GESCHÄFTSSPRACHE. 89
Theil selbst zugibt, noch ist erweish'ch, d;iß sie sich dadurch von den übrigen
sondern. Die Gruppe soll sämmtliche mit den Römern in Berührung gekommenen
Völkerschaften umfassen. Wenn dieselbe nun in ihren ältesten Denkmälern, in
Eigennamen und vereinzelten Wörtern bei lateinischen Schriftstellern gemein-
same Eigenthümlichkeiten zeigt, die sich bei den andern Stämmen nicht nach-
weisen lassen, so liegt das einfach daran, daß wir von der Sprache der letzteren
gar keine oder nur höchst spärliche Denkmale haben eben wegen der mangelnden
Berührung mit den Römern. Die aufgeführten Eigenheiten lassen sich aber fast
alle in andern Dialekten wirklich nachweisen. So ist Empfindlichkeit der Vocale
für consonantische Einflüsse doch in viel höherm Grade als dem fränk., dem
ags. (lond, eafora,feallan, svearf, meaht, ceorl) und altn. (hjarga, hjdlpa, koniingr)
eigen. Rückkehr von e zu ä, die übrigens im got. nicht nachweisbar ist, hat
wahrscheinlich bei allen germanischen Stämmen, die nicht frühzeitig genug
untergegangen sind, stattgefunden. Über die Alamannen vgl. Jaoobi, Beitr. 111;
schon der Name Suevi ist Beweis. Reste des e im alts. sind ger, uueg, hcdi
etc. cf. Heyne, alts. Gramm. §. 5 : im ags. cven^ ven, mece, cveman Noch viel
zahlreicher sind sie im altfr. jer, mel, jevon etc. Nur im altn. ist keine Spur
davon, und für dieses mag es zweifelhaft bleiben, ob jemals das ä dem e an-
genähert gewesen ist. Doch ließe sich auch aus der Vergleichung der ver-
wandten Sprachen wahrscheinlich machen, daß e oder wenigstens ein Mittellaut
zwischen ä und e gemeiugermanisch gewesen ist. Ferner eii, eima, treuua sind
ganz gewöhrilich in der vordem Partie des Hei. im Mon. Noch weniger können
die unter nr. 1 — 7 (S. 67 ff.) angeführten Erscheinungen als specifische Eigen-
thümlichkeiten der Gruppe angeführt werden, was eigentlich für den Unbefangenen
so auf der Hand liegt, daß es Raumverschwendung wäre es noch weiter aus-
zuführen. Was soll also die Aufstellung dieser Gruppe ?
Nicht so ganz durchgängig, wiewohl auch zum großen Theil verfehlt
scheint mir der Excurs über die Lautverschiebung. Derselbe berührt sich viel-
fach mit den Arbeiten von Braune, Beitiäge I, 43 ff. und 513 ff. und von mir
ib. 147 ff. H. hat seine Aufstellungen später gegen die abweichenden Ansichten
von Braune und mir zu rechtfertigen gesucht in der oben erwähnten Recension
der Beiträge. Zunächst über einen principiellen Gegensatz der beiderseitigen
Anschauungen spricht er sich dort (S. 178) folgendermaßen aus: Was dem
Aufsatz schadet, scheint mir die physiologische Methode zu sein ; Paul vernach-
lässigt gänzlich die Controlle, unter welcher das Ohr die gesprochene Sprache
hält und gegen zugemuthete Lautändfrungen schützt . Allerdings besteht eine
solche Controlle, welche jeden plötzlichen, sofort deutlich ins Gehör fallenden
Lautwandel verhindert. Ich habe von derselben nirgends gesprochen, aber ich
wüsste nicht, wo ich gegen die Gesetze derselben sollte Verstössen haben. Bei
allen von mir angenommenen Lautverändrrungen sind contiuuierliche Übergänge
möglich. Die einzige darunter, die nicht auch Heinzel annimmt, ist der Über-
gang von Reibelaut in homorgauen Verschlußlaut ohne Vermittlung einer Af-
fricata. Daß dieser nicht gegen das Gesetz der Continuität verstösst, ist doch
wohl klar. Denn von der größten Weite, bei der noch ein Cousonant ertönt,
bis zum völligen Verschluße giebt es unendlich viele Abstufungen, und ebenso
giebt es unendliche viele Grade der Verkürzung des Dauerlautes bis zum Moment.
Und alle diese Zwischenstufen der Articulation sind auch Zwischenstufen für
den akustischen Eindi-uck, Der Vorwurf, den mir H. machen kann, kann also
90 LITTERATUR: HEINZEL, GESCHICHTE DER NFR. GESCHÄFTSSPRACHE.
nur der sein, daß ich neben der Controlle des Ohres auch noch die physio-
logische Schwierigkeit berücksichtigt habe, daß ich nicht jeden Lautübergang
für möglich und wahrscheinlich halte, wenn nur der Abstand von dem ursprüng-
lichen Laute nicht zu sehr ins Gehör fällt, gleichviel ob er nach allgemeinen
lautphysioiogischen Gesetzen oder nach den sonstigen Beobachtungen, die wir
über die speciellen Eigenthümlichkeiten eines Volkes machen können, wahr-
scheinlich ist oder nicht. Diesen Vorwurf will ich mir gern gefallen lassen.
Kaum begreiflich ist es, wie mir die physiologische Methode, nicht bloß die
falsche Anwendung derselben zum Vorwurf gemacht wird, da doch aller Fort-
schritt, den die Lautlehi-e in neuerer Zeit gemacht hat, darauf beruht. Die
Laute unterliegen als physische Erzeugnisse wesentlich nur physischen Gesetzen,
gerade so wie Wortbedeutung, Ableitung, Flexion und Syntax psychologischen.
Es kommen dabei einige psychologische Momente allgemeinster Art in Betracht,
insofern z. B. die nach vorwärts wirkende Assimilation nicht durch den ge-
sprochenen Laut selbst, sondern durch die Vorstellung des zu sprechenden
Lautes bewirkt wird, oder insofern Schnelligkeit des Sprechens, die wieder mit
Schnelligkeit des Denkens zusammenhängt, Assimilation und Abschleifung der
Endungen befördert. Aber bewusste Tendenzen, wie sie H. annimmt, wirken
bei der Lautveränderung nicht. Es ist vor allem in der natürlichen Sprache
keine Vorstellung von dem Lautsysteme vorhanden, wie wir Grammatiker sie
haben.
H. triflPt zusammen mit Braune in der gelungenen Widerlegung von
Scherers Ansicht, daß got. Tenues sich im ahd. unmittelbar zu Reibelauten,
nicht durch Affricaten hindurch verschoben hätten, mit mir in der Annahme,
daß die got. Medien und im Allgemeinen auch die denselben entsprechenden
Laute in den nicht von der hochdeutschen Verschiebung betroffenen Dialekten
wenigstens im Inlaut einen andern Lautwerth repräsentieren, als wir mit den
Zeichen des lateinischen Alphabetes, durch welche wir sie wiedergeben, sonst
zu verbinden gewohnt sind, und daß in diesen abweichenden Lautwerthen eine
ältere Stufe erhalten ist. Unsere Ansichten gehen aber darin auseinander, daß
er dafür wenigstens ursprünglich Medialaflfricaten annimmt, ich dagegen bereits
gemeingermanisch einfache weiche Reibelaute. H. hält in der Recension an
seiner Ansicht fest und sucht sie genauer zu begründen (S. 180 ff.). Bei ihm
wie früher bei Scherer ist die Annahme von Aflfricaten wesentlich veranlasst
durch den unläugbaren Übergang der fraglichen Laute in Verschlußlaute, die
sie beide immer nur zunächst aus Affricata, nicht aus Reibelaut entstehen
lassen wollen. Dabei ist maßgebend für sie gewesen die Analogie des engli-
schen th, welches gegenwärtig in der Sprache der Gebildeten oflPenbar im Über-
gang zum Verschlußlaut begriffen ist, während die Dialekte diesen Übergang
zum großen Tlieil schon vollständig vollzogen haben. Aber die Auffassung des
Übergangslautes als AftVicata ist eben falsch, wie ich Beitr. I, 189 bemerkt
habe. Er ist vielmehr ein durchaus einfacher Reibelaut, sehr kurz und mit
starker Verengung der Articulationsstelle gesprochen, wofür gelegentlich auch
schon wirklicher Verschlußlaut ertönt. H. geht darüber in der Recension S. 184
etwas leicht hinweg: 'Die englische Analogie soll durch Sievers Beobachtungen
hinweggeschafft sein. In wie fern das richtig ist, kann ich nicht beurtheilen.
Dem muß ich entgegenhalten: es ist richtig, festgestellt durch zuverlässige Be-
obachtungen, deren Geltung dadurch nicht entkräftet wird, daß sie H. gerade
LITTERATUR HEINZEL, GESCHICHTE DER NFR GESCHÄFTSSPRACHE. 91
nicht nachprüfen kann. Damit wird aber die englische Analogie nicht bloß für
Heinzeis Annahme beseitigt, sondern für die meinige gewonnen. Es nöthigt uns
überhaupt nichts mehr Affricateu anzunehmen , wir verwickeln uns im Gegen-
theil dadurch bloß in unnöthige Schwierigkeiten. Zum Theil gibt H. selbst ein-
fache Reibelaute zu. Wo er aber Affricaten annimmt, können die dafür vorge-
brachten Gründe mit demselben oder mit besserem Rechte für den soeben be-
schriebenen Übergangslaut geltend gemacht werden. So das Schwanken zwischen
6 und V in der Wiedergabe des got. h. .Außerdem ist zu beachten, daß lat.
V labiodental war, daß also der labiolabiale got. Reibelaut, auch abgesehen
von einer etwaigen Annäherung an den Verschlußlaut, zwischen lat. h und n
in der Mitte stand Daß durch b ein bloßer Reibelaut bezeichnet werden konnte,
beweist am besten die Wiedergabe des got. Halbvocals v durch üb neben nv.
W^enn H. fragt, wie die Afifricata im lat. anders hätte bezeichnet werden sollen
als durch b oder u, so muß ich einfach antworten durch Jw. Vollkommen un-
begreiflich ist mir, wie H. Zeitschr. 182 behaupten kann, daß der Wechsel
von Spirans und Media nur bei den Vertretungen von indog. k und t sich
fände, während dem indog. p kein solcher Wechsel entspräche. Gerade hier
tritt uns ja der Wechsel am lebendigsten entgegen {asahis, ioseba, abuh, ubuh).
Hier dürfen wir am allerwenigsten eine Erweichung von Tenuisaffricata in Me-
dialaffricata statuieren. Für got. g und d im Inlaut gibt H. reinspirantische
Aussprache zu. Im Anlaut setzt er für alle drei Articulationsstellen Affricata
an. Er beruft sich dafür Zeitschr. 181 auf das alts. und ags., wo g auf j
allitteriert. Daraus zieht er den merkwürdigen Schluß, daß, da ^ , ^ und j
nach Druckes Bezeichnung für das Ohr zu weit abständen, man das alts. ags.
g als f/'^j^ ansetzen müsse, als ob es bei der Allitteration auf den zweiten Laut
ankäme und nicht allein auf den ersten. Und da ihm die Verbindung g-j mit
Recht seltsam vorgekommen sein wird, so meint er, es sei wohl gar nicht die
regelmäßige Aussprache gewesen , vielmehr habe die Aussprache zwischen g j
und g'j' geschwankt, zumal da Reime wie gumon : Josepe doch selten wären.
Zunächst bemerke ich, daß, wenn diese Reime seltener sind als manche andere,
dieß natürlich nicht anders sein kann, weil _;' seltener ist als andere Laute. Es
allitteriert daher noch viel seltener auf ein anderes j als auf g. Ich habe für
den Hei. nach Heynes Glossar die Reime durchgesehen, in welchen andere mit
j beginnende Wörter als Eigennamen und das sehr häufige jungaro vorkommen.
Danach ergeben sich folgende Zahlenverhältnisse: es reimen drei j auf einander
zweimal (1175. 2802), wobei immer der Name Johannes, 1175 auch Jacobus
vorkommt, ein j auf ein anderes zweimal (859. 3258 jung : Jesus), zwei j
und ein g zweimal (735. 5296), ein j und zwei oder ein g siebenzehnmal
(80. 148. 949. 1117. 2192. 2466. 3278. 3309. 3469. 3472. 3498. 3613.
4427. 4757. 5916. 5948. 5967). Es muß also unbedingt zugegeben werden,
daß g und j für die Allitteration nicht unterschieden werden. Daraus würde
man folgern, daß auch in der Aussprache gar kein Unterschied gewesen wäre,
wenn nichts anderes dagegen spräche. Für einen Unterschied im alts. spricht
nun allerdings, daß im allgemeinen j und g in der Schrift unterschieden werden.
Aber allerdings findet sich g für j geschrieben vor i und e z. B. gihit, ger
(immer im Mon.). Dagegen vor a, u wird statt dessen gi geschrieben giämar,
giudeo und im Inlaut zwischen Vocalen ge uualcogeandi. Das beweist unzweifel-
haft, daß g vor dunklen Vocalen anders gesprochen wurde als vor hellen. Denn
92 LITTEI.'ATUK: HKINZEL, GESCHICHTE DER NFR. GESCHÄFTSSPRACIIE.
c, i Bind doch oftViibur wie im franz. und ital. aufzufassen als Zeichen, daß
g nicht wie sonst vor dunklen Lauten, sondern wie vor hellen zu sprechen ist.
Wir hätten also drei abweichende Laute, den des alten j, den des </ vor hellen,
den des g vor dunklen Vocalen. Unter diesen muß der zweite dem ersten näher
stehen als der dritte und dem dritten näher als der erste, und alle zusammen
dürfen einander nicht zu fern stehen, da sie auf einander allitterieren und auch
durch denselben Buchstaben bezeichnet werden können. Der Unterschied des zweiten
und dritten muß durch die Qualität des nachfolgenden Vocals begründet werden.
Ich wüsste nicht , wie man diese Verhältnisse einfacher deuten wollte als so :
j ist Halbvocal , der aber bereits beginnt sein vocalisches Element einzubüssen
und deßlialb nicht mehr auf Vocal allitteriert wie im altn., sondern auf g und
auch in der Schrift durch g, gi, ge ersetzt werden kann; g vor e und i ist
palataler Reibelaut, mit dem j zusammenfällt, sobald es sein vocalisches Element
verliert; g vor a, o, u ist gutturaler Reibelaut, welcher wieder unter allen mög-
lichen Lauten dem palatalen Reibelaut zunächst liegt. Noch klarer sind die
Verhältnisse im ags. H. geht Zeitschr. 181 von der irrigen Ansicht aus, der
ich selber früher verfallen bin, daß das Zeichen 5 erst im neuags. eingeführt
sei. Dasselbe bestand schon im altags., und zwar als einziges Zeichen für den
Laut, der in unseren Ausgaben durch g wiedergegeben wird, neu eingeführt
wird im neuags. vielmehr das g. Im neuags. kann 5 gutturalen und palatalen,
weichen und harten Reibelaut bezeichnen. Im altags. wird 5 außer für goth. g
auch gebraucht für anlautendes got. j vor hellen Vocalen, vor dunklen da-
gegen tritt statt dessen ^e ein. Das heißt also doch wohl: es besteht ein
Unterschied in der Aussprache zwischen ^ vor harten und dem vor weichen
Vocalen, got. j ist mit dem 5 vor weichen Vocalen zusammengefallen; das
letztere ist palatal, das andere guttural. — H. nimmt bei den indogermanischer
Tenuis entsprechenden weichen Lauten wenigstens zum Theil Erweichung aus
Tenuisaffrieata an. Ich muß an den dagegen und für Erweichung aus einfachem
Reibelaut Beitr. I, 155 ff. vorgebrachten Gründen entschieden festhalten. Ich
hebe vor allem noch einmal die Analogie der Erweichung des s hervor, die am
schlagendsten ist bei dem grammatischen Wechsel; vgl. Braunes Abhandlung
Beitr. I, 513. Für einen Theil der Fälle giebt H. selbst zu, daß der aus
hartem Reibelaute entstandene weiche sich erst wieder mit dem Vorschlag eines
Verschlußlautes versehen habe. Zu dieser Annahme ist weiter keine Veranlassung
als die irrige Voraussetzung, daß der Übergang von Reibelaut in Verschluß-
laut durch die Affricata hindurch erfolge, welche Voraussetzung wieder nur auf
der falschen Auffassung der heutigen Aussprache des engl, th beruht.
H. nimmt mit Scherer au, daß ursprünglich im indog. Medialaspiraten
bestanden haben, die also nach seiner Ansicht im germ. zum Theil unverändert
erhalten wären, während ich mich Curtius , Ascoli und andern angeschlossen
habe, die wirkliche Aspiraten wie im neuindischen ansetzen. Ich habe besonders
die lautphysiologische Schwierigkeit des von Scherer angenommenen Überganges
von bv etc. in bh betont. H. wendet Zeitschr. 179 dagegen ein, der Übergang
von tönender Spirans in k biete gar keine Schwierigkeit. Dabei übersieht er
vollkommen, worauf es ankommt. Nicht an dem Übergang der Spirans in h an
und für sich habe ich Anstoß genommen, sondern an dem Übergang des
tönenden homorganen Lautes in den tonlosen nichthomorganen neben dem tönenden
Verschlußlaut. In den Medialaspiraten hat man noch stets lautpbysiologische
LITTERATUR: HEINZEL, GESCHICHTE DER NFR. GESCHÄFTSSPRACHE. ()3
Schwierigkeiten gefunden , und ganz besonders auch Brücke. Für das germa-
nische ist meiner Überzeugung nach die Frage von keinem Belang. Auch ich
nehme Medialaffricata als nächste Vorstufe der germanischen weichen Eeibelaute
an. Aber H. benutzt den im indischen vorausgesetzten Übergang von Medial-
affricata in Aspirata als Analogie zur Erklärung des Wandels der Media in
Tenuis im ahd. Nämlich bv wurde zu bh, b wurde durch den assimilierenden
Einfluß des h des Stimmtons beraubt wie im griech,, und nachdem das h den
gewünschten Dienst geleistet hatte, konnte es nun gehen. — Noch seltsamer
seheint mir die Erklärung der ahd. Affricaten aus Jerierung (Geschäftsspr. 146 flf.)
Es sollen k, t, p zunächst zu kj, tj, pj geworden sein, die sich dann in k^,
ts, pf gewandelt hätten. Um einen in anderer Weise schon ganz befriedigend
erklärten Lautwandel auf eine neue Art zu erklären, wird zunächst ein ganz
unerklärter und unerklärbarer Vorgang statuiert, die Einschiebung eines j ohne
jede Veranlassung, um daraus dann weiter zu erklären. Und auch dabei werden
wieder Vorgänge angenommen , für die jede Analogie fehlt. Es entsteht zwar
häufig z (ts) aus tj, aber niemals k"/ und pf aus kj und pj. Denn die aus
romanischen Sprachen angeführten Beispiele sind anders zu erklären. Auf die-
selbe Weise will H. die Verschiebung der indog. Tenues durch Jerierung er-
klären und sogar die der indog. Medien. Aus g, d, b sollen zunächst gj, dj, bj
entstanden sein. Daraus hätte nun nach Analogie der Tenues bv etc. werden
müssen und hieraus hätte Heinzel dann nach Analogie des ahd. bh und weiter
p ableiten können. Das wäre wenigstens consequent gewesen. Aber da hätte
ja das neue bv = indog. b mit dem alten indog. bv zusammenfallen müssen.
Um das zu vermeiden wird hier ein Sprung gemacht: bj geht ohne Vermittlung
von bv in hh über. Eine Häufung von Unwahrscheinlichkeiten, ohne daß mau
den Grund einsieht, warum der einfachste Weg der Erklärung verlassen wird.
Ganz verfehlt endlich scheint mir die Art, wie H. das Verhältniss des
fränkischen Consonantenstandes zum hochdeutschen auffasst. Braune hat die
Abweichungen des fränkischen und der übrigen mitteldeutschen Dialekte als
verschiedene Abstufungen der Lautverschiebung aufgefassr, die einen natürlichen,
allmählichen Übergang vom niederdeutschen zum strengoberdeutschen vermitteln,
und er hat auf Grund derselben die Chronologie der verschiedenen Acte der
Lautverschiebung zu bestimmen gesucht. Anders H. in seinem Buche und in der
Recension. Braunes Chronologie lässt sich nicht gut mit seinen Hypothesen ver-
einigen. Nach ihm ist die Verschiebung nur in Oberdeutschland spontan. In das
fränkische, und zwar auch in das südfränkische ist sie durch Culturübertragung
aus Oberdeutschland eingedrungen. Die Franken sollen sich die gebildetere
Sprache der Oberdeutschen theilweise angeeignet haben. Diese Culturübertragung
widerspricht wieder vollkommen den allgemeinen Entwicklungsgesetzen der
Sprache und den besonderen Verhältnissen der Zeit, in der sie stattgefunden
haben müsste. Vergleichen wir die Einwirkung der neuhochdeutschen Schrift-
sprache auf die Dialekte. Dieselbe hat bei den Gebildeten und in den größeren
Städten die eigentliche Mundart meist ganz verdrängt, hat die letztere modi-
ficiert oder ist von ihr modificiert worden, wie wir es nach der Verschiedenheit
des Mischungsverhältnisses bezeichnen mögen, aber in keiner Gegend Deutsch-
lands ist die Mundart auch auf dem Lande ganz von ihr verdrängt oder durch-
gängig entfernt so stark verändert worden, wie es hier die fränkische sein soll.
Was also unsere fest geregelte Schriftsprache irotz alles Fortschritts der Cultur,
04 LITTERATUR: MÜLLENHOFF. LAUKIN.
trotz ihrer Herrschaft, die sie seit wenigstens drei Jahrhunderten in Kirche,
Schule und Litteratur behauptet hat, nicht vermocht hat, das hat das Ober-
deutsche des achten und neunten Jahrhunderts vollbracht. Und wir müssen
weiter fragen: inwiefern waren denn die Oberdeutschen der in der Cultur fort-
geschrittenere, der mäclitigere und gebildetere Stamm ? Kein Menscli kann doch
bestreiten, daß zu der Zeit^ in der die Verschiebung eingetreten sein muß, die
Franken sowohl mächtiger als gebildeter waren. H. selbst vertheidigt ja MüUen-
hoflfs Annahme einer fränkischen Hofsprache, die auf Oberdeutschland gewirkt
haben soll. Man kann zugeben, daß die Verschiebung in Oberdeutschland be-
gonnen hat und sich allmählich weiter über Mitteldeutschland verbreitet hat, wie
wir dieß an der Veränderung des th in historischer Zeit wahrnehmen. Aber ein
spontaner Trieb muß dabei immer vorhanden sein, der nur durch den Verkehr
mit den Nachbarn unterstützt wird. Höhere oder geringere Cultur kommt dabei
gar nicht in Betracht, sondern nur Intensität des Verkehrs. Es liegt eine natür-
liche Entwicklung vor, ganz verschieden von der Einwirkung einer Schriftsprache
auf die Mundart.
FREIBURG i./Br. Jan. 1875. H. PAUL.
Laurin, ein tirolisches Heldenmärchen aus dem Anfange des XIII, Jahrhunderts
herausgegeben von Karl Müllenhoff. Berlin 1874. Weidmannsche Buch-
handlung, kl. 8. 78 S.
Ein Abdruck des Textes aus dem Deutschen Heldenbuche I (1866)*)
ohne Einleitung, Anmerkungen, Lesarten. Man fragt sich, zu welchem Zwecke
soll dieser Abdruck dienen? Soll er bei Vorlesungen an Universitäten zu Grunde
gelegt werden, so ist dabei der kritische Apparat unentbehrlich, es wird dem-
nach zu dem Texte im Heldenbuch gegriffen werden müssen. Ist aber die Ab-
sicht, damit das Gedicht etwa auf unsern Schulen einzuführen, so müssen wir
diese Absicht für eine ganz verkehrte halten; die geringe Zeit, die auf Schulen
für altdeutsche Leetüre übrig bleibt, soll man wahrhaftig nicht verwenden, um
Gedichte von so untergeordnetem Werthe zu lesen wie doch im Ganzen dieser
Laurin ist. Jenes scheint aber wirklich die Absicht zu sein, wie man daraus
schließen muß, daß in die eben erschienene neueste Auflage von E. Martins
Glossar zu den Nibelungen und zu Walther auch Laurin verarbeitet ist. In der
Tliat eine recht passende Zusammenstellung! Vielleicht gilt dieselbe aber dem
Werthe der kritischen Leistung, vielleicht ist hier in der Herstellung ein ähn-
liches Meisterstück geliefert wie in den Lachmannschen Nibelungen und ihren
zwanzig Liedern! Die kritische Aufgabe war hier in der That keine leichte,
es galt aus der sehr entstellten und überarbeiteten Überlieferung das ursprüng-
liche Gedicht herauszuschälen. Daß dieses noch dem 1*2. Jahrhundert angehört
ist nach den Reimen unzweifelhaft, dabei allerdings möglich, ja wahrscheinlich,
daß schon an der Grenze des 12. und 13. Jahrhs. es eine Umarbeitung er-
fahren hat. Über diese hinaus führen unsere Quellen nicht; es lässt also die
*) Auf dem Titel dieses Abdruckes nennt sich Müllenhoff als Herausgeber, im
1. Band des Heldenbuchs ist in schrullenhafter Weise auf dem Titel wie hinter der
Einleitung der Name weggelassen; daher der Irrthum Kellers wohl verzeihlich ist, der
die Laurinausgabe einem andern beilegt (Heldenbuch. Stuttgart 1867, S. 776).
LITTERATUR: MÜLLENHOFF, LAURIN. 95
älteste zu erreichende Gestalt immer noch auf eine ältere Vorlage blicken.
Denn wenn Heldenbuch I, S. XLVII gesagt wird, daß die Ungenauigkeit der
Eeime sich neben der strengen Regel aus dem XII. Jahrb. durch das dreizehnte
fortpflanze, so gilt das doch nur von gewissen Ungenauigkeiten, wie daß b : g,
p : t, b : d, m : n, s : z gebunden werden. Aber eine Reihe von Reimen des
Lauiin sind der Art, daß sie schlechterdings nur zu erklären sind als aus einer
älteren Fassung stehen geblieben. Nicht bloß die drei, die M. als der alten
Kunst gemäß bezeichnet, obe7ie : voyele, bidtrbe : toidere, brünege : menege. Wir
finden den Reim oben e : vögele Aueg. 10, 38. Genesis D. 82, 1, und vögele',
lobene Genes. 3, 16; den Reim biderbe ■: widere Gehüg. 427. Gr. Rud. F 2.
Rol. 173, 10. 276, 5. Maria 156, 12. 174, 14. Anzeig. 6, 157; auf nidere
gereimt steht biderbe Gr. Rud. C 26. K*" 12. Rol. 142, 17. 144, 7. Der dritte
Reim endlich wiederholt sich nur Alex. 1145; ihm entspricht die Bindung
menige : kunige Roth. 3053. 3613. 3691. 3855. 3979. 4079. 4185. 4261.
Kaiserchr. 11651. Fundgr. 2, 95. Exod. D. 161. Diemer 36, 3. Also in keiner
Dichtung, die bis ins letzte Vieitel des 12. Jahrhs. hinabreichte. Ist es glaub-
lich, daß noch zwischen 1195 — 1215 (denn in diese Zeit setzt M. die Ab-
fassung des Laurin) solche Reime vorkamen, dann muß man sich wundern, in
den spätem Dichtungen des 12. Jahrhs. sie gar nicht mehr zu finden. Und
dasselbe gilt von andern Reimen. Die Bindung liez : lief hat entsprechendes nur
in Reimen des Anegenge (23, 17, 24, 5), des Alexander (1034), des Rolant
(150, 13. 162, 12. 292, 32), der Kaiserchronik (6911), und der Bücher Mose
(Fundgruben 2, 57. 85). Dem sehr auffallenden Reim fuezen : slüege 307 lässt
sich nur vergleichen whe : Uden Fundgruben 2, 28, sluoge : muose Fundgr. 2, 28.
Hahn 20, 77, und jähen : säzen Kaiserchr. 1886. Der zweimalige Reim geioelbe
•.gesellen 1321. 1329 hat genau entsprechendes nur in selbe: welle Rol. 73, 15;
aber analog sind die Reime erbeigen : wellen Anzeig. 8, 41. gewelde : helle Glaube
1483. : eile 2506. velde : helle Rol. 271, 15. gelden : bewellet Fundgr. 2, 54 ; und
mit andern Vocalen ivalde : gevalle Dietmar von Eist 37, 10. holden : Apollen
Rol. 86, 24. volle : wolde Maria 156, 31. volgent : wollent Glaube 2017. 2680.
hulden : ervullen German. 4, 441 (Margarete). Wie nach solchen Analogien der
Reim friuntschaft : ivart 1884 unglaublich' sein soll, begreift man nicht, da
er in den Dichtungen des 12. Jahrhs. keineswegs selten ist*). Hätte der Her-
ausgeber, statt Reime aus Ottacker anzuführen, in denen ein r des einen Reim-
wortes unberücksichtigt bleibt, sich lieber etwas in der doch hier viel näher
liegenden Poesie des 12. Jahrb. umgesehen, so würde er gefunden haben, daß Wör-
ter auf schaff, reimen auf : hochvdrt Rol. 9, 20. : wart 1 1 5, 4. 239, 8 ; ferner scaft :
Richart 281, 9. : wart Kaiserchr. 7149. kraft : wart Rol. 292, 10. sedelhaft : wait
Kais. 5107. unberhaft : loart Genesis D. 57, 13. Was aber wirklich 'unglaublich'
ist, das ist, daß zwischen 1195 — 1215 ein Dichter einen solchen Reim gebraucht
haben soll; und dasselbe gilt von den andern vorher angeführten Reimen. Wir
müseen daher die älteste Gestalt des Laurin spätestens um 1170 setzen, die
*) Daß er mit der Änderung des zweiten Reimwortes zerbrach (statt zerbrochen
wart) 'nicht wesentlich besser' würde, ist allerdings richtig; vielmehr wäre dieser halt-
lose Einfall von M. eher eine Schlimmbesserung, da eine derartige Reimbindung gar
nicht vorkommt.
90 LITTEKATUK: MÜLLENHOFF, LAUEIN.
allerdings uns nicht erhalten ist; denn schon die relativ älteste der uns erhal-
teneu Fassungen trügt entschieden das Gepräge der Überarbeitung.
Bei der Herstellung des Textes ist von K im wesentlichen ausgegangen
und auf die Übereinstimmung mit P das entscheidende Gewicht gelegt worden.
Indeß auch ihre Übereinstimmung beweist nicht, daß wir darin die echte Les-
art haben, sondern diese muß, namentlich wo alte Assonanzen beseitigt wurden,
erst ermittelt werden, wozu mitunter die Jüngern lis. verhelfen. Ist nun die
Möglichkeit vorhanden , daß hie und da in jeder Hss. oder in einzelnen der
verschiedenen Familien und Gruppen das Echte sich erhalten haben kann
(S. XLI), so ergab sich daraus für den Herausgeber die Verpflichtung, den ge-
summten Apparat zu geben. Denn erst so ist die Geschichte der Überarbeitungen
auch dem Auge dargelegt, und das ist gerade hier die Aufgabe des hs. Appa-
rates, da schon die besten Hss. Überarbeitungen sind. Mindestens aber mussten
die Lesarten derjenigen Hss., die vorzugsweise zu Grunde gelegt sind, vollständig
mitgetheilt werden. Vor allen also von K. Wenn bemerkt wird, es sei die Les-
art von K. in V. 34 wer sie ansichtigt will werden deßhalb gar nicht angeführt,
weil keine Möglichkeit sei daß sie in A gestanden habe, so ist dieß kein aus-
reichender Gruud; denn diese Lesart ist für die ßeurtheilung von K, der re-
lativ besten Hs., von Bedeutung. Freilich musste der Apparat viel geschickter
eingerichtet sein, um übersichtlich zu werden und die Geschichte des Textes
darzustellen, als es bei M. der Fall ist. Das hätte er doch aus Lachmanns
Ausgaben lernen können. M's Angabe der Lesarten ist unklar und ungenau
zugleich. Zu V. 65 z. B. küenest aller manne werden die Lesarten folgender-
maßen angegeben: kün rP, und kune w, ain kunig v, gen allen K, und ist auch
von konst ein man f, und ist der klenest s ; während eine übersichtlich geordnete
Lesartensammlung schreiben würde kUn r P, und kune w, ain kunig v, und ist
der kienest s, U7id ist auch von konst f, gen K. allen mannen K*), ein man f.
V. 96 lautet hirsen ze Tirol für den walt'^ dazu die Lesarten preysent für zu
tyrollez K, piersen für Tirol an den v, pyrssen zu tyroif dem loalde f, für tirol
in den r, czu tyrolde vor dem walde P w, zu thirol gegen dem walde s. Dadurch
daß bald der ganze Vers, bald nur ein Verstheil angeführt ist, bleibt man zu-
7iächst im Unklaren, in welchen Hss. das erste Wort fehlt. Übersichtlich geordnet
würden die Lesarten so lauten: pyrssen i, piersen v, preysent K, fehlt Prsw.
ze] für zu K, für r v. tyroif f, tyrolde P w, tyrollez K. für den fehlt K, vor
dem Pw, an den v, in den r, gegen dem s, dem f. loalde Pfsw. Und solche Un-
klarheiten und Ungenauigkeiten stehen nicht vereinzelt; vgl. die Lesarten zu
130. 180. 454. 478. 532. 670. 1002 etc.
Erschwert die UnvoUständigkeit und Ungenauigkeit des Apparates die
kritische Nachprüfung, so reicht das, was gegeben ist, doch hin, um zu zeigen,
daß von einem Abschluß der kritischen Arbeit auch nicht entfernt die Rede
sein kann. Ich will dieß an einer Reihe von Beispielen darthun. V. 24 f. weisen
die Abweichungen der Handschriften nicht auf das von M. gesetzte deheinen
der an alle schände | lehe als der edele Dietrich , sondern auf deheinen der lebe
an alle schände \ sani der edele herre Dietrich. Schreibt man dehein (vgl. Anm.
zu 4), so fällt jeder metrische Anstoß hinweg , den die Anderer nahmen und
*) M. gibt an gen allen, aber nicht «lajuien ; geti allen manne hat K doch sicher-
lich nicht.
LITTERATÜK: MÜLLENHOFF, L AURIN. 97
der zu Änderungen führte: w setzte lebe an den Anfang der folgenden Zeile
und vertauschte deßwegen der edele herre nur mit her'y andere lassen deheinen
fort oder nehmen es in die vorausgehende Zeile, wieder andere streichen alle].
in V. '25 finden wir der edele oder herre. Daß endlich sam nur in einer Hs.
{zam w) sich erhalten hat, während die andern cds, also schreiben, ist bei Hss.,
von denen die älteste;i dem 14. Jahrh. angehören, nicht zu verwundern. Auch
163 ist das in Pr erhaltene sam für als der übrigen sicher das echte; ebenso
181 in P, 215 Pw, 372 Pf; 1138 und 1342 dagegen hat M. sam, das auch
nur einzelne Hss. für als haben, aufgenommen. — 51 gehen in Bezug auf das erste
Verbum die Hss. ganz auseinander; r hat merke, und dieser Lesart folgt M.,
da K 327 diese Fassung des Verses hat, wo alle andern abweichen; allein was
sollte der Grund gewesen sein, daß ein so geläufiges Verbum von K (hier) in
erfert, von P in gehört, von wz in iveiß , tvisse, von f in vernement verwandelt
worden wäre? Ohne Zweifel muß hier ein Verbum gestanden haben, das in
spätt'rer Zeit uuüblich war , und das wird vreischen gewesen sein. Denn dieses
Wort beseitigen in der That jüngere Handschriften, namentlich durch hoeren,
vernemen (vgl. Nibel. 51, 1. 516, 4. 850, 4. 1627, 2. 1716, 4); es sind demnach
beide Zeilen zu lesen unz er vreische loie manz k're : so hat er tugent und ere.
unde in der zweiten Zeile bei M. ist falsch, da vor folgendem Vocal unde nicht
Hebung und Senkung bilden kann, namentlich nicht wenn es zwei Subst. ver-
bindet; daher muß unz er als Auftact genommen werden. — Ib er statt her, was
doch sicher gegen alle Hss. geschrieben ist, und noch öfter im Lauriu, hätte doch
wenigstens einmal bemerkt werden sollen; die Lesarten und Anmerk. schweigen
darüber vollständig. — 104 horten hat M. hier und in den entsprechenden Stellen
(138, 290. 408. 1158) geschrieben, während doch grade das Mißverständniss
porte (Pforte) auf die Schreibung porten weist, die auch im Nib. und andern ösler-
reichischen Gedichten die übliche ist. — 121 ist die Lesart aus v aufgenommen
worden: als verre ich mich kau verstän , allein das Ursprüngliche war hier un-
zweifelhaft alse ich mich kan verstau^ da die Schreiber als sprachen, änderten
die meisten, ah ver v, mich [rechte] Pw, [des nu] mich f, mich [danne] sd. —
130 — 132. Die Herstellung dieser Verse bei M. scheint mir sehr gewagt; viel-
mehr lautete die ursprüngliche Fassung wohl
ich muoz im minner machen
siner hochverte ,
diu lit an dem garten.
oder noch näher anschließend ich muoz minner machen im der hochverte. Die
Form hochverte, die drei Hebungen trägt, und die Assonanz waren Anlaß, daß
eine Zeile angefügt wurde, um einen genauen Reim zu gewinnen. — 144. Die
Form iren mag in allen Hss. stehen, aber sie wird, wenn man das Österreich.
Gedieht des 12. Jahrhs. herzustellen unternimmt, in ir oder ire zu verändern
sein. — 150 ir, das Kv haben, ist nicht zu tilgen, vielmehr von den Schrei-
bern erst des überladenen Verses wegen getilgt worden; 1. ir iecltch shis leides
vergaz. Ebenso ist 263 zu schreiben iiver iecltch gehe mir ein phant, M. schreibt
ietweder ohne iiver. — 200 weichen in der Stellung der Substantiva die Hss.
ab; die im Texte gegebene Stellung wen stahel stein hat, so viel man sehen
kann, keine einzige Quelle; es wird daher nach fs (vd) zu lesen sein stahd
tsen stein ez sneit, wenn man nicht, was ich durchaus für zulässig halte, die
Lesart von KPz stahel stein isen ez sneit beibehält, stein fällt dabei in die
GERMANIA. Neue Eeihe. VIII. (XX.) J;ilirg. 7
98 LITTERATUR: MÜLTvENHOFF, LAURIN.
Senkung, ein ähnliclicr Fall, wie wenn so oft die sechs Farben in dinen Vers
gebracht werden; grade das aber konnte zu Änderungen veranlassen. — 202.
Ob die Aufnahme von ouch aus w, das allen Hss. sonst fehlt, das Richtige
trifft, möchte ich bezweifeln; es wii*d vielmehr geheissen haben cUs (auf gehilze
zu beziehen) knöpf gap Hellten sclün. Ebenso wie hier ouch, so ist 213 ein Zu-
satz dar zuo, was nur Kv haben. Der Vers hieß unde der karfunkel; statt wwrfe,
das erste Hebung und Senkung bildet, schrieb P und [ouch], {und [da bi], wz
da bey, v und [dar 2?/], K und [auch dar zii], s endlich, für unde der, dar by
der' Hecht. Nicht minder ist 215 liehte ein Zusatz, der Satz lautete diu naht
wart nie so tunkel, ez enWite sam der tac] zunächst fiel das beschränkende en
aus, wie in Jüngern Hss. gewöhnlich, und das veranlasste die Zusätze, f [?-ecÄ<]
cds, 8 [schon] cdso, rwz der [liecfite]. Die Übereinstimmung in der Ergänzung
dieses so nahe liegenden Beiwortes kann gar nichts beweisen; daß lichte in
KPfs fehlt, hätte den Herausgeber doch etwas stutzig machen sollen, sam, das
Pw haben, ist auch hier das echte; vgl. zu V. 24. — 226. Der Sing, mit
spere, den Kv haben, ist das ursprüngliche, und es begreift sich leicht, daß
der Plural dafür gesetzt wurde. Der Sing, ist auch das nachdrucksvollere: mit
speie nie, auch nicht mit öinem Speere. — 230 ist zu schreiben und nach eim
andern wilde strebete (K einem) ; wenn die Vorlage auch einem hatte, so erklärt
sich, daß in rv andern, in den übrigen Hss. außer K einem wegblieb. — 236
hat wohl r das echte bewahrt: got miieze unser phlegen, das schien zu kurz,
und daher schrieben Pv unsers heiles, Kw unser [beider], s unser [iemer], z unser
[Mute]. — 244 ist beiden, das nur K hat, wieder interpoliert; der Vers hieß
nur ich fürhte er trage uns haz; daher schrieben, weil man ihn leicht mit drei
Hebungen lesen konnte, K uns [beiden], P uns[er], wz [zu] uns, rs änderten er
in der enget, und nur s hat hier das Echte bewahrt. Ein analoger Fall in 246,
wo nach K geschrieben ist so hat ez guot reht dar an-, guot hat nur K, wofür
v auch, d schreibt zv:ar so hat, die übrigen aber nur so hat ez reht dar an.
Will man nicht betonen dar ein, was sich rechtfertigen ließe, indem dar demon-
strative Bedeutung hat, so ist wohl das virsprüngliche gewesen so hat ez rehte dar
an, indem hat im Sinne von hat getan zu nehmen ist. — 249 f. sind gewiß nicht
richtig hergestellt ; es ist zu lesen do gruozt die hochgebornen Laurin {iz zorne.
M. schreibt die fiirsten hochgehorne gruozt ez uz grozem zorne', aber dem wider-
spricht entschieden die Überlieferung, die mit Ausnahme von f das Verbum in
der ersten Zeile hat. Ob grozem echt ist (es fehlt in Kfr), bezweifle ich auch. — •
255 f. liest die Ausgabe den ich hän geheien vor manegem starken leien nach r,
während KPw(f) haben den ich hän behalten vor manegem twerge starken. Man
begreift nicht, wie, wenn jene Lesart die echte war, Hss., die verschiedene
Gruppen darstellen, übereinstimmend auf eine Änderung kamen, die eine so
auffallende Assonanz {behalten : starken) an Stelle eines genauen Reimes setzen,
an dem kein Anstoß zu nehmen war, denn geheien (st. part.) kommt auch sonst
vor, und nahm man wirklich Anstoß daran, dann lag doch sehr nahe die Än-
derung den ich pflac geheien. Ein Dichter aus der Zeit zwischen 1195 — 1215
würde nun und nimmer aus freien Stücken auf einen Reim wie behalten : starken
gekommen sein , wenn er ihn nicht in seiner Vorlage fand, und noch weniger
ein jüngerer Umarbeiter. Jener Reim hat seine vollkommene Analogie nur in
Denemarken : lante Anno 637, und weiter in lane : gewalt Anno 147, lamp :
wart Diemer 328, 8. geuilde : perge Ro\. 183, 17. Erstellt sich mithin zu den
LITTERATUR: MÜLLEN HOFF, LAU EIN. 99
früher besprochenen, die eine spätere Zeit als 1170 für das ursprüngliclie Ge-
dieht ausschließen. — 279 ich hän guotes also vil; guotes hat nur vv, die an-
dern Silber und goU, goldes und silbers, goldes. Warum hier w gefolgt ist, be-
greift man nicht, und ebensowenig, warum dann 282, wo w gutes hat, goldes
mit den andern Hss. geschrieben wird. — 286 ist kein Grund von der Les-
art aller Hss. abweichen; M. schreibt ir habt unedellich getän-^ die Quellen haben
so (K doch) habt ir; so wird das echte sein, das um der Deutlichkeit willen
von K mit doch vertauscht wurde. — 318. auch, das nur P hat, ist ofienbar
eingeschoben; der Vers hieß in eret diu werlt wol. — 328 ist nach r gegeben;
die übrigen Hss. aber weisen auf so hat ers fruni und ere (: hoei-e), also eine
Assonanz, was gewiß das ursprüngliche ist. Derartige Reime begegnen zu Dut-
zenden in der Poesie des 12. Jahrhunderts. — 830. er, das in rw fehlt, ist zu
streichen; es steht wie gewöhnlich der adhortat. Conjuuctiv ohne Pronomen,
darauf weisen auch vs, welche ich setzen. — 419. Der Reim stozen : vazzen,
den f bietet, ist sehr unwahrscheinlich; allerdings begegnet ein analoger im
Leich von der Samariterin {smalennzzer : ivazser), aber das ist ganz ausnahms-
weise und außerdem liegt hier das Tongewicht fast ganz noch auf der letzten
Silbe. K. hat ayschen; an haschen darf man freilich nicht denken, da das Wort
nicht so alt ist. Sollte vielleicht daz getwerc wolde er reizen das ursprüngliche
sein? Der Reim wäre wie wazzer : geheizen Diemer 31, 3. 136, 27, wozu sich
die häufigen Reime -äze : -eize stellen. An letzen, wie M. in der Anm. vermuthet,
darf nicht gedacht werden; das würde nicht nur den Reim nicht wesentlich
verbessern, wie M. meint, sondern geradezu zerstören, da 22:^2 hochdeutsch
nicht reimen kann. — 435. Die Lesart von Kfsd sold al diu iverlt an dir
stän, von dir abhängen, dir unterthänig sein , ist die echte ; dir gestän, wie M.
schreibt, würde, wenn es die echte Lesart war, nicht so zahlreiche und mannig-
faltige Änderungen nach sich gezogen haben, sondern einfach in dir hestän
(bi stän) geändert worden sein. — 440. an keines fürsten stat gestän-^ die
Übereinstimmung zwischen Pw und K weist vielmehr auf die Lesart keines
(oder deheines) fürsten stat verstän. — 460. an mir, das nur r hat, ist sicher-
lich interpoliert; das echte war nu richä dm herzcleit; dafür schrieb r rieh an
mir, die andern rieh, P fügt außerdem groz ein. — 469 weisen die Abweichungen
der Hss. auf er sluoc im üf sins schiltes rant; M. schreibt er sluoc üf sines.
Vgl. 1328. — 493 f. daz deme getriuwen man daz bluot durch die brünne ran.
Die Stelle kann nicht von 1371 f. getrennt werden, wo M. schreibt daz deme
jungen man daz bluot durch die ringe ran. Zunächst begreift man nicht, warum
das zweite Mal ringe gesetzt ist, da doch w auch hier braune hat, und dieser
Hs. bei 494 gefolgt ist. Die Bildung des ersten Verses, an beiden Stellen auf-
fällig und ohne Analogie, führt vielmehr auf daz dem getriuwen (oder jungeii)
manne daz bluot ran durch die brünne. Der Reim ist wie manne : wunne Rother
322. Fundgr. 2,35. : SMwwe Rother 3441. 4100. danne : chunneYnndgx. 2,^1.
dannen : sunnen Diemer 344, 21. gewunne : manne 353, 7. mannen : entrunnen
Rother 2845, und hat im Laurin selbst seine Analogie in brünege : menege
(oben S. 95). — 514. aber, das in Krw fehlt, ist zu streichen. Der Vers hieß
rief smen herren an\ daher setzen Krvw ruofte , um den Vers zu verlängern,
was die andern durch aber bewirken. Der gleiche Fall 574, wo zu schreiben
rief Dietleiben an, wo Krvw i-ief herrn, die andern rief do setzen. 630 hat w
das richtige bewahrt rief Hildebranden an, M. schreibt ruofte mit K, was
7*
100 LITTEKATUR: Mri.I.ENTTOFF, EATRIN.
wiederum metiische Correctur ist, wie der rief in h, rief hern in Pz, ruoffe
den in r, und ruofte sinen meister an in v. — 522. und, daz Kvwzd haben,
ist gestrichen; warum? Auch 859 fehlt und in P, 940 in Pvmws, und doch
ist es au diesen beiden Stellen beibehalten. — 542. statt sin ist wohl es das
ursprüngliche, das jüngere Hss. mit sin vertauschen. Hier haben es oder ez
Pwhzs. Auch 1262 ist es das ursprüngliche, gar an unserer Stelle ist inter-
poliertes Wort, das Kv haben, dafür r all, zere wzs, in den übrigen fehlt es. —
550 ist statt üf die erde vielmehr ?iider iif d'erde das ursprüngliche. Vgl. 571.
664. — 640 ist denne zu streichen, das die Jüngern Hss. bei beschränkendem
Satze gern hinzufügen. Mit Recht hat es M. 453 gestrichen, aber so i.st es
auch 128 und 1312 noch zu tilgen. — 659 weichen in dem adj. die Hss.
auffallend ab; ich glaube daß keine Hs. das echte bewahrt hat, sondern daß
der Vers hieß sehe.f wd die zwene man, zunächst fiel wä aus, und das hatte die
Ergänzungen zur Folge. — 673 beider, das Kr(v) haben, ist beizubehaltt-n ;
was wäre für ein Grund gewesen es hinzuzufügen? Aber die Weglassung ver-
anlasste der zweisilbige Auftact. — 676 ist unnöthig geändert; diese und die
folgende Zeile müssen heißen si träten in d'erde unz über die sporn : ire siege
wären groz; die Überladung der ersten Hebung ist so wenig auffallend, wie
der Gebrauch von ire; vgl. 712, wo natürlich auch ire zu schreiben ist. —
724, so wil ich dich zeim svjcujer hän war die echte Lesart; zu einem haben KPv,
zom w, ze die übrigen, denen M. folgt; aber es ist bekannt, daß die jungen
Hss. in dieser Verbindung eia gern weglassen, oder, wie hier w, mit bestimmtem
Artikel vertauschen. — 738. Auch hier mnß von der Lesart von K ausgegangen
werden. K. hat da ich daz hauff vant. Wäre die von M. gesetzte Lesart da
ich die reinen Huschen vant (= Pfd) die echte, so begriffe man nicht die Les-
art von K wie die andern Änderungen. Wahrscheinlich hieß es da ich die hove-
lichen vant, oder da ichs da ze hüse vant. Das war in der Vorlage von K und
in den übrigen geworden da ich daz hus vant und erklärt die Änderungen, in
Pfd, die schone reyne w, dy fraun r, dy auserwelt v. — 758. warum enweder
statt weder geschrieben? — 794 hieß ursprünglich und wil im mit triwen ge-
stdn; für gestün setzten die Änderer nach jüngerer Weise ht stän, bi bestän.
Auch 1518 ist zu schreiben die weint den twergen gestän, wo die Hss. bi ge-
stän, bi stän, bi bestän haben. Nur 1409 hat auch M. das Richtige getroffen. —
868 hieß ursprünglich ddr friste unser leben; dieß schien zu kurz, daher r der
mac wol fristen, wie auch M. schreibt, der behiet s, der frist uns m, der frist
uns wol v, der friste wol P, der friste tws auch daz leben Kw. — 872 ist aber,
das Kw haben, sicher nicht das ursprüngliche, sondern wohl joch , das nicht
verstanden wurde; daher die Änderungen aber Kw, groz P, da uch mr, dar
umb V. — 876 hat P mit sus wil betriegen gewiß das echte bewahrt; dafür
schrieb z also wil, r uns al schol also, alle wil die übrigen, denen M. folgt. —
884. Die Abweichungen der Hss. erklären sich leichter, wenn man ursprüng-
lich rührenden Reim (staete län : an dm triuwe län) annimmt. — 887 ist zu
schreiben so wil ich iu mit triwen gestän; M. schreibt ohne Hs. ich wil iu mit
triuwen bi gestän. Vgl. zu 794. — 890. holn hat r nicht, und wenn man als
ursprüngliche Lesart annimmt gegen einem (oder eime, worauf deme in f d weist)
berg, so erklärt sich die Einschiebung des nahe liegenden holen, wenn aus gegen
wurde gein, gen, sehr leicht. — 892. alle, das Pmf haben, ist gewiß echt; der
Vera hat zweisilbigen Auflact, der durch Weglassung von alle beseitigt werden
IJTTERATUR: MÜLLENHOFF, LAURIN. 101
sollte. — 909 weisen die Lesarten nur auf swaz vögele man haben sol; dieß
schien, wenn vogel gesprochen wurde, zu kurz, daher die verschiedenen Ände-
rungen für man : stimme man Prz, stimme m, gesanc man vs, dy werlit w, man
auch f; K schreibt mit Umstellung und Einschiebung: man folgez gesangs. —
954 lautete ursprünglich dar nach treten an einen tanz (vgl. zu 330); die Ein-
schiebung von ivir beim adhortat. Conjunctiv veranlasste die Auswerfung von an,
wie die Andei'ungen in den und ein. — 967 zugen ist sicherlich nicht das ur-
sprüngliche, sondern zogtens. zogen hat M., allerdings verkehrt, an einer andern
Stolle (1758) eingeführt. — 969 f. lauteten: do vuorte I Murin daz getwerc\
si mit im in den berc; M. folgt K, wo 970 lautet mit im die fürsten in den
berc:, die andern nehmen si in die vorige Zeile und schreiben daher hier den
holn berc. — 977. gesin ist durchaus nicht mit v in mn zu verändern ; ebenso-
wenig 1016. — 984. Im Hinblick auf 942 ist sieher zu schreiben ja betrüge
uns nie der kleine., oder vielmehr an beiden Stellen nimer für nie. — 990 muß
lauten ich briche an in mmr triuwe niht:, an in lässt f weg und diese Lesart
nimmt M. auf, m schreibt mein für miner, die übrigen lassen miner triuwe weg. — ■
991 gegen den ist doch wohl das richtige, wie dfs haben, dafür K gegen die,
V gegen, die andei-n für die. — 992. statt der verschiedenen substant. {ritter,
getwerg, fursten) stand vielleicht ursprünglich kurzen, subst. gebraucht, als Zwerg .
— 1003. Laurm phlac schöne der herschaft; statt schöne der hat r der, grosser
VW, der Vers lautete nur Laurin phlac herschaft. — 1051. an ist ebenso Zu-
satz wie beide; es hieß si huoben so sUezez sanc. — 1063. Die ursprüngliche
Lesart war daz stuont in harte schöne, harte, das auch sonst Anlaß zu Ände-
rungen war, vertauschten r mit allez, Ks mit gar wol, Pd mit uzzer mazzen,
tiz der mazzen, m mit alles gar wol an. — 1085. Die Änderung ist unnöthig;
überladene erste Hebung kommt auch sonst im L. vor; vgl. 1295. 1389. 1710.
1779. 1873. 1878. — 1089 den ist mit Pw zu streichen. — 1112 wan, das
KP übereinstimmend haben, ist nicht zu tilgen; es ist umzustellen tvan si an
got geloubent niht; die jungem Hss. setzen gern die prosaische Wortfolge. Um-
stellung ist auch V. 1122. 1187. 1398 und öfter vorgenommen. Die schöne Indi-
cativform gelouben hat bei M. ihre Parallele in getrüwen V. 1348! — 1119.
Gewiß ja nime ich dich; vgl. K und zu 726. — 1136 lautete sin tisch helfen-
beinen; von helfenbeine, wie Pm haben und M. schreibt, ist Reimglättung. — 1167 f.
sind die Reime, mit Rücksicht auf die beiden folgenden Zeilen und auf 1131.
134Ö in her: mer zu verändern. — 1174. Die Ausdrucksweise daz du keime
tuest an sin leben sieht nicht alt und echt aus ; ich halte tuost für entstellt aus
tarst, und der Vers hieß daz du ir keime tarst an dem leben, daraus machte P
die Lesart M's., v tuest an, w keinen tuest von, K in tuest kein schaden an, m
in nit wcrd an, f yn nit schadest an irme. — 1186 ist zu schreiben vile lieber
swäger min, wie mPz haben (nur natürlich vil). Daher schrieben rv herzen-
lieber, K herzenswager, trawter swager w, M. schreibt nach letzterer Quelle vil
lieber trütswdger min. Wahrscheinlich ist herzen auch 1251. 1276 hinzugefügt. —
1191. die neue Lesart (1874) swaz in geschiht, geschehe auch mir scheint mir
eine Verschlechterung des früheren sioaz in, daz geschehe ouch mir, denn jene
Lesart würde nicht in allen Hss. entstellt überliefert sein; bei der zweiten ist
es natürlich. — 1205 ouch (aus v aufgenommen) ist unecht; K schiebt auch
den ein, aber die Fassung der andern Hss. beide mete unde win enthält das
echte. So ist 1213 sament (rm) eingeschoben, wie gar in f, um die Senkung
102 LITTERATUR: MÜLLENHOFF, LAUKIN.
zu füllen; Pw si wacren alle i:erlorn bot das Richtige. Ebenso ist 1243 zu
schreiben frou KUneldlt gienc zehant, rd scliieben nach gienc ein da, w do, K
al, die andern haben das echte; M. schreibt sä zehant. — 1244 hieß es da
si ire hruoder vani; P schiebt Dietleihen ein, als Glosse oder aus metrischen
Gründen; M. nimmt es auf und streicht gegen alle Hss. im hruoder. — 1258
muß interpungiert und geschrieben werden gehabent — mm? Gegen die indirecte
Frage spricht die Wortstellung, zum Coiij. ist gar kein Anlaß; aber bei M.
ist gehaben wahrscheinlich ebenso Indic. wie an den zu 1112 bemerkten Stellen!
— 1298 muß geschrieben werden da wäpent in diu künegtn] in ist nicht pron.,
sondern adverb. — 1340. sarringen ist an sich nicht schlecht conjicicrt;
aber hier ist wohl ringen allein das echte; der Vers hieß vone riehen ringen,
imd da von geschrieben wurde, ergänzte man ringen zu loappenringen, herzen-
ringen, herten ringen, stalringen. — 1381 die sluogen hinden üf den man, früher
schrieb M. die sluogen üf den einen man; aber einen wie hinden, ferner swinde,
alle, jungen sind Interpolationen, der Vers lautete, ganz richtig gebildet, nur
die sluogen Hf den man, und diese richtige Lesart hat auch K bewahrt. —
1401 hieß wol werte sich der degen; v schrieb vast wol, r das, d da, außerdem
wurde junge, kling, junge man zur Verlängerung eingeschoben. — 1425 ist daz
zu streichen mit Kvs; vgl. 1283. 1485. 1563. — 1462. warum Iceinen mit P,
während die Überlieferung auf te'nez, ganz richtig an{ getiverc bezogen, weist? —
1463 ist zu schreiben alse wir ez hoeren sagen; M. schreibt mit m als wir ez
hoeren von in sagen ; von in hat auch K, aber an anderer Stelle, was für Inter-
polation spricht. Vgl. noch 1597. — 1482. statt erschrac K (= M.), wofür die
andern floch haben, wird wohl erquam das echte gewesen sein. — 1537. an
str'tten ist doch wohl nur Koimglättung (wegen zUen) für an strUe. — 1542.
auch hier ist wir zu streichen und dringen zu schreiben. — 1593 1. die risen
tcaeren gerne dan, der in der altern Sprache übliche Gebrauch des präter. für
das plusquampf. veranlasste die Hinzufügung von gewesen, das übrigens rf mit
Recht nicht haben, — Von 1601 steht allein K zur Verfügung; auch hier ist
manches anders zu stellen als in der Ausgabe geschieht, 1609 f. hießen sicher-
lich ich htm llp und mm leben üf dme genüde ergeben; die Hinzufügung von
mmen in der ersten Ztile hat die ungeschickte Placierung von hdn im zweiten
Verse nach sich gezogen. — 1616 gewiß bezU statt bi der zU\ in der folgenden
Zeile ist die Ergänzung tiverge unnöthig; vgl. zu 992. — 1623. die Umstellung
ist unnöthig, wenn man triive schreibt. — 1625 ist ohne Grund von der Hs.
abgewichen: I. do daz erhört diu schoene meit. — 1630 liest man besser wer
für gewer. Richtig ist so geschrieben 1651. 1708. 1876; aber auch 1659 wird
zu lesen sein unde loert. Ebenso steht gehoeret 1621 sicherlich für das ursprüng-
liche hoeret, wodurch du in die Hebung kommt, gern statt begern ist mit Recht
1652. 1662. 1700 gesetzt. — 1634 1. imde daz gesinde sin; die Hs. hat für
gesinde — getwerg f/esinde, vielleicht nur ein Schreibfehler, M. schreibt, sehr
unwahrscheinlich, tioercgesinde. — 1645 f. lies läz niht ungewert mich imd tuo noch
swes ich bite dich, die Hs. vertauscht in der ersten Zeile niht und mich, und
schreibt in der zweiten ich dich bite, also die prosaische Wortstellung. M. schreibt
lä mich niht ungewert hie mite und tuo noch swes ich dich bite. — 1650 des
zu ergänzen ist ganz überflüssig. — 1708. besser 2md tvert mich aller miner
bete; vgl. macht in der folgenden Zeile. — 1712. so ist beizubehalten, und mit
da von der vorigen Zeile zu verbinden: 'deßhalb also. — 1716. Statt jtinc-
LITTEKATUR : MCLLENHOFF. LAURIN. 103
vrouwe zu ergünzeii , ergänze man nach 1652. 1(502 hat und schreibe swes ir
an mir hat gegert (Hs. weyert, wie an jenen beiden Stellen auch). Ubi-igens fehlt
auch 1652 h.ät in der Hs. — 1733. zam ist ganz unnöthig in gezam geändert;
im Gegentheil setzen die Jüngern Hss. gezemen statt zemen, geivem statt wern,
begern statt gerrij wo also zam überliefert ist, ist es sicherlich echt. — 1734.
der Vers wird auch durch sä nicht gut; 1. do gie si hin -id zehant. — 1739.
daz enmac ist unnöthig in des enmac geändert; auch 1752 ist so sire beizu-
behalten. — 1759. Ursprünglich gewiß jungistez statt lezzistez. — 1758 — 59.
Der Reim zogen : sagen ist ganz unglaublich und hat keine Analogien im Laurill,
denn Reime wie garten '. horten unterscheiden sich dadurch wesentlich von diesem,
daß sie den verschiedenen Vocal auf der vorletzten Hebung haben, stehen also
gleich mit menege : brünege, nur daß die Vocale sich näher berühren. Im
stumpfen Reime begegnet a : o nur ganz spärlich und nur vor r (denn von
Jüngern Belegen, wie sie I, S. XLIX angeführt sind, ist hier ganz abzusehen).
Ein Reim aber wie varen : sagen , den K hier bietet, hat in Dichtungen des
12. Jahrhs. so massenhafte Analogien, daß eine gänzliche Unkenntniss des
Reimgebräuches jener Zeit dazu gehört, wenn man behauptet, hier musste der
Reim zogen : sagen hergestellt werden (S. XLVIU). Auffällig erscheint auch
der in der Hs. überlieferte Reim tote : tele 1859 f., aber für diesen fehlt es
doch nicht an Analogien im 12. Jahrb.; vgl. beten : geböte Kaiserchr. 47 : ap-
goten 993. stete : apgote 7973. treten : geboten 12393. gebete : gote Fundgruben
2, 65. Diemer 24, 16; auch gebiete: bete Fundgr. 2, 38. Beachten wird man
auch hier, daß es nur sehr alte Dichtungen sind, die entsprechende Reime
zeigen. — 1762 f. sind in der Hs. überliefert Hilprant der weisz man rufft
herrn Dietreich umb den kleinen man. M. schreibt Hildebrant der sprach sän |
herre, umb den kleinen man | ir sult tiion als ein wise man, ganz willkürlich,
und unwahrscheinlich schon deßhalb, weil, wenn die zweite Zeile schon zur
Rede gehörte, in der dritten Inversion stehen würde. Es ist zu lesen Hildebrant
der weiz sän hern Dietrich um den kleinen man. iveiz ist prät. von wizen, strafen,
tadeln, vorwerfen; das verstand der Schreiber von K so wenig als der gelehrte
Herausgeber des 19. Jahrhs. ; da er glaubte, das Verbum fehle, schob er rufft
ein. — 1768 ist zu sehreiben des diu frouwe Künhilt hat gebeten; yi. daz diu,
frou. — 1788 wird gespotes und 1791 spates ganz grundlos gegen die mhd.
übliche Schreibung und Verwendung im klingenden Reim {späten als stumpfer
Reim gehört ganz zu den Ausnahmen) mit einem t geschrieben. — 1856 ist
das ursprüngliche wohl über allez daz laut, — 1883 — 86 sind überliefert:
do swuoren si die friuntschaft
diu Sit niemer mer zebrochen wart.
M. macht daraus vier Zeilen:
do swuoren si die friuntschaft,
diu Sit hete gröze kraft
und niemer mer zebrochen wart
U71Z an ir beider hinvart.
Das cursiv gedruckte sind Ergänzungen, das in Z. 2 aus Walberan 1166 entnommen.
Aber wenn der Walberan so manche Verse des Laurin entlehnt oder nachahmt ,
folgt daraus, daß die Entlehnung sich auf zwei Zeilen erstrecken muß? Er
ahmte 1883 nach, 1884 veränderte er eben um des Reimes willen. Daß aber
der Reim friuntschaft : wart ein ganz unanstößiger ist, wurde bereits oben
104 LITTERATUR: SIEVERS, PARADIGMEN ZUR DEUTSCHEN GRAMMATIK.
(S. 95) bemerkt. Dns Vcrfulnen M.'s hier ist d;isselbe, das wir die alten Um-
arbeiten so oft beobnchten sehen, daß sie aus einem assonierenden Reimpaare
durch Einflicken zweier Zeilen vier Reimverse machen. Aber so durfte nicht
verfahzvn , wer nicht Überarbeitung des Überlieferten geben , sondern aus der
Überlifferung das üriirüngliche herausschälen wollte.
Schon wegen der großen Unsicherheit der Herstellung in vielen einzelnen
Fällen scheint es sehr mißlich, von diesem Gedichte einen bloßen Textabdruck
zu veranstalten, da man sich doch überall genöthigt sehen wird, das 'herge-
stellte mit der Überlieferung zu vergleichen. Somit halte ich diesen Abdruck
für etwas ganz überflüssiges. Was aber jemand unternehmen sollte, das wäre
eine mit dem vollständigen Apparate versehene kritische Ausgabe des Laurin,
die die Geschichte der Überlieferung klar und anschaulich darlegte, und, so
weit es mit einiger Sicherheit geschehen kann, das älteste Gedicht herstellte.
Daß beiden Forderungen die Ausgabe von MüllenhofF durchaus nicht genügt,
denke ich durch diese Kritik erwiesen zu haben.
HEIDELBERG, 23. Januar 1875. KARL BARTSCH.
Paradigmen zur deutschen Grammatik zum Gebrauche bei Vorlesungen zu-
sammengestellt von Eduard Sievers. Halle (Waisenhausbuchhandlung) 1874.
Diese Paradigmen unterscheiden sich von den früher erschienenen derartigen
Hülfs mittein zunächst durch' den Umfang, indem sie nicht bloß gotisch und
hochdeutsch, sondern auch altsächsisch, angelsächsisch und altnordisch begreifen.
Sodann ist der Verf., so weit man dieß von einer derartigen Arbeit irgend
verlangen kann, auf die ursprünglichen Quellen zurückgegangen. Er hat die
größte Mühe und Sorgfalt aufgewendet, um überall das wirklich überlieferte
festzustellen, so daß in dieser Beziehung den Paradigmen der Vorzug vor allen
bisherigen Grammatiken gebührt. Es ist streng unterschieden zwischen belegten
und bloß erschlossenen Formen, welche letzteren in Klammer gesetzt sind. Außer-
ordentliche Vortheile gewährt ferner die vom Verf. gewählte Tabellenform, bei deren
Einrichtung sich das praktische Geschick desselben in glänzender Weise be-
thätigt. Die dadurch erzielte Übersichtlichkeit erleichtert sowohl das Auffinden
als das Lernen der Formen ungemein. Endlich hat S. den Versuch gemacht,
alle nicht aus den ursprünglichen auf rein lautlichem Wege entwickelten Formen
durch Cursivdruck auszuzeichnen. Dieß Verfahren ist um so mehr zu billigen,
je weniger bis jetzt allgemein anerkannt ist, welche Bedeutung die Neubildungen
nach Analogie vorhandener Formen für die Geschichte der Flexion haben, was
vi'ieder damit zusammenhängt, daß man es • mit den Laut-, insbesondere den
Auslautgesetzen nicht sehr scharf genommen hat. Freilich ist dieß ein schwie-
riges Gebiet, auf dem die Ansichten leicht auseinandergehen können. Im all-
gemeinen, glaube ich, hat S. eher zu wenig als zu viel Analogiebildungen an-
genommen. Die hervorgehobenen Eigenthümlichkeiten dieser Paradigmen werden
ihnen gewiß die allgemeinste Anerkennung sichern und eine recht ausgedehnte
Anwendung besonders für Vorlesungen. Allerdings ist der Preis für diesen
Zweck etwas hoch. Es dürfte doch zu bedenken sein, ob es sich nicht für
eine zweite Auflage empfehlen würde, neben der größeren vollständigen eine
kleinere, nur gotisch und hochdeutsch umfassende Ausgabe zu veranstalten.
LITTERATUR: SIEVERS, PARADIGMEN ZUR DEUTSCHEN GRAMMATIK. 105
Etwas hätte vielleicht auch gespart werden können, wenn die allerdings sehr
ansprechende Ausstattung etwas weniger luxuriös ausgefallen wäre. Ein kleineres
Format würde auch, besonders für die Benutzung bei Vorlesungen bequemer
sein. Statt der Einlegung der losen Tabellen in eine Mappe wäre wohl Einband
mit Zusammenfaltung zu empfehlen.
Ich knüpfe einige Bemerkungen an über einzelne Punkte. Zu Bl. 1 (Sub-
stantiva, gotisch): Der acc. sing, giba hätte durch Cursivdruck ausgezeichnet
werden sollen, da dieß die Nominativform ist. Die eigentliche Accusativform
■würde giho sein gleich dem gen. pl., da beiden Casus dieselbe Grundform gehäm
zu Grunde liegt. Der Unterschied zwischen nom. und acc. ist erhalten im ags.
{gifu — g'ifs) und im ahd. und alts. pron. und adj. ( — iu, — a). Im altn. ist
die Form des nom. in den acc. getreten wie im got., im ahd. und alts. subst.
umgekehrt die des acc. in den nom. Der Unterschied ist auch im got. noch
erhalten bei den j(J-Stämmen mit langer Wurzelsilbe (bandi — bandja). Daß
die Zusammenziehung nur im nom. eingetreten ist, beweist die ursprüngliche
Verschiedenheit beider Formen. Die Verkürzung des et oder 6 im acc. kann
hier allerdings nicht aus Analogie des nom. erklärt werden. Aber daraus folgt
nicht, daß überhaupt die Erklärung des kurzen a aus Analogie des nom. falsch
ist und daß bloß lautliche Verkürzung eingetreten ist gegen die sonst allgemein
geltende Eegel, daß ä unverkürzt bleibt, wenn es ursprünglich durch einen
Nasal gestützt war. Bei den wenigen hierher gehörigen Wörtern wird der acc.
der Analogie der übrigen (J-Stämme gefolgt sein, während eine Anlehnung an
den nom durch die zu starke Abweichung verhindert wurde. Ebenso wie der
acc. sing, ist auch der acc. pl. gibos als Nominativform aufzufassen. Die des
acc. würde yilovs lauten müssen. Ein Verklingen des Nasals vor s findet sonst
nicht statt, wie dagavs, avstivs, handmis beweisen. Man darf sich nicht auf
das Sanskrit berufen, wo das fem. acvds, das niasc. agvdn lautet. Diese ver-
schiedene Behandlung von m. und fem. ist eine specififcch indische Eigenthüm-
lichkeit, die keine andere Sprache kennt. Sie lässt sich kaum auch nur als
Analogie herbeiziehen, da sie sich im sanskrit nicht auf die a-Stiimme be-
schränkt, sondern sich auf die ?'- und w-Stämme und die Verwandtschaftsbe-
zeichnungen auf far erstreckt. Wir haben hier vielmehr eine Ausgleichung
zwischen nom. und acc, wie sie das sanskrit bei eonsonantischen Stämmen (as*)
für beide Casus), das lateinische in der dritten, vierten und fünften Declination,
das griechische z. B. in nöXfig, ßaaiXiTs zeigt. Genauer lässt sich das slaviscbe
vergleichen , welches die Ausgleichung gerade auch bei den femininalen ^-Stäm-
men **) hat eintreten lassen , nur daß hier nicht der acc. durch den nom.,
sondern der nom. durch den acc. verdrängt ist ir(iky, dub^). Die Ausgleichung
hat ferner stattgefunden bei allen eonsonantischen Stämmen, wahrscheinlich
wenigstens erst auf germanischem Boden , so daß dann auch von diesen die
Accusative cursiv zu drucken gewesen wären. Weiterhin hat dann allgemein
im südgermanischen im Gegensatz zum altnordischen die Form des nom. pl.
die des acc. verdrängt, welcher Vorgang dadurch begünstigt wurde, daß im
*) Als gemeinindogermanisch dürfen wir die Ausgleichung wohl nicht ansetzen,
da das griecliische dagegen spricht. Auch im slavischen und litauischen ist der Unter-
schied aufrecht erlialten, wenn auch nicht mehr in den alten Formen, die zum Theil
durch Aialogiebildungen nach vocalischer Declination verdrängt sind.
**) Allerdings auch bei den femininalen t-Stämmen (kosti).
lOG LITTERATUR: SIEVERS, PARADIGMEN ZUR DEUTSCHEN GRAMMATIK.
sing, beide Casus rein lautlich durch Abfall des * zusammeDfielen. — Cursiv
wiire noch zu setzen gewesen der voc. der Stämme auf an und ar als Norai-
nativform. Die eigentlichen Vocativformen haiian, svestar hätten nach Eintritt
der Auslautgesetze han, svestr ergeben. — Der nom. des substantivierten part.
nasjands ist cursiv gesetzt, weil nach der Einleitung die Übereinslimmung des
skr. bharan, gr. fftQcoi', ksl. hery beweist, daß schon in uralter Zeit das als
Endung vorauszusetzende -ts geschwunden war. Aber lat. ferens, auch altbaktr.
barüg hat doch noch das s. Ein früher Ausfall des t ist allerdings durch die
Ubereinslimmung aller Si^rachfamilien wahrscheinlich. Wir brauchen daher nur
anzunehmen, daß d in den nom. und voc. aus den übrigen Casus wieder ein-
gedrungen ist, keine Formenübertragung aus der a-Declination. Die Cursivsetzung
der nom. mcnojis, nahts und baurgs kann ich nicht gerechtfertigt finden. Wie
sollten die Formen nach eonsouautischer Declination anders lauten? Ein all-
gemeiner Abfall des s nach vorausgehendem Consonanten ist doch nicht er-
weislich. — Von dem dat. sing, der masculiuen und neutralen a-Declination
ist jetzt von W. Braune (Beiträge z. Gesch. der deutschen Sprache II, 161)
überzeugend nachgewiesen, daß er als instrum. zu fassen sei {daga = ahd. tagu).
Auf Bl. 2. 3 (subst. altn.) sind die Analogiebildungen in der schwachen
Declination unbezeichnet geblieben. Die rein lautlichen Veränderungen beruhen
hier hauptsächlich auf zwei Auslautgesetzen des altn. : s (?•) nach n fällt ab ;
darauf verklingt auslautendes n, gleichviel ob es ursprünglich im Auslaute stand,
oder ob ein s vorher abgefallen ist (vgl. Scherer, Zur Gesch. S. 416). Die
Formen, welche diesen Regeln zu widersprechen scheinen, sind nach Analogie
der vocalischen Declination gebildet. Der nom. pl. müsste gleich dem acc. hana,
vilja lauten; das r ist nach Analogie von ülfar angetreten. Ebenso ist der gen.
hana statt des zu erwartenden hanna (cf. gumna) nach Analogie von i'dfa ge-
bildet. Die Wirkung der Analogie begreift sich leicht, da dat. und acc. bereits
lautlich mit den Formen der a-Declination zusammengefallen waren. Sicher in
etwas anderer Weise nach der a-Declination gebildet sind nom. gumnar und
acc. gumna (gum{n)ar und ebenso kljär sind wohl Druckfehler) , indem hier
derselbe Weg eingeschlagen ist, der im got. schon beim dat. {abnam) betreten
war. Nom. acc. des neutr. hiörtu kann nicht aus h'ertoria entstanden sein, welches
hiörtun hätte geben müssen, sondern ist nach Analogie des vorauszusetzenden
ordu, löndu gebildet; der Abfall des u ist dann verhindert durch Einwirkung
des im ganzen sing, auslautenden Vocals. Im nom. acc des fem. tungur etc.
ist das r an die wahrscheinlich zunächst entstandene Form tungu nach Analogie
vcn gjafar getreten. Man vergleiche hiermit den unzweifelhaft späteren Antritt
des r in nom. pl. blindir = blindai und in ]>eir, tveir. Der dat. tungum ist
wahrscheinlich an den des masc. und neutr. angeglichen , ebenso wie in der
a-DecIination gjöfum an ülfum und ordum. Wenigstens sollte mau nach ahd.
gebom, zungojn und nach gjafar, gjafa = got. gibus, gibö erwarten gjafam,
tungam. Allerdings finden wir auch im ags. -um und im alts. -un im fem., aber
wohl gleichfalls in Folge einer Angleichung an masc. und neutr. entstanden.
Dieselbe Ausgleichung hat im gen. stattgefunden tungna, bylgna nach gumna,
hjartna und gydja nach hana, zugleich wohl nach gjafa. Denn das o hätte
nicht ausfallen können. Im ahd. bildet sich umgekehrt gen. und dat. der
schwachen masc. und neutr. nach dem der fem. — Noch bemerke ich, daß
sott nicht der echte nom. der femininen i-Stämme ist. Die Form desselben
LITTERATUR: SIEVERS, PARADIGMEN ZUR DEUTSCHE N GRAMMATIK. 107
haben wir in heidr. Dagegen ist sott dem acc. angeglichen mit Anlehnung an
die a-Declination {gjöf), wo umgekehrt der acc. dem nom. angeglichen war.
Überhaupt sind die Unterschiede in der Declination der fem. im sing., von ein-
zelnen Wörtern abgesehen, ganz verwischt. Im acc. pl. söttir ist die Form des
nom. eingetreten, wie in der a-Declination schon im gemeingermanischen {gibös).
Auf Bl. 4 (subst. ags.) weichen die Paradigmen der fem. von den bis-
herigen Aufstellungen ab, indem die a-Stilmme mit langer Wurzelsilbe nicht,
wie es früher geschah, mit den i-Stämmcn zusammengeworfen werden. Näher
begründet hat S. sein Verfahren in den Beitr. z. Gresch. d. deutschen Spr. I, 486 fF.
Danach muß man zugeben, daß die Scheidung für die älteste Zeit berechtigt
ist. Aber die Vermischung beginnt doch, wenn auch der Unterschied sehr über-
wiegend aufrecht erhalten wird, theilweise schon ziemlich früh, wie auch S. ein-
räumen muß, selbst nachdem er einige Beispiele derselben auf etwas gezwungene
Weise wegzuschaffen versucht hat. Daher kann ich die völlige Ausschließung
der acc. auf e in der z-Declination und der ohne e in der a-Decliuation vom
Paradigma nicht billigen, zumal da auch die jüngere Entwickelung Berücksichti-
gung beanspruchen darf, so gut wie im ahd. , wo die Flexionsendungen bis zu
ihrer letzten Abschwächung aufgenommen worden sind. Durch die Anwendung
von Klammer und Cursivdruck konnte ja das Verhältniss der Jüngern zu den
altern Formen gekennzeichnet werden. — Der dat. sing, gife stimmt lautge-
setzlich nicht zu ahd. gebu, altn. giöf. Wir haben darin wohl die Genitivform zu
sehen. Auch im ahd. und alts. werden ja die Formen des gen. und dat. unter-
mischt für beide Casus gebraucht. Das ags. unterscheidet sich nur dadurch,
daß hier die Form des dat. ganz verloren gegangen ist. Der gen. gife würde
sich zu got. gibos, ahd. geba verhalten wie tunge zu tuggo, zunga, eage zu augo,
ouga, der acc. sing, gife zu einem ui-sprünglich vorauszusetzenden got. gibo =
ahd. g'eba^ der nom. acc. pl. gife, neben gifa zu gibös, gebd*) Eine Einwirkung
der ^-Declination werden wir nicht anzunehmen haben. Vielmehr ist erst durch
das Zusammenfallen der Formen des gen. und dat. die Ausgleichung der Ac-
cusativformen veranlasst. — Der gen. pl. der i-Declination hätte eigentlich
nicht cursiv gedruckt werden sollen. Denn gästa und bena gehen auf gästia, benia
zurück wie rica auf ricia. Das j ist wie überall im ags. ausgefallen. Ebenso
gehen die dat. gästum, benum auf gästium, benium zurück, die wie alts. gesilun
nach Analogie der ^a-Stämme gebildet sind, wozu die schon übereinstimmende
Bildung des gen. die Veranlassung gab. Ob der nom. acc. pl. gästas nach
Analogie der ja-Stämme (also ursprünglich gästias) gebildet ist oder erst nach
Ausfall des j im gen. und dat. nach der der a-Stämme, wird sich schwer ent-
scheiden lassen. Im letztei-en Falle aber hätte die Analogie näher gelegen, weil
dann schon die Bildung des ganzen sing, übereinstimmte. — In der schwachen
Declination ist zunächst der gen. dat. sing, des neutr. edgen Druckfehler für
edgan. Im gen. pl. ist. -ena im masc. und neutr. wohl aus dem fem. über-
tragen. Das kurze a der Ableitungssilbe hätte syncopiert werden müssen wie
in fugla, ceastra. Das e entspricht wie in den oben angeführten Fällen {eage
*) Also gerade das umgekehrte hat stattgefunden von dem, was Scherer (zur
Gesch. 436) annimmt, der gife für die echte Dativform erklärt, die in den gen. über-
getreten sei.
108 LITTERATUR: SIEVEKS, PARADIGMEN ZUR DEUTSCHEN GRAMMAT.K.
etc.) dem gotischen 6. Dieselbe Übertragung haben wir ja im ahd., wo sie von
S. bezeichnet, und im alts., wo sie es nicht ist.
Die Paradigmen der ahd. Substantive (Bl. 6), ebonso die der Adjectiva
(Bl. 11) und Verba (Bl. 22) bedürfen jetzt einer wesentlichen Correctur in Be-
zug auf QuantitJitsbezeichnung. Durch Braunes Abhandlung Über die Quan-
tität der althochdeutschen Endsilben (Bi'iträge II, 117) ist nachgewiesen, daß
alle auslautendt'n Vocale des ahd. schon in ältester Zeit verkürzt sind mit
Ausnahme der fem. auf t, der I. III. sing. conj. praet. sw. verb., des nom. acc.
plur. fem. und wohl auch masc. nach der o-Declination und vielleicht des gen.
sing. fem. der a-Dcciination. S. hat sich hier noch den früher üblichen Quan-
titätsbezeichnungen angeschlossen. Dagegen hat er sich beim alts. aller Länge-
zeichen enthalten. Es könnte fraglich sein, ob er dabei nicht nach der ent-
gegengesetzten Seite das Maß überschritten hat. Doch scheint in der That der
Unterschied von hoch- und niederdeutsch in der Behandlung der Endsilben
darin zu bestehen, daß dieses die Verkürzung frühzeitig vor Consonanten wie
im Auslaut hat eintreten lassen, während im hochd. auslautender Consonant die
Verkürzung verhindert. Das fränkische scheint sich dem niederdeutschen näher
anzuschließen. — Das o im gen. plur. masc. und neutr. tago, uuorto entspricht
nicht unmittelbar lautlich dem got. dage^ vaurde, sondern ist aus dem fem.
iibertragen, wie in der schwachen Declination. Es ist dann auch auf die i-Stämme
und die sonstigen consonantischen übertragen. Dasselbe wie vom ahd. gilt
natürlich auch vom alts, — Nach der Art, wie S. die Formen des gen.
und dat. sing. fem. der a-Declination ansetzt und ordnet (gehä, -6, -u, -o, e und
gebo, -w, •«, -o, -a, -e,) scheint er nicht anzunehmen, daß die Formen beider
Casus untermischt für einander gebraucht worden seien, sondern daß die
Formen, die für jeden einzelnen gebraucht werden, alle lautlich aus einander
entwickelt seien. Das ist aber nach den ahd. Lautgesetzen, wie sie von Braune
a a. O. entwickelt sind, unmöglich. Die Form des gen. geht auf a aus, welches
vielleicht in der ältesten Zeit noch lang war und keine andere Veränderung er-
leiden kann, als die schließliche Schwächung zu e, die des dat. auf u, o, welches
niemals zu a werden kann. Wir haben also wieder Formübertragung, die durch
Cursivdruck anzuzeigen wäre.
Beim mhd. subst. (Bl. 7) und ebenso beim adj. (Bl. 1 1) folgt S. dem ge-
wöhnlichen Schema in der Darstellung des Ausfalles des sogenannten stummen e.
Die Formen sind nach einer abstracten Norm aufgestellt, denen der Schreib-
gebrauch und auch die Aussprache bei weitem nicht immer entspricht. Insbe-
sondere sind gen. pl. wie telre, lamere, holre, eigenre und dat. wie holme, eige-
ni-me fast nur mitteldeutsch, allerdings nach Lachmanns Vorgang vielfach will-
kürlich in oberdeutsche Texte eingesetzt.
Bei den adj. (Bl. 8 — 11) hat S. den Cursivdruck zur Unterscheidung
der substantivisch und der pronominal flectierten Formen angewendet, gewiß
sehr angemessen, nur ist ihm dadurch das Mittel genommen einige hier vor-
kommende Analogiebildungen zu bezeichnen, über die er selbst (Beiträge VI, 98 ff.)
gehandelt hat. Auch bei den pion. hat er von der Bezeichnung der Analogie-
jjildungen abgesehen, einige vereinzelte Fälle ausgenommen (peir, sin) bei denen
sie dann lieber auch hätte unterbleiben sollen, wenn eine consequente Durch-
führung des Princips bei den hier allerdings sehr compliciertcn Verhältnissen
unthunlich schien.
LITTERATUR: BLUPLME, DIE GENS LANGOBARDORUM. 109
Weniger Anlaß zu Bemerkungen geben die Verba. Sehr zu loben ist die
Einrichtung, daß nachdem die Bildung der Modi und Personen auf einer be-
sondern Tafel für jeden einzelnen Dialect dargestellt ist (Bl. 18 — 23), die
Bildung der Tempusstämme und des part. praet. durch übersichtliche Neben-
einanderstellung der verschiedenen Dialecte auf demselben Blatte veranschaulicht
wird (Bl. 24 — 29). Die zu letzterem Zwecke verwendeten Beispiele sind sehr
gut gewählt, um alle möglichen Besonderheiten, die dabei eintreten können, dar-
zustellen. Die Auszeichnung durch Cursivdruck ist nur sehr sparsam angewandt,
fast nur wo die Formen von verschiedenen Stämmen abgeleitet sind. Analogie-
bildungen sind beim verb. allerdings nicht so zahlreich als beim subst., doch
fehlen sie auch hier nicht und hätten sich auch wohl bezeichnen lassen. So ist
a in der II. phir. praes. ind. (gebat) im südgermanischen statt des älteren i
nach Analogie der I. und II. pers. eingetreten. Im alts. und ags. ist I. plur.
praes. ind. durch die Form der lautlich zusammengefallenen II. und III., IL
plur. praes. opt. und praet. ind. und opt. durch die Form der I. und III. ver-
drängt. Im opt. praes. und praet. vertritt die Form der III. sing, auch die I.
sing. Im altn. sind neben derselben noch die regelrecht gotischen gibau und
gebjau entsprechenden gifa und g(efa erhalten. Im ahd. habm ist das durch
alle Formen durchgehende e (e) gegenüber gotischem Wechsel zwischen ai und
a jüngere Veranalogisierung. Die II. sing, praet. der starken verb. im südger-
manischen (ahd. gdbi) ist aus dem conj. übertragen (cf. Braune , Beiträge II,
155 £F.), das s im Auslaut der secuudären Personalendungen vor dem Abfalle
durch Einfluß der primären geschützt (cf. ibid).
FKEIBUEG i/Br., Januar 1875. H. PAUL.
Die gens Langobardorum. Zweites Heft: Ihre Sprache. Von Friedrich Bluhme.
Bonn 1874. 8. 54 S.
So befriedigend im Allgemeinen der Eindruck war, welchen das erste
Heft von Bluhmes „gens Langobardorum" hervorgerufen hatte, und so sehr
man mit den meisten der dort in Bezug auf Herkunft und Wanderungen des
Langobardenvolkes aufgestellten Behauptungen einverstanden sein koni)te , so
ganz anders ist der Eindruck, welchen das zweite Heft auf unbefangene For-
scher machen wird. Schon der Titel des Büchleins ist eigentlich nicht so ge-
wählt, daß er dem Inhalte desselben entspräche. Die Schrift enthält nur zum
kleineren Theile Abhandlungen oder Bemerkungen über die wirkliche lango-
bardische Sprache; der größere Theil derselben zeigt vielmehr die Einflüsse,
welche das Langobardische auf die Sprache der unterworfenen Bewohner Italiens
gehabt hat oder vielmehr nach Bluhmes Ansicht gehabt haben soll.
Gewiß ist es allerdings , daß auch die Langobarden an der Wiege der
italienischen Sprache gestanden haben; es fragt sich nur, wie weit in diesem
Falle ihr Einfluß gereicht hat. Bluhme geht in dieser Beziehung jede.sfalls viel
zu weit, und wenn er Corssen und Schuchardt neben Pott berücksichtigt hätte,
wäre er ohne Zweifel zu andern und theilweise richtigeren Resultaten gekommen.
Manche Erscheinungen auf dem Gebiete der romanischen Lautlehre haben sich
durchaus ohne das Zuthun der Langobarden entwickelt und sind auch, wie
man bei Corssen leicht finden kann, älter als deren Einwanderung in Italien ;
110 LITTERATTR: RLUHME, DIE GENS LANGOBARDORUM.
so z. B. das Verschwinden des auslautenden t (S. 18), der Abfall des h (S. 21),
welcher von der Nichtaussprache desselben herrührt (Corssen I, 96 — 113) und
weit älter ist, als Bluhme annimmt. Das Neutrum und das Masculinum waren
nach der vulgären Aussprache gar nicht zu unterscheiden, und darum sind sie
so häufig verwechselt worden, nicht bloß in Folge langobardischen Einflusses.
Auch in dem Gebrauche der Casus (S. 33) musste die regelmäßige Entwicklung
der lateinischen Sprache zu Verwechslungen führen; da nämlich in der vulgären
Aussprache m und s im Auslaut nicht gehört wurden, so mussten Nom. und
Accus, zusammenfallen; die Schreiber wussten nicht mehr, wo s und wo m am
Platze war. Höchst dankenswerth sind hingegen die Beispielsammlungen auf
S. 33 ff.
Was nun den germanistischen Theil der Schrift betrifft, so hat bekannt-
lich schon J. Grimm (Gesch. d. deutschen Sprache S. 690) die langobardische
Sprache in den Kreis seiner Untersuchungen gezogen. Und wenn auch diese
letztern weder erschöpfend sind noch in allen Punkten zu richtigen Ergebnissen
geführt haben, so sind sie doch wenigstens der Art, daß sie gewissermaßen
die erste Grundlage späterer Untersuchungen bilden müssen. Bluhme hat leider
nicht nur über Grimm hinaus keine weitern Fortschritte gemacht, sondern er
ist sogar hinter diesem beträchtlich zurückgeblieben. Schon in dem seiner Aus-
gabe der langobardischen Gesetze angehängten Glossar hat er, beherrscht von
der irrigen Annahme, die Langobarden seien ein niederdeutscher, den Angel-
sachsen besonders nahe verwandter Stamm, mancherlei Irrthümer begangen, und
in der vorliegenden Schrift wiederholen sich dieselben. Da soll Pertulo wört-
liche Übertragung von Liutpert sein (S. 49), klein soll bei den Langobarden
Hut und groß hrot gelautet haben u. s. w. Und doch beweisen die in den
Denkmälern keineswegs seltenen z, daß die Langobarden die hochdeutsche Laut-
verschiebung mitgemacht; haben; vgl. Zangrulf, Zuchilo, nuzzi (goth. nati), stole-
suzo, sculdkaiz, marpaiz u. s. w. Vgl. auch lang, ivifan (goth. veipan), anagrif
(g. greipan), lang, plodraub (g. blop) u. s. w. Nur die dentale Aspirata ]> ist häufig
auf der gothisch -germanischen Stufe stehen geblieben: thinc, thingare, Lethu
(zu ahd. leid); daneben aber doch plodraup (g. blop), casindi (g. sinps), gaido
= ga-aido (g. aips . Auch die zahlreichen diphthongischen ai und au bestätigen
im Gegensatze zu den niederdeutschen Verengungen e und 6, daß die Sprache
der Langobarden ein überwiegend oberdeutsches Gepräge hatte , und daß sie
am meisten Ähnlichkeit mit den Mundarten der auch geographisch benachbarten
Baiern und Alamannen hat; nur hat das gemeinsame oberdeutsche Gepräge
hier einen noch alterthümlicheren Anstrich als in den erhaltenen alamannischen
und bairischen Denkmälern, es fehlt z. B. der Umlaut, und ai und au, sind
noch nicht zu ei und ou geworden.
Mit Recht stellt Bluhme (S. 18) gafans (Roth. 247) zu fallen, fangen';
sonst lässt er sich nur selten in Deutungen ein, wie er denn auch die lango-
bardischen Worte meist in der herkömmlichen Form braucht (Rothari, Alhoin
statt Ilroiharit , Älbivini), statt Versuche zu einer Wiederherstellung älterer,
richtigerer Formen zu machen.
BASEL, Nov. 1874. KARL MEYER.
LITTEKATUR: FISCHER, ENTGEGNUNG. Hl
Entgegnung
in Sachen meines Buches: „Die Forschungen über das Nibelungenlied seit Karl
Lachmann."
Als im Juni dieses Jahres mein Erstlingswerk der Öffentlichkeit übergeben
worden war, da dachte ich wohl daran, daß Widerspruch nicht fehlen werde, insbe-
sondere dem Anhange der Schrift gegenüber; ich freute mich auf diesen Wider-
spruch, denn, mochte ich im Kampfe gewinnen oder unterliegen, der Sache musste
mit einer lebhaften Discussion gedient sein. Ich war mir bewusst, daß die ganze
Diction meines Buches so vorsichtig als möglich war, daß ich mich bestrebt
hatte, Jedem gerecht zu werden, in einer Weise, daß ich halb und halb be-
fürchtete, des Eklekticismus angeklagt zu werden; ich hatte dabei selbst der
Ansicht, die zu bekämpfen Gi'undtendenz bei mir war, der Lachmannischen,
Zugeständnisse gemacht, hatte Lachmanns Sagendeutung neben der feindlichen
W. Müllers gelten lassen, ja bei Lachmanns Liederkritik wenigstens das zuge-
standen, daß er „oftmals mit feinem Geschmack schlechte Strophen herausge-
fühlt habe", daß „seine Lieder in der That im allgemeinen die schönsten Stro-
phen enthalten". Was war natürlicher, als daß ich Widerspruch zwar, aber
W^iderspruch in sachlich gehaltener Form erwartete? Dabei hatte ich allerdings
mich verrechnet. Zwei gegnerische Aufsätze sind mir zu Gesichte gekommen.
Auf beide antworte ich bloß , weil meine wissenschaftliche Ehre in dem einen,
meine moralische in dem andern angetastet ist.
In der Ztschr. f. österr. Gymn. hat Anton Schönbach bei Gelegenheit
einer Kecension von Vollmöllers „Kürenberg und die Nibelungen" Anlaß ge-
nommen, über meine Arbeit und vor allem deren Anhang sich lustig zu machen
(a. a. 0. Bd. XXV, Heft 5, Seite 353 — 358). Ich bin allerdings nicht der Ein-
zige, der dabei schlecht wegkommt; denn gleich S. 353 f. steht zu lesen: „Man
sieht, die Preisrichter hatten das lebhafte Bedürfniss, sich nach keiner Seite
hin unangenehm zu machen, denn Vollmöller hat gegen den Kürenberger
einen ersten Preis erhalten, Fischer für den Kürenberger einen Hauptpreis
davongetragen". Da nun Vollmöllers Schrift ausdrücklich und hoch gelobt wird,
die meinige aber sich im Laufe von Schönbachs Besj^rechung als ein recht
schlechtes Machwerk herausstellt, so kann in den citierten Worten nichts Anderes
gefunden werden , als eine gröbliche Beleidigung der Tübinger philosophischen
Facultät, welche so diplomatisch, sagen wirs frei nach Seh. 's Meinung, so ge-
mein und feig gewesen sein soll, ein vortreffliches und ein miserables Elaborat
mit demselben Preise zu bedenken. Doch — mir steht die Beantwortung dieser
Anschuldigung eigentlich nicht zu. — Weiter hat Seh. versucht, auch Bartsch
der Theilnehmerscbaft an meinen Fehlern zu bezichtigen, indem er davon
redet, daß ich in dem Vorworte zu meinem Buche dem „Geheimen Hofrath
Professor Dr. Karl Bartsch in Heidelberg" für seine Unterstützung bei der Ab-
fassung des Anhangs danke. Die Sache verhält sich so. An Pfingsten 1874 suchte
ich Bartsch in Heidelberg auf, um ihm für seine Unterstützung bei der Durchsicht
meines Buches zu danken und zugleich von VoIimöUers und Scherers Aufsatze
mit ihm zu reden. Wir giengen beide mit einander durch, und ich verdanke
einen großen Theil fruchtbarer Gedanken dieser Unterredung. W^enn es aber
gelingt, einen Unsinn, einen unlogischen Schluß bei mir nachzuweisen — meine
Schlüsse für zwingend zu halten , bin ich zu bescheiden — , so ist die Schuld
112 LITTERATUR: FISCHER, ENTGEGNUNG.
an demselben mein; und vor Allem kann ich versichern, daß Sch.'s Spott nur
solche Ausführungen getroffen hat, die mein sind.
Gehen wir zu den sachlichen Ausstellungen Sch.'s über. Er sagt S. 354:
„Fischer weist die — allgemeinen Betrachtungen Scherers [Scherer S. 562] mit
einer einfachen Negation ab [bei mir S. 258]. Sie hätten sich nicht widerlegen
lassen." Nicht weiter geredet habe ich von jenen Gründen Scherers — abge-
sehen davon, daß sie, weil ganz allgemeiner Natur, weder stricte widerlegbar
noch absolut beweisend sind, — einfach deßhalb, weil sie den Kürenberger
Pfeiffers, nicht den Bartschs, noch weniger den meinigen treffen. Daß Pfeif-
fers Kürenberger, der zwischen 1120 und 1140 gesetzt wurde, nicht wohl an-
nehmbar ist und daß auf ihn Scherers Gründe passen mögen, das will ich nicht
leugnen, brauche es aber auch nicht zu leugnen. Bartsch setzt des Kürenbergers
Lieder „spätestens um 1150" (Untersuchungen S. 355}; eine „Kluft von vier
bis fünf Dt'Cennien" existiert also zwischen ihm und Eilhart von Oberge oder
dem Verfasser des Grafen Rudolf nicht. Noch weniger trifi't Scherers Argument
meine Ansicht vom Kürenberger. Bartsch setzt die Nibelungen in ihrer ersten
Abfassung ebenfalls vor 1150, der erhaltenen Assonanzen wegen. Daß ich die
Beweisführung Bartschs in diesem Punkte nicht annehme, habe ich in meinem
Buche S. 86 f. gesagt und S. 255—257 näher auseinandergesetzt. Ich sehe
keinen zwingenden Grund, über das Original der Bearbeitungen AB und C,
das Bartsch um 1170 ansetzt, zurückzugehen auf eine noch ältere Textesgestalt.
Ich habe S. 250 gesagt: „Der Dichter, der um oder vor 1150 lyrische Ge-
dichte sang, kann gar wohl um 1170 (vielleicht dürfen wir das Nibelungenlied
etwas früher setzen) im Mannesalter ein großes Epos verfasst haben." Daß 1 170
aber von Eilhart von Oberge und dem Verfasser des Grafen Rudolf nicht so
sehr weit entfernt ist, dürfte die Litteraturgeschichte lehren. — Ich denke,
das Auseinandergesetzte könnte es einfach erklären, warum ich auf dieß betr.
Argument Scherers nicht eingieng. Auch was Scherer am selben Orte gegen
Passau als Brennpunkt romanischer Einwirkung vorgebracht hat, trifft mich nicht,
da ich ausdrücklich erklärt habe (S. 250), daß ich auf die Identification des
Liederdichters Kürenberg mit einem der anderweitig bekannten Kürenberger
verzichte. — Scherers weiterer Grund, daß wir von den Nibelungen kein Frag-
ment einer älteren Gestalt haben, schien mir gegenüber von Bartschs Beweis-
führung (wovon unten mehr) unwesentlich.
Schönbach fährt fort: „Weiters ist mir in dem Fischerischen Aufsatze
insbesondere die Mangelhaftigkeit der Logik aufgefallen." Beweise dafür folgen
sogleich. „Schon S. 258 bietet eine kleine Probe. Bei dem Versuch, Scherers
ästhetischen Anschauungen, welche ich nicht vertheidigen möchte, einen Widei--
spruch nachzuweisen, finden sich folgende Worte: Wenn volksthümlicher, so
doch wohl auch alterthümlicher.' So doch wohl auch alterthümlicher. Es ist
doch schön, daß die deutsche Sprache so viele Partikeln besitzt, welche geeignet
sind, einen Riß in der Schlußfolgerung vor dem unaufmerksamen Leser zu ver-
kleistern." Habe ich etwa gesagt, daß ich MF. 3, 17 — -25 für alterthümlicher,
weil für volksthümlicher halte, als die Kürenbergsstrophen? Nein, ich wollte mit
jenen Partikeln nur das sagen, daß Scherers Bev/eisführung auf jene Ansicht
leite; denn ich fuhr unmittelbar nachher fort: „Denn der conventioneile Frauen-
dienst der Nibelungen ist nach Scherer Zeichen jüngerer Zeit und S. 581 sucht
er eben das hohe Alter jenes Liedchens zu erweisen." Die Auslassung dieser
Worte entstellt meine ganze Beweisführung.
LITTERATUK: FISCHER, ENTGEGNUNG. 113
In ganz unerhörter Weise entstellt sind ancli meine Ausführungen auf
S. 259 — 261, welche darthun sollten, daß die Beispiele gemeinsamer Strophen-
formen bei mehreren Dichtern, die Wilmanns gegeben hat, das Gesetz der
Nichtentlehnung nicht umstoßen. Ich muß die ganze Stelle hieher setzen.
„Mit den durch Wilmanns beigebrachten Beispielen von Strophenent-
lehnungen in der altern Lyrik", sagt mein Gegner S. 354 f., „hat es Fischer
gar leicht genommen. Die meisten erledigen sich nach ihm (S. 259 f.) ^eben
dadurch, daß ganz sicher die betreffenden Dichter unabhängig von einander auf
die ihnen gemeinsamen Strophenformen gekommen sind. Dieß ist anzunehmen,
wenn diese Strophenformen sehr einfach sind. Ein ähnlicher Fall ist es, wenn
eine von Mehreren gebrauchte Strophe fremdländischen Ursprungs ist; denn
der Dichter, der eine ausländische Form benutzt, ist selbst nicht mehr Original,
hat also auf Wahrung seines Eigenthums keinen Anspruch. Wenn Dichter von
einander unabhängig auf ihnen gemeinsame Strophenformen gekommen sind
und diese Gemeinsamkeit ihrem Rufe nichts geschadet hat, wo bleibt dann das
Gesetz von der Strophenentlehnung?"
Bis hieher habe ich mich noch keineswegs über Entstellung zu beklagen;
da vielmehr in der ganzen Kritik meiner hieher bezüglichen Ausführung dieß
der einzige sachlich gehaltene Satz Schönbachs ist, so will ich gleich hier
auf ihn antworten.
Daß ein Gesetz der Nichtentlehnung bestand, daß es für Uukunst, ja
für Verletzung litterarischen Eigenthums galt, fremde Weisen sich anzueignen,
das beweist, um nur von meinen Gegnern selbst beigebrachtes zu verwerthen,
der Ausdi'uck dcenediep, den Vollmöller S. 10 anfährt, das beweist schon der
Umstand , daß unter den zahllosen lyrischen Gedichten der Blüthezeit und des
Minnesangsfrühlings sich nur fünf Strophenformen, welche von Mehreren, bald
zwei-, bald drei-, bald viermal gebraucht sind, zusammen 1 4 Fälle, finden ; das
ist für das 13. Jahrhundert auch von meinen Gegnern kaum bestritten. Was
für das 13. Jahrhundert gilt, wird man geneigt sein, auch auf das 12. auszu-
dehnen ; denn auch dieses weist eine Reihe und zwar gerade der trefflichsten
Sänger auf. Nun zeigt sich, daß jene 14 Beispiele (von dem dvTileyofAivov bei
Reinmar und Walther und von dem romanischen Metrum bei Kud. von Fenis,
Bligger von Steinach und Hartwic von Rute abgesehen) lauter sehr einfache
Strophenformen zeigen ; daß sich keine Strophe darunter findet, welche so com-
pliciert wäre (wie es die Mehrzahl aller verwendeten lyrischen Strophen ist),
daß man sagen müsste, sie sei von einem andern entlehnt. Wenn nun dieß der
Fall ist, was ist natürlicher, als anzunehmen: der Dichter A, der ein Lied in
einer solchen einfachen Form sang, wusste einfach nicht, daß ein B dieselbe
schon gebraucht hatte, er hat sie selbst für seinen Gebrauch erfunden. Daß
dieß geschehen, daß solche Gedichte gesungen und hernach erkannt werden
konnte, daß auch ein anderer dieselbe Strophenform schon gebraucht hatte,
ohne daß das dem Riafe des zweiten geschadet hätte, — das anzunehmen,
scheint mir keinen Widerspruch mit der Annahme des Entlehnungsverbots zu
enthalten. Die aufblühende Lyrik schuf sich immer neue Formen ; was spätere
Zeiten schon fertig vorfanden, ein festes Gerippe metrischer Formen und Regeln,
wurde damals erst allmählich ausgebildet; dazu die weit größere Strenge jener
Metrik und Eeimkunst im Vergleich mit der unsrigen; dazu weiter der musi-
kalische Vortrag vom lyrischen Gedichte unzertrennlich : ich denke, das sind
GERMANIA. Neue Eeihe VIII. (XX. Jahrg.) 8
114 LITTERATÜR: FISCHER, ENTGEGNUNG.
Momente, die es begreifen lassen, wie man dazu kam, die Benutzung einer
fremden Form für sich selbst zu verschmähen, an anderen bitter zu tadeln.
Denn wo die Schaffung neuer Formen ein wiikliches Kunstwerk war, da mnsste
Jeder stolz darauf sein. Eigenes zu finden; wer es gefunden, auf seine Erfin-
dung eifersüchtig sein. Zugleich aber wird aus jener Motivierung des Entstehun^s-
verbots erhellen, warum man aus der Gleichheit ganz simpler Liederformen, auch
weun man sie entdeckte, nicht viel Aufhebens machte; ich sage, wenn man
sie entdeckte; denn bei der Einfachheit jener Formen hörte man es wohl gar
nicht, daß zweimal dieselbe vorkam; denn wenn jemand ein Gedicht von der
Form z. B. 4a4b4a4b4c4d4c gehört oder gelesen hatte, so prägte diese
Form sich ihm nicht so ein, daß es ihm nachher aufgefallen wäre, sie wieder
verwendet zu sehen; so wenig als es uns auifällt, daß Göthes Fischer das
gleiche Maß hat wie „Im Walde schleich ich stumm und wild". Ich hoffe, es
ist deutlich geworden, daß ich damit nicht, wie Seh. mir nachher imputiert,
einen Canon geben will, nach welchem einfache Formen hätten entlehnt werden
dürfen, compliciertere nicht; biege gen hätte Seh. mit den Worten ganz Recht,
daß „sehr einfach" ein relativer Begriff sei. Daß die Scheu, schon von andern
gebrauclite Weisen zu verwenden , sich auch auf einfache Maße erstreckt hat,
dafür genügt zum Beweise, wie ich denke, die kleine Zahl der Fälle, wo dieß
doch geschehen ist. Den Satz wird man wohl kaum anfechten können: auch
weim es ein Entlehnungsverbot gab (dieser Ausdruck, einmal üblich, ist freilich
schief, weil er die Idee eines rechtlichen Instituts erwecken könnte , aber was
ich darunter mir denke, habe ich expliciert), konnte es vorkommen, daß ein
Dichter, einer aus einfachen Elementen componierten Form sich bedienend, nicht
wnsste oder nicht merkte, daß er hier nicht erster Erfinder war, und daß das
Publicum es auch nicht merkte. Nun haben wir ein solches Entlehnungsverbot
wirklich vor uns; eine ganz kleine Anzahl von Fällen streitet wider das-^elbe;
werden wir um dieser willen jenes Verbot als ein non ens erklären? Nein,
sondern die gegebene Erklärung jener Fälle als die einzig natürliche ansehen.
— Mit dem romanischen Maße bei Rudolf von Fenis, Bligger von Steinach und
Hartwic von Rute verhält sich's etwas anders. Aber das Gefühl, das wir heut-
zutage haben, daß ein Dichter, der nach Vorgang eines andern ein ausländi-
sches M;)ß, sei es auch sehr compliciert, benutzt, diesen seinen Vorgänger damit
nicht eines Eigenthums beraubt habe, dieses Gefühl hatte man im Mittelalter
ganz gewiß auch. — Und vor allem gilt es nochmals im Auge zu behalten,
daß ich mit meiner Beseitigung jener zwölf Fälle unter tausenden einem unan-
fechtbaren kritischen Grundsatze folge, wonach es nicht gestattet ist, ein anders-
woher bekanntes Gesetz um etlicher Ausnahmen willen für nichtig zu erklären,
es vielmehr geboten ist, vorher diese Ausnahmen, wenn möglich, zu erklären
und ihr". Beweiskraft damit zu beseitigen. Ja, ich wäre geneigt, um dessen
willen mit Pfeiffer das h\ed junger man, wis hohes muotes Reinmarn zuzuschreiben;
obwohl diese eine Ausnahme das Gesetz nicht erschüttern könnte.
Was ich hier genöthigt war des erfolgten Widerspruchs wegen etwas aus-
führlich, manchem wohl zu breit, darzustellen, das war doch aus den einschlä-
gigen Seiten meines Buches auch ziemlich deutlich zu verstehen, wenn nämlich
der Leser den guten Willen zum Verständnisse mitbrachte. Daß dem so ist,
ersehe ich aus der Recension meines Buches in der Jenaer Litteraturzeitung,
wo H. Paul sagt, daß ich die Giltigkeit des Entlehnungsverbots in der Lyrik
LITTERATUR: FISCHER, ENTGEGNUNG. 115
„ganz gut" bewiesen habe. Hören wir, was Seh. — nun beginnt die Ent-
stellung — dazu sagt. Er fährt da, wo ich seine Worte abbrach, unmittelbar fort :
„Freilich finde ich auch dafür eine Erklärung, wenn ich mir die Vor-
stellung, welche Fischer von dem Zustande der deutschen Litteratur im 12. Jahr-
hundert hat. aneigne. Die Minnesänger werden wahrscheinlich vor einem zur
Wahrung des geistigen Eigentbums eingesetzten Reichsgerichtshofe einen Fatent-
proceß geführt und ihre Rechte urkundlich nachgewiesen haben.
„Ferner — sieht denn Fischer nicht, daß ^sehr einfach ein relativer
Begrifi" ist, mit dem sich gar nicht so geschwind operieren lässt? Nach ihm
müsste das Gesetz vom Verbote der Strophenentlehnung etwa folgendermaßen
gelautet haben : „Im Allgemeinen dürfen Strophenformen nur von ihren Erfindern
verwendet werden; ausgenommen von diesem Privilegium werden die Formen,
welche so einfach sind, daß jeder sie für sich erfinden kann (zum Beispiel:
4a '6h 4a 3b 4c 4c 3b, welche Albrecht von Johannsdorf und Reinmar ge-
meinsam haben*), und diejenigen, welche den von romanischen Dichtern er-
fundenen nachgeahmt sind." Vorausgesetzt wird natürlich, daß die ritterlichen
Minnesänger ganz bestimmte Kriterien für die Beurtheilung der Töne besaßen,
auch dafür, ob dieselben etwa aus Frankreich gekommen waren, und daß sie
über deren Erfindung und Verbreitung gewissenhaft Buch führten. Oder sollte
es vielleicht gelingen, eine alte Liederhandschrift aufzufinden, in welcher die
Strophen mit Taufscheinen pünktlich versehen sind?"
Diese Verdrehung meiner Argumente, die mich lächerlich macheu soll,
verdient kein weiteres Wort.
Es kommt noch stärker.
„Je nun aber, gehört denn die Nibelungenstrophe nicht auch zu den ein-
fachen Strophenformen? Das wäre freilich fatal, und so fühlt Fischer das Be-
dürfniss, ein entsprechendes Schema der Nibelungenstrophe zu geben S. 261,
welches so aussieht:
4a
3b
4c
3b
4d
3e
4f
4e
Er freut sich über dieses Kunststück, indem er ausruft: Das ist nun
doch ein weit weniger einfaches Maß . Und wie klug angestellt; 6 Buchstaben :
abcdef mussten dazu verwendet werden, um diese complicierte Strophe klar
zu machen! Ich möchte wirklich gerne wissen, auf was für Leser diese Dar-
stellung berechnet sein mag. Ofi'enbar auf solche, die nicht wissen, daß in
diesen imponierenden 6 Buchstaben nur zwei Reimpaare aa bb stecken. —
Die Sache verurtheilt sich selbst."
*) Hier ganz im Speciellen eine falsche Darstellung des Maßes und meiner
Darstellung. Das Maß heißt: 4a 3^b4a3v^b4c 4c 3^b.; ich sagte darüber S. 260:
„wir werden alles Recht haben, statt 3 ^ hier 4 zu setzen, indem alsdann die Zeile ge-
nau der viermal gehobenen epischen Reimzeile entspricht. Also einer allgemein ge-
brauchten Form" u. s. w. Das ist wieder einmal von Seh. verschwiegen.
IIG
LITTERATUR: FISCHER, ENTGEGNUNG.
Ich will Schönbachs Wunsch gerne erfüllen, indem ich ihm sage, auf
was für Leser diese Darstellung berechnet war. Sie ist berechnet auf solche,
welche sehen, daß unter diesen imponierenden sechs Buchstaben nur zwei je
zweimal vorkommen, b und e, und welche daraus folgern können, daß die
Strophe nur zwei Reimpaare hat, daß also 4a, 4c, 4 d, 4 f Waisen sein müssen;
auf solche, welche ferner wissen, daß die Nibelungenstrophe in jeder Langzeile
eine Cäsur hat, und daß Scherer, dessen Aufsatz ich in meinem Anhange an-
gefochten habe, dessen Aufsatz also der Kritiker des meinigen gelesen haben
musste, S. 569 f. die Nibelungenstrophe sehr schön aus dem Einschub von
Waisen erklärt hat, daß man demnach die Strophe gleich acht Kurzzeilen setzen
kann, ja daß dieß früher öfters geschehen ist ; auf solche, welche einsehen, daß
eine siebenmal gehobene Langzeile mit Cäsur anders bezeichnet werden muß
als eine solche ohne Cäsur , welche wissen , daß auch in der modernen Lyrik
Waisen sogar sehr beliebt sind und daß man beispielsweise eine Strophe 4 a
4b 4c 4b (oder, um die Waisen deutlicher zu kennzeichnen, 4x 4a 4x 4a)
meist so schreibt:
4 a / 4 X \
4b 4a
4c 4x
4b \4.aJ
und nicht: 4a 4b /4x 4a\
4c 4b \4x 4a/
welche endUch wissen, daß ich die Nibelungenstrophe in Kurzzeilen darstellen
musste, um ein den vorher gegebenen und mit ihr verglichenen Strophen „ent-
.sprecheudes" Schema derselben zu geben, daß ich also zum Vergleich mit
4 a
3-b
4 a
3-b
4 c
4 c
3-b
oder
4 a
4b
4a
4b
4c
4d
4c
die Nibelungenstrophe nicht so bezeichnen konnte, wie sie gewöhnlich gedruckt
wird, also etwa so:
4x
4x
4s
4x
3a
3a
3b
4 b,
da ich sonst im zweiten Beispiele statt des Abgesangs
4c
4d
4 c,
wie ihn Haupt gibt, hätte analog schreiben müssen
4c
4d(x) 4c,
was den Bau dieser Strophe aus lauter viermal gehobenen Zeilen hätte alte-
rieren müssen. Ich habe übrigens für Leser, die mein Schema der Nibelungen-
strophe aus irgend welchem Grunde nicht verstehen sollten, beigefügt, daß 4 a
LITTERATUR: FISCHER, ENTGEGNUNG. 117
4c 4d 4f in jenem Schema der N. Str. Waisen seien, was wohl die Sache
klar genug darstellte.
Was „verurtheilt sich nun von selbst", meine Argumente oder Seh. 's
Art, sie dem Gelächter der Vielen preiszugeben, welche seine Kritik lesen
mochten, ohne ihrer Basis weiter nachzufragen?
Leider bin ich mit Seh. 's Ausfällen gegen mich noch nicht zu Ende.
„Auf ähnliche Weise", fährt Seh. S. 356 fort, „wird die Aufforderung,
auch Ortnit und die Wolfdietriche dem Kürenberger zuzuweisen, weil diese Ge-
dichte ebenfalls in der Nibelungenstrophe geschrieben sind, abgelehnt. Die achte
Halbzeile hat dort nämlich neben vier auch drei Hebungen und zwar viel
häufiger drei als vier. Dai-aus wird S. 262 f. gefolgert: Also zeigen alle diese
Gedichte eine metrische Verwilderung, welche verbietet , aus ihnen für oder
gegen die Strophenentlehnung einen Schluß zu ziehen, da diese Verwilderung
auf eine Zeit hinweist, der die Strophenform überhaupt nichts mehr galt. Und
sollte aus anderweitigen Gründen die Zeit zwischen 1220 und 1230 nicht als
eine Zeit der Formenverwilderung angesehen werden , so werden wir sagen,
Ortnit und die Wolfdietriche stammen aus den niedrigen Kreisen der Fahrenden,
während die Küreuberglieder wie die Nibelungen aus ritterlichen Kreisen stammen,
in welchen der Sinn für die Form rein und fein ausgebildet und so auch das
Entlehnungsverbot bekannt und befolgt war; oder — fallen die Gedichte in
spätere Zeit. Also drei Erklärungen — man kann von den Gedichten halten,
was man will, immer läuft es ungefährlich für den Kürenberger ab. Zwar finden
sich in den Nibelungen auch Strophen, in welchen die letzte Halbzeile drei
Hebungen hat und ist es bisher Niemanden beigefallen, diese Strophen nicht
für Nibelungenstrophen zu halten — aber das thut nichts."
Solche Strophen finden sich in den Nibelungen, aber nie in allen Hand-
schriften, meist nur in A; s. Bartsch, Unters. 157 fi'. Dieß hat denn auch
außer Lachmann die meisten bewogen, diese Halbzeilen für fehlerhaft zu halten,
und die Ausgaben beseitigen sie. Daß es „niemanden beigefallen" sei, diese
Strophen nicht für Nibelungenstrophen zu halten, ist also einfach ixnwahr. Oder
sollte Seh. von dem „Hildebrandston" nie etwas gehört haben? Nun, wer diesen
Ausdruck gebraucht, der beweist eben damit, daß er Strophen mit drei Hebungen
in der achten Halbzeile nicht für Nibelungenstrophen hält.
„Der erste gefolgerte Satz nimmt an (denn das liegt in den Worten:
eine Zeit, der die Strophenform überhaupt nichts mehr galt"), daß die Ver-
fasser des Ortnit und der Wolfdietriche so feines Gefühl hatten, daß sie wussten,
mit Strophen, deren Mehrzahl in der letzten Halbzeile drei Hebungen hätte,
sündigten sie nicht wider das Entlehnungsverbot, der zweite Satz hält dagegen
diese selbigen Verfasser für niedrige Fahrende und muthet ihnen die Rohheit
zu , das Entlehnungsverbot in ihrem Kreise nicht anzuerkennen , während es
neben ihnen in den ritterlichen Kreisen galt. Wie zart und doch wie scharf
muß man sich die Grenzen zwischen den Ständen der Dichter denken! Ich
mache aufmerksam, daß beide Erklärungen von demselben Forscher aufgestellt
worden sind. Aber vielleicht ist die eine von Fischer, die andere von Bartsch
und es wurde in der Eile der Composition nicht weiter darauf geachtet, daß
die beiden Sätze von gänzlich entgegengesetzten Vorstellungen ausgehen."
Also Bartsch hat doch auch eins abkriegen müssen ! Ich versichere übrigens,
daß der betreffende Passus vollständig von mir stammt.
118 LITTEKATUR: FISCHER, ENTGEGNUNG.
Ist es aber nöthifz;, daß icli Seh. 's Vcrdreliung widerlege? Besser, ich sage
hier etwas umständlicher und pedantischer, was ich gemeint habe.
Wenn ein Dichter ein Gedicht in der Nibelungenstrophe so abfasst, daß
die achte Halbzeile bald drei bald vier Hebungen hat, so wird man (nach der
gewöhnlichen Annahme, daß die drei Hebungen, wo sie im Nibelungenliede vor-
kommen, Fehler seien, welche Annahme Seh. zuvor widerlegen muß) sagen:
dieser Dichter hatte kein Gefühl für die Reinheit des Metrums, er verstand
seine Strophe, die er nach Vorgang benutzte, nicht. Daraus wird weiter folgen,
daß er für metrische Feinheiten kein Gt^fühl hatte; daß also von einer Be-
achtung des Entlehnungsverbots, selbst wenn es zu seiner Zeit in Kraft war,
bei ihm nicht die Rede sein kann. Dieser Schluß hat nun für mich Kraft in
allen den di-ei Fällen, die Seh. als einander widersprechend bezeichnet. Mit
jener Argumentation hätte ich die Auseinandersetzung schließen können^ denn
ihr Kern ist: mögen die Dichter des Ortuit und der Wolfdietriche gelebt haben,
wann sie wollen, gewesen sein, was sie wollen: sie haben kein Verständniss
ihrer Strophe gehabt, also konnten sie auch von dem Entlehnungsverbote nicht
Notiz nehmen. Nun wollte ich aber doch gerne, obwohl für den Hauptbeweis
unnöthig, versuchen, zu zeigen, woher denn wohl jener Mangel an Verständ-
niss für die Form bei den betr. Dichtern stamme. Es gibt nun zwei Möglich-
keiten: entweder die Zeit um 1220 — 1240, in welche man jene Gedichte setzt,
war eine Zeit der Formenverwilderung, in der man vom Strophenbau nichts
mehr verstand; dann haben jene Dichter eine unregelmäßige Behandlung der
Strophe eben deßhalb, weil sie in einer solchen Zeit gelebt haben. Die andere
Möglichkeit, die ich für die aus andern Gründen wahrscheinlichere halte, ist, daß um
1220 — 1240 sonst die Form noch ganz gut gewahrt wurde. Wie kamen jene
Dichter dann dazu, so formlos zu dichten? Entweder sie gehören jener Zeit
wirklieh an ; dann ist anzunehmen, daß sie ihrer Persönlichkeit, ihres ungebil-
deten Standes wegen nicht zu feiner Behandlung der Formen gelangten; oder
aber — sie gehören jener Zeit nicht an, sondern einer späteren, wo die Form-
losigkeit allgemein war.
Aber mag von diesen drei Erklärungen richtig sein welche da will , sie
alle sollen nicht erklären, warum die Dichter das Entlehnungsverbot nicht be-
achteten, sondern warum ihre Form verwahrlost ist; und erst aus der verwahr-
losten Strophenform, die unter allen Umständen vorliegt, folgere ich Mangel
an Formgefühl und aus diesem die Unfähigkeit, die Feinheiten der Metrik zu
wahren.
War das logisch genug? Ich fürchte unbefangene Leser zu ermüden, und
diese Blätter sind fast zu gut, um alle seis aus Mangel an Aufmerksamkeit
seis aus Nichtverstehen- wollen enstandenen Verdrehungen in extenso darin zu
besprechen.
So schweige ich von Schönbachs letzten Abschnitten, die sich hauptsäch-
lich gegen Bartschs Handschriftentheorie wenden, für welche ich nicht tenent
bin einzutreten. Die eigentliche Motivierung, warum ich Anhänger von Bartsch
bin, steht bei mir S. 87, u. 88, o. zu lesen.
In der Zeitschr, für deutsches Alterthum, Band XVIII, Heft 1, hat Wil-
helm Scherer meinen Anhang angegriffen. Über Entstellung meiner Aus-
führungen habe ich hier kaum zu klagen ; wohl aber gilt es, einen moralischen
LITTERATUR: FISCHER, ENTGEGNUNG. 119
Vorwurf, den Seh. mir gemacht hat, zurückzuweisen und zugleich einige meiner
Ausstellungen an Scherers „Kürenberger" zu vertheidigen.
Er citiert die auch von Schönbach berührte Stelle meines Anhanges,
S. 258, in welcher ich versucht hatte, in Scherers Bemerkungen S. 562, Z. 3.
2 V. u. und S. 581, Z. 8 — 5 v. o. einen Widerspruch nachzuweisen. Scherer
bemerkt dazu S. 150: „Es ist mir wirklich neu, daß man den Versuch, in die
Geschichte der poetischen Motive einzudringen, als überfeines Asthetisieren be-
zeichnen darf."
Das thue ich auch nicht, wenn ich auch die Art, wie die Lachmaunische
Schule aus ästhetischen Dingen kritische Waffen schmiedet, nicht billigen kann.
Etwas derart ist in der That bei Scherer a. a. 0. vorhanden. Er will aus ästhe-
tischen Verschiedenheiten (denn was er zu Nib. 294. 292, 2 beibringt, sind
doch wohl solche), aus der verschiedenen Auffassung der Minne — einem so
unendlich disceptabeln Punkte ! — den verschiedenen Ursprung der Kürenberg-
strophen und der Nibelungen beweisen. Das ist meiner Ansicht nach verkehi't.
Was berechtigt uns, zu sagen: weil Nib. 292, 2 mit höfischer Formel steht si
twavc gen einander dei' senenden minne not (was nur eine Hs. hat, die sich
eben durch den höfischen Charakter der Stelle verdächtig macht), weil Str. 294
gesagt ist, Siegfried hätte im Sommer und selbst im Mai nicht mehr Freude
empfinden können, als ihm durch Kriemhilds Gegenwart zu Theil geworden;
weil aber beiderlei Züge beim Kürenberger fehlen: deßhalb kann er nicht Ver-
fasser der Nibelungen sein? Ja, wenn das letztere anderswoher bewiesen ist,
dann darf man auf solche Züge als Charakteristica hinweisen, aber zuvor nicht.
Wenn ich demnach Scherers Argumentation für verkehrt halte, wenn ich außer-
dem in derselben einen Widerspruch mit der analogen auf S. 581 zu finden
glaubte: konnte ich da nicht mich für berechtigt halten, zu sagen: ein Asthe-
tisieren, das auf Widersprüche führt, zeigt damit, daß es über das Ziel hinaus-
schießt, daß es überfein ist; und war ich nicht berechtigt, das zu sagen,
wenn jener Widerspruch wirklich existiert?
Aber Scherer weist mir nach, daß dieser Widerspruch nicht vorhanden
ist, daß er mit jenen ästhetischen Verschiedenheiten zwischen Kürenberg unti
den Nibelungen nicht einen zeitlichen Unterschied habe beweisen wollen , son-
dern nur eine Verschiedenheit der Verfasser. Er fährt fort:
„Daß der Frauendienst etwas verhältnissmäßig spätes, in das deutsche
Leben von außen eingedrungenes sei, ist eine sehr bekannte Thatsache, die
doch wohl niemand bezweifeln wird. Bei der Beurtheilung von MF. 3, 17 — 25
kommt sie gar nicht in Betracht und wird in der citierten Äußerung ganz un-
gehörig eingemischt. Dieß alles aber ist sehr gleichgiltig, ich bedaure nur,
Hrn. Dr. Fischer bemerken zu müssen , daß er seine Polemik mit einer Lüge
führt. Die Stelle auf S. 581 lautet: „Das Gedicht ist nach den Reimen
älter und durch diese Combination von Natur und Liebe volksthümlicher als
irgend eines der dem Kürenberger zugeschriebenen Sammlung." Hr. Dr. Fischer
fälscht den Sinn meiner Äußerung, indem er die hervorgehobenen Worte weg-
lässt. Ich habe die Verkettung von Natur- und Liebesgefühl nirgends weder
für ein Zeichen der Altertbümlichkeit noch für ein Zeichen der Jugend erklärt.
Ich halte sie für das eine oder für das andere nur erklären können, wenn ich
gar nichts von den deutschen Minnesängern wüsste. Das Motiv ist an sich alt
volksthümlich, obgleich nicht specifisch deutsch, kehrt aber in der ganzen mhd.
120 LITTERATUR: FISCHER. ENTGEGNUNG.
Lyrik wieder. Für einzelne Dichter ist es charakteristisch, daß sie es verschmähen,
für andere, daß sie es häufig gebrauchen : über Alter oder Jugend eines Ge-
dichts oder Dichters ist daraus nie das geringste zu schließen. Nur als Argument
für die Verschiedenheit der Autoren, nicht als Argument für die Verschieden-
heit des Alters ^kann und muß (um mit dem Hrn. Verf. zu reden) diese
Beobachtung verwerthet werden."
Der Lüge und der Fälschung werde ich hier bezichtigt. Ein schwerer
Vorwurf, der seinem Urheber die Verantwortlichkeit auferlegt, denselben be-
weisen zu können. Ist er denn in der That gerechtfertigt, dieser gegen mich ge-
schleuderte Vorwurf? Wenn ich die Worte „nach den Reimen älter" ausließ
(daß etwas fehle, habe ich ja durch einen Strich angedeutet), so that ich es
deßhalb, weil ich gleich hernach sagte: „und S. 581 sucht Scherer eben das
hohe Alfer jenes Liedchens zu erweisen".
Womit dachte ich denn wohl, daß Scherer das hohe Alter von MF. 3, 17
erweisen wolle, als mit den Reimen, von denen er nicht nur in dem betr.
Satze, sondern schon auf S. 580 redet? Scherer wird doch wohl nicht denken,
daß ich mit dem „sucht zu beweisen" eben das Wort „volksthümlicher" ge-
meint habe? Ich sagte also nichts anderes als dieß: Scherer nennt die Ver-
kettung von Natur- und Liebesgefühl in MF. 3, 17 volksthümlich 5 da er nun
für dieses Lied an derselben Stelle, wo er von der Volksthümlichkeit desselben
redet, aus anderen Gründen ein höheres Alter beweisen will, so wird wohl die
Volksthümlichkeit für ihn auch ein Moment sein, das eben auf hohes Alter
hinweist. An das zuletzt gesagie konnte ich recht wohl denken, da auch sonst
volksthümlicher Charakter und hohes Alter Hand in Hand gehen.
Wo bleibt nun die Lüge und Fälschung?
Das Materielle meiner Polemik auf S. 258 fallt natürlich mit Scherers
Versicherung, daß er nicht daran gedacht habe, einen Altersunterschied zu er-
weisen, weg. Es dürfte aber gerathen sein, daß ich hier meine Polemik recht-
fertige, indem ich sage, wie ich dazu kam, anzunehmen, daß Scherer vom re-
lativen Alter der Kürenbergstrophen und der Nibelungen handle.
Er spricht (s. 0 ) S. 581 von dem volksthümlichen Motiv der Combination
von Liebe und Naturgefühl in Verbindung mit Beweisen eines hohen Alters;
S. 562 f. heißt es: „die Str. [Nib.] 295, 4. 736, 4. 1459, 2 kennen den con-
ventioneilen Frauendienst als etwas ganz feststehendes und gewöhnliches, das
zum Ritter gehört". Diese Worte, besonders „feststehend" und „gewöhnlich",
machen doch sehr wahrscheinlich, daß damit eine Beziehung auf die Zeit ge-
geben sein soll; und in Verbindung mit dem conventioneilen Frauendienst hat
Scherer auch die Auffassung der Minne in den Nibelungen erwähnt. Ich frage,
ob diese Zusammenhänge auf S. 562 f. und 581 mich nicht berechtigten, beide
Argumentationen auf das Alter der betr. Gedichte zu beziehen?
„Im übrigen glaube ich nicht", fährt Scherer S. 151 fort, „daß ich ver-
pflichtet bin, der oben genannten Schrift Rede zu stehen. Sie erfüllt nicht ein-
mal ihren nächsten Zweck, über den äußern Verlauf der Nibelungenforsohungen
zu orientieren. Die Arbeit von Konrad Hofmann Zur Textkritik der Nibelungen
(Münclien 1872) wird nirgends erwähnt: Bartschs L^ntersuchungen sind nach
S. 72 die letzte über die Handschriftenfrage erschienene Schrift."
Einen Mangel meines Buchs hat Scherer hier erwähnt, den ich nur da-
mit entschuldigen will, daß Hofmanns Aufsatz zur Zeit der ersten Ausarbeitung
LITTERATUR: FISCHER, ENTGEGNUNG. 121
meiner Schrift (1871/1872) noch uiclit erschienen war, sondern erst 1873 erschien,
wo ich durch eine andere wissenschaftliche Arbeit und hernach durch Amts-
geschäfte überlastet war, so daß mir der Aufsatz Hofmanns wohl entgehen
konnte. Übrigens habe ich auf Scherers Tadel hin denselben verglichen und
kann hier nachtragen, daß er meine Gesammtanschauung nicht alteriert hat
(warum, habe ich vielleicht ein andermal Gelegenheit auseinanderzusetzen), daß
er mich vielmehr nur in Beziehung auf die BeschaiFenheit von A in der Partie
Str. 324 — 666 überzeugte. Ich glaube, Hofmanns Ansicht, daß A dort einem
andern Codex folge, unbedenklich acceptieren zu können, ohne deßhalb mit ihm
annehmen zu müssen, daß die kürzere Fassung jenes Codex ihm zugleich ein
höheres Alter, eine ursprünglichere Gestalt des Textes vindiciere.
Aber deßwegen, weil mir hier eine Nachlässigkeit begegnet ist, weil mein
Buch nicht seinem nächsten Zwecke genügt, deßwegen glaubt Scherer sich von
einer Kritik meiner Beweisführungen gegen seinen Aufsatz dispensiert? Holtz-
manns Wort (Untersuchungen VI) „statt der Beweise Schmähungen vorzubringen,
das sollte nie und nirgends, auch dem größten Gelehrten nicht gestattet sein"
ist mir unwillkürlich dabei eingefallen. — Ein blindes Huhn findet doch manch-
mal auch ein Korn, und mein Buch, das seinen nächsten Zweck nicht erfüllt,
könnte doch am Ende den fernerliegenden einer Widerlegung Scherers theilweise
wenigstens erreicht haben. Fast möchte ich das schließen eben aus dem salto
mortale, mit dem Scherer über meine Argumente sich hinwegsetzt.
„Zur Charakteristik des Verfassers und seiner Leistung" citiert Scherer
die beiden Stellen aus meinem Buche: S. 285, Z. 15—24 und S. 265, Z. 21
bis 27, an welchen beiden ich mich gegen ihn einfach auf Bartschs Hand-
schriftentheorie und Metrik berufen hatte. Die Tendenz jener beiden Citate ist
bei Scherer offenbar keine andere als die, zu zeigen, daß ich, anstatt zu
widerlegen, mich auf Bartsch berufe, daß ich statt mit Gründen mit Autoritäten
kämpfe. Nun wäre dem wirklich so, wenn ich in meinem ganzen Buche sonst
nirgends davon geredet hätte, daß und warum ich Bartschs Anhänger bin. Aber
ich habe das gethan auf mehreren Seiten; ich habe Bartschs Theorie auf S. 40
bis 72, vielleicht zu ausführlich, dargestellt und auf S. 84 — 92 gesagt, warum
ich sie — und das nicht als blinder Nachbeter, sondern mit Einschränkung —
annehme. Daß ich mich also im Anhang auf diese Exposition berufe und sage,
das Nichtvorhanden- oder besser Nichtgefundensein eines assonierenden Nibe-
luDgenfragments genüge nicht, um Bartschs Theorie zu widerlegen, — daran
fände wohl ein anderer nichts zu tadeln. Mit dem zweiten Fall verhält sichs
auch materiell etwas anders. Scherer hat Bartschs Metrik angegriffen, er will
nicht liehh mit leide, sondern liehe mit leide lesen (beiläufig: das von Seh. nicht
gebrauchte Beispiel zierten anderiu ivtp kam mir in die Feder , weil es öfters
citiert wird, um den Unterschied von Lachmanns und Bartschs Betonung zu
zeigen). Darauf entgegnete ich: „Ich will davon schweigen, daß Bartsch
— seine metrischen Gesetze — meiner Ansicht nach bewiesen hat. Das aber
ist zu bemerken, daß, wenn wir je jenes Betonungsgesetz Bartschs
fallen ließen, es dann auch für Kürenberg fällt, so daß zwischen
seinen Strophen und dem NL. hierin jedenfalls kein Unterschied
ist." Mein Argument war also: mögen Bartsch oder Lachmann — Scherer
mit ihrer Betonung Recht haben, die Sache macht nichts aus. War es nun
nicht erlaubt, dem beizufügen: übrigens halte ich an Bartschs Metrik fest? —
122 LITTKRATUR: FISCHER, ENTGEGNUNG.
Ich wäre hier auch in ilor Lage zu sagen: ., Scherer fälscht den Sinn meiner
Äußerung, indem er die hervorgehobenen Worte weglässt. "
Weiterhin beschäftigt sich Scherer mit dem, was ich S. 269 gegen seine
Argumente für die Verschiedenheit der Verfasser in den Kürenbergstrophen
gesagt habe. Zuerst etwas persönliches. Er wirft mir den Ausdruck, „vorsichtiger-
weise" habe er MF. 8, 9 — 16 entfernt, als ehrenkräukend vor. Daß eine vor-
hergefasste Ansicht über ein Ganzes auch die einzelnen Argumente mit bestimmt,
das liegt ja so natürlich in der Verfassung menschlichen Denkens; und ich
glaubte und glaube noch sagen zu können, ohne die vorherige Überzeugung
von der Mehrheit der Verfasser wäre Scherer nicht dazu gekommen, MF. 8, 9
bis 16 aus der Sammlung auszumerzen. Daß dieß mit bewusster Absicht ge-
schehen, was allerdings in dem Ausdruck „vorsichtigerweise" liegt, will ich
durchaus nicht behaupten, und insofern bedaure ich diesen Ausdruck. Kann
mans einem aber fürwahr verargen, wenn angesichts einer so subjectiven Kritik,
wie die von Scherer an jener Stelle geübte ist, die Mißbilligung einen auch
zu solchen Ausdrücken führt?
Was die Sache betrifft, so wirft mir Scherer S. 153 vor, daß ich seine
Auseinandersetzung, in wie fern zwischen Männer- und Frauenstrophen eine
unausfüllbare Kluft bestehe, weder erwähnt noch zu widerlegen versucht habe.
Ich bin auf diesflbe nicht eingegangen, weil ich erweisen zu können glaubte,
daß jene Kluft nicht existiert. Ich fühlte Stelleu an, wo das Weib sich unweib-
lich, der Mann weich zeigt. D;)s erstere jedenfalls gibt Scherer zu; schon in
dem ersten Aufsatze sagt er S. 577: Das Ende von MF. 8, 1 — 8 sei, was man
heute „un weiblich" nennen würde. Darauf hat er in seiner Entgegnung S. 153
wieder hingewiesen. Er sagt auch (in Bezug auf 9, 21—28): „Über den Ton
wollen wir doch lieber nicht streiten, wo uns greifbare Gedanken vorliegen
und deren scharfe Betrachtung ausreicht." Wenn es sich um Unterschiede des
Gefühls in zwei Liedern handelt, so ist, dächte ich, der Ton, der in ihnen
klingt, ganz wesentlich. In 8, 16 gibt er, einen „derben Ausdruck" zu, den ich
somit auch unter die Rubrik „unweiblich" werde stellen dürfen. Scherer sagt
zusammenfassend: „Die Richtigkeit meiner Behauptung ist nicht davon abhängig,
daß alle Frauen eine den Männern fremde Seelen Weichheit bewähren, son-
dern nur davon, daß kein Mann diese frauenhafte Empfindung zeigt." Wo
bleibt denn aber die unausfüllbare Kluft, wenn ein Theil sich an den andern
so weit annähern darf? — Es scheint mir doch , sie ist wenigstens von einer
Seite beinahe überbrückt. Nach diesem Zugeständnisse Scherers wird es meines
Erachtens nicht mehr gestattet sein, kritische Schlüsse auf jene Kluft zu bauen.
Es ist mir im Vorstehenden nur um die Wahrheit zu thun gewesen, um
meine Person nur soweit, als meine Ehre von gegnerischer Seite engagiert war.
Ich wäre wahrhaftig froh gewesen, den wissenschaftlichen Streit ohne alle Per-
sönlichkeiten ausfechten zu können ; meine Gegner selbst haben mir diese Mög-
lichkeit genommen. Sie haben es sich und der Unbctheiligte, der so gerne die
widerwärtigen Händel über der Nibelungen Hort geendigt sehen möchte, hat es
ihnen zuzuschreiben, wenn ich die Angreifer hier mit gleichen Waffen zurück-
zuweisen gcnöthigt war.
LEIPZIG, den 13. November 1874. HERMANN FISCHER.
MISCELLEN.
MISCELLEN.
Karajans Bibliothek.
Am 3. Mai d. J. beginnt in Leipzig iu dem Auctionsinstitut der Herren
List und Francke die Versteigerung der von Tli. G. von Karujan hinterlassenen
Bibliothek. Der Katalog derselben umfasst in dem ersten bis jetzt erschienenen
Theile auf 258 Seiten 6822 Nummern. Voran geht ein Lebensabriß des Ver-
storbenen und ein Verzeichniss seiner Schriften. Wir rücken beides hier ein,
die Schriften jedoch nicht iu alphabetischer, sondern chronologischer Folge
und mit Hinzufügung einiger dort ausgelassenen.
Theodor Georg von Karajan, geboren in Wien am 22. Januar 1810,
erhielt seine erste Bildung auf der griechischen Schule und dem Gymnasium
zu Wien, beendete 1828 seine philosophischen Studien an der Hochschule da-
selbst und trat 1829 in den Staatsdienst und zwar in die Kanzlei des da-
maligen Hofkriegsralhcs , aus welcher er aber schon 1832 in das Archiv des
Finanzministeriums übergieng. Bei seiner großen Vorliebe für das geschichtliche
Studium, und zwar zunächst aus den Quellen, erfuhr er sehr bald, daß zum
richtigen Verstäudniss derselben die genaue Keuntniss der altdeutschen Sprache
nöthig sei. Er begann nun mit dem Studium derselben, und der verdiente
Sprachfoi'scher Karl August Hahn war es, der ihn in ihre wissenschaftliche
Behandlung einführte. 1841 an der k. k. Hofbibliothek angestellt, bot sich ihm
reiche Gelegenheit dar, seinen historischen und sprach historischen Neigungen
mit nachhaltigem Erfolge obzuliegen. Im Mai 1848 wurde Karajan in das Frank-
furter Parlament gewählt, in welchem er seinen Sitz im rechten Centrum hatte.
Im Jahre 1850 übernahm er die Professur der deutschen Sprache und Litte-
ratur an der Wiener Universität; da ihm aber die Vereinigung beider Stellen,
an der Hofbibliothek und der Universität, unzulässig erschien, gab er die
erstere auf und las während dreier Semester bis September 1851 über deutsche
Sprache und Litteratur. In seiner Stellung als Professor musste Karajan die
eigenthümliche Erfahrung machen, daß das griechisch nicht-unierte Bekenntniss,
welches das seinige war, ihn nicht vor Vexationen sicherte, welche gei-ade da-
mals, als das Concordat im Entstehen begriffen war, an der Tagesordnung
waren. Karajan mochte keine Verkümmerung in den ihm als k, k. ordent-
lichen Professor zustehenden Rechten ertragen und legte unter solchen Um-
ständen lieber seine Professur nieder, ehe er sich in dem ihm zukommenden
Rechte durch einen Act unverständiger Willkür beeinträclitigen ließ. Karajan
versah die ihm seit 1851 zu Theil gewordene Stelle eines Vicepräsidenten der
kais. Akademie der Wissenschaften; im übrigen lebte er seinen Forschungen,
bis er im October 1854 zum Custos der k. k. Hofbibliothek befördert wurde.
Von 1866 — 1869 war er Präsident der k. k. Akademie der Wissenschaften,
1867 wurde er zum lebenslänglichen Mitglied des österreichischen Herreuhauses
und 1870 zum k. k. ßegierungsrath und zweiten Vorstand der k. k. Hofbiblio-
thek in Wien ernannt. Seit Anfang November 1872 schwer erkrankt, erlag er
am 28. April 1873 einem schmerzlichen Leberleiden.
224 MISCELLEN.
1839. Friihlingsgabe für Freunde älterer Literatur. Wieu.
Voa den sieben Slafaeren. Gedicht des XIII. Jahrhunderts. Heidelberg.
1841. Ulrich von Lichtenstein mit Anmerkungen von Th. von Karajan heraus-
gegeben von K. Lachmann. Berlin.
1842. Der Schatzgräber herausg. von Th. v. Karajan. Leipzig. (Neue Titel-
Ausgabe der „Frühlingsgabe".)
1843. Michael Beheims Buch von den Wienern. 1462 — 1465. Herausg. von
Th. G. V. Karajan. Wien (Neue Titel-Auflage 1867.)
1844. Seifried Helbling herausg. von Th. G. von K. Leipzig. (Separatabdruck aus
der Zeitschrift für deutsches Alterthum.)
1846. Deutsche Sprachdenkmale des XII. Jahrhs. Mit 32 Bildern und 1 Fac-
simile. Wien.
1849. W. Schmelzl, ein Lobspruch der Stadt Wien, welche wider den Tyrannen
u. s. w., beschrieben im 1548 Jahr. Nach dem einzigen bekannten Exem-
plar im Besitz Karajans von demselben herausgegeben. Wien.
Quellen und Forschungen zur vaterländischen Geschichte, Literatur und
Kunst, von Th. v. Karajan, Firnhaber, Birk u. s. w. Mit 7 Kunstbei-
lagen. Wien. Darin : Zehn Gedichte M. Beheims zur Geschichte Österreichs
und Ungarns. Herausg. von Th . G. v. Karajan.
Eyn kurtzweylig Predige Dr. Schmoßmanns herausgeg. v. M. Haupt u. A.
1850. Mittelhochdeutsche Grammatik. I. Laut- und Flexionslehre. Wien.
Hartmann von Aue, der arme Heinrich. Herausgegeben von Th. G. von
K. Wien.
Gedanken über den Unterricht in der deutschen Sprache und in ihrer
Geschichte an unseren Gymnasien. Wien. (Separatabdruck.)
Zur Geschichte des Concils von Lyon 1245. Wien (Separatabdruck.)
1851. Über zwei Gedichte Walthers von der Vogelweide. Wien.
Capinianae strenae. Die Erbhuldigung 1520, der Landtag zu Brück 1519.
Aus der Handschr. M. Capiuis herausgegeben. Wien.
Fastnacht-Predigt, eine kurtzweilige, vom Doctor Schwärmen zu Hummels-
hagen etc. Wien.
1854. Über zwei Bruchstücke eines deutschen Gedichtes aus dem XIIL Jahrh.
Wien 1854.
Heinrich der Teichuer. Ein Vortrag. Wien.
Über eine bisher unerklärte fgothische) Inschrift. Mit Anhang und Nach-
schrift. Wien.
1855. Über Heinrich den Teichner. Wien.
1858. Zwei bisher unbekannte Sprachdenkmale aus heidnischer Zeit. Mit 1
Schrifttafel. Wien.
Maximilian I geheimes Jagdbuch und von den Zeichen des Hirsches.
Herausgegeben von K. Mit Illustrationen. Wien.
1861. J. Haydn in London 1791 und 1792. Wien.
— — Aus Metastasio's Hofleben. Wien.
1863. Die alte Kaiserburg zu Wien vor dem J. 1500. Wien.
1866. Über eine Lebensgeschichte Pater Abrahams a. S. Clara. Vortrag.
1867. Abraham a Saucta Clara. Wien.
1868. Procession, so die Hispanier am 15. Aufjusti 1554 bei den Barfusern
zu Wien gehalten haben. S. 1. 1554. Wien.
1870. Seifricd Helbling und Ottacker von Steiermark. Wien.
MISCELLEN. 1 25
Den Schluß des Kataloges bilden „Handschriften", meist Abschriften mittel-
hochdeutscher Dichtungen. Ich bemerke darunter Der werden mynne 1er, Ge-
dicht aus einer Papierhandschrift der Lobkowitzischen Bibliothek in Prag aus
dem 15. Jahrh. 84 S. , doch wohl das Gedicht Heinzelins von Constanz in
einer von Pfeiffer zu seiner Ausgabe nicht benutzten Handschrift; Enenkels
Weltchronik, Copie der Neresheimer Handschrift; Friedrich von Schwaben aus
einer Handschrift der Wiener Hofbibliothek; Gedichte und Erzählungen von
dem Stricker, Abschrift des Wiener Codex 2705; ebenso der Melker Hand-
schrift Strickerscher Gedichte; Ottackers Chronik nach der Wiener Hs. 3040 u. a.
Gesellschaft für Herausgabe altfranzösischer Texte.
Das nachstehende Programm einer in Paris in Bildung begriffenen Ge-
sellschaft, die sich die Aufgabe stellt Denkmäler der altfranzösischen Litter atur
in kritischer Weise zu veröffentlichen, wird für die Leser der Germania von
solchem Interesse sein, daß sie für dessen vollständige Mittheilung mir Dank
wissen werden. Daß dem Unternehmen, welches unter den günstigsten Anspielen
ins Leben tritt, der beste Erfolg zur Seite stehen möge , diesen Wunsch wird
mit mir Jeder theilen, der den Werth und die Bedeutung der auch für uns
so wichtigen altfranzösischen Litteratur würdigt.
Soci^td des anciens textes francais.
La Soci^te que nous fondons se propose de publier des monuments de
nolre ancienne langue et de notre ancienne litterature. Ces monuments, pour
la plupart, gisent eucor inedits, souvent inconnus, dans nos archives et dans
nos bibliotheques, expos^s ä toutes les chances de destruction. II est vrai que
depuis le siecle dernier on a commenc^ a mettre au jour quelques-uns de nos
vieux textes, et qu'il se passe peu d'annees sans qu'il en paraisse encore ; mais
ces publications sont peu de chose si on les compare k l'immensite du fonds
qui reste k exploiter. D'ailleurs beaucoup d'entre elles, executdes par des ama-
teurs mal prepares, ne repondent en aucune fa^on aux exigences de la science.
Enfin, surtout depuis quelques annees, la plupart se fönt hors de chez nous,
en AUemagne, en Belgique, en Angleterre. Cet dtat de choses est regrettable:
nous convions tous ceux qui le pensent comme nous k nous aider dans l'ceuvre
que nous allons entreprendre.
Les anciens textes francais et proven9aux ont une trij^le importance, sui-
vant qu'on les cousidere comme servant h Thistoire de la langue, de la litte-
rature, ou de la nation elle-meme. Ce dernier point de vue est peut-etre celui
qui a le moins attire l'attention: on s'est enquis des faits de notre histoire, et
c est ce qui a fait mettre au jour un nombre considerable de nos anciennes
chroniques; mais Thistoire des idees, des sentiments, des mceurs de nos ancetres
a ^te bien plus n^gügee. Elle est tout eutiere dans ces innombrables ouvrages
qui, du XIF siecle au XVF, ont charme toutes les classes de la societe fran-
§aise, soit qu'ils en exprimassent l'ideal, soit qu'ils en refletassent la vie. La
religion, les institutions, le droit, la fatnille, l'education, la soci(5te, la guerre,
le commerce, Tindustrie, l'art du moyen äge ne redeviendront comprdhensibles
et vivants pour nous que quand les documents de tout genre, mis en grand
120 MISCELLEN.
nombre k la portee des travailleurs , auront ^t^ rapproche's, analyses et inter-
pretes.
Quant ä l'histoire de notre langue, cette expression essentielle de notre
nationalitd, eile est, faute de textes, ä peine ^bauchäe. Faire revivre les aiicieus
dinlectes et les rattacher aux patois modernes, suivre dans son elaboration et
daiis son ddveloppotnent la langue litteraire, teile est la täcbe immense qui
s'impose au pliilologue. II ose k peine aujourd'hui en aborder quelque partie,
silr que merae en ne restreignant il n'atti indra qiie des resultats provisoires.
Et cependant les moyens d'information abondent. A partir du XIIF siede, di-jä
plus anciennement sur quelques points isoles, les dialectes vulgaires ont et^
employes ä la r«5daction des actes prives et publics; les oeuvres litteraires, qui
apparaissent des le IX* siecle, pullulent ä partir du Xir. Un glossaire de la
lange d'oil et de la langue d'oc, une grammaire comparde des dialectes fran9ais
et proven^aux, enfin , cette oeuvre magnifique, une histoire de la langue fran-
caise, ne pourront etre executes d'une mani^re satisfaisante que quand des
dditions faites avec sein et critique auront mis le savant en mesure de con-
naitre et de classer toutes ces richesses dont l'existence ne fait aujourd'hui que
le decourager.
Mais l'int^ret littäraire domine peut-etre les deux autres. Sans parier du
mdrite et du cbarme si divers des productions du vieux g<^nie fr:in9ais, elles
ont une importance capitale pour l'histoire des litteratures modernes. Ces litte-
ratures, on le sait maintenant ä n'en pas douter, ont la notre pour mere. Au
Nord, la grande poesie epique,- la plus vraiment nationale que uous ayons jamais
possedee, puis les compositions romanesques näes dans une societe dejä. raffiuee
et brillante, plus tard les eontes, les oeuvres didactiques, enfin le drame reli-
gieux et populaire, ont suscite tout autour de nous des imitations d'abord ser-
viles, puis de plus en plus libres, gräce auxqueiles les peuples voisins sont
arrives k leur tour ä produire des oeuvres originales. Au Midi, c'est la poesie
lyrique, qui, eveillee la premiere apres un silence de six siecles, a passe de
bouche en bouche d'abord ä nos trouveres, puis aux poetes de l'Espagne et
du Portugal , aux mivnesinger allemands , aux chantres Italiens , precurseurs de
Dante et de Petrarque. Aussi la littdrature fran^aise du moyeu äge est eile
en quelque sort le patrimoine commun de l'Europe, car toutes les nations de
l'Europe la retrouvent ä la base de la leur. Partout on publie les traductions,
les imitations de nos poemes, de nos romans, de nos chausons, de nos mys-
teres; et combien de fois n'avons-nous pas ä rougir en lisant dans la prdface
de r^diteur anglais , Italien, allemand, hollandais, suedois ou norvegien, qu'il
n'a pu comparer 1' oeuvre qu'il imprime ä l'original francais, parce que celui-ci
est inedit! Aussi se däcident-ils h venir aux frais de leurs gouvernements copier
sous nos yeux, dans nos bibliotheques, pour les imprimer dans leurs pays, ces
manuscrits que nous gardons, mais que nous semblons mdpriser. A tous ces
ouvriers du dt'hors qui Iravaillent dans notre vigne, nous ne devons que des re-
merciments: mais il est grandement temps, croyons nous, de les dispenser de
leur obligeant concours et de faire la vendange nous-memes.
II est un dernier point de vue sur lequel nous appellerons l'attention,
c'est la valfur de notre ancienne littdrature pour l'dducation nationale. Nous
ne parlons pas seulement de l'instruction qui se donne dans nos Colleges: les
Allemands associent dans leurs gymnases l'etude de leur potJsie du moyeu age
MISCELLEN. 127
ä Celle des oeuvres antiques; chez nous aussi, croyons-nous , il y aurait tout
avantage h faire lire ä la jeunesse Joinville et la Chansons de Roland ä cote
d'Heiodote et de Vlliade. Mais pour tout le monde il y a un grand interet ä.
connaitre ce qu'a ^te pendant six siicies la vie intellectuelle et morale de la
France: aussi ue craindrons nous pas, ä cote de simples reproductions, de joindre
ä uos volumes des introductions, des commectaires, des glossaires, des traduc-
tions meme, qui mettront ä la portee de tous le plaisir et le profit que cou-
tiennent ces vieux livres.
Ce sont ces considerations et ces sentiments qui nous ont ddcid^s ä
fonder la Societd des anciens textes. Nous pensons qu'il n'est pas d'ceuvre plus
vraiment nationale que celle ä laquelle nous voulons nous consacrer. Nous
faisons appel pour nous aider nou-seulement k tous ceux qui s'interessent k
l'histoire des langues et des litteratures romanes, mais encore ä tous ceux qui
aiment la France de tous les temps, ä tous ceux qui croient qu'un peuple qui
ignore son passe prepare mal son avenir, ä. tous ceux qui savent que la con-
science nationale n'est pleine et vivante que si eile relie dans un sentiment
profond de solidarite les gen^rations presentes ä Celles qui se sont eteintes.
Pour reussir, notre oeuvre a besoiu de puissants encouragements: nous avons
la confiance qu'ils ne nous manqueront pas. Nous avons fixe k une somme peu
dlevee le chifire de la cotisation; nous avons abaiss^ encore celui de la coti-
sation perpetuelle, parce que nous ne nous adressons pas seulement aux eru-
dits ou aux riches , parce que nous voudrions que tous pussent participer ä
notre eutreprise. Mais les cotisations, si nombreuses qu'elles soient, nous per-
mettront difficilement d'atteindre le but que nous visons, c'est-ä-dire de publier
beaucoup, bien et ä bon marcM. Nous esperous que des donations plus impor-
tantes nous aideront k realiser une pensde qui, surtout au moment präsent,
doit rencontrer de nombreuses sympathies.
Les jiublications de la Societe seront in-octavo; chaque volume sera re-
vetu d'un elegant cartonnage. Le nombre des volumes publies annuellement
sera ddterminä par les ressources de la Socidte. Les ouvrages dont nous pou-
vons des ä present promettre la publication prochaine sont, entre autres:
Aiol, chanson de geste; la Bataille de Roncevaux (texte rajeuni de la Clianson
de Roland); — Tristan; — ffiuvres de Crestien de Troyes; — Le roman de Bermus;
— Le roman des Sejjt Sages; — Girai't de Roussillon; — Chansons du roi de Na-
varie; — Chronique de Jehan le Bei; — Recueil de mysteres ou miracles de la
Vierge; — Recueil general des farces ; — Le mystere de la Passion en provencjal; —
Chansons populaires du XV*^ siecle; — Contes de Philippe de Vigneulles, etc., etc.
La cotisation est fixee k 25 francs par an. On peut racheter sa coti-
sation annuelle pour la duree de sa vie en payant une somme de 250 francs.
— On pourra souscrire aux publications sur grand papier moyennant 50 francs
par an ou 500 francs une fois payäs. - — Les membres qui verseront une somrae
de 500 francs au moins recevront le titre de membres fondateurs et figureront
en tete de la liste des membres. — Les membres qui verseront une somme de
250 francs auront le titre de membres perpetuels et figureront sur la liste apres
les membres fondateurs.
Independaminent de la cotisation, cbaque membre nouveau admis dans la
Societe aura k acquitter un droit d'entree de 10 francs. Les trois cents premiers
souscripteurs seront exemptes de ce droit. Ce droit est personuel et ne varie
pas quaud uu meme membre souscrit k plusieurs exemplaires.
128 MISCELLEN.
Le bureau de la Socidte est composd de:
MM. Paulin Paris, membre de l'Institut, president]
Natalis de Wailly, membre de l'Institut, vice-prdsident ;
Marquis de Queux de Saint- Hilaire, administrateur ;
Paul Meyer, charge du cours de langues romanes ä 1 Ecole
des Cliartes, secritaire;
Baron James E. de Rothschild, trhorier\
L'^diteur de la Societd est M. Ambroise Firmin-Di dot.
Les adherents sont pries d'öcrire ä M. Paul Meyer, 99, rue de la Tour,
Passy-Paris. Dfes que la Societd aura recueilli un nombre suifisant d'adhesioiis,
le bureau provoquera une reunion generale, ä laquelle on soumettra les Statuts
de la Societe.
Nachtrag zu Germania XVIII, 456.
[Brief an F. Liebrecht.] Ihre Anfrage in der Germania XVIII, 456, die
AschgeberstraCse in Stettin betreffend, kann ich dahin beantworten, daß die von
Ihnen ausgesprochene Vermuthung über die Herkunft dieses Namens richtig ist.
Ich selbst habe von 1861 — 67 in amtlicher Stellung in Stettin gelebt und kenne
daher die betreffende Ortlichkeit genau. Die Aschgeberstraße ist in der That
eine enge Straße, wenn auch nicht so eng wie die Breslauer. Die Häuserreihe
der einen Seite hat diese Front: I so daß ersichtlich die Straße früher noch
enger gewesen ist. Die ganze" Straße ist zwischen dem Roßmarkt und der großen
(kleinen?) Domstraße, die sie in schräger Richtung verbindet, gleichsam einge-
klemmt. Es ist mir außerdem von einem Stettiner, wenn ich nicht irre, dem
damals schon hochbetagten, jetzt wohl lange verstorbenen Restaurateur Kunowsky,
bei dem ich zu Mittag aß, positiv versichert worden, die Straße habe früher
Arschkerbenstraße geheißen. Dieselbe Bewandtniss wird es jedenfalls auch mit
der Straße in Resral haben.
HANNOVER. Dr. CARL PAULI.
Personalnotizen.
Professor Dr. Theodor Aufrecht in Edinburg hat einen Ruf als Pro-
fessor des Sanskrit und der Sprachvergleichung an die Universität Bonn erhalten
und angenommen; ebenso folgt Professor Dr. Ernst Windisch in Heidelberg
zu Michaelis d. J. einem gleichen Rufe an die Universität Straßburg.
Dr. Hermann Suchier, der im Herbste v. J. seine Stellung als außer-
ordentlicher Professor an der Universität Zürich angetreten hatte, geht Ostern
d. J. als Ordinarius nach Münster.
Dr. E. Wülcker, bisher am Stadtarchiv zu Frankfurt a. M., hat die
erste Secretärstelle am Haupt- und Staats-Archive zu Weimar erhalten.
Dr. Erich Schmidt hat sich für neuere deutsche Litteratur an der Uni-
versität Würzburg habilitiert.
Professor Rudolf von Raum er in Erlangen hat vom preußischen Mini-
sterium der Unterrichtsai)gelegenheiten die Aufforderung erhalten, zur Anbahnung
einer größeren Gleichmäßigkeit in der deutschen Orthographie zunächst im Be-
reich der höheren Schulen Deutschlands eine grundlegende Schrift auszuarbeiten.
ALTHOCHDEUTSCHE GLOSSEN,
Die nachfolgenden Glossen zu Sedulius Carmen paschale und Pros-
pers epigrammata habe ich einem ursprünglich dem monasterio s.
Jacobi zu Lüttich gehörigen Codex entnommen. Theodor Poelmann hatte
ihn, wie ich vermuthe, von den Mönchen jenes Klosters entlehnt*).
Er benutzte ihn zu seinen Ausgaben des Statius und des Lucanus, wie
der Index der von ihm benutzten Handschriften zeigt. Die Stücke des
Statius sind im Anfange des XIV. Jahrhunderts geschrieben, die des
Lucanus am Ende des XIL oder zu Anfange des XIII. Zwischen beiden
stehen Sedulius und Prosper, welche dem Ende des X. oder Anfang
des XI. Jahrhunderts angehören. Prospers Epigrammata und die Verse
des Andreas orator gab er aus diesem Codex heraus. Leider hat Poel-
mann, wie in anderen Codices, so auch in diesem vielfach die ursprüng-
liche Lesart ausradiert und die anderer Handschriften oder seine eigenen
Conjecturen an deren Stelle gesetzt.
Zu Sedulius hat Hattemer (St. Gallens altdeutsche Sprachschcätze
Bd. L p. 276 — 277 u. p. 282) ein paar Glossen ediert; zu Prosper sind
keine veröffentlicht. In Graffs althochdeutschem Sprachschatze finden
sich hier und da einige aus beiden angeführt.
Die deutschen Glossen zu Arator, welche Graff in seiner Diu-
tiska Bd. III p. 43.5 aus der Handschrift Nr. 17 der Dombibliothek
zu Trier veröffentlicht hat, gebe ich berichtigt und vermehrt.
Zu des Avianus Fabeln waren bisher meines Wissens keine Glossen
bekannt; sie werden daher um so willkommener sein.
Zu Boethius hat Graff im II, Bande seiner Diutiska viele Glossen
veröffentlicht; gleichwohl werden die wenigen, welche ich bieten kann,
von Nutzen sein.
Zu Arator hat Graff Bd. III p. 433 sqq. manche Glossen heraus-
gegeben, die unsrigen sind aber an Umfang wie Werth viel bedeu-
tender.
*) Diese Handschrift ist jetzt Eigenthnm des Herrn Moretns und befindet sich
im sogenannten Plantin'schen Hause zu Antwerpen. Man hat sie auf mein Auratlien in
drei zerlegt, da die Miniaturen im Sedulius zuviel litten; Sedulius und Prosper bilden
eine Handschrift; Statius die zweite, Lucanus die dritte.
GERMANIA. Neue Reihe VIII. (XX.) Jahrg. 9
130
NOLTE
Zu Prudentius hat Graff 1. 1. Bd. II sehr umfangreiche Grlossen
veröffentlicht; indessen findet sich die Mehrzahl der unserigen bei
ihm nicht; auch von den durch E. Steinmeyer (Haupts Zeitschrift XVI)
gesammelten weichen sie vielfach ab.
Die Glossen zu Avianus, Boethius, Arator und Prudentius habe ich
aus der Handschrift 1393 (Standnummer 1464) der Trierer Stadtbi-
bliothek abgeschrieben, welche zur Zeit Kaiser Heinrichs III. copiert
wurde. In dieser Handschrift fol. maxim. steht Prudentius fol. 1 rect.
init. — 114 vers. fin., einzelne Blätter sind jedoch zweimal oder drei-
mal mit derselben Ziffer bezeichnet.
I. Zu Sedulius c
Epistol. ad Maced.
obiurges utpote qui, über qui steht
kidfr ').
parvi fomitis nutrimentum , am
äußeren Rande cinselunga.
muti tenacitate silentii, aragi.
non supervacue sicut didicisti, upiga.
aquila super nubes elevata pervo-
litat^ suueuoft.
saepe belliger miles armis. cuono.
Prolog.
9 doctorum (philosophorum glos.)
vescere coenis (libris gl.); über
vescere steht commed (e oder
vielmehr ere ist hier ausradiert;
lies: commedei u. daneben unp,
in dem vermuthlich die hier er-
forderliche Form von inpizan (in-
piz) steckt.
Carm. Pasch, lib. I.
47 confiuia. glmfrkf. ")
91 marcebant (arebant) uueleche
dun'»).
armen Paschale.
94 praecordia. hfrz bthrpn.
167 inlaesam. ongedarida'*).
217 Camino, dxfntfm.
220 rictusque. gknfzxngb^).
232 caecatis. frphkntfn^).
lib. II,
vs. 7 noxia. scxldkhc.
24 acerbis (acidis, inmaturis,
duris). sfrfn.
58 pannis. Ixthrxn.
81 halens'^). zelens^).
104 In patriam hfkmb . .
115 stimulatus (instigatus). er-
gremit.
121 nefas (scelus). infkndbt^).
124 secuit. crazota.
227 Sanguis alat (uutrit, lies :
nutriat). fxrftrfgkt.
lib. III,
108 Singultu. gischezunga.
110 matura (nubilis). hkbfrkc.
111 occidit (cecidit). fntfkl.
116 inundantem. durahlofente.
") Wohl verschrieben für khdfr = ih der. ^) 1 ist Fehler, es muß f oder
k sein. ') u nach d über der Zeile; a ist im Te.xte ausradiert. ■*) nach r
Rasur eines Buchstaben; a am Ende ist auch vom Corrector. ^) b kaum sichtbar.
*) h muß 1 sein. ') aus habens verbessert; h steht auf Rasur; lies alens.
*) ob für zilenti ^^ moliens? ^) 1. mfkndbt = meindat.
ALTHOCHDELTTSCHE GLOSSEN.
131
125 Daranavit. fersluog.
127 fidele. gftrxxxl.
165 Sumpsisti ^). minis (1. nimis).
— gratis, tbnckfst.
193 progressus. zuarukkent.
202 juges. samanhaft.
Lib. IV,
221 extorsit. uzeruuant.
294 frementis. brechesendes.
295 equi faleris. osses (rosses?)
thes gereides.
— ostro (purpura). bitthero.
297 lento. baudero.
— gestamine. dragongon.
lib. V,
33 Prodidit. meldoda.
37 Esuriant sitiantque anira^ sine
labe fideles;
38 Protinus in .Tu dam, sedes ubi
livor habebat. Diesen Versen
gegenüber steht am äußeren
Rande la (der erste Theil des
Wortes ist durch Beschneidung
des Blattes verloren gegangen)
unret.
4 Pactus; am äußeren Rande
steht kfdkngb.
— grande. magende.
43 numisraata. muuiza.
62 Praevius. uorovuicgigo.
— comitaris, samansindis.
— über signifer steht gunt; über
enses steht anere, vor a ein
Buchstabe abgeblasst; 1. gunt-
uanere.
65 prodis. meldos.
68 truculenta. thia grimm on.
— lupus. uuolp.
— porrigit. ne reichod.
103 alapis. handslagoda-).
122 demersa (parata)securis.bnbgf
slbgbn"^).
257 liquor. kfluzzida'*) lid.
258 (h)orrendum. sxrfz.
287 violat. aruuarda.
308 armate. vuezzent.
— signate. bisiglint.
310 cardine rer. skfrdrf.
IL Zu Prosperi Aquit. episcopi Rheg. etc. epigrammaton
1 i b e r.
X delicias fastidire. curlustan.
Praef.
3 decerpere. aua nuppan.
Epigr.
IV, 4 spacium. Frist.
11 ira. zorne.
V, 1 ira. zorni.
Villi, 4 gloria. ru::ni:Hs = l.
XI, 3 spernunt. entuuerdont.
XIIII anima. upnhuui.
XVII inlecebrosa (voluptuosa). gi-
Ivistin.
XXVII eruditus. gizogener.
XXVI III mali2:nitatis. ubiliuullisrin.
') ß fügte eine andere alte Hand am Ende bei. ') Auf Rasur u. go über der
Zeile. ^) Zwiseben den Endbucbstaben b und n ist a ausradiert; der Al>sclireiber
dachte nicht daran, dali b für a schon von ihm geschrieben war. ') -= kkfl. = kifl.?
9*
132
NOLTE
XXXVI proficit. frani thihiz ').
XXXVII infinitas (interminabili-
tas). uneudigi.
incommutabili. unueruuandeli-
chemo.
XXXVIII dimitte nobis. uerlazuns.
ignoscit. fargibit.
— 4 prospiciunt. furiscouont.
— 6 conditione. gisceppi.
XXXVIIII quod sibi prosit, daz
mobidersusi ^).
quo servus indiget. indedemo.
— 3 augetur. am äußeren Rande:
uuirdit furdrit^).
XXXX quae suis (propriis) qui-
buscumque. thie.
XXXXII inpunitas. unengdani.
XXXXVII cupit ex iudicio dei.
gilate.
LIII examen. rsu : : chith : *).
LX. 8 Et t. obl. succubuisse bono.
kfxxchbn (= keuuiehan).
(69) LXVIII, 3 Devexa (inclinata
deorsum). uohalder^).
(73) LXXII, 3 Laudet. louet.
8 Ante. her.
(74) LXXm Remedia. thie leh-
duoma.
(76) LXXV virginiras. magetheit.
(78) LXXVII, l dives. rieho.
7 damnis. prfstxngpn.
(82) LXXXI dissimilitudo. xngk-
Ikchk.
11 dissimilis. ::ngl.eh;.r.
(86) LXXXV, 5 velit. uu=il-.
(93) LXXXXII, 6 hospes (hospes
dicitur qui suscipit et qui sus-
cipitur glos.). knbxps.
(94) LXXXXin, 1 concretum.
gkuubhsf.
Die römischen Ziffern bezeichnen die Nummer der von Theodorus
Poelmannus besorgten, bei Plantin 1560 zu Antwerpen gedruckten Aus-
gabe des Prosper, in der jedoch die sententiae Augustini nicht abge-
druckt sind. Die vor den römischen stehenden Ziffern beziehen sich
auf die Pariser Ausgabe der Mauriner. Übiügens gab Poebnannus die
Epigrammata aus dieser von uns benutzten Handschrift heraus.
m. Glossen zu Arators Actus apostolorum.
In unserer Handschrift steht Arators Werk auf fol. 198 vers.
— fol. 231 rect. ante fin.
17 virtus. knehtheit.
20 gymnasii. spilstat^).
23 im E von ergo sidez.
retiuens. beauinde.
24 iuvat (delectari faciat vel dulce
faciat). geliubit.
init.
I. Epistul. ad. Florianum.
8 fluit. trouf.
9 grandiloquos. hohsprachen.
10 modo (secundum modum). sk*®
(= Site).
12 studiis. dinemo lesene.
*) Ob iz oder ez die Endsilbe geschrieben ist, kann man nicht sehen. ^) daz
mo biderui si? ^) d aus t verbessert. *) 1. ursuochithi. ^) a von der-
selben Hand über o beigefügt. ^) i nur u, der erste Strich ist in s verändert
oder durchgestrichen.
ALTHOCHDEUTSCHE GLOSSEN.
I3r,
Am äußeren Rande steht zwischen den Schollen zu documenta
vs. 3 u. natura vs. 11 gegenüber vs. 11 u. 12: Frigo, gis id est herstu,
Preteritum frixi. Infrictula pannecuocho. Frico, cas. Preteritum fricui
ribun.
IL Epistula ad Vigilium.
1 Undosis. uuazarluot *).
11 caulas (stationes ovium) id est
fxxkst.
12 statione (quiete) soli^ daneben
herdes, estriches.
20 historiam. gedanasacha.
III. De actibus apostolorum.
Liber I.
27 progreditur. huob steih.
31 coramendat. gelebut.
82 negotia. dinc.
87 retractans (cogitans). Bedfu-
kindi.
90 elapsus. Neben elapsus am
äußeren Rande Gespoup aller.
95 modo, mitthun.
113 laterum. halbum.
116 circumtulit. umbevareta.
120 stemma (corona). cierada.
150 liquorem (vinum). lid.
157 substantia. xxfsbndk.
184 portitor. tregil.
195 Natui'^ percussit iter. fersluog;
am äußeren Rande steht frbm
cunfge.
212 Divitiasque metit locuples; am
äußeren Rande steht liebit
ongenugaz.
219 fönte (origine). Ursprknge.
225 inexpertum (iucognitum). Un-
aruundan u. am inneren Rande
steht neben studio meditemur
inani. daz ernecan.
245 cum strage, uece helcidu. di-
minutione LaMi.
247 Respice. hera sich.
253 veua. ida.
257 convixere (reuixerunt, solidati
sunt, conqualescebant). erque-
keduni (= erquekedun).
260 incessus. gang.
264 figuram (membrorum; for-
mam). gfschat (= geschaft).
286 Nee peram. chulon, tascun.
302 Fert (cupit, habere vult). ge-
trupgsih.
305 indice. Sbgfre.
331 olivas. Oliberi.
332 uva. Uuinberi.
338 animata. selal hafdu (= sela-
hafdu).
351 Impetus (furor). Drati. gahi.
357 queat memorare Uuernumugk.
362 lacrimosa piaeula. über lacri-
mosa steht manda.
369 lolio. rathn.
392 damna. Prfstxngp.
401 deterit (ledit; pecores f'acit).
Nigeuuirserot,
404 mente sagaci. Spurilinemo.
Clouuuemo.
421 quando. Uuane.
428 über cautio verbi (vel voti)
8teht institutio. bemenida
') Zwischen a und z ist Rasnr von v; am Ende scheint mir t zu stehen, oder
der erste Zug eines m, dann folgt eine schlechte abgeschabte Stelle von 2 Buchstaben.
134
NOLTE
435 conclusitquc. besloz.
439 arma. Uueri.
450 sacrilega. Uuerdanero (1. uerd.)
453 decorem (deitatem). frambari
459 O mihi si cursus (oportunitas
fart) facundior ora moveret
am äußeren Rande steht: Obe
mir der munt uuola hortk.
481 Exciite (move), Petre, gradus
(gressus tuos) ; tecura medicina
salutisAmbulat. Auf dem inne-
ren Rande steht Gang, dann
folgt an, wenn ich recht sehe;
dann sind wohl 6 — 7 — 9 Buch-
staben ganz verwischt; dann
hNgang ist fruma.
484 Si properas. zuogast.
485 simul. samant.
486 Im Scholion zu dieserä Verse :
Dum saltim primus quilibet
proclamando sanatur etc. steht
über primus der heristo.
493 Aridus (modicus). dünne.
497 figuram (formam). Gedbt. Ge-
scaft.
515 zelo. zorne.
518 sarcula. Getisart.
519 Volumina (densitates). Uuar-
hunga (1. hwarbunga),
524 crepidine (saxo). Uehaldi.
526 fallax. trugenara.
529 vicim. per vices (herton), com-
mutatim.
548 cavernis. hrefte^).
552 Jura. Gesecida.
— Ministerii. des dionestes ^).
553
559
574
579
586
594
599
602
620
634
635
639
652
671
677
701
702
706
737
741
■'') statuere. sezthon iro ambat.
Non patitur mensura via. Id
est: brevitas, inquit, metri
longam exigit disputationem.
Nam metrum districtior res est
quam prosa. Beduungan.
sagine (pinguedinis). Mesti.
abstractus (expulsus). uzfer-
stozan"*).
Emicat. Uzserac,
limpshata (bachata et insa-
niens). debondiu.
fastigia regls (celsa raoenia).
hohen selin.
acta (iaculata). Geuuorfena .
Getribena.
sors. Geburida.
perdite. ferdano.
venale. feili.
quies. requies maramiti (mam-
munti?). Suozi.
sequi. Beuuerban.
innocu^ (simplicis). Unscadeles.
rotas (vagationes). Uuarba.
iam. dog iu.
custodem (thesaurarium). ca-
merari.
quo pignore. Bidemouuetti.
Preuius huic spado est? quo
precedente (crescente^ post
spadonem adveniente^) libido.
daranah chumendero, daranah
farendero.
actus (factus). Gedaner.
texi iuncis palmisque; am
äußeren Rande steht texti und
') steht freilich über lege. ^) nach o ist n ausradiert. ^) Die Glossen
zu 552. 55.3 auf d in inneren Rande. *) s über der Zeile von derselben Hand.
■') Also ist procedente zu lesen, wie auch die Ausgaben haben.
ALTHOCHDEUTSCHE GLOSSEN.
darüber geflohtan mierdan (1.
uuerdan).
747 sinus. uuiti.
748 canit. Besingit ').
749 signat. ceikhinit.
751 species. daz bilidi.
757 vivere ; auf dem inneren Rande
ebenso und darüber uiselen
uuesan.
760 compone. fazzo.
775 iugulantia (dolentia). smer-
zanda.
778 discrimine. ungefuori.
784 poenis. smerzungen.
790 porticibus. Langinnen.
792 modum. derauuis.
— gyro. Unbevangidon.
796 solvens. ferbrechende.
812 texuerant. uuabon.
816 officiis. Mit gebaridun.
819 materia. instrumenta geeuig
und auf dem inneren Rande
instrumenta.gecuig.Machunga.
— sonora (valde sonans). clanio-
sa lutreistili.
830 defleta. Ferclagot. Beuueinot.
841 gremiü. Mammiti.
844 Salus. Genist
856 rectius. retblichor.
878 progreditur (ascendit, proces-
sit). huobsili.
879 torrente. Uuarmdemo.
880 Despiciens. nidarsiente.
904 Quatuor ordinibus (iniciis.
ortin), fierscozzen u. auf dem
inneren Rande fierekkeste.
135
ketat.
905 forma (substantia)
scaft.
— eminet. framsciuzzit. ehonot
sih,
923 apex. hertuom.
924 victus. ubercoborot.
928 ictu. stihehe.
929 maculosus. strirailehter.
930 extinetura (perditum, nuUam
vim Habens), creftelos.
933 munere. cegebo (könnte auch
ergebo gelesen werden).
951 Magna mmes (fortes) die gUG-
ta thegana.
965 Votum (optionem). uuuso.
991 fauce profundi (submersione).
gedinunge.
996 famulante (cedente). keuui-
chantemo.
1002 fama (relatione). saga.
1006 cinxit (circumdedit). Umbi-
uieng.
1027 documenta. kleini.
1048 Ludificante (deludente). dri-
gentemo.
1049 doli(fraudis, delusionis).trgidi
(=r trugidi?).
1054 cedunt. Geuuichent '').
1065 pondera (magnitudinem).
frambare.
Libe^' II.
3 sacravit (benedixitj. Segenota.
6 Pergit (cepit) adire. huopsih.
buritasih.
8 procaci. fravelemo.
ll Im Scliolion nuper. mitthun.
\) n über der Zeile, von derselben Hand. •) h über der Zeile von derselben Hand.
136
NOLTE
19 viam. uart.
— iaculata. gescoz.
— retorquens. widarsciezanten.
27 gressibus. Gengin.
30 didicit. uerstuont.
37 nuper. miththunt.
38 hostem. Barzeu(?).
45 cedens. Uuichenti.
46 vices. uurhsal (1. uuehsal).
51 Per varios modos, Thie mis-
selichen uueson *).
52 venis. idon.
— apertis. entanen.
56 veterem. frambare.
58 innata. Auaburdig.
— disiuncta. Gesceidan,
59 de. uzar.
73 evolvite. bedenkit.
105 precium. tiuri.
120 Linquere. ergeiian.
156 passibus (gressibus). scritiu.
158 ferre. Gehaben.
170 persona vetus. Der alto man.
172 Scholion Adhuc insuetus am-
c
bulandi vacillat scrandot'.
— modo. Mitthut (= raitthunt).
174 serta (coronas llorum). houbi-
bant (1. houbitbant).
180 fusa. gegozzan.
182 Abscisis. erhouuuan.
183 Innocuos. Unscadelih.
190 Vulnere. snite.
196 daranosa. sc§dehaft.
203 vieissira. hertlicho.
220 properantibus. zuoilanten.
249 Qu§ (id est tu) thu der.
253 premi. Gehindrit uuerdan.
— opem. fruma.
258 juris, herticomes.
— omnia. negotia dinc.
274 statuere (decrevere). funton.
280 lux. sconi.
282 progressa. Fergangan.
285 preputia. Fureuuasth.
298 iter (introitum). inuuart.
o07 laxarc. entlazan.
308 hgonibus (fossox'iis). seh.
328 relatus (dictus). Gesageter. Gc-
zalter.
335 gravati. Pesolotiu.
342 habitum (vestes) nitido cora-
ponere (ornai'e) cultu. karuuu
id est auro et lapidibus,
357 redit. xzdfruniribit.
3 76 rea. fertan.
379 natale. Geburte.
— via. fart.
381 Conditione (debita lege) caret.
Nistmo mannes sculdih.
390 Nudus (ab) amore timor (dia-
boli). Nite dardah duroh sine
liubi.
415 ruinam. Anaprast. Clafata.
417 vagatur. uueibeta.
424 In iugulum (suum, in suam
necem) vult ferre manum (su-
am), sed non licet illi. herne-
hanotamo.
433 Blandiloquus. Spanaxxprdpn.
435 ad crimina (sua). ce sinen ubi-
litetin %
436 predo. heneri.
439 fallit (falsum est), trugidinc.
untriuua.
447 Verborum sator. Callere,
452 lolii. rbthn.
') e von derselben Hand = streiche e und setze i.
von derselben Hand.
') 6 in a gebessert
ALTHOCHDEUTSCHE GLOSSEN.
137
456 pr^sidet. heriscot.
460 motionem. Ruorida.
472 raateria. Anazimbri.
488 cessit. geuueih.
491 coiere. gehullun.
507 bimarisque Corinthi. Scholion
auf dem inneren Rande: quia
ex utraque parte alluit mare,
ideo bimaris. Über parte alluit
mare steht: uinhezzerit. ana-
sleit (zu alluit).
512 Instrumenta (virtutes). Geciug.
514 scenifactor (tabernaculorum
compositor). flehtari.
523 argumenta (significationes. da).
Becochiuissi ^) (1. bezechinissi).
530 declinatis (infirmis). Gesuue-
chenten.
532 fovet. Brustit.
536 natalis. Geburdich dag,
552 virtute. crefte.
559 irabres (lesiones). ungeuuideri
u. darüber ungeuuore.
562 ictum. slag.
569 Ulteriora (superiora). sumera.
ferrora.
579 Fundere (emittere). vuerfan.
621 damnorum. Brestungan.
631 sudaria. hubitduoch.
644 preponimus, farebieten.
645 Pervasos. Anageuartat.
653 spectacula (miracula). uundai'.
678 distractio. fercoufida.
679 donatur. Ergeban uuart*^).
680 petit. Uuidareiscot.
— mala debita. Massadati sculti.
681 Creditor. suochenari. Mezor.
705 erimenque foret. Dazu das
Scholion am inneren Rande:
crimen (darüber scult) nobis
deputatur [nobis] ad crimen.
daz uuizat manuusih ze sculdi,
des sulan uuir inkeldan,
710 reposcant. Uuinderreeisken (1.
uuidere eisken).
716 impetus (furor). gfmuoti.
718 vestigia (imagiuem) bilide.
728 fusis. Gegozzenen.
737 Materies, anazimbere.
740 timpana. Liuti. Gehelli.
747 Sacrilego. demo heidenemo.
Am inneren Rande steht vs. 750
gegenüber geuuizida (zi über der
Zeile von derselben Hand) und
vs. 751 calleri, das erstere wird
wohl auf sensu vs. 749 oder rati-
onis 752 sich beziehen, das letztere
auf nudam (sensu nudatam et va-
cuam) serit ore loquelam gehen.
762 coraraisit. Beval.
770 Pendula, hangillun.
— celsa sequi, ufclimban.
814 Ingenio (sensu). Geuuizze.
817 ratione (sensu), keuuizze.
829 meraorare. Gesprechan.
— vale. Gesundida.
841 discursor (discussor andere
Lesart), suochenere.
— reposcit (discutiet^). ersuochit.
') Was da nach significationes bezeichnen soll, ist schwer zu sagen. Ist es un-
vollständig geschrieben anstatt der hier erforderlichen Form von daht? *) Ob
Er = ar oder Fr = fer ist nicht ganz deutlich; doch fordert der Sprachgebrauch das
Erstere. 3) Also wohl reposcet, wie die Ausgaben lesen.
13«
NOLTE
860 ccditc. Uuichet.
861 damnosa. scadehaft.
871 assuescite. Gcuuonet.
882 fluxere(per oculos). flozzcdoii;
auf dem inneren Rande steht
fluxore (emolliti sunt), er-
uueichedun.
886 mulcet (consolatur). loccot.
894 perfecti. durahnutes.
902 canunt (praedicant) besin-
gunt.
913 coeperat. Geuieng.
915 tumultu.cridime (= cradime).
916 Conclamant. Riefon.
934 causas. geburida.
935 facta, geburida.
947 vivere. erkuekan.
952 para. mahadih.
954 rapuere phalanges. liengon
ce den senin uuorton.
956 Ventosa levitate. zorne.
960 clamosa. rufelino.
971 origo (initium, novitas). ide-
niuui; im Scholion recenter.
ideniuues.
972 malis. ubildadin.
973 creat. machot.
977 gesta. geburida.
981 variat. tnistelihit (I. misseli-
hit).
— stimulatus(tactus).bevorder.^)
991 fert (dicit). sbgpt.
refert (negat). Uuid})rsbgpt.
994 causa. Gehurida.
995 dolos. Pisuih.
nefas. meintat.
1000 Sacrilegas. (impias). ferdanon.
1001 Vota. Piheiza.
1002 Imposuere sibi \^cuuiuraue-
runt se; conspiraverunt). Be-
hiezunsih.
1004 pallida (tenebrosa). egislich.
— imago. bilide. Getrehte.
1011 de. uzer.
vicissim. herdicho ^).
1019 monet. lubot.
1021 praevenit (intereepit). Under-
nam.
— maniplis. scar n.
1023 de meritis. tiu kuottatin;
Scholion auf dem inneren
Rande: Poeta: Ex bona pro-
ditione tua glorificaris. ketu-
rit bist.
— honeste. ersamo. Scholion am
äußeren Rande: quia in illa
proditione honeste. cusco. fe-
eisti.
1026 virtus (fides). triuuua.
1027 facinus. Geubiltetin.
1029 causa (negotium), dinc.
1031 Rhetore. redinare.
— fulta (firmata). kesterket. Ge-
uuarnot.
1033 dudum (ex multis annis). Auf
dem inneren Rande steht
Giuuorn, über diesem Worte
u. unter demselben : Giu raane-
goncidon.
1034 docuraenta (sapientiam). uuis-
tuom
modestam (honestam). er-
zama.
1036 dubium. ziuuoligo (1. zuiuo-
ligoj.
^) 1. berorder.
') e über der Zeile von derselben Hand.
ALTHOCHDEUTSCHE GLOSSEN.
139
1038 vago. uppigemo.
— movimus (concitavimus). pe-
zigan. Nergruozoon. (=-ton).
1041 nocentem (obnoxium). scul-
digan.
1042 discrimina (pericula). Unge-
uori.
1051 morentur. keduuelt uuerden.
1055 provoco. Gebannon ; am äuße-
ren Rande steht Ferdingpn
in sina helfa, was wohl zu
appello opem v. 1056 gehört.
1065 venustas fronissci. Cieri.
1067 Solverat. losta.
1069 patentibus.Certanen.Cersprei-
ten.
1071 doli. Besuicha.
1072 incanduit. eruuizeta.
1073 licta (fallax). trugilich. vuan-
kelich,
1074 raoles (magnitudines). keuuel.
1075 abrepte. ercriftimo.
1077 sequas. folgata.
— artis (gubernandi et navi-
gandi peritia). cunste.
1079 Deponunt animos. eruiolon
in iro muoton.
1080 Naufragium. scifsoufe.
1082 clavi. Stiurnagele.
1085 temptare (tractare). handelan.
1086 obruat. Beuuerfe.
1092 Indulsere cibis. Anagdierzon.
anageaftonsih.
1093 causis. Geburidon.
1094 Res. Geburida.
1098 ruina (casus). Misseburi.
1103 Ex preeio. diuri.
1105 discrimen. ungeuore.
1107 fida(fidelis,bona). getruwe ')
1111 Jactur^. uzuurfes.
1112 Desperata. Uerouuan.
1113 Votum (optionem). Uunsc.
1114 usus. Nuzzida. fruma.
1118 nautraga. periclitans. pesuofit;
immersa. sinkonte.
1119 frustrabor (delud ir). Petrogan
uuirdun.
1121 statione. stedi.
1122 solute (fracte). zebrohchenes.
zeruallenes.
1 1 25 noctis (tenebrositatis in mari).
Ungeuuideres.
— aperto. entanero.
1127 lateri (plage), halbo.
1129 solvite (frangite) p. P. ieiunia.
puozant den unger.
1131 Memoranda, keuuahcelich -).
1137 gurgite (profunditate). sinc-
vuage.
1138 convivere. (conve.sci, convi-
vare). Genesan.
1140 Observata legens (ea resig-
nans. imitans). uidarceiche-
nenten.
1141 causis. Geburidon.
1142 Et repetita. widarbilidot.
— levatur. Uferhaban.
1156 nimbis (tempestate). unge-
uuiteren.
1157 Contulerat (collegerat), ce-
samene raspoda.
— sarmenta. spacher.
— fixit. hafta.
1167 agrestia (ferina). wilda.
1172 probant. beuundun.
1175 glacies (algor). cuili^).
') V über der Zeile von derselben Hand. ') 1. keuuahtelich.
dem ersten i ist e von derselben Hand beigefügt d. h. cueli = queli.
') Über
140
NOLTE
1179 Nutrimenta. cinselunga.
1181 inque viccm (invicem, vicis-
sim). hertlicho.
1203 dolos, bisuihca.
1210 verJs. lengicenes.
1211 senio (canitie). Greuue.
1212 cedentibus, forauuichenten.
1215 speciem. Bilide.
— cantat (designat). Meinit.
1217 legens (preteriens et transi-
ens). fureuarente.
1223 tendatur (proteudatur). Ge-
breidet uuerde.
1225 surrexit (excreuit). eruuos.
— corpore, biuange.
1226 cireumtulit. Umbiuuarfta.
1228 fundata. Geuestinot').
— cacumina. herinom (= heri-
tom).
1230 habenas. betani.
1232 honor. hertuom.
1234 arce tyranni. Sezze. hetuome
(= hertuome).
1235 iura poli. himel geuuelde.
1236 contingeret. zuogeuele^ zuo-
getrafe '^).
1239 ortus (nativitas). Geburt.
1246 actus (biua actio). Iro guodi.
1248 voluto (evoluto). ümbeker-
derao.
1249 repetitam. Uuidarzalt.
1250 socialis. geuozlich.
Glossen zu Arators Act. apostolor. aus der Trier Dom-
. band Schrift.
Die ehemalige Handschrift sancti Michaelis in Hildesia, welche
1802 Eigenthura des Paderborner Domdechanten, des Grafen Christoph
von Kesselstatt, ward und von ihm mit anderen Handschriften der Trierer
Dombibliothek vermacht wurde, ist ein Codex miscellaneus. Er enthält
unter anderen Stücken auch Arators Act. apostol. Dieser Theil gehört
dem XI saecul. an. Graff Diutiska Bd. 3 pag. 435 hat aus ihm Glossen
mitgetheilt, welche wir hier vervollständigen und berichtigen.
Epistul. ad Vigilium. 98 foecundat. vuueherhaft^).
12 statione (portu, requie littoris). 100 cuius tuba (vox). chela.
stedit.
lib. I.
28 qua. thar.
ö3 quo. thara.
54 statione (congregatione). vuar-
to.
72 piscatio, vueida.
85 stringens. eruurginte.
104 quem, vuenen.
114 vocat. ladota.
117 iubetur. pifolen uuard.
120 quo (loco). thar.
134 nunc. thar.
170 pulsis. hina (i ist aus e ver-
bessert; nach a ist eine kleine
Rasur) tribene.
') Das erste e aus a verbessert von derselben Hand. ') f aus v ver-
bessert von derselben Hand. ') Graff liest: vuuoberhafti, mir scheint nicht o,
sondern e da za stehen; es i.st kaum noch sichtbar; i findet sich nicht, sondern Graff
hat den unteren Zug des p in ponens des vorhergehenden Vers, welcher hinter t endigt,
für i genommen.
ALTHOCHDEUTSCHE GLOSSEN.
141
173 fus§. allen (vor a ist Rasur
eines Buchstaben, ob es v ist,
kann nicht bestimmt werden).
178 pavidis. peche.
180 tuscare chaos (inficere tene-
bris). peche.
214 sine limite, suntrigi glaube ich
dort zu sehen, nach dem letzten
i ist etwas verwischt.
219 fönte. vrspr(ing ist verwischt)e.
245 cum strage (diminucione , vel
debilitate). mit slahto (nach
ist h ausgekratzt).
257 convixere. ebenlebitun.
285 censuit (iussit). firbot.
295 agmine. gesemi.
311 properata. erhurstiu.
327 sonare. uuird.
— condere. uuir.
335 nata vetusto. errunneniu.
340 ante uidens. eror saher.
341 fierent. uuirtin.
IV. Glossen zu den Fabeln des Avianus.
Diese Fabeln des Avianus stehen in der Handschrift auf fol. 232
rect. ante med. — 240 vers. fin. Die lateinischen Glossen habe ich in
Klammern beigefügt.
p. 4 ed. Froelmer.
vit§ argumenta, cleini.
Fab. I,
1 Rustica (mulier) lantsaza.
7 lustra. legar.
10 consumptis. fersuuieinert ^).
14 iurgia. zorn.
Fab. II,
1 testitudo (limax). snega].
3 conchas (cocleas). Meriselellun
(^== meriscellun).
4 precium (mercedem). Mieda.
6 indignum (indignans Froehner).
Ungesislih.
— gressu. Uigiu.
13 abhominand^. Neutrum absoki-
tum. Nahfeugida^) exose. post
iudicia
h^c documeuta quieti (s aus-
radiert), pigricie.
Fab. III,
1 relisit. strekcht.
I pr
|pr
gan^)
osequi
ocedere
gressu. Frammort
(per transversum
transverso pl. hec devia nate.
transverso. ? uuire gang"*). =
duuiregaug.
Gestade
siste gradus. gressu (gau wohl
:= gang ist ausradiert).
Fab. im,
1 boreas. norduuint.
2 iurgia. strit.
3 inceptum (suum). Beginnunga.
7 circumtonat. chamklot.
Fab. V,
5 exuuvias (spolia). hut.
*) e^ könnte auch o sein ; nicht wohl v, da v sich nur am Anfange der Wörter
findet. Lies: fersuueinten. ^) n ist etwas undeutlich könnte allenfalls ei gelesen
werden. ^) r nach f von derselben Hand über der Zeile, der letzte Strich des zweiten
m ist aus o verbessert. ^) 3 ist Zeichen der Verweisung auf die Zugehörigkeit.
142
NOLTE
Fab. VI,
3 recurrens, lioppezeiite.
4 mulcebat(bIandiendo alloquitur).
zeqlotiu ') (=: zellotiu).
Fab. VII,
15 sensum. Geuuizze.
18 geris. tregist.
Fab. VIII,
14 damna. prestonga.
Fab. Villi,
2 suscipiebat (ambiebat). began.
6 preceps. draitiu.
15 ieiuna. uuchterniu.
Fab. X,
1 caluus eques. der calauuouues-
kiünare ^).
5 spiramiüa. geblasunga.
6 ridiculum. gaman.
7 galeras^). huode.
9 sagax. listiger.
Fab. XI,
1 Eripiens. erlosende.
2 agebat. (inpellebat). Nidertreib.
Fab. XIII,
4 ductor (dux). boch.
Fab. XVI,
11 stridula (sonora) ruzzantiu.
susurro. dozze.
12 debilitate (fragil itate). Uueichi.
18 raotibus. Uuagadon.
ludificata (delusa). Uuiderbillit.
Fab. XVII,
1 torquens. sciezzendo.
2 lustra. legbr.
4 verbere (nervo), senuun.
8 prestrinxitque. Femarta.
10 retenta diu. Getuelitiu.
14 ira. zorn.
15 nulia q. m. convenit (occurrit)
in aggere (via) forma (nullus
horao). Nebequam.
Fab. XVIII,
7 temptare (adgredi). Understan-
dan.
Fab. XVIIII,
1 Horrentes. Uuassen.
dumos. dorna.
Fab. XX,
1 seta (amo = hämo). Uurfangul.
8 fudit. Geleicha.
10 ora (finis). ende.
11 depastum (depastus Froehner).
Gemaster.
Fab. XXI,
1 Parvula p. ales. nahtegala.
4 vicinam. Geburtlicho.
14 petit. Arnut.
Fab. XXII,
11 spem (utilitatem). fruma.
Fab. XXni,
1 referens. tragente.
12 atque eadem retines funera no-
stra manu (tua potestate). De-
fectualiter. Gegangunnissin fru-
ma uuesin.
14 noeuisse. scadaveran.
») q, = q; solche Spielereien mit Buchstaben ünden sich oft; vielfach dienen
sie dazu die letzte Silbe eines Wortes anzuzeigen, damit der Leser nicht die letzte
Silbe oder die letzten Silben eines Wortes zu dem folgenden zieht. '') ii =z strei-
chen. ^) a in 0 gebessert.
ALTHOCHDEUTSCHE GLOSSEN.
143
Fab. XXIIII,
9 graves. zornege.
13 sollertia (ingenium). cleini.
16 rabidis (terribilibus). Fiantli
ehem.
Fab. XXVI,
3 preruptis(excelsis). stechchelen.
Fab. XXVII,
2 fundo. bodome.
6 calliditate dolos. Uncusti.
8 potaudi. drinchines.
iO explicuisset (peregisset). Gefru-
mete.
Fab. XXVIII,
3 succidens. abasegende.
7 themo. Grindil.
10 vacua (cavo). holemo.
15 exemplum. liornzeichan.
Fab. XXVim,
7 sinrnl (statim). sar.
15 cratera. scala.
19 hospes. de uuirt.
Fab. XXX,
5 rursus in excepti deprehensus
crimine campi. hiban gedanes.
Fab. XXXII,
1 Herentem. haftenden.
iurgite (= gurgite). lachchun.
axem. Uuagane.
4 rebus (casibus). Misseburi.
resideret (hesisset). Gebeidedi.
Getualti.
Fab. XXXIIII,
1 passus. Eruuordsenun.
10 propriis laribus. Gesuuasin.
Fab. XXXV,
1 profundens. Geuuerpende.
13 mox quoque dilecti succedit
(natus)in<)SCulafratris.inamoris
vicem. liubi.
16 spes. (fors Froehner). Gedingi.
Fab. XXXVII,
4 toris. Rinnun.
5 post ocia. ferlazunga.
6 cibum Uuintbant.
9 lustra. dier uueida.
14 agit (fecit). Uuorta.
Fab. XXXVIII,
4 nobilitate. ruomta.
Fab. XXXVIIII,
7 lituus. trumba.
Fab. XXXXI,
6 coqui. Geclit uuart — gecochit
uuai't.
7 teste, dan.
18 fata. Geburida.
V. Glossen zu Boethius de consolatione philosophiae.
Die Hdschr. X Saec., welcher wir diese, wie die Avianus'schen
Glossen entnehmen, enthält Boethius Schrift auf fol. 118 rect. init. —
168 rect. vers. Graff hat Diutiska Bd. II. p. 302 seqq. Glossen aus einer
St. Galler Hdsch. milgetheilt.
Lib. I, carm. I, cap. II. in.
3 tendit (laborat). ilid. robur evaseras (ascenderas).
eruuori.
144
NOLTE
carm. III,
7 boreas. nordostan.
9 emicat (apparet et splendet).
Blacckizod.
carm. V,
19 boreae. nordostan.
20 zephyrus. vuestan.
Lib. II. cap. IV p. 33 ed. Peiper.
abesse, gibrestan^).
ibid. proveniat. bicumit.
cap. V,
37 computas. ahtos.
cap. VII,
46 arrogantiae levitate (vanitate).
bacheidi. Gelpbeidi.
83
6
Lib. III, carm. I,
nothus. sundan.
carm. Villi,
facis zema ab inferioribus da
pater das cuncta moveri.
cap. XII, p.
et hie est veluti quidam clavus.
Auf dem inneren Rande steht
folgende Bemerkung: Clauus
(ein oder zwei Buchstaben
scheinen hier ausradiert) tri-
farium est: clauus i. (= id est)
stiarruoth & clauus nagal et
clauus (1. clauis) sluzzil.
Lib. V, carm. IUI.
celei'i (veloci) stilo. graf.
VI. Glossen zu Prudentius.
Praefat. 14 pertinax (durans, perseverans).
7 crepautibus (sonantibus). bre- einstridie ).
stanten. 42 devoveat. geheize.
A Zu dem liber cathemerinon.
I. Hymnus ad galli cantum. 45 lucelli. vuochris.
14 culmine. firste.
89 Mvolum (darüber vel frivola
id est nihil valentia. mendosa).
gebosia.
II. Hymn. matutin.
21 callida. dumiga.
33 severum (crudeliter).grimlicho.
34 ludicrum (ludum, voluptuo-
sum). gebose.
35 inepta, darüber in halb aufge-
frischter Schrift incosta (= in-
casta? oder incosti = unkusti ?).
36 colorant. derkeuent.
58 despice^). sih.
72 terge. chisubere.
81 Nutabat. vuichta.
III. Hymnus ante cibum.
12 appetere (sumere, sapere). ge-
smeckan.
28 serta (coronas). houbitbant.
42 pedicis. uuallon.
— maculis (retibus). stricchin ^).
43 glutine (limo). chleibe.
48 calamum (virgam). angul.
63 siliqua (vagina leguminum).
hulis.
*) t am Ende ausradiert. ^) i zwischen d und e nicht ganz deutlich.
') Das erste e ist in i von alter Hand verändert. ■*) Auf Rasur von derselben Hand.
ALTHOCHDEUTSCHE GLOSSEN.
145
69 coit (coadunatur). girinnit.
70 calatho (coagulum). casiuaz.
74 thymo. binisuga.
76 nemoris. bounagardeu.
94 caveam(os). holi.
95 esto (sit). vuese.
112 ingenium. sId,
148 discidium (discordia). ske-
tunga.
IV. Hymn. post cibum.
3 rependat (solvat). uuergelde.
12 perdomitor. doubare.
22 vapore. thoume.
27 recessu (secreto, in occulto).
cbisuase.
30 congeriem (cumulum, uberas).
zeli.
31 expedita (Hberata vel parata),
irlostiu.
37 praeclueus (valde splendens,
pi-aepotens). filo giiollihhiu.
41 expolita (fabricata, ornata).
giuilode.
44 dicaraut (deputaverant). be-
meidon.
45 haustibus. (rictibus, sorbicio-
nibus). slimtiu.
49 iubas. mana.
51 rictibus. bizzin.
93 metunt. armmt.
V. Hymnus ad incensum lu-
cer n a e.
14 lichnis (lucernis). lihotfazzon.
17 seu. unde.
52 calamis (sagittis). cehin.
64 coustans. gibaldondi.
— tendei'e fire). dan (= gan?).
73 concavo (diviso). holomo.
VI. Hymnus ante somnum.
9 fluxit (defecit). hergiene.
29 feriatum (quietum, otiosum).
fironda.
38 facies (imagines), uuielichi.
68 acervis (granariis, cellulis).
hufon.
VII. Hymnus ieiunantium.
10 obstrangulat^, (suffocate). er-
uuredes.
13 invereeundum. unscamiliniu.
~ lepos (facundia). gisprachi.
15 parcam (sobriam). ginoida.
^ 23 excitato. uferhuridero.
48 retorsit. girihda.
53 clivosa (alta). uuohaldiu.
— confragosa (aspera). stecheliu^).
66 parcus(raodestus).furiburdiger.
67 industriae (diligentiae). gilouui.
115 hauritur (sumitur). uerslundan
uard (:= uuard).
116 cassos. unbiderbe.
118 mordicus (adverbium, raorda-
citer). bizlicho.
123 per latebras (in ventre ferino).
hulin.
127 singultibus. rihuugou.
133 imputans. cellenti.
134 Impendit. analigit.
140 Nato, erunnenero.
142 palpitat. zabeloda.
146 publicis (manifestis). luitbari-
gea.
150 fluentem. uueibondas.
153 lupexa. ungistraldiu.
*) 1 ist ganz verblichen.
GEKMANIA. Neue Reihe Vm. (XI.) Jahrg.
10
146
NOLTE
157 Lenam (palliumimperatorum).
lachan.
158 sutiles. girigene.
164 cunule. vuagun.
165 pupille. tutten.
— parca (avara). argiu.
167 Sollers, giuuariu.
168 strepentes. springendes.
181 laxo. lazzenemo.
— iugo. biduinge.
208 scabra (aspera). handigiu.
VIII. Hymnus post ieiunium.
3 septos. bivangane.
15 imbuatur (saciatur, refoveatur),
gilabot uuerde.
20 mulceat. loeo.
27 tinguat (coloret). giunsubere.
29 tegiraus. decchimes.
33 residem (pigram de culpa Ad§).
irlegenaz.
42 vibrat. vuehsit.
— impexis (spinosis ; vel implexis,
dieses a manu recentiori). strx-
bfntfn ').
— lappis, clfttb.
43 Carduus, distil.
51 compensant (equiperant). ni-
vergeldent.
59 cratem (corpus terrenum).hurd.
64 enervans (infirmans). giuue-
hendi.
IX. Hymnus omni hora.
15 trin. rerum machina (c^lum,
terra, mare). girusti.
35 nectare (sputo). speichelen.
36 orbibus (oculis). oucstallon.
40 Extimum (extremitatem). uz-
nechdigi.
— furtim. doueno.
n3 efferatis. ergremiden.
54 ruitque. ilda.
56 suilli (porcino). suini.
63 lacunam (foveam). huli.
64 meatus. hornissida.
72 (in über der Zeile der zweite
Glossator) dissolubilis. ciloslic.
73 irruentes. zizuoilenden.
— tenax. argiu.
81 Fertur. gisaget ist.
98 demum. dohidemon.
X. Hymnus circa exequias
defunctorum.
26 Luteum (terrenum). unsubero.
— captat (elevat, appetit). giden-
kin.
36 collegia (compaginem, consor-
tia). ginossceptdi.
57 provida (dispensatrix). gi-
uuariu.
70 heros j (vir fortis, princeps).
gomo.
96 fatiscere (dissolvi vel deficere).
muoden.
102 carpet (corrumpet^ auferet).
zugot.
106 populatur ] (devastatur). hosit
(von osjan).
107 resudans. duldendi.
108 Luet (persolvet). vergildit.
118 suspendite(retinete).enthabent.
125 fovendum (inmittendum). zibi-
sehenne.
') Das letztere f aus e verbessert; der Abschreiber vergaß, daß er in Geheim-
schrift copierte.
ALTHOCHDEUTSCHE GLOSSEN.
147
133 depositum (creditum, commen-
datum). bivolehennan.
141 cariosa (putrida). uurmazig.
164 ademerat. ginam.
169 fovebiraus (ornemus). bise-
hemes.
XI. Hymnus VIII kr. Januarii.
8 recisa (breviata). gicurder.
13 Emerge (ascende, exi). uzzin-
brist.
16 mediator. medescafdari.
26 digesto (ordinato, disposito).
irracdero.
34 inanes. ubbige.
— nenias (vanitates). gibosa.
39 mancipatam. bihafdan, ki-
scalchten.
52 glutinans (ligans, coniungens).
giuuogendi.
54 fastidia (tedia). bedunga.
67 harenas. sant.
B. über Pe
I. Hymnus sanctorum marti-
rum Hemiterii et Cheledonis.
7 tinctus (vel unctus). giuaruuit.
47 forum, marcat.
55 bipennem. bardun.
66 stipendia (i. alimonie, lucra).
heri stiura, spisä.
69 monstra. gidrog.
73 obsoleta (inveterata, deleta).
giuuahsan.
74 Invidentur. erbunnun uuirtun.
77 tenacibus. festen.
80 paverunt (nutriverunt). zugin.
IL Passio sancti Vincentii.
29 hie. dar.
92 lymphatam (hebriam, insa-
niam. 1. ebriam, insanam),
uuotinti.
103 irritus. unbiderben.
XII. Hymnus de epiphania
domini.
25 sinu (recessu, reeeptaeulo, re-
gione). biegen.
39 sublime, stuiraz.
55 sulcum. vuruch.
120 vomit. indigerit.
196 coxerat (fabricaverat , forma-
verat). soht.
199 Rasum. giuilodaz.
— dolatum. gisnidonaz.
— sectilem. gihouuenaz.
Auf dem inneren Rande steht
noch: Rasum vel raso und darüber:
heuiltad (d scheint aus t verändert),
bescuorener; ferner dola und dar-
über barda.
ristephanon.
41 commotior (magis iratus). er-
bolginora.
56 exere (praepara). kifrume.
70 follibus. balgen.
79 aucupes. nemare und darüber
farare.
96 iactet (loquatur). uuituerpfo.
102 Convitiator. sceldari.
105 ergo, de (= do).
112 crepet, breste.
116 palpiter. zabalo.
120 ungula. furca (= furka).
122 Eviscerando (viscera extra-
hendo). scurfendo.
124 toros (rotunditates). rause.
131 Gaudet. smieret.
10*
148
NOLTE
139 Respiret. reste.
174 uncis. kraphon.
177 callum (duricia). suil.
199 Bitumen, harz.
201 frendeus. gremizzender.
205 Decernat. erdeilda.
217 regula. stap.
218 Dente (clave multiplici). cinde.
221 rogum. saccare.
227 stridulis. strideden.
228 sparsim. vuar unde vuar.
229 Arvina. feizti.
230 caiiterem (lectum ferreum, cau-
terium). bolzo.
— lavit. nazza.
232 liquitur. smalz.
252 Divaricatis(separati8,extensis).
zescracten.
268 Commenta. urdanka. -
271 morsus. loch.
— stipitis. stocches.
272 dissilit (crepat). zebrast.
311 über manserat. uuas,
315 instar (similitudine ; proprie
est in mente). pilidlichero.
318 postibus. turistuodeliu.
32^ dedecus. honitha.
336 nie (aliquis). sumilicher.
342 tinguunt. nazdun.
366 auleis (palliis). Seholion : Aulea
proprie est vmbihanka ab aula
Attali regis dicata.
378 irrita. unbiderbiu.
380 efferata. irgremidiu.
— exusserant. brantun.
396 carices. semidacha.
403 trucis. gremizes.
457 sparteus. suertillin.
458 culleus. corhop.
469 Funale. seiUih.
519 auram. chuoli.
531 serram. seguu.
551 ungulas. craphen.
552 stipitom (cippum). stoc.
III. Hymnus in honore XVIII
Martyrum Cesaraugustano-
rum.
79 domusinfulata (ornata).fantilia.
132 tabidus. eitarlih.
IV. Hymnus in honore bea-
tissimorum martyrum Fruc-
tuosi episcopi etc.
38 commenti (adinventionis). ur-
dankes.
VIII. Ad Valerianura episco-
pum de passione ipoliti.
167 subterranea. erdbus.
IX. Passio apostolorum.
42 lacunar (domus). himilicin.
61 pontis. brucca.
X. Passio s. Cypriani (in der
Hdschr. fehlt der Titelj.
77 calce. calke.
107 instruit. uuarnot.
XI. Passio s. Laurentii.
56 Montes (acervos) monet^ con-
ditos, über raonet§ id est mu-
nizapraecussorum denariorum.
77 predia. eigan.
84 Nudare. gearraen.
89 publicus. frono.
122 minis. pundun.
190 rudera. arizzae.
231 Claudicat, hinchot.
254 prurit. chicilot.
255 äcalpit. scebit.
258 Strumas. chelca.
281 Pannis. ludron.
ALTHOCHDEUTSCHE GLOSSEN.
149
282 mulcentis. rozzegon.
283 Mentum. kinne.
XIII. Passio sanete Agnetis.
108 fasces. facul ').
117 cristas. camba.
XIIII. Incipit Romanusa Prü-
de nti US positus.
78 Ventilator perturbator ceu
(^= seu). uuisgelare.
111 apparitores ([ab] apparendo
dicti). inknehta.
— suggerunt (indicant). under
zalton.
156 Lapis, agaht.
— esseda (vehiculum gallicum). 557 caraxat (scribiti. crazzot.
samboch. 762 testa. gebel (von derselben
172 supinus. caffander. Hand).
187 Vervece. uuidere.
239 Fusos. spinila.
264 sarculatas. gegedenen.
267 officinis. hantuuereun.
280 tyrso (ramo vitis). stauge.
294 caminis. smithun.
299 trulla. chella.
303 circulator (deceptor). rizzere.
383 ofellis (particulis). bradon.
485 pleuresis (passio lateris). ste-
ch etho.
489 papulas (vesicas). blaterun.
490 cauteribus. bolzon.
495 podagra (passio pedum). fuoz-
suht.
291 stamine. uuarfe.
295 telis. vuebisan.
303 fotibus. vuerminon.
317 calentis. setten.
322 ganeonis (luxuriosi). urazes.
C. Zur H amartigenia.
329 polimus. cerden.
364 perfurit. uuodit.
379 suspiria. suftunga.
386 commendat. keliubit.
601 excruciata. ero rosa.
D. Zur Psychomachia.
a) praef. b) carm.
31 equarum. stuote. 131 capulum. heltes.
VII. Die nachfolgenden Pflanzen- und Thiernamen sind einem
in meinem Besitze befindlichen Handschriftenfragmente aus der Mitte des
Xl.yJahi'huuderts entnommen. Mau kann zur Vergleichung nachsehen
GraffsDiutiskaBaudll, p. 188 .273 und Bd. HI, p. 339 seqq. und 353 seqq.
Hattemers St. Gallens altteusche Sprachschätze Bd. I ]>. 289 seqq. Ger-
mania XIX, 436.
Robur et quercus, eich. Salix, wida.
Fraxinus. asc. Populus. belzboum.
Alnus. erla. Platanus. achorn.
') Hinter 1 i.st jedoch Rasur und da pass. s. Roman, vs. 67 wie praef. apoth.
TS. 39 fax durch facula erklärt wird, so stand auch hier wohl facula.
150
BARTSCH, ZU KONRADS TROJANERKRIEGE.
Corilus. basal.
Paliurus. hagan.
Vepres. bremin.
Malus, afaldra.
Pirus. pireboum.
Abies. danna.
Viscus. raistil.
Carpcnus. hagan (ist wohl buocha,
buoha am Ende abgefallen).
Tremulus. haspa.
Dumus. ahorn.
Sentis. dornna.
Nux. nuzboum.
Picea, foraha.
Ulmiis. raelm (lies: elm).
Cerasus. kirsboum.
Tramasca. mazaldra.
Sambucus. holend (= holender).
Fusarius. spiniliboum.
Sanguinarius. . hartrugilin.
Persicus. p ersichboum.
Lepus. hazo.
Castor. biuor.
Lustrus. ottar.
Capreolus. rehoc (— reboc).
Verls (= verres). ber.
Caper. boc.
Ibix. steinboc.
Onager. scclo.
Alx. heloho.
Rinocerotos. unicornis geschrieben
als ob es eine deutsche Glosse
wäre.
Griphes. griph.
Linx. luhs.
Simia. aphpho.
Cenophalus. hunthobido.
Iricius. igil.
Istris (hystrix). ramus.
Mustela. wisela.
Sorix. müs.
Grillo. hseimo (se == a in e ver-
bessert
Scarabeus. vuibil.
Talpa. muluuerp.
ZU KONRADS TROJANERKRIEGE.
Ein paar Bemerkungen zur Ausfüllung der Seite. V. 96 daz er
bedürfe rätes niht\ A (die Straßburger Hs.) hat bedarf e, danach schreibt
Wackernagel (LB I^, 953, 4) bedarf geraetes-^ aber rätes, wie a (die
St. Galler Hs.) liest, während A rechtes hat, wird bestätigt durch Lieder
32, 309 (S. 399 meiner Ausgabe) ander fuoge dürfen alle rätes und
geziuges wol. — 689. Was die Ausgabe hat, steht in keiner Hs. Statt
vf der erde lesen afg üf erde^ cd üf die erde, Ab Hf dis erde, und
letztere Lesart ist die richtige.
K. B.
TREUTLER, ZUR THIDREKSSAGA. 151
ZUR THIDREKSSAGA.
I.
Sehr merkwürdig ist das Vorkommen von doppelter Erzählung
gleicher Gegenstände in der ältesten, von Ungar*) durch Mmb. (Mem-
bran) hier kurz M bezeichneten Handschrift der ridrekssaga. Es han-
delt sich hierbei um:
I. Die ausgedehnte Erzählung von Vilciuus, Hertnit, Osantrix und
die Erwerbung der Erka durch Attila.
1. Cap. 22—56, S. 28—64 bei Unger unter dem Text; in M auf
Lage II und III von der Hand des ersten Schreibers.
2. Cap. 21—56, S. 27—65 bei Unger als Text, in M erst nach
Cap. 240 (S 220 ff. bei Unger); Lage X und XI. Schreiber III.
Dann noch um zwei kürzere Stücke:
IL Die Erzählung von Hagens Herkunft.
1. Cap. 169, S. 170 bei Unger, in M von Hand III auf der
eingenähten Lage, die Cap. 152 — 188 enthält.
2. Cap. 170. 171 in M von Hand II auf Lage VIII (bei Unger
S. 171 als Text); dieselben wiederholt in M von Hand III auf der ein-
genähten Lage, bei Unger S. 171 ff. unter dem Text.
III. Die Erwerbung von ridreks Hengst Falka durch Heimir, von
der die Gelehrten bis jetzt annahmen, daß sie in M
1. als Cap. 2li
2. als Cap. 188 (eingenähte Lage Hand III) gestanden habe,
in der ersten Stelle freilich sei sie verloren.
So auffällig die obige Erscheinung ist, so wenig liegt eine irgend
befriedigende Erklärung vor. Unger in seiner Vorrede S. III^ IV meint,
der Verfasser der Saga, keiner schriftlichen Quelle folgend, habe
selbst ihm bei verschiedenen Gelegenheiten mitgetheilte deutsche Sagen
zu einem Ganzen verbunden, und da diese zahlreich und theilweise
stark von einander abweichend gewesen sein mögen, so könne man
sich nicht wundern, daß derselbe mitunter seine Noth gehabt haben
*) Saga Didriks konungs af Bern. ndg. af C. B. Unger. Kristiania 1853.
152 TREUTLER
möge, sie auf die beste Weise zu ordnen, und daß es ihm passiere
sich zu widersprechen, ja bisweilen auch dieselbe Sache auf zwei ver-
schiedene Weisen zu erzählen, hierzu könne ihn auch die Lust ge-
führt haben, zwei verschiedene Relationen, deren keine er vorziehen
wollte, zu bewahren. Wir unsererseits haben schon leises Bedenken,
ob der Verfasser überhaupt seinen Quellen gegenüber so bedenklich
gewesen, daß er nicht einfach das besser in den Zusammenhang pas-
sende aufgenommen haben sollte. Aber auch wenn wir uns dieses Vor-
urtheils entschlagen, erscheint es uns mehr, als ob der Verfasser den
Leser glauben machen wollte, er bringe etwas neues, als daß er die
Absicht hätte, zwei Relationen zu bewahren, wenn er zwischen dieselben
184 Capitel setzt, wie dieß bei den Sagen von Vilcinus etc. der Fall
ist. In Bezug auf die Geschichte von Hagens Herkunft (Cap. 169. 170)
möchte man solche Erklärung eher gelten lassen,
Ungers Entschuldigung des Verfassers also ist nicht befriedigend.
Auch was Gc. Storm in seinem jüngst zu Kristiania erschienenen
Buche: Sagnkredsene om Karl den störe og Didrik af Bern, S. 99
bis 104 vorbringt, entbehrt erwünschter Schärfe und Deutlichkeit, ob-
gleich vieles darin gegeben wird, was zu weiterer Erkenntniss förder-
lich ist.
Ein erneuter Versuch den bisher noch dunkeln Thatbestand auf-
zuhellen erscheint somit gerechtertigt, ein solcher soll im Folgenden
vorgelegt werden. Vielleicht gelingt es, gerade von dunklem Punkte
aus Licht über die Entstehung der ganzen ridrekssaga zu verbreiten.
Wir müssen eine kurze Orientierung vorausschicken über die
handschriftlichen Verhältnisse, von Unger, der hier unsere Q.uelle ist,
in seiner Vorrede sehr sorgfältig dargestellt.
Drei Handschriften haben Avir von der ridrekssaga und den Anfang
einer vierten.
1. Der Pergamentcodex nr. 4 fol. in der königl. Bibliothek in
Stockholm ist die Membran, von der schon oben die Rede war, in Nor-
wegen, vielleicht noch Ende des 13. Jahrhunderts geschrieben, bei
weitem die wichtigste der erhaltenen Handschriften.
2. Befinden sich in der Arni Magnussonschen Handschriftensamm-
lung zu Kopenhagen zwei Papierhandschriften der Saga aus dem 17.
Jahrhundert, Cod. 178 fol. aus der Mitte desselben, und Cod. 177 fol.
1691 beendet. Der Anfang einer dritten Papierhandschrift aus dem Jahre
1682 ist zu Stockholm.
ZUR THIDREKSSAGA. 153
Endlich besitzen wir eine in vieler Beziehung wichtige altschwe-
dische Bearbeitung aus dem 15. Jahrhundert.
Der Pergamentcodex M bestand ursprünglich aus 19 Lagen,
zu je 8 Blättern, wenn wir von der achten absehn^ in die früh schon
X Blätter eingeschoben wurden. Jetzt fehlt vieles, vor allem beinahe
die ganze erste Lage, (oder die beiden ersten?), nur Blatt 1, unbe-
schrieben, ist am Deckel klebend erhalten. Weiter mangelt die ganze
18. Lage, von der 19. Blatt 2 — 7; Blatt 1 und 8, letzteres unbeschrieben,
sind erhalten. Je zwei correspondierende Blätter sind weiter verloren
in Lage 2, 7, 11, 13 und 17; im Ganzen also 31, erhalten sind 131, das
erste und letzte unbeschrieben.
Geschrieben ward die Handschrift von fünf Schreibern.
Nr. I schrieb Lage 2 und ein Stück von 3, wohl auch den ver-
lorenen Anfang.
Nr. II die Lagen 3, 4, 5, 6, 7 und 8, abgesehen von der letzten
Seite und alle Überschriften bis dahin.
Nr. III die letzte Seite von Lage 8, die Lagen 9 — 12, das von Lage
19 erhaltene erste Blatt; alle Überschriften von da, wo er ein-
setzt, an bis zum Schluß der Handschrift (abgesehn von zweien);
endlich gehört ihm der Einschub von X Blatt zwischen Blatt 5 und 6
in Lage 8 an.
Nr. IV schrieb Lage 13, 14, fast 7 Blatt von 15 (die letzten
10 Zeilen vom siebenten Blatt und das achte von 15, Lage 16 und 3
Blatt von 17 schrieb Nr. V) und Blatt 4 — 7 von 17, endlich die Über-
schriften von Cap. 293 und 342, die Nr. HI nicht schrieb.
Ob Lage 18 und das von 19 verlorne Nr. III, IV oder V schrieb,
ist zweifelhaft, sicher nicht Nr. I oder IL Bei Blatt 8 in der achten
Lage sehen wir eine Scheidung, bis dahin war Nr. U der Hauptschreiber,
von hier an wird es Nr. III.
Nr. I, II und III sind Norweger gewesen, Nr. IV und V Isländer.
Die beste Orthographie ist die von Nr. II, wunderlich die von IV und V,
norwegische Laute sollen wiedergegeben werden, aber die isländische
Sehreibweise verhindert es oft. so entsteht ein buntes Gemisch nor-
wegischer und isländischer Rechtschreibung , und Storm schloß wohl
mit Recht daraus, daß Nr. IV und V nach norwegischem Diktat
schrieben (a. a. O. S. 101).
Als Beweis, daß im Anfang der Handschrift nicht mehr als 7 Blatt
fehlen, führt Unger die unten auf den letzten Seiten von Lage 3 und 4
erhaltenen Numerierungen und Merkzeichen für den Buchbinder, von
154 TRETITLER
Nr, II herrührend, an (z. B. auf Lage 3 hinten: IUI J)er brodir,
welche Worte Lage 4 beginnen).
Berechnet man aber, was die einzelnen Schreiber auf ein Blatt
brachten, so findet man:
Nr. I etwa 50 der Ungerschen Normaldruckzeilen zu je 1974
Silben. Berechnung nach Lage 2, (der kleinere Druck ist in den großen
umgerechnet, 41 Druckzeilen zu 2372 = 963 Silben = 50 zu I974).
Nr. II 69 Vo Zeilen, Berechnung nach Lage 7^ 5.
Nr. in 73 Zeilen, Berechnung nach Lage 19j.
Nr. IV 64 Zeilen, Berechnung nach Lage 13,.
Nr. V schreibt in ähnlicher Größe wie Nr. IL
Capitel 1 — 20, die in M fehlen, nach den gewöhnlieh kürzenden
isländischen Handschriften gedruckt, füllen etwa 644 Druckzeilen, gäbe
auf 7 Blatt pro Blatt 92. So hätte nicht nur nicht der Prolog, wie
Ungcr Seite XIII meint, sondern nicht einmal der Text Platz auf den
7 Blättern gehabt. Man wird daher noch eine ganze Lage oder zu-
sammen 15 Blatt als fehlend annehmen müssen. Das gäbe nach obiger
Berechnung 43 Druckzeilen auf das Blatt. Da das Original etwas ausführ-
licher gewesen sein wird, gewinnt mau eine noch größere Zahl, die
der oben für Nr. I angeführten ziemlich gleich kommen wird. Überdieß
mag im Anfang Nr. I besonders freigebig mit dem Raum verfahren
sein. — Die IUI lässt sich auch so wohl erklären. Man wird den ersten
Custoden (den zur 2. Lage) mit I bezeichnet haben. Also der Custos IUI
bezeichnete den zur fünften Lage.
Die ridrekssaga kam, wie Storm gegen Hyltdn-Cavallius (der
die Zeit von 1449 — 76 dafür annahm) bewiesen, in den Jahren 1434
bis 1447 nach Schweden, und es ward hier eine Bearbeitung in schwe-
discher Sprache angefertigt (vgl. Storra a. a. 0. S. 139 ff.) und zwar war
es unser Codex der ridrekssaga, M, der jetzt in Stockholm ist. Der-
selbe lag dem Verfasser der Überarbeitung vor (vgl. Unger S. VI). Die
bei Unger angeführten Beweise erscheinen schlagend.
Außerdem erfuhr diese schwedische Überarbeitung aber unmittel-
bare deutsche Einflüsse; Namen erscheinen in einer Form, mehr ähnlich
der deutschen, als der in der ridrekssaga erscheinenden, sehr merk-
würdig ist der Zusatz in Cap. 158 (s. W. Grimm, Heldensage S. 76.
Unger S. XIII, XIV) und der von den 4 Ellenbogen Heimirs, Cap. 14
(W. Grimm, Heldensage S. 257. Raßmann, Heldensage, Band II, S. XXXIV.
Storm S. 149).
Storm meint, im 15. Jahrhundert sei das Zuströmen norddeutscher
Kaufleute nach Schweden so groß gewesen, daß eine Umwechslung
ZUR THI©REKSSAGA. 155
der in der ridrekssaga überlieferten Namen in die neuern Formen,
welche jene mitbrachten, natürlich erscheine. Er sucht außerdem, wie
uns däucht, mit Recht, zu erweisen, daß größere deutsche Gedichte
dem schwedischen Überarbeiter nicht bekannt gewesen sein werden
(vgl. S. 148 ff.).
Die schwedische Bearbeitung bietet nun noch vier Schlußcapitel,
383 — 386 (in M ist der Schluß verloren), deren die isländischen Papier-
handschriften ermangeln. Hylten-Cavallius hat diese Capitel als dem
schwedischen Bearbeiter eigenthümlich in Anspruch genommen, doch
erscheinen die von Storm S. 145 ff. dagegen vorgebrachten Gründe
überwiegend. (Der Berechnung S. 104 vermögen wir freilich keine Zu-
verlässigkeit zuzugestehn, die Kürzungen der isländischen und schwe-
dischen Bearbeitungen sind unberechenbar, und die letzte Lage kann
auch geringer gewesen sein, als 8 Blatt, während bei der ersten viel
mehr Berechtigung vorliegt, sie so stark wie die folgenden anzunehmen.
Vgl. auch Raßmann, Heldensage, Band II, Vorrede, S. XXX.)
Übrigens gewährt die Bearbeitung ein ziemlich treues Bild von
M, vieles freilich hat sie gebessert.
Der Doppeldarstellungen hat sie sich entledigt. Die Geschichte
von Vilcinus etc. gibt sie nur nach der ersten Recension, Cap. 22 ff.
ebenso Hagens Herkunft nur nach Cap. 169, und die Erwerbung Falkas
steht im 16. Capitel, entsprechend dem, was man in dem verlorenen
Capitel*) 21 der Membran vermuthet. (Vgl. aber weiter unten.)
Auch sonst wird versucht, innere Widersprüche zu ebnen; eine
ganze große Episode, Cap. 245—268, 274, Irons und Appollonius Ge-
schichte, auf den Gang des Ganzen ohne Einfluß, wird ausgestossen;
umgestellt wird (wohl ohne Noth) Cap. 174, das hinter 184 gesetzt wird,
absichtlich 185 nach 189; ausgeworfen wird ferner 186. 187 und das
leicht entbehrliche Cap. 194. In Lücken der schwedischen Handschrift
fallen: Cap. 367—72 und 431, 432. (Cap. 311 — in. 316, 372, 373 der
schwedischen Recension.)
Die isländischen Handschriften.
Für uns kommen von den drei Papierhandschriften der Saga**)
nur die beiden der Ami Magnussonschen Sammlung in Betracht, da
die Stockholmer von Unger nicht benutzt ist. Er bezeichnete Cod. 178
durch A, Cod. 177 durch B.
*) Vgl. oben S. 153.
**) Vgl. oben S. 152.
156 TEEUTLEE
Arni Magnusson selbst kannte noch zwei isländische Pergaraent-
handschriften der |)idrekssaga:
1. Broedratungubök. 2. Austfiai'dahok (Eidagäs). Beide scheinen
verloren.
Von 1 ist A eine Abschrift, genommen von Jon Erlendsson, sie
kam durch Tausch in Arnis Besitz.
Von 2 besaß er eine Abschrift von jjorberg j^orsteiusson, die er
ab< r gegen A umtauschte. Diese Abschrift J)orbergs aber ward abge-
schrieben: theihveis 1682 von Jon Eggertson, und diese Copie kam
nach Stockholm, wo sie noch erhalten ist. Ferner 1691 von einem Is-
länder ganz, letztere Abschrift kam in Arnis Besitz und ist unser
Codex B. (vgl. Storm S. 99. Unger XVIII-XXI.)
Broedratungubok. Austfiardabok.
I . I
A. Abschrift jjorberga.
Abschrift (theilweise) von 1682 vollständige von 1691.
zu Stockholm B.
Verhältniss von AB zu M.
Nach allgemeiner Annahme hat M, wie sie die älteste Handschrift
ist, auch die älteste Gestalt der |)idrekssaga treuer bewahrt, als AB,
die eine Bearbeitung derselben enthalten.
Charakteristisch für beide, M gegenüber, ist folgendes :
a) Der Stoff erscheint anders geordnet (vgl. Storm S. 100, 101).
Sie beginnen zwar, wie es bei M unzweifelhaft auch der Fall gewesen,
mit der Erzählung von Samson Cap. 1 — 13 und jaidreks Jugend 14 bis
20, von der Ironssaga Cap. 245 bis zum Schluß Cap. 438 gehen sie
ebenfalls mit M zusammen; das dazwischen liegende ist sehr ver-
schieden geordnet.
In M folgen auf die Erzählung von Jjidreks Jugend :
1. Kriege des Osantrix gegen Melias, des Attila gegen Osantrix
und Melias. (Cap. 22—56, S. 28-64 bei Unger unter dem Text.)
2. Die Saga von Velent Cap. 57 79, Vidga, jiidreks Zweikampf
mit letzterem 80 — 95, daran sich schließend jiidreks Zug gegen Ecca
und Fasold 96—107.
3. jjettleifs Abenteuer 108—131, jiidrekr hilft Attila und Erminrek
132 — 151, Sigurds Jugend 152 168, jsidrekr und seine Kämpen 169
bis 188, Zug nach Bertangaland 189 — 224, Sigurds und Gunnars Hei-
rat 225-230, Herburt und Hilde 231—240.
ZUR THIBREKSSAGA.
157
4. Kriege des Osantrix gegen Melias und Attilas gegen Melias
imd Osantrix, zweite Redaction Cap. 21 — 56,8.27 — 65 bei Uuger
als Text, endlich Valtari und Hildigunnr 241 — 244.
In AB aber folgt auf die Erzählung von jaldreks ersten Thaten
gleich :
1. Die Velent-Vidgasage und Jjidreks Kampf mit Ecca und Fasold,
um aber Velent einzuführen, musste das Capitel von Vilcinus und der
Meerfrau voran gestellt werden. Vgl. Unger S. XX. Dasselbe wird
nach all diesem wiederholt, wo es
2. die Geschichte von den Kriegen des Osantrix, Melias und
Attila einleitet. Hierauf folgt Valtari und Hildigunnr. Dieser Theil also
erscheint in derselben Verbindung, wie in M, zweite Redaction, der
sich die Darstellung in A3 auch im einzelnen in dieser Partie am besten
vergleicht.
3. Das übrige folgt in derselben Reihenfolge wie in M, von jjett-
leifs Abenteuern bis Herburt und Hilde.
Vergleiche folgende Übersicht:
Vorbemerkung. Im Ganzen citieren wir nach den Abschnitten,
wie sie bei Unger in der Inhaltsliste Seite XXV — XL sich angegeben
finden. Nur den dritten, Osautrix's Kriege gegen Melias, haben wir aus
nahe liegenden Gründen weiter zerlegt. Was in M von Schreiber I und
II herrührt, oder wahrscheinlich herrührte, ist vor dem von Nr. HI
aufgezeichneten durch den gesperrten Druck hervorgehoben. (Die Arbeit
von Nr. IV und V beginnt erst in dem in M und AB gleich geordneten
Theil hinter der Ironssaga.)
M.
*) Vilcinus und
Hertnit. (22—26.)
Osantrix gegenMe-
lias. (27—37.)
AttilagegenMelias
u.Osantrix.(38— 56.)
(Cap. '22—56, S. 28 bis
64 unter dem Text.)
Ge m ein saraes.
Samson. (1 — 13.)
J)idreks Jugend. (14
bis 20.)
Velentssaga, (57
bis 79.)
Vidgas erste
Schicksale. (80-95)
AB.
ein Capitel von Viltinus
und der Meerfrau ein-
geschaltet, = Cap. 23.
*) Hier wohl ursprünglich.
158
TREUTLER
M.
(Schreiber III, Lage 8^ \
Einschub von X Blatt./
Vilcinus und Hertnit.
(21-26.)
Osantrix gegen Melias.
(27-38.)
Attila gegen Mel. und
Osantrix. (39 — 56.)
Valtari u. Hildigunnr.
(241-244.)
(Cap. 21—56. S. 27 bis
65 Text.)
Gemeinsames,
jiidreks Zug gegen
Ecca u. Fasold. (96
bis 107.)
jjettleifs Abenteu-
er. (108—131.)
})idrekr hilft Attila
u. Erminr ek. (132
bis 151.)
Sigurds Jugend. (152
bis 168.)
])idrek und seine
"Kämpen. 169—188.)
Zugnach(189— 196.)
Bertangaland. (196 bis
224.)
Sigurds und Gunnars
Heirat. (225—230.)
Herburt und Hilde.
(231-240.)
Irons Saga ,
(245— ..438.)
AB.
Villtinus und Hert-
nit = Cap. 21 fr.
Osantr. gegen Mel.
Attila gegen Mel.
u. Osantrix.
Valtari und Hildi
gunnr.
o
Verbindung herge-
stellt, Cap. 189.
*) Hier offenbar nicht richtig gestellt, weil das Capitel von Villtinus und der
Meerfrau (23) wiederholt werden muß.
I
ZUE THTDREKSSAGA. 159
b) In AB erscheinen beinah alle Capitel in kürzerer P'urm als
in M, oft ist die Kürzung eine bedeutende, vgl. Cap. 113, (p. I285),
dem entsprechend Cap. 115 (ISOj). Cap. 123 ist ganz zusammen ge-
zogen, ebenso 134, vgl. schon Unger S. IV.
c) Aus dem unter a) Gesagten folgt, daß AB keine Doppeler-
zählung von den Kriegen Osantrix-Melias-Attila enthalten, nur das
Capitel von Villtinus ist aus besondern Gründen wiederholt. Hagens
Herkunft wird nur Cap. 169, die Erwerbung Falkas Cap. 188 in M
entsprechend erzählt.
d) Innere Widersprüche, die in M sich finden, sind zum Theil
in AB beseitigt. In M wird Osantrix zweimal getödtet, einmal durch
Villdifer Cap. 144, dann durch Ulfradr Cap. 292. In AB entkommt
er das erste Mal (ähnlich wie Cap. 37 Melias). Demgemäß erscheinen
Cap. 145, 146, besonders auch 193, wo sein Tod besprochen wird,
umgestaltet.
e) Im Einzelnen ist besonders der letzte Theil der Velentssaga
anders erzählt, während nach M Velent erst die Söhne des Königs
tödtet (Cap. 73), dann die Tochter entehrt (74), worauf Egill am Hofe
ankommt und von dessen Bogenschuß erzählt wird (75), dann die
letzte Unterredung zwischen Velent und der Königstochter (76), das
Anfertigen des Flügels, dessen Probe durch Egill (77), endlich die Flucht
berichtet wird (78), ist die Ordnung in AB folgende: Egill kommt an
den Hof. Sein Bogenschuß. Velent entehrt die Königstochter. Velent
tödtet die Königssöhne. Hierauf folgt ein kurzes summierendes Capitel.
Dann wird erzählt: die Anfertigung des Flügels, Probe durch Egill.
Letzte Unterredung mit der Königstochter. Velents Flucht.
/) Erweitert erscheint der Text von M selten in AB ; besonders
zu erwähnen sind Zusätze, die ein Vorbild in isländischen Litteratur-
erzeugnissen finden, ferner solche, die das Wunderbare in einem Vor-
gang mindern sollen, in gleichem Sinn auch Weglassungen, endlich
finden sich in AB auch emige Namen mehr.
S. 181, g zu Sifkas Beschreibung wird in AB zugefügt: hann kalla
Voeringiar Bruna (BikkaB). S. II64 Kampf zwischen Ecca und J^idrek,
haben AB linditre, M olivetre. 1176 lassen AB die Kämpfer zu })idreks
Hengst kommen, so daß dieser sich nicht loszureissen braucht, wie in
M 121,, wo gleiches in M nochmals erzählt wird, ist Falka in AB gar
nicht angebunden. 143, lassen AB weg, daß Attila bei Erminreks Gast-
mahl ist, ebenso 239, , die wunderbare Bemerkung, Antiocus konungr
fadir Salomon konungs sei Attilas Pflegvater*).
*) Das oben erwähnte Streben zeigt sich ausgebreiteter noch in A: lö9jj Sig-
munds Schwester. Signy fügt A zu. 167,g Siguid schlug den Drachen: sua at sa ormr
160 TREUTLER
S. 1343 nennen AB die Tochter Sigurcis des Griechen Gunnhildr,
137, den Manu, den jaettleitr trifft, Godzvin oder Gaistsun, die in M
unbenannt sind; so führen sie S. 339, ^ Ingram aus dem folgenden ein.
(89, nennt A Vidgas Mutter Heren.)
g) Eine Spur irgend welches deutschen Einflusses könnte man
vielleicht S. 330,8 i^ ^B sehen^ wo in dem Satze: Haf mikla guds
})auk firir huersu jju lezt syngia jsitt suerd i hialmum Huna, den
Högni an Folkher richtet, für die gesperrt gedruckten Worte: ,]3inn
horpustreng steht, eine offenbare Anspielung auf die sonst überall ver-
gessene Spielmannseigenschaft des Helden, und ähnlichen Wortspielen
im Nibelungenliede zu vergleichen.
Aus dem Obigen geht hervor, daß AB, da sie so vieles gemein
haben, und also auch ihre Vorlagen, Broedratungubök und Austfiarda-
bok auf eine ältere, gemeinsame zurückgehen, die schon wesentlich
dieselben charakteristischen Züge gehabt hat, M gegenüber, wie sie
AB zeigten. Diese Züge aber erscheinen zum Theil als durchaus jüngere.
Beachtenswerth ist dabei, wie die Bearbeitung, welche in der Vorgängerin
von AB somit erschiene, oft bis auf die feinsten Kleinigkeiten sich er-
streckt, weßhalb wir unter/) einzelne geringere Abweichungen zu-
sammenstellten: für beides bieten die noch spätem Vorgänge in A er-
wünschte Analogie.
Auf welche Quelle geht nun diese ältere, wohl isländische
Bearbeitung, aus der Broedratungubök und Austf iardab6k
entstammen, zurück?
Raßmann ist der Ansicht, — die auch P. E. Müller und W. Grimm
vertraten, denen allein die altern unkritischen Ausgaben der Saga vor-
getr nu eigi eitri blasit ok lytr hofctinu at iordunui, A; wo in MB uur erzählt ist,
Sigurd habe den Wurm niedergeschlagen. I682 nimmt nur nach A Sigurd das Herz
des Wurmes besonders heraus. 209, 3 .. , spricht nur nach A Brynilld sehr deutlich
ihre Rachegedanken aus und spielt auf Sigurds Verzauberung durch Gudrun (dieser
Name auch in A nur fast immer für Grimmilld) an, dieselbe wirft sie dieser auch
298j vor. 297g in A zu Brynilldi: Budla dottur gefügt. 302, j in A gesagt, Brynilld
sei nach Sigurds Tod bald gestorben. Danach Cap. 427 geändert.
165.J wo von Sigurd gesagt ist, er sei mit einem Jahr so stark gewesen, als
andere vierjährige Kinder, ist dieß in A weggelassen. 200„, wo zu Amlungs Sieg es
heißt, Sigurd habe denselben vorhergesehen, fügt A erklärend hinzu: var sia konungs
son usterkastr. 2929 heißt es, der Spieß, den Jjidrek dem Vidga nachgeschleudert, stehe
noch jetzt sichtbar in der See, in A aber: er habe dort lange gestanden. 323j,, wo
Aldrian (Attilason) Högni schlägt, und es war ein kräftiger Hieb, fügt A zu: ok blöd
stokk or nosum Hogna a bordit, offenbar um seinen Zorn noch besser zu motivieren.
ZUK THIDEEKSSAGA. 161
lagen, — die ridrekssaga sei auf Island verfasst; er meint nach zwei ver-
schiedenen isländischen Handschriften sei M auf Island abgesehrieben,
nach der einen von diesen, derselben, der die zweite Redaction der
Kriege Osantrix-Melias-Attila in M folge, sei die spätere isländische
Bearbeitung gemacht. Er schließt auf eine ältere isländische Quelle,
weil AB manche, im Text von M allerdings verdorbene Stelle klar
und richtig geben.
Unger in seiner Ausgabe betont entschieden, daß die ridrekssaga
ursprünglich norwegisch, nicht isländisch sei, nach einer norwegischen
Handschrift sei M abgeschrieben. Storm hat dieß weiter zu stützen
gesucht, und neue Gründe gegen Raßmann vorgebracht, die für uns
aber, so sehr uns von vornherein die Unger'sche Aufstellung wahr-
scheinlich erscheint, nicht zwingend sind, da wir eine andere Stellung
zu dem ^prologus' einnehmen, als Storm, wie sich unten zeigen wird.
Storra übrigens glaubt, und wohl so auch Unger, daß die isländische
Bearbeitung (AB) nach einer Vorlage, älter als M, gemacht ist, solches
lässt sich wenigstens aus seinen Worten S. 104 oben schließen.
Im Folgenden soll versucht werden, zu erweisen, daß für die is-
ländische Bearbeitung eine ältere Quelle nicht anzunehmen sei, sondern
daß sie nach M, beziehungsweise einem Abkömmling davon, gefertigt ist.
Dem entgegen steht die nicht imbeträchtliche Zahl von Stellen,
wo AB besseres bieten, als M, an denen Unger in seiner Ausgabe die
Lesart jener Handschriften vorgezogen.
Diese Stellen aber sind folgendermaßen einzutheilen:
a) solche, wo Unger ohne Noth von M abgewichen und etwas aus
AB aufgenommen:
1. Eine Menge kleinerer Zusätze, zum Theil einzelne Worte, die
nicht erforderlich sind, z. B. wenn bei einer Aufzählung von Waffen
AB: oc fagran hialm noch zufügen (S. 318j), ähnliches S. Slg, 97j3,
98,s, 128,, 169^, 183,, 193,, 2884.,,, 319,.
2. Einen ganzen Satz von untergeordneter Bedeutung, z. B. oc
toc upp yuir hofut ser [badum hondum oc helldr upp (AB zuge-
fügt) ollum fingrunum (S. 227g); ähnliches llOg, 160^ (zweimal), 244,9,
251, j, 252g, 317,2, welche Zusätze im allgemeinen gut, und die Er-
zählung glättend, aber entbehrlich sind. Daran schließen sich Stellen,
wie S. 158,2: Nidungr konungr oc haus son taka uel vid sendimonuum
En örendi |)eirra Sigmundar konungs [tekr hann (AB zuge-
fügt) a J)essa lund; und S. 286,,.
3. Mitunter aber haben AB die Erzählung weiter ausgeschmückt.
Einmal nach dem vorhergehenden z. B. S. 99,6 (Vidga sagt): ec mvnda
GERMANIA. Neue Reihe. VIII. (XX. Jahrg.) H
]62 TRKUTr.ER
sino namni iiemna hvcrn ydarn ef ec kynna heiti yc1or. [Nv mogo |)er
vel spyria hvat ydr likar af mer eda minom ferctom. jsvi at
ec skal yttr satt segia jiat sein })er spyrit. (zugefügt AB) Nv
mselir Hildibrandr. Unger, Vorrede S. VIII meint, der Satz Nv mego
etc. sei ausgefallen, weil das Auge des Schreibers auf das folgende
Nv mselir abgeirrt sei; wir möchten das ganze hingegen für einen nach
den vorhergehenden Worten: hvi spyrr J)v mec slics noBCtan mann, lat
mec fara oc taka vapn min. oc sidan spyr mic slics sem Jdv villt
spvrt hafa, nicht so schwer zu machenden, übrigens ganz passenden
Zusatz halten.
Dann auch finden sich Zusätze, dem folgenden entsprechend, so
Seite 224^7 (vgl. S. 225, Zeile 1), auch ISTg, wo es im Kampf zwischen
Etgeirr und Vidge heißt: Isetr hann (E.) nv fallaz til iardar. J)vi at
hann hygr at Vidga man verda vndir hanom oc drepa hann sva. [En
Vidga leypr aptr i milli fota hanom. ])& er hann reidir sie
til fallz. oc sva helt Vidga sinv lifi fügen AB zu, fast genau
so, wie es Cap. 433 von Heimir und Aspilian erzählt wird. (Vgl. S. 367
oben.)
Auch der Zusatz 226„6. q? braucht nicht original zu sein, denn:
Drottning minniz a. at hon hsevir nefnda faranda vif gibt einen ganz
guten Sinn. Auch 119^. 4, wo in M steht : Herbrandr hsevir skiolld oc alla
herneskiu. at raudr er allr skioldrinn oc lagdr a skottseldr er a hans
vapnum. er hardara flygr oc sidr firirfaersk en u. s. f. erscheint leichter
zu bessern, wenn man das a zwischen lagdr und skottseldr streicht,
als wenn man die nicht einmal einstimmige und das Ganze verbreiternde
Lesart von AB aufnimmt.
Auch 475, 221j5, 225i,. war die Lesart von M vielleicht bei-
zubehalten und 264jg ist entbehrlich, wie auch 314^ nur weitere Aus-
schmückung des in M gegebenen enthält. Und so noch an andern
Stellen.
Auch der 295j8 eingeschobenen Worte könnten wir entrathen;
ef j^essi sott faer ]ier firirkomit. ma mikit spillaz Hunaland. ef sua dyrlig
kona faer bana, ist mit doppelter Beziehung des ma mikit spillaz Huna-
land zu übersetzen.
b) Es gibt in M eine Menge von Schreibfehlern und leicht zu
ersetzenden Auslassungen, so fehlt mitunter das Pronomen J)eir, ]3U,
vid etc.; bisweilen auch das Verbum, wo es richtig errathen werden
musste. Z. B. oc sendir menn um allt sitt riki oc samnar (fehlt in Mj
saman her etc. (S. GSj), so auch 189,6, lOQc, 2689, wo verit durchaus
zu ergänzen war, 3O89 (er ])o kann vera) 3328«
ZUR THIDREKSSAGA. 163
Andere Besserungen finden sich 47^0,484 (nur in A), 166^, 190,,,
203„,. 2068, 211,3, 2103, 229,,, 230,«, 249,e, 274,«, 282,,, 297,«, 325,3.
Vielleicht war auch die Stelle 96?, von der Unger Vorrede S. VII
spricht, in AB gebessert, einen andern Versuch hierzu machte der
schwedische Bearbeiter. Vgl. weiter:
296,5 oc af eugum lut man iamnmikit uhap standa [um ]3ina
daga (AB) oc jjinna barna sem af J)esso; auch das Schwedische bessert:
(thust du das) tha komber ther mykith onth afi" bodhe tik ok tin baru.
3099. En med ]:)vi at ]3U farer i Hiinaland JDa mantu eigi [aptr
koma (AB) oc engi sa er \)ev fylgir. (Auch das Schwedische ergänzt
richtig Cap. 290.)
Sehr geboten war der Zusatz 3285, aus dem vorangehenden
leicht zu ergänzen war die Stelle 3318, auch nicht schwer 338,^*):
(Hilldibrandr) msellti sidan: Herra menn tvair hins fiorda tigar [rida
])ar (AB) stigum ofan u. s. f.
An einer ganzen Reihe von Stellen fehlt in M: nu suarar N. N.
in Unterredungen, fast scheint es absichtlich; so 192,g, 2038, 230,,,
193o, 196, (,, 321,9 (fehlt wenigstens der Name), 339,, 360,, an allen
diesen Stellen von AB, an den fünf letzten auch schwedisch richtig
eingefügt.
J)a msellte Hogne 318,6 (auch schwed.); sagdi konungr, sagdi
jDidrekr konungr 336», 276,o (hier auch schwed.) ])a kallar hon 163? ,
eingeschoben.
Auch war S. 173,, oc a markat med gulli leon. oc hans hofud
horfir upp septir skilldinimi oc foetr taka spordenn, hofud nicht schwer
zu finden, ebenso die Ergänzung Cap. 113, S. 128,, die übrigens in
A und B verschieden ausfiel.
Das Seite 302 (Cap. 29) und 663 (Cap. 49) zugefügte, obschon
nicht erforderlich^ doch immerhin wünschenswerth, konnte der islän-
dische Bearbeiter, falls M ihm vorlag, aus der Darstellung der ersten
Redaction Osautrix-Melias-Attila entnehmen.
Einige Kritik war erforderlich Cap. 200, S. 190^, das eigi einzu-
schalten, das freilich Cap. 184 verlangt.
Cap. 200, S. 190, ist in der Aufrechnung der Kämpfer und ihrer
Schildzeichen Aumlungs Schild, welcher der dritte ist, inM übersprungen,
nach dem zweiten wird gleich der vierte genannt. Der schwedische
Bearbeiter machte aus dem vierten den dritten u. s. f.; am Schluß aber
fehlte ihm einer an der Zahl und er machte den nicht gerade glück-
*) Letzte Zeile.
11*
1 CA TREUTLER
liehen Besserunp;sversucb cals 13. Gernholt, Hagens Bruder, zuzufügen,
der freilich im Folgenden gar nicht vorkommt. Daß etwas fehle, empfand
er also auch; nur war der isländische Bearbeiter glücklicher, der Aum-
lung einfügte, was bei genauer Beachtung der folgenden Zweikämpfe
bald sich darbieten musste.
Aufmerksamkeit bewies er ebenfalls Cap. 263, Seite 235j6 ^^ ^^*^^^
sidarr Iren jarll oc hann hsevir i taumi [Paron oc Bonikt. J)a ridr
drottseti jarls oc hsevir i taumi Bracca oc Porsa. Die hervor-
gehobenen Worte sind eine nothwendige Ergänzung zu M, die aber
nach den Worten im folgenden: j^a msellti Iron jarll vid drottsaetann,
Sla nu lausum ]Dinum hundum Bracka oc Porsa (S. 235) und: jsa slser
Iron jarl lausum sinum hundum Paron ok Bonikt (S. 236) einem auf-
merksamen Bearbeiter wohl zugetraut werden dürfen. Die Variante 236,
ist nur eine Umstellung des in M gegebenen.
Cap. 325, S. 284,2 steht für die Worte: Nu msellti Hilldibrandr.
Hverr ertu riddari er sua usidlega Isetr oc sua akaflega ridr. Ipa. suarar
Reinalld in M : Nu suarar Hilldibrandr, welche Worte zur Einleitung
einer Unterredung und ferner deßhalb ungeeignet sind, weil gerade
aus der ihnen folgenden. Rede hervorgeht, daß der Sprecher nicht
Hilldibrandr sein kann. Die Besserung in Reinalldr also war geboten.
Wollte man suarar stehn lassen, musste man vorher Hilldibrandr
sprechen lassen; daß dieser die Unterhaltung eröffnet, ist auch deßhalb
passend, weil er allein vorher mit Namen eingeführt ist. Das Schwed.
bessert einigermaßen, die Sache klappt doch nicht vollkommen. Hier
fängt das Gespräch auch an Cap. 275: Hyllebrand swarade ok sagdhe
til honom, die Reden aber sind ihrem Sprecher angemessen. Ziehen
wir hier die Stelle S. 338,4: Oc nu litr Hilldibrandr aptr. hann ser
ioreyk mikinn oc J)ar undir blickia fagrir skilldir. [Nu keyrir hann
hestinn 00 ridr eptir})idrekikonungiocs8egir honom. Herra
ec se ioreyk mikinn. oc Jjar undir blikia fagrir skilldir (AB)
oc huitar brynior. oc rida huast eptir oss. Nu suarar Herad u. s. f.
noch her und vergleichen, wie auch das Schwedische ganz richtig ge-
bessert hat, Cap. 343: Hser Hillebrandh saa til baka ok sagde til
Didrik konung. jach ser mongen man med hwita brynia ok fagra skiölla
ok rida fasth epther os. Tha grseth drotninghen, — so wird man
wenigstens die Möglichkeit der Besserung durch AB zugestehen müssen,
wie sehr auch gerade diese Stelle hier nach älterem Original gegeben
erscheint, in welchem der Schreiber von M von skilldir zu skilldir
abirrte.
Eine ganz geschickte Ergänzung ist auch die S. 109,^: Nv vill
hann [geraz jainn madr. tak nv vid hanom vel u. s. f.
ZUR THIDREKSSAGA. 165
Wenn auch die Möglichkeit, daß AB in allen obigen Fällen sollten
gebessert haben, bei der schon erprobten, auch bis ins Einzelne gehenden
Aufmerksamkeit des Bearbeiters eingeräumt werden könnte — zumal
in vielen Fällen auch das Schwedische ganz in gleicher Weise das
richtige trifft^ fast immer aber bei seiner kürzenden Darstellung den
Fehler in M vermeidet*), so muß doch zugegeben werden, daß ge-
wichtigere Gründe vorgebracht werden müssen, die dieser Möglichkeit
das Wahrscheinliche verleihen, dessen sie ermangelt. Solche aber sind
noch anzuführen.
Betrachten wir die achte Lage in M. Dieselbe bestand ursprüng-
lich aus 8 Blättern. Beschrieben wurden sie von Hand II. Im Anschluß
an Lage 7 enthielten die ersten 5 Züge j^idreks, die er, Attila und
Erminrek zu helfen, unternahm ( — Cap. 151), Blatt 5 unten, oder 6
oben, vielleicht auf beiden, folgten Cap. 170, 171; worin von ])idrek,
daß er ein Gastmahl rüstet und dazu König Gunnarr einladen will,
erzählt wird, sowie in Kürze des letztern Familienverhältnisse. Sein
Vater sei Irungr gewesen, u. s. f. — In 171 wird recapituliert, wer
alles bei |)idrek gewesen, daran schloß sich 189, wo er seine und seiner
Gesellen Kraft und Macht rühmt, was Herbrand zum Widerspruch
bewegt, der wieder den Anstoß zu dem Zug nach Bertangaland gibt.
Dessen Beschreibung ist von der Hand Nr. II noch bis dahin geführt,
wo Vidga zu Etgeirs Erdhaus kommt, in Cap. 196; von da, auf der
letzten Seite des achten Blattes, beginnt Hand III.
Cap. 200 wird Sigurd sveinn zuerst erwähnt, der dann weiter
eine Rolle zu spielen hat. Von seiner Vorgeschichte ist nicht das min-
deste bekannt. Diesen Mangel fühlte Nr. III und beschloß ihm abzu-
*) Döring in Zachers Zeitschrift II, S. 70 §. 6 hat darauf hingewiesen, daß die
schwed. Bearbeitung mitunter mit B besser stimmt als mit M. Wäre eine Einwirkung
von B anzunehmen, so würde unser obiges Argument entkräftet, ja gegen uns gekehrt.
Die Einstimmung ist jedoch nur zufällig. Döring führt an Cap. 373, S. 318^^ B und
schwed.: lass dir ihn (Attila) so lieb sein, wie Sigurd. M: lassen wir uns (Attila)
u. s. f. und Cap. 375, S. 320, j (Hagen hat ^in Auge) allsnart M, allsvart B und schwed.
nach Cap. 184: oc allr er hann dceklitadr keine große Entdeckung. Von andern der-
artigen Stellen fand sich noch: S. 275^, wo M 40000 liest B 60000, so auch schwed.
Cap. 265. Wie zufällig solche Übereinstimmungen sein können, kann man beobachten
Cap. 415, S. 352g, Hilldibrandr stirbt 150 (oder nach deutschen Liedern 200) Winter
alt in M, B steigert die erste Zahl auf einen Durchschnitt: 170, das Schwed, auch,
aber: 180 (hier in Cap. 357). Sollte der schwed. Bearbeiter, falls er B kannte, nicht
lieber in Cap. 185 Amlung für seinen verfehlten Gernholt eingeführt haben, als solche
Kleinigkeiten? Stellen, wo das Schwed. ebenso bessert, wie AB, sind noch: 97, g,
174,. ,0, 175,.,,, 189,.
166 TREUTLER
helfen. (Vgl. Unger S. XV) Er schob also die Geschichte von Sigurds
Geburt und Jugend (Cap. 152 — 168) zwischen das 5. und 6. Blatt der
8. Lage, und fügte außerdem noch eine Beschreibung aller der Kämpfer,
die auf J)idreks Seite standen, bei, Cap, 172 — 184. Da unter diesen
auch Gunnarr und Hagen vorkamen, musste das Capitel, wo von der
Einladung derselben die Rede war, 170, und das sich dem anschließende
171 vorgestellt, also deren frühere Niederschrift durch Nr. II (auf Blatt
5, 6) gestrichen werden. Vor beide aber stellte Nr. III die Erzählung
von Gunnarr und seinem Geschlecht, wie er sie kannte, nämlich, daß
Aldrian sein Vater gewesen. Cap. 169.
Eingeschoben also ist: Sigurds Jugendgeschichte (Cap. 152 bis
168), das Capitel von Aldrian 169, — es folgt eine Abschrift der schon
von Nr. IT geschriebenen Capitel 170, 171. — Wieder neu eingeschoben:
Beschreibung der Helden Jiidreks und ihrer Rüstungen und Schildzeichen
Cap. 172 — 184. Dann stehen aber noch 4 weitere Capitel auf den ein-
geschobenen X Blättern, an die sich erst dann der Zug nach Bertanga-
Innd, Cap. 189, anschließt. In Cap. 185 wird Sigurds Aussehen und
Rüstung, in 186 Sitkas Aussehen beschrieben, in 187 wird von Hilldi-
brands Schlagfertigkeit, in 188 berichtet, wie jaidrekr zu seinem Hengst
Falka gekommen. Daß keines von diesen 4 Capiteln zu den vorher-
gehenden passt, liegt zuerst auf der Hand, Sigurd ist nicht bei ]3idreks
Gesellen, Sifka tritt im folgenden gar nicht auf, und auch die 4 Capitel
unter einander erscheinen nur als bunter Mischmasch.
Storm S. 128 sucht den Verfasser zu vertheidigen, er habe eine
Beschreibung der Hauptpersonen aus den folgenden Sagenmassen ge-
zogen und vor den Zug nach Bertangaland gestellt. Diese Erkläning
ist nicht zutreffend. Die einfachste, die sich geben lässt, ist die, der
Schreiber des Einschubes bekam seine X Blätter nicht voll und suchte
nun nach beliebiger Füllung. Das sieht man auch aus der Folge der
4 Capitel. Das erste ist noch zur Noth erträglich, das zweite viel un-
passender, das dritte ist entsetzlich gehaltlos, Hilldibrand ist vorher
schon ausführlich beschrieben; endlich gelingt dem Schreiber in seiner
Noth ein glücklicher Wurf, er findet in Cap. 188 einen ergiebigeren
Stoff. Ganz vergisst er über der Sorge, nur sein Pergament voll zu
bringen, daß er den Anschluß von Cap. 189 an die vorhergehenden
durch diese 4 verdirbt, erst AB stellen denselben durch eine Wieder-
holung, Cap. 171 entsprechend, her, die sich als erstes Punktum in 189
findet.
Der schwed. Bearbeiter flihlte das Unpassende der 4 Capitel;
186, 187 warf er einfach aus, 185 verflocht er ganz geschickt in sein
ZUR THIDREKSSAGA. 167
Cap. 178, worin Herbrandr von Isuug erzählt. StattMaß man nun nach
dieser Analogie hätte sehließen sollen, er habe Cap. 188 an die Stelle
Cap. 16 seiner Bearbeitung = Schluß von 20 der I'ictrekssaga versetzt,
nahm man ;viel unwahrscheinlicher an, idas entsprechende Cap. *21
sei verloren, und der schwed. Bearbeiter habe später 188 ausgelassen,
weil er schon *21 als 16 aufgenommen! (Die Erzählung schwed. Cap.
16 und Cap. 188 in M ist allerdings verschieden, aber die Erweiterungen,
die in Cap. 16 etwa sich finden, sind ganz nahe liegende.)
In AB finden wir nun Cap. 152 — 189 (abgesehen von 170, 171,
die sehr verkürzt werden) ganz in derselben Ordnung wie in M. Wir
können nicht annehmen, daß eine ältere Handschrift sie ebenso, ein-
schließlich der vier besprochenen Schlußcapitel, enthalten hätte, wo
die Sachlage, gerade in M^, die Entstehung der letzteren aufs Beste
erklärt. Daraus ergibt sich mit Sicherheit, daßAB, beziehungs-
weise die ältere isländische Bearbeitung auf M, nicht auf
ein älteres Original zurückgeht.
Es bleibt uns noch übrig, eine Erklärung für die Umordnung des
Stoffes in AB zu versuchen. Storm S. 103 meint, AB sowohl wie
Schreiber Nr. III hätten es für unpassend gefunden, die Viltinen und
Hunnenkönige so zeitig zu besprechen. Für Nr. III ist diese Erklärung
wohl nicht ganz befriedigend, er würde dann vielleicht die Arbeit seines
Vorgängers als ungültig bezeichnet haben; vgl. übrigens noch unten.
In AB aber gieng die Änderung wohl hauptsächlich von dem Grunde
aus, daß es schlecht schien, mit })idreks Thaten so bald abzubrechen
(was auch Raßmann an der Composition der Saga tadelt, a. a. O.
S. XXV), man wollte erst seine Begegnung mit Vidga noch erzählen
und mit Ecca. Daß hierauf nun die Vilcinenkönige kommen, ist viel-
leicht eine Einwirkung der ursprünglichen Ordnung (bei Nr. II), die
nicht ganz verlassen werden sollte; ihre Geschichte wird aber nach
der Recension von Nr. III gegeben, weil die Valtarisaga, die bei diesem
darauf folgt, besser sich anschließt, als jsettleifs Abenteuer es gethan
hätten (die Velent-Vidgasaga fiel ja aus). Vgl. oben die Tabelle auf
S. 158. Die Mängel der Ordnung in AB hat Storm schon (S. 102) ins
Licht gestellt.
Da die einstige Existenz einer altern Vorlage von M zurückge-
wiesen ist, soweit wir aus dem Dasein von AB darauf schließen könnten,
gewinnen wir folgendes:
1. Der norwegische Ursprung der Saga wird nach den sonst
dafür sprechenden Gründen kaum mehr zu bezweifeln sein.
2. Die Echtheit des Prologs wird mindestens zweifelhaft. In M
kann er gestanden haben, da Avir 15 Blatt im Anfang fehlend annehmen,
168 TREUTLER
vielleicht auch Hand II dort schon thätig war. Für das einstige Vor-
handensein desselben in M spricht ebenso stark sein Dasein in AB,
wie dagegen das Fehlen im Schwedischen. Der isLändische Bearbeiter
hatte dieselben Gründe eine Anpreisung seinem Werke voranzuschicken,
wie der norwegische Verfasser. Die Sache ist ganz unsicher; jedes
Falls wird man gut thun, weitgehende Schlüsse auf Stellen aus dem
Prolog nicht zu begründen.
3. Das Capitel 188 hat kaum bereits als Capitel *2l in M ge-
standen, denn es hätte wirklich viel Geschmacklosigkeit dazu gehört,
es an dieser passenden Stelle zu streichen und an der unpassenden
(188) beizubehalten.
Wie ist aber M entstanden?
Als erste Niederschrift ist M der Auslassungen wegen, die darauf
hinweisen, daß es abgeschrieben ist, nicht zu betrachten. Andererseits
kann man nicht annehmen, daß das Original ebenso ausgesehen habe,
wie M. Erstens wird es die 4 Capitel 185 — 188 kaum enthalten haben,
dann zeigt sich in M ganz deutlich eine Zweiheit des Stoffes, die merk-
würdig auch in zwei Personen ihre Vertretung findet, in den Schreibern
II und III. Von letzterem ist die Wiederholung der Geschichte von
den Vilcinenkönigen geschrieben, seit seinem Eintreten ist Nr. II nicht
mehr thätig, äußere Gründe genug um anzunehmen, daß die ver-
schiedenen Darstellungen sich erst in M nebeneinander, nicht in einer
Vorlage zusammen fanden.
Raßmann (a. a. 0. S. XXIV) nahm , wie es scheint;, als etwas
selbstverständliches an, M sei aus zwei Handschriften abgeschrieben;
derselben, der Nr. III gefolgt sei, seien auch AB entsprungen. Die An-
nahme verschiedener Herkunft der Theile in M ist durchaus ansprechend,
leider aber hat Raßmann nicht die mindeste Andeutung gegeben, wie
man sich die beiden Vorlagen und ihr genaueres Verhältniss zu denken
habe. Es bietet das noch Schwierigkeiten. Suchen wir uns den Vorgang
bei der Entstehung von M auf rein äußerlichem Wege zu erklären,
so bleiben, abgesehen von dem complicierten und wenig glaublichen
Fall, dalj die Vorlagen verschieden geordnet gewesen seien und der
eine oder beide Abschreiber noch Umstellungen gemacht hätten, —
wären die Erzählungen dann je wieder zusammen gekommen? — drei
Möglichkeiten übrig:
1. Die zwei Vorlagen waren verschieden geordnet.
2. Sie waren gleich geordnet, aber der Schreiber Nr. II ordnete um.
3. Sie waren gleich geordnet, aber der Schreiber Nr. III ordnete um.
ZUK THIDREKSSAGA. 169
In den beiden ersten Fällen würde für die Vorlage von Nr. III
sich ergeben, daß in ihr auf Sigurds Jugend die Kämpenaufzählung,
der Zug nach Bertangaland, Herburt und Hilde, Osantrix gegen Melias,
Attila gegen Osantrix und Melias, Valtari und Hildigunnr gefolgt
wären, daß sie aber alles das, was Nr. III von dem, vom Schreiber II
(und I) geschriebenen, nicht wiederholte, auch vorausschickte. Diese
Ordnung möchte eher den Namen einer gründlichen Unordnung ver-
dienen.
Hat aber endlich Nr. III Umstellungen gemacht , so lässt sich
nicht annehmen, daß er wegen bloßer verschiedener Lesarten, die seine
Vorlage gegenüber der von Nr. II enthielt, 36 volle Capitel, die dieser
(resp. Nr. I) erzählt, an einer Stelle sollte wiederholt haben , wo sie
sein Original nicht bot. Er muß dazu andere Gründe gehabt haben;
dieß müsste man mehr oder weniger selbst dann noch annehmen, wenn
einer der ersten beiden Fälle statt gehabt hätte.
Mit einer Erklärung der Entstehung von M und zumal der Doppel-
partien darin , auf rein mechanischem Wege dürften wir also kaum
zum Ziele gelangen; es bleibt dann nur die Möglichkeit einer Über-
arbeitung und absichtlicher Wiederholung zu bestimmtem Zweck.
Das, was Nr. II (und I) schrieb, trägt einen sehr verschiedenen
Charakter von dem, was uns Nr. III bewahrte (und seine Helfer IV
und V). Ist auch weder das Eine noch das Andere eine irgendwie
künstlerische Composition, so geht doch die Erzählung bei Nr. II ruhig
und sicher vorwärts, neu auftretende Personen werden sachg«^mäß ein-
geführt, und wenn auch die geographischen Verhältnisse im Ganzen
schwankend sein mögen, so ist doch immer noch eine Spur von Be-
stimmtheit da, und jeder Person wird, wie ein Geschlecht, so auch ein
Vaterland und eine bestimmte Heimstätte beiojelegt. Dabei gehört alles
Vorgetragene in den engern Kreis der Dietrichssage, mit der Wittich
und Heime auch im deutschen Epos eng verwachsen erscheinen, während
ihr auch Dietleib hier gewiß näher steht als Siegfried. Episoden, die
durchaus nichts mit jsidrekr zu thun haben, finden sich kaum; die Ver-
wicklungen zwischen Osantrix und Melias spielen durch die ganze
Sage und die Nachkommen des Vilcinns, Vidga und die vier riesischen
Söhne Nordians treten aller Augenblicke auf. Hervorzuheben aber ist,
daß die chronologische Folge durchgehends gewahrt und der Gang
der Ereignisse ein natürlicher ist.
Ganz das Gegentheil ist der Fall im zweiten Theile der Saga.
Während sich im ersten allein genommen fast gar keine Widersprüche
linden (nur daß von Aspilian Cap. 27 gesagt wird, er sei ein Riese
170 TREUTLER
gewesen, Cap. 197 er sei geartet wie andere Menschen, Raßmaun
S. XIV; einen Widerspruch wird man es nicht nennen dürfen, wenn
bidrekr Cap. 97 sich für Heimir ausgibt und behauptet , zu seinem
Vater nach Bertangaland zu ziehen , während Studas nach Cap. 18
doch in Svava wohnt) erscheinen hier sowohl im Innern, als im Ver-
gleich zum ersten Theil ziemlich bedeutende. (S. Grimm, Heldensage,
S. 179, Raßmann, S. XIV ff.) Es drängen sich förmlich Episoden, die
den Blick in weite Fernen der Sagenwelt eröffnen , die aber auf die
Geschichte von Dietrich nicht den geringsten Einfluß haben und nur
ganz lose und oberflächlich an sie angeknüpft sind. Aber diese fremden
Elemente waren nicht einzuordnen, und überall zerbrechen und zer-
stören sie die einfachen Verhältnisse der Saga, wie sie im ersten Theil
erscheint. Da ist zuerst die Geschichte von Herburt und Hilde. Hier
wird Artus mit hereingebracht. Für ihn ist absolut kein Land mehr
da; so wird ihm denn Bertangaland zugetheilt , wo wir Cap. 189 ff.
schon Isung als König gefunden hatten *). Cap. 245 wird dafür
die Erklärung gegeben, dieser habe den Artus vertrieben. Dann ge-
hörte die Episode zeitlich allerdings an eine frühere Stelle, wo wäre
da aber Raum für sie gewesen? Schon W. Grimm Heldensage (s. 179 h.)
macht auf den groben Widerspruch aufmerksam, der so in die örtlichen
und chronologischen Verhältnisse der Saga kommt , die von nun an
nicht mehr wieder herzustellen waren. Ahnliches gilt von der Historie
von Iron und Apollonius.
Es zeigt sich also, daß die Quelle von Nr. II rein, einfach und
einheitlich war , von dem , was Nr. III schrieb , gilt das nicht. Hier
finden sich Erweiterungen. Dieselben kann schon seine Vorlage gehabt
haben. Nach der Lage der Dinge erscheint es aber nicht unwahr-
scheinlich, daß Nr. III selbst die Erweiterungen vorgenommen. Da AB
nach unserm Dafürhalten aus M hervorgiengen, so kann die Behaup-
tung vorerst nicht entgegengehalten werden , es müsse ein älteres
Original dagewesen sein, das den vollen Stoff, den M enthält, geboten
hätte. Für die Ablehnung eines solchen aber spricht Verschiedenes.
*) Artus hrit freilich der übrigen Litteratur des Mittelalters zufolge ein mehr
begründetes Anrecht auf Bertangaland als Isungr. Doch ist dieser für die päs. ohne
Zweifel der ursprünglichere. Es soll damit nicht behauptet werden, daß alte Sage ihn
als König von Bertangaland gekannt habe, vielmehr ist er, anfänglich wohl eine mythi-
sche Figur, in der |)ds. oder ihren Quellen aus Mangel an einem andern Lande da-
selbst localisiert. Bei der Trennung der Sagenkreise war ein Zusammenstoß mit A. gar
nicht uöthig, erst dem kritiklosen Verfahren von 111 war es vorbehalten, einen solchen
hervorzurufen.
ZUR TIIIDREKSSAGA. 171
Nr. III werden wir als den Urheber der Erweiterungen ansehen
dürfen, wenn sich ihm ein besonders ausgesprochener Geschmack und
überhaupt eine in den Gang des Ganzen eingreifende Thätigkeit nach-
weisen läßt.
Beides ist möglich.
Ein ganz auffälliger Hauptzug tritt an dem hervor was Nr. III
selbst schrieb. Bei weitem der größte Theil davon sind Liebesgeschichten;
er gibt eine wahre Mustersammlung von Entführungen aller Art Her-
burt entführt Hilde, Osantrix Oda, Rodolfr Erka und Berta, Valtari
Hildigunnr, ApoUonius die Tochter Salomons. Beinahe alle derartigen
Geschichten in der Pidrekssaga finden sich von Nr. III aufgezeichnet.
Gerade dieß sind aber vielfach Episoden, die sich mit |)idreks Schick-
salen gar nicht berühren. Sobald wir aber wieder etwas weiter in dessen
eigentliche Geschichte hinein kommen, überträgt Nr. III die Arbeit
seinen Gehilfen. Es wird nicht zu kühn sein , wenn wir den eigen-
thnmlichen Zug, den seine Arbeit trägt;, nicht für zufällig halten. Die
Neigung des Schreibers Nr. III zog ihn vorzüglich zu solchen roman-
tischen Abenteuern , in denen auch hie und da das höfische Element
mehr hervortritt. Nr. III^ ofi'enbar der Leiter der Schreibarbeit im
zweiten Theil der Saga, konnte sich recht wohl das zur eigenhändigen
Arbeit auswählen, was ihm besonders anstand. Dort aber, wo er in
die Arbeit von Nr. H eingriff, wo er den Einschub machte, bewies er,
wie gering man es auch anschlagen mag, doch eine selbständige Auf-
fassung der Saga. Der Charakter dieses Einschubes aber ist dem der
spätereren Episoden im Wesentlichen ähnlich. Auch die Geschichte
Sigurds, besonders die seiner Jugend, bleibt für die J)idrekssaga ohne
Folgen; auch hier zeigt sich das Nebelhafte und Verschwommene in
den geographischen Verhältnissen. Sigmund hat ein Königreich in Tar-
lungeland, sein Schwager Drasolf ist König, wovon? Beide unternehmen
einen Kriegszug austr i Pulinaland, nichts wird davon erzählt, der
Name ist Lückenbüsser. Sigurd treibt in dem Glasgefäß einen Fluß hinab,
treibt an einer Insel an — weder jener, noch diese trägt einen Namen.
Man wird sonach den Schreiber Nr. II nicht mit Raßmann beschul-
digen dürfen, er habe diese Partie ausgelassen, vielmehr hat sie Nr. III
eingefügt; und wohl selbständig, wie auch die anderen Episoden, denn,
lassen sich auch nur äußerliehe und zufällig scheinende Dinge dafür
anführen , derselbe gewinnt für uns eine ausgeprägte Individualität.
Daß diese Erweiterungen hier in M zuerst erscheinen , ist auch der
vielen Widersprüche wegen nicht unwahrscheinlich; der erste Hinein-
arbeiter, der mehr unter der Herrschaft seines Stoßes stand, konnte
172 TREUTLER
sich ihnen schwerer entziehen, die spätem Überarbeiter sehen wir
sogleich ebnen und glätten.
Als wir oben erwogen, ob M auf rein mechanischem Wege aus
zwei Vorlagen abfließen konnte, blieb uns die entgegengesetzte Mög-
lichkeit oflfen, eine Überarbeitung und für die Doppelpartien absicht-
liche Wiederholung anzunehmen. Diese Annahme passt sich dem eben
gewonnenen Resultate vortrefflich an. Wenn Nr. III den abenteuer-
lichen Zug hatte, den wir ihm oben zuschrieben, konnte er wohl, als
er empfand, wie er mit seinen Episoden doch das Ganze zerrüttete,
— und diese Erkenntniß musste er bald gewinnen, — um seiner Lust
an Entführungsgeschichten volle Befriedigung und seiner Sammlung
die möglichste Vollständigkeit zu verschaffen , darauf verfallen , die
Geschichte von Gsantrix-Melias-Attila zu wiederholen, die ihm zwei
der herrlichsten Vorwürfe gab, und an der er, indem er die Valtari-
saga sich anschließen heß , dieselbe Begebenheit durch drei Gene-
rationen, von Melias bis Valtari vorführen konnte. Vielleicht beruhigte
ihn auch, daß er die Geschichte in seiner Vorlage etwas anders erzählt
fand, — eben wegen gewisser Abweichungen hier werden wir für Nr. III
eine etwas andere Quelle wie für Nr. II annehmen müssen. (Freilich
schrieb er nicht überaus sorgfältig, wie man an einigen Veränderungen
in Cap. 170, 171, die er nach den von ihm durchstrichenen in der
Arbeit von Nr. II abschrieb, sehen kann.) Möglicherweise änderte er
auch hier, den Rodingeirr, Cap. 43, 44, z. B. als Werber der Erka
für Attila dürfte er wohl erst eingeschwärzt haben.
Woher entnahm nun Nr. III seine Zusätze? (Dieselbe Frage würden
wir eventuell für seine Vorlage zu stellen haben.) Auch hier — wie
z. B. in der Ironssaga — finden sich Stellen , die darauf hindeuten,
daß diese Episoden abgeschrieben wurden. Sie brauchen deßhalb wohl
kaum in einem Werke gestanden zu haben, sondern man dürfte viel-
leicht kleinere nordische Prosaerzählungen annehmen, wie Storm z. B.
für die Carlamagnussaga (a. a. o. S. 53) ein bücherweises Entstehen
zu vermuthen scheint. Anderes könnte man vielleicht sogar als in M
zuerst in nordischer Sprache niedergeschrieben, als Original ansprechen,
eine derartige Vermuthung möchten wir am ehesten für die schon be-
sprochene Episode von Herburt und Hilde wagen, wo das Schwanken
im Namen des jüngsten Königssohnes von Sintram (so die ersten drei-
mal) zu Tintram, Tistram, Tristram mühsames Zurückerinnern zu ver-
rathen scheint; auch der allerdings gedankenlose Schreibfehler, S. 214,0
möchte nicht dagegen sprechen. Sonst aber zeigt gerade diese Geschichte
alle die Kriterien, die wir für eigene Zufügung des Schreibers auf-
ZUR THIDREKSSAGA. 173
stellten, in hohem Grade, und vielleicht verleitete ihn gerade hier die
Lust, selbst schriftstellerisch thätig zu sein, zu dem ersten gänzlichen
aus den Augen lassen des großen Ganzen.
Als erst von Nr. III hineingetragen wäre selbst die Niflungasaga,
"wenigstens so ausgedehnt sie jetzt erscheint, zu bezeichnen; dafür
spricht, daß hier Gunnars Vater Aldrian hieß, wie in dem Cap. 169,
das Nr. III vor das geschoben, in welchem Nr. II erzählt, es sei Irungr
gewesen. (170.) Ahnlich hätte mit Rücksicht auf die Niflungasaga Nr. III
auch den Rodingeirr in die Geschichte der Werbung, Cap. 43, 44, ein-
geflochten. (Zu einer ähnlichen Ansicht über die Sigurds- und Niflunga-
saga und deren Vorhandensein im Norden in prosaischer Bearbeitung
vor der ridrtkssaga gelangte auch Raßmann, aber aus anderen Gründen;
vgl. a. a. 0., S. XX, Anm. 1.)
Unsere Ansicht über M und seine Entstehung also ist folgende:
M ist kein einheitliches Ganze und nicht nach dem Werke eines Ver-
fassers abgeschrieben. Dem Anfang liegt vermuthlich eine ältere, ein-
fachere |)idrekssaga zu Grunde, die zwei Norweger abzuschreiben be-
gannen. Dieselbe enthielt außer dem , was Nr. I und II wirklich
schrieben, etwa noch den Zug nach Bertangaland, Schluß, Sifka's
Rache, Attila's Kriege gegen Valderaar, ])idreks Zug gegen Erminrek;
und das Stück von jDidreks Heimkehr bis zum Schluß. Die Arbeit
jener beiden, unterbrochen, ward fortgesetzt von einem dritten Mann,
der andern Gesichtspunkten folgte. Ihm lag eine etwas andere Hand-
schrift vor , die wir aber der ersten au Einfachheit ähnlich halten
können. Dieser Abschreiber jedoch hatte einen abenteuerlichen Hang
zu romantischen Geschichten, deren er eine Menge einwob; er hatte
sie aus schriftlichen Quellen , zum Theil zeichnete er sie vielleicht
selbst nach Erzählungen zuerst auf. Das Ganze zerstörte er damit von
Grund aus. Zwei Schreiber giengen ihm zur Hand, die wohl nach Dictat
schrieben.
Schon Storm in seinem öfters citierten Buche, dem wir große
Anregung verdanken, stellt eine, wie es scheint, ähnliche Ansicht auf,
wenn er sagt , M zerfalle in zwei Redactionen , und wenn er ferner
Nr. HI als den Hauptredacteur bezeichnet. Er spricht sich jedoch nicht
schärfer aus und zieht, wie uns däucht, nicht die genügenden Fol-
gerungen.
Von einem Verfasser der Saga in der vorliegenden Gestalt dürfte
schwerlich weiter die Rede sein können; der der eigentlichen (ein-
facheren) I'idrekssaga tritt hinter dem Überarbeiter in M zurück, und
dieser verdient jenen Namen nicht.
174 TREUTLER
Der Prolog, selbst wenn er wirklich in M gestanden hätte, wäre
dann doch nur zu dem einen Theile der Saga zugehörig und entbehrte
für den andern jeder Beweiskraft. Überhaupt erscheint es grundfalsch,
von einem Theile in M auf den andern irgend welche Schlüsse zu
ziehen; die Schreiber Nr. II (und I) und Nr. III (IV, V) sind streng
von einander zu trennen.
Wie man sich das Verhältniss von M bei der gefundenen Sach-
lage zu seinen deutschen Quellen zu denken hat, ist im zweiten Theil
noch besonders erörtert.
Kommen wir mit wenigen Worten auf unsern Ausgangspunkt
zurück. Für die Erzählung von J)idreks Hengst Falka glauben wir
wahrscheinlich gemacht zu haben , daß dieselbe in M nur einmal, als
Cap. 188, nicht zweimal vorkam.
Die anderen beiden Doppelerzählungen verdanken ihre Entstehung
dem Gegensatze zwischen Schreiber Nr. II und III; die erste ^■on
Hagen's Herkunft, Cap. 169, fügte Nr. III wahrscheinlich der Niflunga-
saga, der die Darstellung von Nr. II, Cap. 170, nicht entsprach, über-
einstimmend zu; für die Wiederholung der Geschichte von den Vil-
cinenkönigen wird sich, schwer ein Grund angeben lassen, falls man
sich nicht zu unserer oben aufgestellten Hypothese, der die allgemeinen
Verhältnisse kaum widersprechen, bekennen mag.
IL
Unter allen die fidrekssaga betreffenden Fragen eine der wich-
tigsten und vielleicht am meisten behandelt, ist die^ wie sich dieselbe
zu ihren deutschen Quellen verhält. Daß ihr überhaupt solche zu
Grunde liegen, steht außer Zweifel; ebenso, daß es mehrere sind,
nicht blos eine ist, wie P. E. Müller im Anschluß an die Worte des
Prologes: ]iessi saga er ein af J)eim stoerstum sogum er gorvar hafa
verit i ]5yderskri tungu, glauben wollte; endlich wird von Niemand
bestritten, daß der Stoff dieser Quellen dem Norden durch Nieder-
deutsche vermittelt ward.
Über alles andere gehen die Ansichten auseinander.
W. Grimm, Heldensage, S. 175 ff. glaubt, der Sagaschreiber habe
geschöpft theils aus schriftlicher, theils aus mündlicher Überlieferung
(alten Geschichten und Erzählungen deutscher Männer) , die er auf
deutschen Burgen empfangen.
A. Raßmann, Heldensage, Band II, S. XXI, glaubte dieß näher
dahin ausführen zu können, daß unter der mündlichen Überlieferung
niederdeutsche, kürzere Lieder, nach Art der Kja^mpeviser zu ver-
ZUR THTCREKSSAGA. 175
stehen seien, scliriftlicli aber dem Verfasser der Saga hochdeutsclie,
längere Heldengedichte vorgelegen hätten.
Alledem entgegen erklärte sich Döring in seiner Abhandlung: Die
Quellen der Niflungasaga in der Darstellung der ridrekssaga und
den von dieser abhängigen Fassungen. (Zeitschrift für deutsche
Philologie, Band II, S. 1—79, 265-292.) Er betoute, daß der Verfasser :
1. nicht in Deutschland seinen Stoff erhielt; — dieß im Anschluß
an P. E. Müller, der das Gleiche annahm, und als den Ort, wo der
nordische Verfasser seinen deutschen Gewährsmännern begegnet, glaubte
Bergen bezeichnen zu können;
2. daß er keine schriftlichen deutschen Vorlagen hatte und nur
mündlichen Berichten folgte ;
3. daß diese hauptsächlich oder nur aus hochdeutschen, umfang-
reichern Epen geschöpft;
4. daß er ein ünterhaltungsbuch liefern wollte, deßhalb sich nicht
so getreu an seine Quellen gebunden glaubte , deren Darstellung er
denn auch, theils um zu besserer Einheit in seiner Geschichte zu ge-
langen, theils um sie nordischem Geschmack angemessen zu machen
und mit nordischen Sagengebilden mehr in Einklang zu setzen , ver-
änderte, was ihm aber zeitweise auch unabsichtlich begegnen konnte,
da er aus dem Gedächtnisse schrieb.
Diese vier Sätze liegen der Ausführung, daß die Niflungasaga
auf unser erhaltenes, hochdeutsches Nibelungenlied zurückgehe, nicht
auf irgend eine unbekannte Vorlage, zu Grunde, wie umgekehrt diese
Untersuchung im Einzelnen wiederum sie zu stützen dient.
Zuletzt handelte über die beregte Frage G. Storm. Dieser nahm
die beiden ersten Sätze Döring's unbedingt an^ indem er Müller's An-
sicht über den Übermittlungsort Bergen noch näher ausführt; weiter
neigt auch er sich zu der Ansicht, daß nur größere epische Gedichte
den Stoff geliefert hätten, doch sei nicht mehr zu entscheiden, ob die-
selben hoch- oder niederdeutsch (dann wohl Übersetzungen hoch-
deutscher Epen?) gewesen seien. Vgl. S. 107, 108. Bestimmt spricht
er sich aber gegen die vierte Döring'sche Behauptung aus, die Heran-
ziehung des erhaltenen Nibelungenliedes verwirft er ganz : der Ver-
fasser der Saga folgte seinen Quellen treu , weicht er von uns Be-
kanntem ab, so gab es in alter Zeit Epen, die eine andere Fassung
hatten, als die uns bewahrten, oder die Verschiedenheit fällt den nieder-
deutschen Gewährsmännern zu Last ; es ist falsch , einen Einfluß nor-
discher Sage und Sitte nachweisen zu wollen.
176 TKF.UTI.KIt
Ähnliches Vertrauen setzte Raßinann (wohl auch W. Grimm) in
die Zuverlässigkeit des Verfassers.
Nach der oben geführten Untersuchung stellt sich für uns einiges
anders, als bisher ausgesprochen ward. Nach unserer Ansicht kam die
I^idrekssaga, wie sie in M vorliegt, so zu Stande, daß die unvollendete
Abschrift einer altern, einfacheren ridrekssaga bei ihrer Fortführung
durch einen andern Schreiber aus mehreren nordischen Prosasagas er-
weitert wurde. Ist diese Annahme richtig, so wird man kaum bestreiten
können, daß der Verfasser einer von diesen ganz wohl seinen Stoff
selbst in Deutschland erhalten oder eine schriftliche Vorlage gehabt
haben könne, ohne daß sich eine Andeutung hierüber in M erhalten
hat; ohne eine solche können wir jedoch bei den Döring' sehen Sätzen
stehen bleiben.
Wichtiger ist zu entscheiden , ob die Darstellung in M den
deutschen Quellen treu folgte? Diese Frage müssen wir verneinen.
Wenn schon für die ursprüngliche ridrekssaga schwer ganz getreues
Festhalten an den deutscheu Quellen anzunehmen ist^ — diese waren
zahlreich und wichen vielfach von einander ab*); um sie zu einem
Ganzen zu verbinden, musste der Ordner dem Einzelnen bisweilen
Gewalt anthun , — so lässt sich solches noch weniger für den Er-
weiterer in M, unsern Schreiber Nr. III, annehmen, der durch rohes
Einschieben fremder Episoden sein eigentliches Original durchaus zer-
störte und auch gegen jene gewiß nicht mehr Rücksicht nahm, wenn
es galt, eine auch noch so oberflächliche Einheit herzustellen. Dabei muß
man bedenken, daß gerade diese Erweiterungen von ihrer deutschen
Heimat bis zu der Aufzeichnung durch Nr. III noch eine Stufe mehr
durchzumachen hatten, als die eigentliche ridrekssaga. Wie die Um-
änderung des Einzelnen dem Ganzen zu gefallen fortschreitet, lehrt
uns deutlich die Bearbeitung AB; hierin wird gleichwohl, ebenso wie
in M, getreuer Anschluß behauptet und auf erhaltene Denkmale sich
berufen.
Nach diesen Erwägungen können wir der letzten der oben ange-
führten Döring'schen Thesen nur vollkommen zustimmen , trotzdem
wir die Begründung aus dem Prolog für keineswegs sicher halten.
(S. Döring a. a. O. S. 5.) Döring's entsprechendes Verfahren im be-
sondern bei Vergleichung der Niflungasaga mit dem Nibelungenliede
könnte nur dann unerlaubt erscheinen , falls besondere Gründe sich
*) Wie sehr streiten nicht unsere erhaltenen Heldenlieder untereinander, sowohl
in chronologischen als auch in andern Dingen!
ZUR THIDREKSSAGA. 177
noch dagegen vorbringen ließen. Sowohl das, was Raßmann, wie das,
was Storm für die Zuverlässigkeit des Verfassers sagen, steht aber
auf schwachen Füßen.
Raßmann meint, S. XXVIII, die einzige Partie, in der man den
Sagaschreiber controlieren könne, sei die Erzählung von j^idreks' Kämpen,
das dänische Volkslied, Kong Didrik og Hans Kjgemper, das sich aus
dem sächsischen entwickelt habe , beweise den nahen Anschluß der
ridrekssaga an das letztere. Storm hat nachgewiesen, daß das dänische
Lied auf die schwedische Didrikschrouik zurückgeht , die , wie wir
oben sahen, eine Bearbeitung der ridrekssaga ist.
Weiter gibt Raßmann S, XV unten, die Widersprüche der Saga
für einen Beweis großer Gewissenhaftigkeit den Quellen gegenüber
aus, wir können darin nur den Widerstreit zweier verschiedener nor-
discher Bearbeiter finden.
Was Raßmann weiter für den Sagaschreiber anführt, zieht aucli
Storm zum großen Theil wieder herbei. Beide berufen sich auf die
Stelle im Prolog: ok ])o at ]3U takir einn mann or hverri borg um
allt Saxland*). j^a munu Jsessa sogu allir a eina leitt segia. Storni
S. 119 meint, fingierte Quellen seien in der classischen Periode nor
wegischer Litteratur etwas unerhörtes.
Wir könnten zuerst entgegenhalten, daß die Zugehörigkeit des
Prologs für M nicht zu erweisen ist; aber auch diese vorausgesetzt,
— was in der angezogenen Stelle gesagt ist, ist ja gar nicht richtig.
Uns scheint der Unterschied zwischen Jemand, der für etwas eine
Quelle angibt, wofür er keine hat, und dem, welcher zwar mehrere
Quellen hat, aber gegen besseres Wissen deren Einstimmigkeit ver-
sichert, ein höchst feiner. Daß aber die Quellen nicht einstimmten
gibt Storm zu, der sogar selbst sich bemüht, eine Reihe eigenartiger
Sagengebilde herauszuschälen. Kehren wir unsere eigenen Waffen gegen
uns ! Gesetzt , der Prolog sei unecht , so bleibt die Stelle Cap. 394,
welche Einstimmigkeit der Quellen nur für einen kleinen Theil der
Sage behauptet; es wäre ja möglich, daß zwar die einzelnen Episoden
untereinander nicht übereinkämen, daß aber gleichwohl jede überall
mit denselben Abweichungen erzählt worden wäre. Wahrscheinlich ist
das freihch nicht; kleinere Sagengebilde über verwandten Stoff werden
sich immer anziehen und beeinflussen. Döring S. 267 erklärt den Haupt-
theil dieses Capitels geradezu für Erfindung. Die vielen Berufungen
*) Storm nimmt Saxland wieder, wie früher Raßmann für Sachsen, was Döring
S. 78 für unzulässig erklärte.
GERMANIA. Neue Eeilie. VIU. (XX.) Julirg. 12
J7S TKEUTLEK
cauf < h-tlichkeiten, die sich in demselben befinden, erwecken kein
Vei trauen, schon Raßmann kamen solche Hinweisungen auf noch vor-
handene Denkmäler verdächtig vor, vgl. S. XXVII, und Döring wies
treffend hin auf die Aussage über ]:)idreks Spieß (Cap. 836) und die
wunderliche Localisicrung des Irungs vegr in Susa. (Cap. 387.)
Raßmann fand in der I'idrekssaga einen Widerstreit hoch- und
niederdeutscher Quellen,
Storm, der an die niederdeutschen kürzern Lieder nicht glaubt,
scheint es sich so vorzustellen, daß die hochdeutschen Epen auf ihrer
Wanderung nach dem Norden über Niederdeutschland durch nieder-
deutsche alte Sagen stark beeinflußt worden. — So wird man das von
ihm S. 110 ff. gesagte wohl erklären dürfen; eine Localisicrung des
süddeutschen Stoffes in Norddeutschland ohne einen solchen äußern
Grund erscheint doch nicht denkbar. —
Döring endlich behauptet, der oberdeutsche Stoff erscheine in M,
seinem eigentlichen Wesen nach, unverändert; im Einzelnen freilich
vielfach verdorben, und mit nordischen (auch niederdeutschen?) An-
sätzen.
Alle drei ziehen die geographischen Verhältnisse in der ridreks-
saga herbei. Der Kern der Frage ist: liegt Hunaland im Osten, in
Ungarn, oder liegt es in Norddeutschland? (Zweitens, ist Bern Verona
oder Bonn?)
Döring, nachdem er glaubte, hinlänglich erwiesen zu haben, daß
der Niflungasaga das Nibelungenlied zur Grundlage diene, schloß ein-
fach, liegt in diesem das Hunenreich in Ungarn, muß es in jener
ebenso sein.
Raßmann , für den der Schauplatz der alten Heldensage über-
haupt am Rheine liegt, setzte deshalb auch das Hunaland der ridreks-
saga hieher. — Storm schloß sich ihm darin an.
Die Annahmen Döring' s und Raßmann's sind also im Grunde
willkürlich, jener brauchte Hunaland im Osten, dieser im Norden, beide
brachten dann eine Anzahl Gründe für ihre Meinung vor.
Wo kann Hunaland liegen? Raßmann gesteht zu, daß Bern in
den meisten Fällen Verona sei, nur an einer Stelle will er es für Bonn
nehmen, weiter muß er für einzelne Stellen zugeben, daß Hunaland
das Hunnenreich an der Donau ist. Zwischen den einzelnen Schreibern
in M ist zu unterscheiden.
Eine einzige Stelle nur zwingt uns, Hunaland da zu suchen, wo
Raßmann es finden will.
ZUH THIDREKSSAGA. 179
Cap, 45 heißt es: Attila will gegen Villcinaland ziehen^ er sammelt
ein Heer und rückt von Susa aus und reitet mit diesem Heer nord-
wärts nach Villcinaland. Ihm entgegen zieht Aspilian, der aber ge-
schlagen wird. Attila verfolgt die Flüchtigen weiter ins Land hinein.
Nun sammelt Osangtrix ein Heer und zieht ihm entgegen. Ok er
hann kemr sudr i Jotland. J^a hefir hann. X. Jjusundir rid-
dara*) u. s. f. Attila entweicht sudr i Hunaland. Als er in den Wald
kommt, der zwischen Hunaland und Dänemark liegt, schlägt er seine
Zelte auf.
In dieser Stelle ist schwer an das östliche Hunaland zu denken.
Sie findet sich aber nur in AB, die Redaction von Nr. III für diesen
Theil ist verloren, die von Nr. II weicht ab.
Aber ganz deutlich ist das Hunaland an der Donau gemeinte
Cap. 293. Valldemarr von Holmgard zieht gegen Hunaland. Attila
rüstet und Valldemarr zieht sich zurück. 294. Attila folgt ihm und zieht
nach Rußland. Als er in das Reich von Vilcinaland und Rußland
kommt, beert er. Valldemarr kommt ihm nun entgegen, sie treffen sich
in Vilcinaland (Pulinaland AB). 295 kommt es zur Schlacht. 296
flieht })idrekr nach derselben in ein Castell. 298 rückt ein Heer Attila's
zum Entsatz heran und es heißt: als die Wächter Valdemar's gewahr
werden^ daß ein unermessliches Heer nach Rußland gekommen war
u. s. f. Diese Stelle ist von Hand IV geschrieben, also unter der Re-
daction von Nr. III. Hier grenzen deutlich Vilcinaland, Rußland und
Hunaland zusammen, dann kann Hunaland bei der Ausdehnung, die
den andern Ländern durchweg gegeben wird, nur Ungarn sein**).
Bei Nr. II geht es von Hunaland nördlich nach Vilcinaland, auch
andere Bestimmungen finden sich, die aber keine Gewissheit geben.
Cap. 35 (Unger S. 42 unter dem Strich) sagt Fritlrik, er sei langen
Weg vsestan af Spania nach Hunaland gezogen, was auf das östliche
Hunaland besser passt, als auf das nördliche.
Nach dem Osten weist Hunaland eine zwingende Stelle bei Nr. IV,
nach dem Norden nur eine in AB; im Übrigen haben wir zwischen
beiden die Auswahl , wir werden uns in Hinblick auf das sehr un-
*) Das gesperrt Gedruckte sogar nur in A.
**) Man könnte einwenden, daß in diesem Theil der Saga, den Kämpfen Attilas
mit Valldemarr, Vilcinaland und Rußland eigentlich stets zusammengerechnet werden,
und behaupten, Vilcinaland sei hier mehr eine Provinz von Rußland, so daß dessen
Name dafür stehe. Dann würde doch das viele Wechseln mit beiden Namen wunderbar
sein; auch wird PuHnaland Cap. 304 selbständig erwähnt, das dann auch russische
Provinz hätte sein müssen.
12*
180 TREUTLER
gleiche Gewicht der beiden erwähnten Stellen und da die Analogie
der Nibelungen immerhin schwer in die Wagschale fällt, für den Osten
entscheiden.
Schwierig ist im besondern die Stelle Cap. 363, wo es heißt, die
Niflunge kommen an den Rhein , wo Donau und Rhein zusammen
kommen. Döring meint, der Rhein stehe für den Inn, die Stelle be-
weise, daß die Niflunge von Worms nach Osten gezogen seien. Raß-
mann vermuthet, der Verfasser der Saga habe zwischen norddeutschen
Quellen, von denen die einen Huualand an den Rhein, die andern an
die Donau verlegten, vermitteln wollen, und so beide Ströme zusammen-
fließen lassen. Storm verwirft beide Erklärungen: die Donau vertrete
den Main. (S. 113.) Ohne die Annahme einer Vertauschung kommen
wir also doch nicht vorwärts, am einfachsten ist es dann, wenn wir
geradezu dem Verfasser der Saga eine Vertauschuug zwischen Rhein
und Donau zuschreiben , ersterer war im Norden offenbar viel mehr
als ein Hauptfluß Deutschlands bekannt, ausserdem spielt er gewiss in
den altnordischen Liedern, die dem Sagaschreiber bekannt waren, eine
Rolle , wie in deren uns in der Edda erhaltenen Verwandten , es lag
deßhalb nahe, ihn hier weiter einzuführen. Dann kann sich der Schreiber
der Saga dunkel einer Stelle, wo von dem Zusammenfluß zweier Ströme
die Rede ist , erinnert (s. Döring, S. 22) und nun die mehrfach er-
wähnte Donau noch haben zu ihrem Rechte kommen lassen wollen.
DerRin wird erwähnt noch: Cap. 245 (Hand III) Tira, des Apollonius
Residenz^ liegt nahe am Rhein. 282 (Hand HI) Trelinnborg, die Burg
der Harluugeu, steht am Rhein. 289 (Hand IH) ])idrek flieht nach
Bakalar am Rhein. 363, 364 (Hand V), die Stellen der Niflungasaga.
399 und 402 (Hand IV, die zweite Stelle nur in AB erhalten), Jsidrek
auf seiner Rückreise wird durch Eisung jarl den Jungen angegriffen,
der über den Rhein gesetzt ist. Die Diind erscheint nur Cap. 363.
Alle Erwähnungen des Rheins finden sich nur bei Nr. IH, IV, V.
Für die erste Charakteristik eines Menschen genügt es zu wissen,
welcher Nationalität er angehört oder etwa welcher größeren Stadt,
da die Vorstellungen, die wir uns von einer Nationalität machen,
wesentlich an die von ihren großem Orten gebunden sind. Wir werden
einen sehr verschiedenen Begriff haben von Jemand, der aus Paris,
Wien oder Petersburg ist, auf die genauere geographische Lage dieser
Orte unter einander kommt es dabei gar nicht an.
Bestimmte geographische Kenntniss eines Landes wird man erst
gewinnen, wenn mau sich die Wasserläufe und Stromgebiete desselben
einprägt. Diese Art der Aneignung geographischer Verhältnisse war
ZUR THroREKÖSAGA. 181
für den Menschen des Mittelalters, der der Karten entbehrte, wohl die
einzige. Sie kostete viel Mühe.
Nun kam es dem Schreiber oder den Schreibern unserer Saga
aber hauptsächlich auf die Schilderung des persönlichen und nationalen
Charakters ihrer Helden an, dafür waren nicht große geographische
Studien nöthig , ganz rohe und einfache Angaben genügten, ob der
Held ein Vilcine, ein Russe oder ein Hunne war, Vilcinaland lag dann
im Norden, Hunaland im Süden, Rußland im Osten; und ob sich der
Schreiber Holmgard am Meere gedacht hätte, oder 20 Meilen davon,
das änderte an Hertnids Schicksalen nicht das mindeste. In den grobem
Umrissen werden auch die beiden Recensionen in M ziemlich über-
einstimmen. — Die feinere Ausführung konnte nach Gutdünken am
passenden Orte zugefügt werden. Hier finden sich denn auch Ab-
weichungen zwischen Schreiber II und III, nach Cap. 55 (IH) liegt
das Castell Marcsteinn im Falstrskogr, nach 117 (II) Marsteinn im
Borgarskogr, AB haben beidemal Marsteinn^ doch waren am Ende beide
nicht zu identificieren. Ja selbst in derselben Episode ist nicht immer
Klarheit über das Detail vorhanden, vgl. was vom Ungara-Valslöngu-
skogr in der Ironssaga gesagt ist. Bisweilen verstanden die nordischen
Schreiber wohl auch die deutschen Namen nicht als Bezeichnung für
einen Ort, den ihre Sprache anders nannte, und so konnte das Bild,
was sie sich machten, kein vollkommen klares sein. (Ein Beispiel
bietet die Umdeutung von der Harlungenburg Fritila in Fridssela^ Ver-
celli in AB, Cap. 13, die kaum am Platze ist.) — Für die sorglose
Art, mit der die einzelnen Länder gruppiert werden, bietet ein gutes
Beispiel Cap. 233 (und 237), wo Herburt von Bern nach Bertangaland
(doch wohl England) zieht, erst A (Seite 214^ und 217«) führt die
Schiffe ein. Ferner Cap. 279| , wo Erminrek zwar seinen Sohn zu Schiff
nach England sendet, aber auch die Fahrt zu Lande nicht unmöglich
gedacht wird.
Zumal nach diesen Beispielen werden wir ruhig glauben können,
daß der Sagaschreiber, der wusste, daß das meiste im deutschen Reiche
spiele, dann für vergessene Namen einfach die deutschen Flüsse und
Städte, die er besser kannte, einsetzte. (So auch Döring. S. 4, Anm. 10.)
Was wusste er z. B. wie der Oberrhein lief, ob der nicht von Osten
herumschwenkt, so daß Bakalar ganz wohl im östlichen Hunnenlande
und doch am Rhein liegen konnte; nach nordischer Tradition spielt
nun das ganze Drama an diesem, — also setzte ihn der Schreiber
frisch in seinen Text. Solche Annahme scheint immer noch wahrschein-
licher, als das sonst angenommene Umspringen von Süd- nach Nord-
182 TREUTLER
deutBchland , oder von Italien nach der Rheinprovinz. Wenn jiidrek
gegen das Heer des Königs von Romaborg zieht, und sie treffen sich
in dem durch diesen dem Vertriebenen abgenommenen Reiche, so kann
das nicht an der Mosel sein; — im letzten Theil ist ])idrek offenbar
in Italien König, gleicher Redaction gehört die oben erwähnte Erzählung
an, — sondern die Mosel ersetzt hier einen andern Fluß. Hatte der
Verfasser der Saga nur irgend eine Spur von geographischer Kennt-
niss, so roh wie immer, so konnte er doch ein solches Herumspringen
der Ortlichkeiten weder selbst beabsichtigen, noch absichtlich — ver-
schiedenen Quellen gemäß — behalten. Nach der Andeutung Raßmanns
S. XI über Brictan scheint dieser es so zu denken, daß der Verfasser
die in Norddeutschland heimische Sage allerdings habe im Süden locali-
sieren wollen, und so aus Wrexen Brictan machte, um den Namen
mehr an Brixen anzugleichen. Damit gäbe aber Raßmann zu, daß
wenigstens der Sagaschreiber sich jiidreks Reich nur in Italien denkt
(und so auch Hunaland dann nur an ^iner Stelle), dann hätte derselbe
aber gewiß versucht, diese Ausgleichung weiter durchzuführen. Oder
ist Brictan für Raßmann Vermittlung zwischen Wrexen der nieder-
deutschen und Brixen dei- hochdeutschen Quelle? Und wollte der Ver-
fasser seinem Leser offen halten, sich je nach Belieben nach Nord-
deutschland oder Italien zu denken?! Wollte man endlich den Ver-
fasser als ganz unwissend und nur seinen Quellen, bald der, bald jener,
nachbetend ansehen, so daß er bald etwas Niederdeutsches, bald etwas
Hochdeutsches, beide gedankenlos vermischend, aufnahm, und so die
niederdeutsche Mosel nach Italien gekommen glauben, so hat unsere
Behauptung, er habe einen bekannten Fluß für einen vergessenen ge-
setzt, dieselbe Berechtigung.
Eine solche Vertauschung von Namen findet sich auch in der
Geschichte von Ecca, wo die tirolische durch westfälische gleichlautende
ersetzt, letztere noch vermehrt wurden.
Ferner gibt Grund zu Erörterungen gewöhnlich Vidgas Ausfahrt.
Vidga trifft an der Eidisa jiidreks Gesellen, sie ziehen durch den Luru-
vald zum Castell Brictan und über die Visarä nach Bern. Man wird
hier die Eidisd weder für Eider noch Eder, sondern die Etsch, und
die Visarä mit Döring für den Miucio zu nehmen haben*). Der Luru-
vald aber liegt zwischen J)idreks und Attilas Reich, also etwa in Tirol,
wo letzterer, bei der gänzlichen Unbestimmtheit, in der gerade die
*) Entschieden unstatthaft ist es, wenn Stonn S. 111 die Lippa aus AB in seine
Beweisführung mit hereinzieht
ZUR THIDEEKSSAGA. 183
Österreichischen, wie überhaupt die deutschen Gebiete gelassen werden,
gar wohl noch sein Jagdgebiet haben konnte. Vgl. Cap. 139.
Es ist auch mit Storm kein innerer Widerspruch zu finden in der
Reiseroute J)idreks, wie sie Döring aufstellte, S. 265, 266. Er reitet von
Susa hina vestri leid til Mundiu und kommt über Bakalar zum Luru-
vald, in die Nähe des Rheins (nach uns = Donau) und von hier über
die Alpen. Freilich dürfen wir dann den Luruvald nicht in Westfalen
suchen. (Wenn hina vestri leid für den Norweger und Isländer von
seinem Standpunkte aus auch den Weg durch Westdeutschland be-
zeichnete (Storm S. 112), so kann es von einem andern Ausgangspunkt
gewiß auch ganz einfach den westlichen Weg = den Weg nach Westen
bedeuten.) Übrigens kann der hier erwähnte Luruvald immer noch
ein anderer sein, als der Cap. 139 und 101 bei Nr. II erwähnte.
Wir können also auch in den geographischen Verhältnissen und
der Verschiedenheit der Angaben nicht treuen Anschluß des Saga-
schreibers an seine Quellen entdecken, wohl aber Willkürlichkeiten und
Ungenauigkeiten genug. So werden wir auch auf die Erwähnung von
Soest, Cap. 394, nichts geben können. Döring erklärt das Capitel, wie
erwähnt, für Erfindung. Die Stellung desselben in der Handschrift ist
vielleicht auch nicht ganz unverdächtig.
Zwischen Schreiber I, II und III bestand eine Vertheilung des
Stoffes weder nach dem Raum> noch dem Inhalt^ jeder nahm die Arbeit
des Vorgängers da auf, wo sie gerade abgebrochen war: sie schrieben
nach einander.
Ein Abkommen über das zu schreibende ist aber bei Nr. HI, IV
und V nachzuweisen: sie schrieben miteinander.
Nr. IV beginnt seine Arbeit auf einer frischen Lage Pergament
(Lage XIII) mit einer neuen Geschichte, den Kriegen Valdemars gegen
Attila (Cap. 293). Zu diesen rechnet man freilich noch Cap. 291. 292.
Wir halten dieselben für schlecht beglaubigt. Sie sind im wesenthchen
inhaltslos, ihr Hauptinhalt aber ist unsinnig. Osangtrix wird hier zum
zweiten Mal erschlagen, Hertnid, sein Sohn, wird König, im folgenden
wird er nie erwähnt, Valdemar erscheint vielmehr zugleich über Vil-
cinaland gebietend. Cap. 293 schließt sich außerdem ganz gut an 290;
Schluß : J)idrekr (entschließt sich da zu bleiben und) verweilt nun bei
König Attila lange Zeit. 293 aber, als Attila nicht lange zu Hause ge-
wesen, erfährt er u. s. f. Nr. III, der Nr. IV unterdeß auf der frischen
Lage den Russenkrieg hatte anfangen lassen, bekam seine Lage nicht
ganz voll. Was ließ sich zwischen |)idreks Ankunft bei Attila und den
Russenkrieg noch einflicken? Der Vilcinenkrieg hatte den letzteren
184 TREUTLER
veranlasst, also war das einfachste, ihn nochmals vorzuführen — ob Nr. III
für seine Art, ihn zu erzählen, eine Quelle hatte, oder nicht, das bleibe
daliingestellt. Müllcnhoffs Vermuthung, Haupts Ztschr. XII, S. 350, ist
hiermit durchaus bestätigt^ daß Hertnid fälschlich ein Sohn des Osang-
trix genannt werde, aber nicht nur das ist falsch, sondern daß er hier
überhaupt vorkommt, wo das zunächst folgende von ihm nichts weiß.
Außer diesem Krieg gegen Valdemar schrieb Nr. IV noch JDidreks
Zug gegen Erminrek, Sigurds Ende und Fasolds und ]3etleifs Unter-
gang, und füllte damit Lage XIII, XIV und 7 Blatt von XV. Die letzten
10 Zeilen des siebenten Blattes sind von Hand V. Es ist kaum zu be-
zweifeln^ daß sie genau Ungers Cap. 355, das den Schluß zu der Ge-
schichte von Fasold und j^etleif bildet, enthalten. Dasselbe füllt 13
knappe Druckzeilen, aus der Vergleichung des Facsimile mit dem
Druck ergiebt sich ein kleiner Überschuß der geschriebenen Zeile bei
Nr. V über die Druckzeile. Eine Überschrift hat das Capitel niclit,
folglich kommen die 13 in den 10 Zeilen genau unter. Es mag das
Capitel ein späterer Nachtrag durch Nr. V sein.
Die eigentliche Arbeit von Nr. V war die Abschxüft der Niflunga-
saga, die auch von Nr. V zu Ende geführt wird; dieselbe füllt Lage
XV Blatt 8, Lage XVI, Lage XVII, Blatt 1, 2, 3. Daran schließen sich
die Worte: i Niflungaland, bei Unger Schluß des Capitel 393, und Cap.
394, von Hand IV geschrieben, noch denselben Stoff behandelnd, oben
auf dem vierten Blatt. Dann beginnt eine neue Erzählung, die von
jDidreks Heimkehr.
Es ist höchst eigen, daß das Eintreten anderer Schreiber stets
an so merkwürdiger Stelle statt hat, wo neue Pergamentblätter anfangen,
und wo die Geschichte — fast — aus ist*). Man wird das nicht für
einen Zufall halten, derselbe wirkt allerdings mit, aber in beschränkterem
Maße.
Als Nr. III merkte, daß er allein nicht fertig werde, theilte er
Nr. IV einen Theil des Abzuschreibenden zu; als dieser schon eine
Zeit lang arbeitete, sahen beide ein, daß das Werk immer noch nicht
genug gefördert wurde, und noch ein dritter wurde angestellt. (Zu diesem
Bilde größter Hast passt die Bemerkung sehr gut, daß Nr. IV und
V auch noch nach Diktat schrieben; vgl. oben S. 153.) Nr. IV berechnete
nun, wie viel er noch Pergament brauche bis zur Beendigung der rett-
leifepisode, und es fand sich, daß er dazu 7 Blatt über eine Lage
*) Wo die Arbeit von Nr, III wieder begann, ist, da die betreiYenden Blätter
fehlen, leider nicht festzustellen.
ZUR THIDREKSSAGA. 185
brauchen werde. Auf dem achten ließ er mittlerweile Nr. V anfangen,
dem die Niflungasaga und das Pergament dazu gegeben wurde, er
schrieb sie fertig ab bis Cap. 393, Variante 22,
Cap. 394 kam erst dazu, als 393, d. h. die Arbeit von Nr. V be-
endigt war, das beweisen die Worte: i Niflungaland, die ebenfalls von
Hand IV zugefügt wurden.
Nun wird kein Mensch, der eine größere Arbeit nach Abschnitten
au verschiedene Schreiber zum copieren vertheilt, darauf verfallen, von
einem solchen Abschnitt den Schluß von geringer Ausdehnung (14 Druck-
zeilen) wegzuschneiden und dem nächsten Schreiber zu übergeben.
Der Zufall aber müsste ein recht närrisches Spiel getrieben haben,
wenn er in ganz ähnlicher Weise zwei Schreiber, jeden an der Voll-
endung seiner Arbeit verhindert hätte. Der Fall war das allerdings bei
Cap. 355. Dasselbe ist kaum zu entbehren. Es fehlte an der Arbeit
von Nr. IV, Nr. V setzte es zu. Es steht am Ende der letzten Nr. IV
zugetheilten Seite. Hier wird sich aber annähernd erklären lassen, wie
der Zufall eintreten konnte. Nr. IV hatte von der Lage XV das
achte Blatt schon durch V voll schreiben lassen. Es trat jetzt das um-
gekehrte ein, von dem, was wir schon zweimal begegnen sahen. Während
Nr. III immer zu reichlich rechnete, hatte Nr. IV seinen Raum zu eng
bemessen*). Er sah, daß er den Schluß seiner Vorlage nicht mehr
hin bekäme und ließ eine Lücke. Die Arbeit kam nun an den Redacteur.
Dieser zog die Geschichte eng zusammen. In der That bildet Cap. 355
einen sehr summarischen Schluß zu der ganzen J)etleif-Fasoldepisode.
Endlich bricht es ab mit den wehmüthigen Worten : oc af hanvm er
allmikil saga. })o at Jsess uerde nu eigi her getet i J)essare frasogn**).
Wenn nun diese 10 Zeilen nicht gegen das vorhergehende und folgende
äußerlich abstechen sollten, musste entweder der vorhergehende oder
folgende Schreiber (Nr. IV oder V) sie schreiben, der erstere war im
Augenblick vielleicht nicht zur Hand, so ward der folgende herbei-
gezogen.
Viel roher hätte der Zufall noch im anderen Falle gewaltet. Nicht
am Ende oder mitten in der Thätigkeit seiner Schreibarbeit, wie Nr. V
*) Bei einer Vorherberechnung des Raumes, besonders nach Großquartseiten,
ist ja das Fehlgehen nach der einen oder andern Seite stets das Wahrscheinliche, fast
unglaublich wäre einmal sicheres Zutreifen.
**) Bisher fand man in denselben ein Zeugniss dafür, daß der Schreiber noch
über einen bedeutenden Stofi" verfügte, aber in weiser Beschränkung ferner abliegendes
wegließ. Wir sehen, daß ihn nur die Noth dazu veranlasste.
186 TREUTLER
Cap. 355 schrieb, sondern am Anfang derselben hat Nr. IV das Capitel
394 aufgezeichnet, wo dann seine eigentliche Arbeit mit l^idreks Rück-
kehr (Cap. 395 ff.) beginnt. Da das Capitel erst geschrieben Bein kann^
als 393 schon vorlag, dem vorhergehenden Schreiber es also nicht an
Pergament gefehlt haben kann, so hätte diesen hier eben der roheste
und unwahrscheinlichste Zufall von seiner Arbeit fortgerissen. (Zu er-
innern ist nochmals, daß ja eine Vertheilung des Stoffes vorlag!) Von
einem solchen ist aber keine Spur nachzuweisen, denn Nr. V bricht
nicht etwa im Satze ab, sondern Cap. 393 hat einen grammatisch ge-
nügenden Ausgang. Die Worte i Niflungaland, die Nr. IV an den
Schlußsatz anfügte, sind entbehrlich. Aber nicht nur grammatisch ist
der Schlußsatz in 393 befi'iedigend, auch der Inhalt des Schlußes ist
ausreichend. Ganz behaglich und breit werden Reflexionen angestellt
über das gi'oße Drama, das sich eben abgespielt, auf die Berühmtheit
des Stoffes in Deutschland wird hingewiesen, und daß nun die Pro-
phezeiung der Erka sich erfüllt habe. Cap. 394 war danach ziemlich
überflüssig. Wir möchten glauben, daß es nicht zu der Vorlage gehörte,
die Nr. V vollständig abschrieb, und daß der Redacteur es zusetzen
ließ als weitere Ausführung der Hinweisung auf deutsche Quellen im
Schluß von 393 und zur besseren Beglaubigung der ganzen Geschichte,
die zwar aus einer nordischen Quelle abgeschrieben sein mag, aber
doch mit Veränderungen. Beispielsweise konnte eine selbständige
nordische Niflungasaga, die nach den Nibelungen gearbeitet war, sehr
wohl den Wolf hart haben; da die rictrekssaga ihn aber bei Groensport
fallen lässt, so musste er hier entfernt werden. Der Redacteur hat
übrigens sonst schon genügende Beweise eines nicht gerade verständigen
und gewissenhaften Verfahrens gegeben, daß man ihm diese Einführung
von Soest auch zuschreiben darf, dieselbe ist allerdings geradezu
litterarischer Betrug, da er sich sonst Hunaland nicht in Westfalen
dachte.
Wir wollen noch auf einzelne Einwürfe eingehen, die Storm gegen
Dörings Meinung, und, da wir dieselbe im Grunde annahmen, gegen
die unserige erhoben.
Storm gesteht ein Zusetzen einzelner Sätze durch den ^Verfasser
der Saga in redactionellem Interesse zu, dieselben sind doch aber nicht
so gar unbedeutend, gerade durch die versuchte Ausgleichung zwischen
Isung und Artus, die Storm S. 127 als solchen Zusatz bezeichnet, ent-
steht die heilloseste Verwirrung, Seite 116 gibt er ebenso das Aufnehmen
einzelner nordischer Namen (Gram, Grane) zu, verwahrt sich aber gegen
die Annahme eines Einflusses von den eddischeu Gedichten, beziehungs-
ZUR THIDREKSSAGA. 187
weise deren nordischer Verwandten, welchen doch offenbar jene Namen
entstammen. Bei diesen wird man aber nicht stehen geblieben sein;
die Einführung einer ganz fremden Geschichte unter bekannten Namen
bei einem sagenliebenden Volke musste auf Widerstand stossen und
eine Angleichung an die vertrauten Gebilde war durchaus geboten.
Ebenso müssen wir die Ansicht Storms bestreiten, daß nordische
Sitte keinen Einfluß geübt habe ; der beste Beweisgrund Dörings blieb
unwiderlegt. Aber selbst nordischer Patriotismus wirkte bei der Com-
position der Saga mit. Wir behaupten nicht, daß Vidga ursprünglich,,
und der Volksüberlieferung gemäß im Norden localisiert war; der Saga-
schreiber jedoch konnte sehr leicht darauf verfallen, es zu thun. Irgend
wohin musste er Vidga setzen ; als Sohn Velents aber, der dem Norden
im Gegensatz zu vielen andern Gestalten der Sage altbekannt war,
lag es nahe ihn mit seinem Vater auch dort anzusiedeln. Eine gewisse
Vorliebe zeigt der Verfasser für diesen Helden durchweg. Er tiberstrahlt
an Kraft, an muthiger und edler Gesinnung für den Leser gar oft seinen
König, dessen Größe der Schreiber mehr durch Worte bezeugt, bei
jenem lässt er die Thaten sprechen. Wenn Storm S. 114 über Müllers
Worte: der nordische ^Übersetzer habe Vidgas Kühnheit in besseres
Licht setzen wollen, um des Nordens Ehre aufrecht zu erhalten , spottet,
dann sei es ja dumm gewesen, ihn vor J)idrek fliehen und durch den-
selben tödten zu lassen, so verkennt er im Grunde damit ganz den
ethischen Gehalt der Sage; Vidga flieht mehr den inneren Widerstreit,
als den Kampf mit })idrek, auf ihm lastet die schwere Schuld des ehe-
maligen Herrn Bruder gefällt zu haben, die ihm das Vertrauen raubt
in seine Kraft, welche er sonst mit der ]3idreks zu messen nicht ge-
fürchtet. Die Art, wie ]iidrek ihn später tödtet, nach Entwendung
seines Schwertes,, gereicht ihm gewiß nicht zur Schande; endlich konnte
doch ein Bearbeiter der Sage Dietrichs seine Sympathie für einen
andern Helden nicht so weit treiben, daß das Ganze sich verkehrte,
daß jaidrekr etwa durch Vidga besiegt ward, ihn floh oder durch ihn
fiel! Die Vorliebe des Verfassers für diesen Helden zeigt sich aber
bei jeder Gelegenheit, man vergleiche nur den ,Zug nach Bertangaland'.
Storm S. 116 wirft ein, ein Norweger habe sich mit den Dänen im
13. Jh. den Deutschen gegenüber nicht solidarisch gefühlt. Ob die Leute
der alten dänischen Zunge' nicht doch ihre größere Verwandtschaft
achteten? Für unsere Saga scheint wenigstens Storms Einwurf die
Stelle zu widersprechen, wo Cap. 215 der Isungssohn zu Jjettleifr sagt:
nicht gebe ich so meine Waff"en auf, jiottu ser danskr oc enn mresti
ofmgetnadarraadr ; in diesen AVortcn bricht der ganze Stolz des Schreibers
138 TREUTLER
auf seinen nordischen Landsmann durch; man wird sie kaum ironisch
fassen dürfen, etwa = wenn du auch ein dänisches Großmaul bist',
doch selbst dann spiegeln sie nicht weniger das Hochgefühl des Ver-
fassers über den stammverwandten Helden, wenn man sie mit der
weiteren Erzählung zusammen hält, wo dieser Spott von Grund aus
widerlegt wird. Bei den Kämpfen in Bertangaland siegen von ]iidreks
Genossen — er selbst als Hauptperson der Saga durfte ja nicht unter-
liegen — nur die beiden Dänen, J^ettleifr und Vidga, und noch Aum-
lungr, dem man eine Genugthuung für das Vorhergehende schuldig
war; in A wird später sein Ruhm auch noch geschmälert.
Endlich erfährt Döring scharfen Tadel von Storra, S. 118, daß er
die Tödtung der Kiüemhild durch Dietrich für zufällige Übereinstimmung
zwischen der jjidrekssaga und dem Anhang zum Heldenbuch erklärt.
Welcher Zufall ist wahrscheinlicher, den Döring hier, oder den Storm
S. 196 annimmt? Wenn ein Mann in schwerem Kampf zwei Gegner
gefangen, und es vergreift sich jemand an ihnen, wer wird da nicht
auf den Gedanken kommen, jenem selbst die Rache zuzuschreiben,,
obschon in der ursprünglichen Geschichte dieselbe auf einen andern
zurückgeführt sein mag? Aber werden zwei verschiedene Verfasser,
unabhängig, ebenso leicht auf die Idee verfallen, ihren verschmachtenden
Helden im Kampfgetümmel Blut für Wein trinken zu lassen?
Die Ansichten Storms und Raßmanns über das Verhältniss der
I^idrekssaga zu ihren deutschen Quellen, vermöge der verschiedenen
Einschränkungen, die nöthig wurden, ziemlich verwickelt, hoffen wir^
so weit sie dennoch den gewissenhaften Anschluß des Verfassers an
seine Originale verfechten wollen, im einzelnen zurückgewiesen zuhaben.
Die I^idrekssaga ist leider nicht als die reine und deßhalb un-
schätzbare Quelle unserer Heldensage anzusehen, wie es der Brauch
war. Wohl bietet sie manches sonst verlorene, und deßhalb hat sie
immer noch eine ziemliche Bedeutung; aber Treue im Einzelnen kann
man ihren Berichten nicht zuschreiben. Sie ist von einer überaus ge-
mischten Herkunft. Der Inhalt der hochdeutschen Epen ward durch
Niederdeutsche dem Norden vermittelt, diese Erzählungen wurden zu-
erst wohl einzeln in nordischer Sprache aufgezeichnet und zu kleineren
Gruppen zusammen gefasst; hierbei mag schon vieles sich verändert
haben, manches verblasste, manches gewann durch nordische Anschauung
andere Farbe, die Motive wurden umgewandelt und die Handlung zu
andern Zielen gewendet; die Hauptverderbuiss aber brach erst herein,
als diese kleineren Gruppen in die größere, die sich unterdessen als
f idrekssaga herangebildet hatte, von einem Überarbeiter dieser herein-
gezogen und trotz allem Widerstreben in dieselbe verschlungen wurden.
ZUR THIDBEKSSAGA. 189
Hier trat eine starke Umbildung einzelner Sagenelemente ein, zu litte-
rarischem Zweck eines Einzelnen, also durchaus unorganisch, nicht in
der lebensvollen Wandlung, wie sie das fortschreitende Bewusstsein
der Menge, des Volkes veranlasst. Hylt^n-Cavallius in der Vorrede zu
seiner Ausgabe der Saga om Didrik af Bern , Stockholm 1850 — 54,
Seite X stellt den Sagaschreiber, der die einzelnen Theile zum Ganzen
einigte, mit dem Volksleben, das poetische und märchenhafte Züge
trägt, sie trennt und verbindet, geradezu zusammen. Gewiß mit Unrecht.
Denn hätten wir in der ridrekssaga eine genaue Aufzeichnung dessen,
was das nordische Volk sich erzählte — und hätte es immer seinen
Stoff ursprünglich aus deutschen Liedern erhalten und ihn umgestaltet
— so hätten wir in ihr immer eine Quelle lebendiger, wirklicher Helden-
sage, auch unserer deutschen^ freilich in einem späteren Entwickelungs-
stande ; so aber geht vieles auf die Erfindung eines Einzelnen zurück,
der, wie Döring richtig sagt, einen Roman schrieb, und das eigentliche
Leben dieser Gebilde beginnt erst nach der ridrekssaga, in den Volks-
liedern des Nordens. Das aber^ was sie selbst bietet, hat so nie^ oder
nur im Kopfe eines oder weniger gelebt.
Die Hauptschuld der Entstellung, im Großen und Ganzen, trifft
den Zusammenarbeiter, — wenn man bei dessen Zwecken von einer
Schuld reden dürfte — wer im Einzelnen sie veranlasste, das wird
sich nicht ausmachen lassen, es mögen dabei die deutschen Kaufleute
auch nicht ganz unbetheiligt sein. Aber zu bedauern ist, wenn Storm
diese Frage gleichsam zu einem Streitpunkt nationalen Stolzes machen,
seinen Landsmann, den Verfasser ganz rein waschen und den ehrbaren*
(hsederlige) Handelsleuten aus Deutschland alles verdrehte und alle
spießbüi'gerliche Nüchternheit in die Schuhe schieben will. (S. 130, 131.)
Wenn sich Züge von solcher häufig finden, könnte man sie wohl eher
dem einen Verfasser als allen Gewährsmännern beimessen; und wenn
dieselbe seiner Natur ganz zuwider war, konnte er ja z. B. in der An-
gabe über Hildebrands Alter bloß den Liedern folgen. Aber das ist
die geringere Frage. Wenn wir unsere Saga, die lange für den theuer-
sten Ersatz vieler verlorener Lieder gehalten wurde, in kritischen
Zweifeln zu der wenig genußreichen Hülle, der der beste Kern fehlt,
zusammenschrumpfen sehen, so werden wir diesen Verlust beklagen,
aber es ist besser ihn nicht zu beschönigen, denn nur wenn wir das
Falsche und Unechte durchschauen, 'werden wir zur Erkenntniss des
Reinen und Echten in unserer gewaltigen Heldensage, die auch zum
großen Theil gemeinsames Erbgut unserer nordischen Brüder ist, ge-
langen. HUGO TßEUTLER.
190 A. EDZARDI
DIE STUTTGARTER OSWALTPROSA.
I.
Am Schluße seines Buches „Die Oswaldlegende etc. 1856" machte
Zingerle in Folge einer Notiz Franz Pfeiffers auf eine in Stuttgart
befindliche Prosaauflösung des Gedichtes von St. Oswalt aufmerksam
und ließ im Anzeiger 1857 p. 38 ff. zwei kurze Stücke daraus nach
Pfeiffers Mittheilung abdrucken. Das eine Stück steht Bl. 258' bis 259"
und entspricht den Versen 632 ff. Ettm. ; das andere ist der Schluß
Bl. 280^ = Ettm. 3385 ff. Die wenigen einleitenden Worte bringen
kaum etwas neues. Es wird daher eine ausführliche Beschreibung der
Hs. , zumal soweit sie unsere Oswaltprosa enthält, wohl noch am
Platze sein.
Im October vorigen Jahres war es mir durch die Güte des Herrn
Oberstudienrathes Prof. Heyd in Stuttgart, der mir die Benutzung auch
außer den gewöhnlichen, Bibliothekstunden gestattete, möglich, auf der
dortigen kgl. öffentlichen Bibliothek in den wenigen Tagen meines
Aufenthaltes eine sorgfältige Abschrift der Prosa zu nehmen, von der
ich den größesten Theil^ darunter die hier gedruckten Partien, einer
nochmaligen sorgsamen Vergleichung unterzogen habe*).
Die Hs. (cod. theol. et phil. 81. Papier 4") zählt 294 Blätter, blatt-
weise paginiert, von denen inmitten und am Schluße mehrere leer ge-
lassen sind. Die Lagen haben verschiedenen Umfang. — Sie enthält
eine ganze Reihe von (legendarischen) Prosastückeu , die im Register
{Die tauel diß huchs, steht voran, nicht mit paginiert) aufgezählt sind.
Darunter ist eine Barlaam- und Josaphatprosa, Bl. 135 ff., die, soweit
mir bekannt, noch nicht benutzt ist. Auf der Rückseite dieses nicht
paginierten Blattes steht : Diß buch gehört in daz closter Buthe pdiger
wdens^*).
Auf Bl. 253" (unten) bis 281' steht die Oswaltprosa (im Register
f,von sant Oswalt^). Sie bricht etwas vor dem Schluße des Gedichtes
*) Die übrigens nur Berichtigungen in unwesentlichen Punkten ergab.
**) Mein Freund Dr. N. Keeck macht mich darauf aufmerksam, daß Reute
5 Kilom. W-S-W von Waldsee im würtembergischen Donaukreise nach Neumann, Das
deutsche Reich u. s. f. 1872 ff. ein Franziskanerkloster und eine Wallfahrtskirche
gehabt hat. Dieß scheint, soweit ich zur Stunde anzugeben vermag, der einzige Ort
dieses Namens zu sein, in dem sich ein Kloster nachweisen lässt, und da die Hs. in
DIE STUTTGARTER OSWALTPROSA. 191
ab mit Darnach loeret ir leben nit lang (vgl. Ettm. 3444), obgleich
noch 6 Zeilen Raum auf der Seite ist. Die folgende Seite 281'' ist leer.
Dann folgt, enger und zierlicher geschrieben, von einer ähnlichen Hand
(wohl nicht derselben) ein anderes Stück, im Register benannt y,Aher
ein hübsch exempel von de grauen Guido ..." Die einzelnen Stücke
sind von verschiedenen Händen geschrieben, doch immer mehrere von
derselben Hand. So hat auch der Schreiber der Oswaltprosa noch
andere Stücke geschrieben.
Der Einband scheint alt zu sein: auf der einen Seite vorn ist ein
Pergamentblatt eingeklebt, auf dem sehr sauber lateinische Worte mit
Noten geschrieben stehn. Die Innenseite des Rückdeckels trägt gleich-
falls auf einem eingeklebten Pergamentblatte eine lateinische Notiz
mit der Jahreszahl (in Worten) 1481. Diese Notiz ist offenbar von
jüngerer Hand als die Hs. selbst, so daß diese in den Anfang des
XV. Jhs. zu setzen sein möchte*). Zwischen Bl. 278 und 279 kommt
ein Pergamentstreifen zum Vorschein, das Ende dieses Pergamentblattes.
Ich lasse hier den Anfang folgen, indem ich die entsprechenden
Verszahlen des Gedichtes nach Ettm. zur Vergleichung von je 10 zu
10 Versen, soweit thunlich, an den Rand setze. Die Orthographie der
Hs. ist genau beibehalten mit folgenden Ausnahmen: 1. 5 ist durch 2
wiedergegeben, das Zeichen ß aber beibehalten. 2. s und f gebe ich
gleichmäßig durch s. 3. u und v habe ich nicht streng geschieden.
4. Den Strich über einem Vocal am Ende, wo er unzweifelhaft als n
zu lesen ist, habe ich mit n wiedergegeben; wo aber ein Zweifel mög-
lich oder sicher m zu lesen ist, lasse ich den Strich. 5. y mit Punkt
darüber gebe ich durch einfaches y wieder. 6. m und n (außer vn)
habe ich stets in mm und nn aufgelöst.
Stuttgart sich befindet, ist es auch deßhalb schon wahrscheinlich, daß die Hs. diesem
nahegelegenen würtembergischen Kloster angehörte. Es müsste dann Predigerordens
hier ausnahmsweise die Minoriten (sonst immer Dominikaner) meinen oder bei Neu-
mann ein Versehen vorliegen. Der Dialekt der Oswaltprosa würde in sofern dazu
stimmen, als die 2. pl. (ind. u.) imp. auf -ent ausgeht und t und ü nicht in ei und eu
übergegangen sind. Auch die Anfügung des e, namentlich in der (1. und) 3. sing, praet.
(z. B, starbe, Tcame, schiede, spräche u. s. f.) und in andern Fällen (z. B, dienste, sale(^?)
u. s. f.) würde dem wohl nicht widersprechen. Dagegen stimmt durchaus nicht dazu
das anlautende d, entsprechend hochdeutschem t, welches (z. B. in daff, dochter, d°<,
u. s. f.) nicht selten auftritt. Es müsste sich denn dieß aus dem Dialecte der Vor-
lage erklären (?). Anlautend steht fast durchweg b, doch auchp: pilgerin neben bilgerin.
*) Pfeiffer gibt nur an „XV. Jh." Das für das Alter der Schrift in Betracht
kommende ß findet sich schon Ende des XIV. Jhs. Wattenbach, Lat. Palaeogr. im
Anhang p. 15 führt an: wafier (1387).
192 A. EDZARDI
Auch die Interpunktion der Hs., die z. Th. vom Rubrikator her-
rührt, habe ich genau wiedergegeben. Es ist zu beachten, daß dieselbe
nicht selten mit der Verstheilung zusammenfällt.
Roth unterstrichene Worte gebe ich durch cursiven Druck, die
in der Hs. roth durchstri ebenen Majuskeln (und Minuskeln) durch
fetten Druck wieder. Wo mir die Lesung eines Wortes zweifelhaft
war, habe ich eine zweite mögliche Lesart in Klammern mit Frage-
zeichen dahinter gesetzt. Die Überschrift ist mit rother Tinte geschrieben,
desgleichen das erste D des Textes, welches ^ich über zwei Zeilen
erstreckt.
Von de hochgelopten milten uil edeln köiiig saiit Oswalt \on
eiigellant.
Der liebe milte h^re Sant Osivalt was ein könig zu engellant
^^ Uli was so gcAvaltig dz er zwelff könig un königrych under
"" im het Vnd XXIIir hertzogen un • XXXVI • Grafen vn IX bi-
20 schoffe, IVu sterbe sin vatt' un muott^ do er nümen (sie) XXIIII
jar alt was Do was er in grossen sorgen, wan er noch so jung was
dz er sich nit v^synnen künt als jm wol not were Doch wie jung
30 er was so v^gaß er gottes nit, er trachtet alleziit wie er got wol
43 gedienen möchte, Eines nachtes lag er un gedacht sin. Dz es
nit gut were dz er on ein frauwe were, Wan stürbestu so würde
52 dz ryche erblose Also gedacht er hyn vii here wo er ein junc-
frauwe möcht finden jn allen sinen königrychen di im gemesse
were, Un do er entslieffe do kam ein engel zu jm der spräche
60 Ich wil dir raten edeler fürste Nym dir kein frauwe jn dine lande,
Wann du must über mere faren mit eine großen here nach einer
heidischen königin die wirdestu here bringen, t'n müst nach ir
70 in die heidenschafft faren vn da cristlichen glauben meren Dz ist
gottes wille uü einer lieben mütt*, Do sant Oswalt die rede v^nam
Do freuwet er sich und sprach O hoher himmelfürste so hilfF mir
über dz wilde mere, Dar nach lag er in sorgen die lange nacht
biß an den dag Wie er im einen synne erdechte dz er die
80 sinen zu samen brechte, Uii hieß jm do brieff schryben vn sant
botten jn alle sin lande vn enbote allen sinen landes h''ren , dz
sie balde geyn hoffe kemen, Wan er wolt rat von jn nemem (sie),
Do kamen • XII • könig (254'') iglicher gekrönet mit einer gülden
cronen, Vier undzwentzig hertzogen vn sehs un dryssige graffen
90 kamen auch mit rittern un knechten un mange werde man. Es
101 kamen auch zu hofe nunc bischoffe mit grossen eren, Do sie nuo
DIE STUTTGARTER OSWALTPROSA. 193
alle geyn hofe waren kommen vil dz saut OsivaÜ v^nam, Do
llOgienge [er?] under jn ürab vil enpfing sie gar wirdiglich, Fryen
Uli grauen, Ritt^ un knechte, Vn sin landes herren jederman
enpfing er nach sine gesiechte. Darnach lüde er sie zu dische
122 Vn do man den h^ren wasser über die hende gegabe, Do satzt
man sie zu disch jglichen nach siner wirdikeit, Vn böte es im
wol als es dann wol zame königlicher rycheit, Also hatt der Edel
135 könig wirttschafft mit den h^ren vn weret der hofe wol "XII' dag.
Do nu die wirtschafft ein ende hatt, Do ging sant Osicalt für den
140 dische vii sprach nu merchet mich alle min landes h^ren was ich uch
habe zu sagen. Wan ich üch nit umb süst han zu samen bracht
145 Einen rat wil ich von üch nemen , Do ratent mir das beste als
155 ich üch dann getriiwe Künuet ir mir jrget vnder cristen oder
beiden gezeigen ein köningin edel ryche, schöne vn jung' die mir
165 gemesse sy. Die h'ren sahen ein ander an vnd gingen dry dag
171 mit einander zu rat vn kunten kein finden, Vn also sprachen sie
zu de h^ren dem könig' (255") H're nü rieten wir üch gern das beste,
so künnen wir üch nit geraten was uns joch darümb geschieht
Wir finden nyerget üwern genossen jn zwölff königrychen weder
under üwern fründen noch eigen lüten deß glaubent uns edeler
182 könig' Wir wissen niergen kein königin die üch möge gezymen
zu einer frauwen, Do sp*ch könig Oswalt Künnet ir mir dann
nit geraten, so farent wider hey zu lande Got muß üch alle be-
190 waren, Vn also gab er den h'ren vrlaub. Vn sie füren wider
hey' Do was könig Osioalt trürig' dz jm die h''ren keyn königin
195 mochten gezeigen die für in were. l\a kam uff" sinen hoffe ge-
gangen ein edeler pilgerin wol getane [der hieß Warmünt]'*) der
203 trüge einen palmen jn siner hant Vn grüst (grust?) sant Oswalt'
Do in der könig an sach Do enpfing er jn früntlich, wann er
hatt vil v^niunen von siner kunste Vn sp^ch biß mir wilkumen
If^armunnieber bilgerin Aber etliche buch er sagen Ks were
211 ein engel, Do uam saut Osicalt den bilgeriu jn sine arme vn fürt
jn mit jm allein ju sin beste keminat' Vn sprach zu jm Edeler
pilgerin sag mir kaustu mir jrget vnder cristen oder beiden ge-
221 zeigen ein königin schöne vnd wol gestalt vn darzu jung (jung?)'
die mir gezeme zu einer königin über min Ryche, Do sprach der
pilgerin' Mir sint -LXXII. laut behaut' vn ich wil dir sagen
edeler fürste Einhalbe des meres do weyß ich ei königin die ist
*) Die eingeklammerten Worte stehn am Rande.
GERMANIA. Neue Eeilie VUI. (XX.J Jahrg. 13
194 A. EDZARDI
230 so schone dz ich iiye [kel]*) schöner gesach, Sie (255*') ist darzu
jung' frum vli tügentlich vn zimmet dir wol zu einer königin
240 Vnd heisset die schöne Frawe JPauge**). Ir vatt^ sitzet jn de
lande JLraon (sie) vö ist ein heyden vii sie ein heidische königin
vn sie vn ir juncfrauwen glaubet an got vn an sin mutter vn
248 habet cristen glauben heylich vor de heidische könig' west er es
aber Er neme jn ir leben . vn sie wolten gern gedaufft w^den,
so habet sie nieman der in darzu helfFe, Do sp*ch der edel könig
254 sant Osioalt' Nu muß ich über dz [wilde] ***) mere, jch wil jn zu
der dauffe helfFen vn solt es mir an min leben gene' Darnach
sprach er IVu solt ich einen botten haben über dz wilde mere zu
260 der werden königin 'der mir erfüre weß ir zu mute were, wolt
sie cristen glauben han dz sie mich daß ließ wissen, so brecht
265 ich zu samen ein michel here vn füre über mere nach ir ' Do
268 sp'ch der bilgerin h're ich sag üch das für war dz ir sie mit
allen üwern synnen nymmerme gewinnen möget Es tue dann got
281 selber sin stüre darzu' Sant Oswalt sp*ch jch tue es jn sine name
vii getrüwe jm er helffe mir zu der edeln königin ' Darnach fraget
er den bilgerin vii sp"ch Sag mir Warmunt ' sinen rechten namen
290 wann er dir doch wol ist bekant Der bilgerin sp'ch Dz wil ich
gern dune Er heisset der Ryche könig von Appion (sie) ' Do
sprach sant Oswalt IVu soltu min bot dar sin Dz er mir die junc-
299 frawe (256") gebe, Der ümb gib ich dir Rychen solt Ein herzog-
tume wil ich dir geben, Wann du magst mir die botschafft mit
eren wol tüne, Do sprach der pilgerin Deß überhebe mich
309 lieber h're, Deß beiden gewalt ist so groß es kam nye kein botte
dar, er habe jm dz leben genümen Vnd wer in bete ümb die
künigin (sie) dem slüge er das haubt abe ' Er hat auch gesworn
er wolle die docht^ nieman geben alle die wyle er dz leben hat,
wann er hat dz jn sine mute dz sin got wolle vnderstene, sterbe
320 jm die alte königin so wolle er sin docht^ nemmen, Do sp*ch sant
Oswalt, Dz sol got got selber understonef) dz der beide sin docht*
nit selber neme ' sie sol werden zu einer cristenin, IVu habe ich
mangen stoltzenff) dienstman die für ich über mere vS für sie mit
331 gewalt danne, Do sprach der bilgerin Er hat feste uö gute bürge, die
*) kel übergeschrieben.
**) Nicht ganz deutlich, aber schwerlich Pia, wie im Anzeiger a. a. O. angegeben
wird, wohl Fange = panng (oder paing) S; vgl. Oerm. V, 165 Anm.
***) wilde übergeschrieben.
f ) Sic, tvohl nur verschrieben ßir understene.
ff) Hinter stoltzen ist man durchstrichen.
DIE STUTTGARTER OSWALTPROSÄ. 195
vor schaden wol behut sin ' dz cristen vn beiden • vö alle die weit
din eigen were vli bettest dich für sin bürge gelegit du möcbtest
ir doch nit geschaden, du müstest dar vor ligen • XXX " jar
340 dannocb würdestu nit balde jnnen wie die juncfrauwe ist gestalt '
Darnach sprach der bilgerin Il're nun folget miner lere jch wil
ücb raten als ein getrüwer man, Du hast uff dine hoffe einen
350 edeln raben erzogen. Den soltu zu eine hotten haben der Rabe
sol dir es baß werben dann kein wyser man, Er ist dir nützer
dann santestu ein gantz here über mere Wann got hat es jm ge-
botten vn er ist redende worden, Do sprach sant Oswalt: Ich
360 han jn erzogen wol zwelff jar dz ich keinerleye stimme oder wort
nie von jm v^nara ' Do sprach der bilgerin, könig (256'') Osioalt
dir wirf noch wol kunt, schick balde nach dem Raben ' sy er nit
370 redende worden so slag mir min haubt abe ' Sant Ostcalt hieß
jm balde den raben bringen Nu was der Rabe uß geflogen vn
uff einen hohen bau gesessen. Deß truret der könig gar fast Dz
er den raben nit mocht gehaben, Vn sprach zu de bilgerin ]\u
380 rat wie wir den raben von dem bau bringen, Do sprach der pil-
gerin irre jr sollent iuch wol gehaben wann got sendet uch üwern
lieben raben schier here zu hant schicket es got, dz der Rabe
käme her abe geflogen für den milten könig sant Oswalt ' vü gab
390 im [got]*) die gnade das er alle sprachen reden kunt, Do der
401 Rabe nu uff den disch was kumraen, Dz erst wort das er je ge-
400 sprach do enpfiug**) er den bilgerin vn sp^ch Bis mir got wil-
küme {sie) warmünt edeler bilgerin^ Do das der Edel könig sant
Oswalt hört, wart er über die masse erfreüwet vn sprach zu de
410 pilgerin Warmünt du solt mir v^geben dz ich dinen werten nit
glauben wolt' Du solt fürwar wissen dz ich jn zwelff jar erzogen
han vn ist das dz erst wort dz ich je von jm gebort. Darnach
sprach der Rabe [zu sant Osiöolt] ***) H're merke was ich dir sage,
420 Du bettest kein meschlich stymme von mir nymmerme v*nomen
Dann dz dir die gnade von got ist v*lichen. Du wirbest vmb ein
edel königin zu der wil ich din bot sin vn wil dir die botschafft
werben, solt es mir joch dz leben kosten. Ich er-(257*)wirbe dir
die königin, oder du gesihest mich nymmermer jn engellant, Sant
429 Oswalt kust den raben vn sprach jch wil got im er dancken dz
*) got übergeschrieben.
**) Wörtlich so ; es scheint etwas zu fehlen. Auch in M und S (I kommt an dieser
Stelle nicht in Betracht) scheint der Text verderbt.
***) Ubergeschrieheii.
13*
]90 A. EDZARDI
ich dich han erzogen, Do sprach der Rabe, h^-e folge rnine rat
vn heiß dir bahle einen goltsmitt bringen vn heiß mir alles min
437 gefider mit rote golde beslagen vn ei gülden crone uff min haubt
wircken wenn ich dann kumme under die heidenschaffte ' so mag
451 ich deste baß fride han für fahen un schiessen vn werde schöne
enpfangcn von frauwen Rittern un knechten, Vn mag deste baß
gereden wann ich also mit eren kumme gefaren, vnd mich jeder-
man gern sieht ' Man hat den man als man jn sieht vn achtet
nit guter witze, So ich dann komme zu de Rychen könig Araon
460 vn zu siner lieben docht\ so sag ich in die botschaifte vn der
jungen (jungen?) königin dinen dienste, Sant Osioalt folget des
4G4 raben lere vn sant balde sinen kemmerer nach eine goltsmit, *)
Do der goltsmitt kam {Eitm. 481 — 507)**) vn jn der könig an
509 sach Do grust er jn vn sprach zu jm, Meister ich han nit umb
süst nach üch gesant Ir sollet mir mine rabe schöne beslagen mit
520 golde sin gefider vn jm ein gülden crone uff sin haubt wircken
518 Wann ich wil jn zu botten senden. Dz so er kumme under die
beiden dz man sehe dz er eines rychen hVen botte sy, Der meist*
sp'ch h^re was ir wollet vn gebietent dz dune (257") ich gerne
]\u was der meister ein künsterycher man vii nam den Raben zu
529 jm vn trug jn jn sin smitte vn hatt jn bi im dry dag vii dry
nacht vn wircket an jm***) nacht vii dag, An de vierden morgen
541. 549 do het er den raben schöne bereit Vii nam ]n uff sin haut vii
550 ging do mit zu hoffe, Do er den konig fant vii sprach Edeler
fürste ich han getan nach üwerm willen vn han zwelff marck
goldes wol v^dienet Der hochgelopt könig sprach Meister die wil
560 ich üch gerne geben vnd hieß do den kemerer balde bringen zwelff
marck rotes goldes f) die gab er de meist* vn er schiede frölich
von dannen, Darnach sprach der Rabe H're nu folget rainer lere
570 vn heißet [uch]ff) brieffe schryben zu der werden königin vü
*) Hier scJieint die Hs. *M, Vorlage von Ml und s, eine Reihe von Versen un-
ahsichtlich übersprungen zu haben, da die entsprechende Stelle in M vollständig fehlt.
**) Die Verse 483 — 506 fehlen in M dtirch Abirren des Schreibers vmi Ettm. 482
%ii dem gleichen Verse 506 (I weicht bedeutend ab und kommt daher nicht in Betracht).
***) Nach jm ist dag ausgestrichen.
f) In M lauten die Verse 561 — 564: Zwelf mark von golt rot
De maist' er do gepot
Der kungk den maist' schon beriet
Frolich er von dannen schied.
ff) uch am Rande.
])IE STUTTGARTER OSWALTPROSA. 197
sümet mich (sie) nit lenger, Ir fertiget mich hin*) Der milt
584 könig sant Osicalt ließ zu hant brieff schryben vii v^sigelt die mit
sine jngesigel vil stricket dz de raben vnder sin gefider, vn darzu
ein gülden fing^lin mit einer syden snure Vn sprach do Nu wol
591 hin min lieber rabe, Der hiramel fürste got, geleit dich über dz
wilde mere zu der edeln königin, Der sage minen getrüwen dienste
vn dz mir on got nit liebers sy dann sie mir ist ' sie sol ob got
wil min frauwe werden, Wolle sie (258") cristen glauben an sich
600 nemmen, so sol sie mich es lassen wissen, so wil ich ein michel
here zu samen bringen vn über mere faren, Der Eabe sprach
Was ir jr eubietent, dz wil ich ir gern sagen vii ir nichtes v^swygen,
Bittent die himmelsche königin dz sie mir von hynnen helffe vil
610 auch herwider von de heidischen könig dz er mir nit min leben
nemme, Sant Oswalt gab jm sant Johannes mynne vn enpfalch
jn der hiraelschen königin, Der Rabe sprach Win lieber h're Ich
enpfilhe dich auch vn alle din dienstman got vil siner lieben mutt*
vn do mit schiede der rabe von dannen von der bürge Der liebe
sant Oswalt sach im fast nach vn sprach Himmelsche königin
620 jch enpfilhe dir den hotten.
Hieran schließt sich das /m Anzeiger 1857 mitgetheilte Stück, be-
ginnend mit Do floch der rabe biß an den zeheuden dag etc., wo übrigens
l). 259' der Hs. Liebe frawe min (nicht nun) zu lesen ist, wie auch das
Gedicht an der entsprechenden Stelle (Ettm. 711) liebe vrouwe min (: din)
liest. Ferner ist am Ende zu lesen das jn der Rabe (nicht vogel) eut-
runnen was, wie auch im Gedichte (Ettm. 741 = MI) steht.
Für die Beurtheilung des Werthes der Hs., ihres Dialectes**), der
ungefähren Zeit ihrer Niederschrift mag das bisher mitgetheilte ge-
nügen. Ich wende mich nun zu der Untersuchung, welche Stellung
dieser Oswaltprosa zu den andern Prosabearbeitungen, besonders aber
zu den Hss. des Gredichtes zuzuweisen ist. Die erstere Frage ist leicht
beantwortet: sie steht keiner andern Prosa nahe, weder der Berliner
(H. Z. XIII, 466 — 491), die im Anfange und am Schluße mehr hat und
auch sonst abweicht***), noch der Prosa im Leben der Heiligen, deren
*) Entspriclit einem Verspaar in M, welches in S fehlt nach 576 :
Fertig mich vou hinn
Zu d' edel kungin.
**) nit stellt sich mehr zu dem anlautenden d in dag u. s. w.
***) Sie geht auf eine Gedichths. zurück, welche mit der Quelle von S und
IMs wieder auf ein gemeinsames Original zurückgeht.
198 A. EDZAKDI
Innsbrucker Fassung Zingerle in seinem angeführten Buche veröflent-
licht hat, eben so wenig der altnordischen Osvaldssaga (Anualer 1854)*).
Vielmehr schließt sie sich eng an die Hss. des Gedichtes an, hier
wieder am engsten an die Münchener (M) und die Innsbrucker (I)**)-
Unsere Prosa entspricht dem Gedichte viele Verse lang wörtlich genau,
nur daß die prosaische Wortfolge hergestellt ist. Ja, es ist sogar wahr-
scheinlich, daß sie direct aus einer Hs. des Gedichtes als Prosa
abgeschrieben ist. Dieß scheint mir nämlich aus mehreren Stellen
hervorzugehen, wo der Schreiber zuerst die Wortfolge des Gedichtes
geschrieben hatte, dann aber in die prosaische umänderte. So steht an
der Stelle, die Ettm. 1547 entspricht : Nu het sant Oswalt einen schonen
hirtze uff sine hoffe erzogen. Dieß erzogen ist aber durchstrichen, und
es folgt lool achtzehen jar erzogen. Im Gedichte aber lautet die Stelle ***). :
1547 ff. Nu het er auf seine hof erczogen,
Des begund er got vast loben,
Ainen hirsch [wol S] achzehen jar.
Im Gedichte steht 1984: Hat er pracht über des wildes meres
fluot; in der Prosa steht: die er hat herbvacht. Dieses herhracht ist
durchstrichen, und es folgt ilher mere herhracht.
Im Gedichte steht 2180 ff. : Die seinen zogten im wirdichleich nach,
Ir fünfhundert zogten schon
Mit dem reichen kunig aron;
in der Prosa steht: vn zugen jrem li'ren nach. Dieses nach ist durch-
strichen, und es folgt de BycJien könig Aron nach.
Im Gedichte steht: 2422. [nu IS] duo es durch die trew dein;
in der Prosa aber steht : tue es durch miner trüwe willen, und vor tue
sind zwei Buchstaben roth durchstrichen, doch wohl nu, welches in die
prosaische Wortfügung wohl nicht gut passte.
Im Gedichte steht: 3383. den stolczen fursfen her:, in der Prosa
aber: den edeln fürsten. Dieß fürsten ist durchstrichen, und es folgt
*) Über das Verhältniss aller Überlieferangen des Oswalt, prosaischer wie
poetischer, zu einander bin ich zur Zeit mit umfassenden Untersuchungen beschäftigt,
die zugleich als Vorarbeiten für eine Ausgabe des Gedichtes dienen sollen.
**) Ich besitze von M eine sorgfältige, noch einmal genau revidierte CoUation,
die ich im October 1874 auf der Leipziger Universitätsbibliothek durch gütige Ver-
mittelung des Herrn Oberbibliothekar Prof Krehl nehmen konnte. Von I hat mir Herr
Zingerle mit dankenswerthester Zuvorkommenheit seine eigene Abschrift zur Verfügung
gestellt. Von S besitze ich vorläufig noch keine Collation, bin also auf Ettmüllers Aus-
gabe und die wenigen von ihm angegebenen Lesarten der Hs. angewiesen.
***) Ich citiere überall nach M, die sich als die relativ beste Hs. ausweist,
soweit sich darüber ohne Einsicht in die Hs. S urtheilen lässt.
DIE STUTTGARTER OSWALTPROSA. ]99
vn m Uten für sten (Avobei das eingeschobene wH, muten wohl durch das
nachfolgende her des Gedichtes veranlasst ward).
Im Gedichte steht: 1013 f. die kungin mit ir selb* hant
erloste dem Raben alle seine pant;
in der Prosa ist D durchstrichen, dann folgt: Vn sie erlost den fogel
selber mit irer hant.
Im Gedichte steht: 417. Da sprach der edel Rab:
Herr merk waz ich dir sag;
in der Prosa aber heißt es : Darnach sprach der Rabe [zu sant Osivalt]
H're mercke was ich dir sage, wo die eingeklammerten Worte über-
geschrieben, also nachträglich eingeschoben sind.
806 im Gedichte steht lehen benomen, in der Prosa leben genumenj
vor genumen ist aber ein Buchstabe ausgestrichen: es war zum h an-
gesetzt.
538 im Gedichte steht: tag und auch die nacht, in der Prosa nacht
vn dag; vor nacht ist aber dag durchstrichen.
Auch die beiden folgenden Stellen mögen hierher zu ziehen sein.
An der Stelle die 1609 Ettm. entspricht hat die Prosa zwen berge {berge
durchstrichen) gar hoch berge. Stand hier in der Vorlage berge [gar]
hoch? Die Gruppen *M und *S weichen hier bedeutend ab. — 3121
steht im Gedichte . . . auf den subentag (sunnentag S, VII tag I), daz
ieder . . . S (wo M und I auch unter einander) abweichen; Prosa:
. . . an den sibenden dag, Und er gab . . -, vor Und ist D durch-
strichen (von Daz?).
Es fragt sich nun, aus welcher Hs. des Gedichtes die Stutt-
garter Prosa abgeschrieben ward. Da sie häufig noch die Reime
unseres Gedichtes deutlich erkennen lässt, so ist die Vermuthung sehr
verlockend, daß sie auch da, wo sie vom Gedichte (d. h. von allen
drei Hss.) abweicht, noch alte Reimwörter erhalte, mit andern Worten,
daß sie auf die gemeinsame Quelle von S und MI zurückgehe und
die Reime dieser verlorenen Hs. noch erkennen lasse. Diese Vermuthung
ist aber abzuweisen. Vielmehr ergiebt sich, daß die benutzte Hs.
der Gruppe *M angehörte. Die Prosa hat nämlich einerseits die
in S nach Ettm. 840 fehlende, in MI erhaltene längere Stelle gleichfalls
erhalten, ebenso stimmt sie mit den nach 720 erhaltenen sechs und den
nach .576 erhaltenen zwei Plusversen und noch in manchem andern
überein; andererseits fehlen ihr die in S erhaltenen, in M und I fehlenden
Partien Ettm. 483—506 (durch Abirren des Schreibers ausgefallen) und
745 — 798. Außerdem stimmt die Prosa in größeren Abweichunge^i und
,200
A. EDZARDl
in einzelnen Lesarten in der Regel genauer zu MI als zu S, was nach-
her an einem Stücke beispielsweise gezeigt werden soll.
Es bleibt also nur noch die Frage übrig, ob unsere Prosa —
ich nenne sie von jetzt ab s — auf M oder I direct oder auf deren
gemeinsame Quelle zurückgeht. Aus I kann sie schon wegen des ganz
abweichenden Anfangs dieser Hs. nicht abgeschrieben sein; und auch
für M ist dieß an sich nicht wahrscheinlich, da die Hs. M mit der
Stuttgarter etwa gleichzeitig, und, wenn ich richtig urtheile, die Stutt-
garter eher älter als jünger ist. Wie dem aber auch sei, so folgt aus
der Übereinstimmung in einzelnen Lesarten mit S gegen M oder I,
beziehungsweise beide, daß s auf die gemeinsame Quelle beider
zurückgeht, aber nicht direct, denn gemeinsame Lesarten von M und I,
denen gegenüber die Prosa zu s stimmt, müssen auf eine Abschrift
jenes Originals der Gruppe *M zurückgehn. Derartige Übereinstim-
mungen sind beispielsweise 804 pringen inne MI gegen S und s, in
denen inne fehlt, womit auch 803 der S {ir s) gegen die MI zusammen-
hängt, ferner 820 eben Ss gegen guot MI und 849 eine stimme MI
gegen miY einer stimme Ss. Übrigens zeigt das folgende Probestück,
daß s, wo es von S abweicht, bald mit M, bald mit I übereinstimmt*).
Es wird in diesen Fällen immer der Hs. zu folgen sein, welche zu s
stimmt, sofern diese Übereinstimmung nicht eine zufällige sein kann.
Das Verhältniss der hier in Betracht kommenden Überlieferungen , wie
es nach obigen Erörterungen sich gestaltet, wird also schematisch so
darzustellen sein:
M
*) Zahlreiche Belege bringen meine „Untersuchungen".
DIE STUTTGARTER OSWALTPROSA. ^ 201
b gebt auf eine vollständigere, von X* unabhängige Hs. zurück,
und bat mebrmals gegen alle andern Überlieferungen das echte be-
Avahrt (vgl. meine „Untersuchungen"). — Aus dem dargelegten Ver-
hältnisse der Hss. folgt, daß da, wo MI und S wörtlich überein-
stimmen und diese Übereinstimmung nicht wohl eine zufällige sein
kann, s nicht in Betracht kommt. Wo aber beide von ein-
ander abweichen, hat s fast den Werth einer Hs. Wo S fehlt,
muß das sonst im Gedichte zu beachtende Verhältniss der Prosa zu
den Gedichthss. den Maßstab für den Werth der Lesarten von s an
die Hand geben.
Um nun sowohl von der Übereinstimmung der Prosa mit dem
Gedichte eine Probe zu geben als auch anzudeuten, in wiefern dieselbe
für die Herstellung des Textes zu verwerthen ist, stelle ich hier ein
Stück der Prosa dem (zuweilen nach IS berichtigten) Texte von M
gegenüber, indem ich die in Betracht kommenden Varianten von I und
S unter dem Texte gebe, die daran zu knüpfenden Bemerkungen aber
erst dem ganzen Stücke folgen lasse. Ich wähle hierzu die an das im
Anzeiger gedruckte Stück sich anschließende Partie, so daß nun-
mehr der ganze Anfang der Prosa bis zu Vers 870 Ettm, gedruckt
vorliegt. Die großen Buchstaben, die M fast durchgehends am Anfange
der Verse bietet, habe ich nur im Anfange der von mir angenommenen
ursprünglichen Strophen gesetzt. In Betreff der Schreibung gilt das
oben von s Gesagte auch für M, außerdem gebe ich ü der Hs. durch
uo und ein w-ähnliches b, welches sich anlautend häufig findet, durch
b wieder. Fetter Druck hebt die für die Textkritik wichtigen Lesarten
hervor; gesperrter Druck in den Varianten bezeichnet die Worte,
welche in einer Hs. mehr stehn, also keinem Worte des Textes ent-
sprechen; ein Wort in eckigen Klammern fehlt in der betrefienden Hs.
— Nach der Ettm. 745—798 entsprechenden Lücke setzen M und s
folgendermaßen wieder ein:
M s
Der edel Rab das d'sach: Darnach gedacht sin der Rabe jn
hört, wie er wid' sich selb' 800 sich selber,
sprach :
Werleich, dew kungin guot Werlich die königin zu der ich
gesant bin
ist vor mir recht wol behuot; die ist vor mir so wol behüte
die stolczen kungin
803 die MI] der S.
202 A. EDZARDI
mag ich d' potschaft nimm' das ich ir die botscliafft nit mag-
pringen inn. bringen
Wolt ich inderächtzueir chomen, 805 kume ich in der nacht zu ir
so wurd mich lewcht mein villycht wirt mir min leben ge-
leben benomen. numen,
ich muos es clagen ymm' mer,
daz ich ye pin chomen her:
ez sei meine herrenlaid od' zorn, ^s due mine h'ren wol oder we
so han ich all mein arbeit vMorn. ^'^ so han ich min arbeit vUorn
Also redt wid' sich selben d' rab
ff lüg ich nu für den kunigk in Flüge ich für den könig in den
den sali, sale,
so fast er noch vn ist ein grim- so er noch fastet, so ist er ein
mig' man; grimmiger man,
er gebun mir lewcht mein vnnymmetmir villycht min leben,
leben an.
Ich wil paiten, pis [daz] er gess >ch wil beiten biß er hat gessen
vn getrinck vn getruncken,
so muos im ungemüt sincken so v^sincket jm lycht der unmute,
ez ward chain Cristen nie so guot,
wen in hungert, erseiungemuot.
Daz essen truog man auf den Do man nu den könig das essen
tisch dar; uff den disch (259'') trüge
dez nam d rab vil guot war. ggo dz nam der rabe eben war
do man die lest rieht dar truog, Un do man die leste richte uf den
der Rab sich auf den tisch huob. disch trüge, Do flog er auch uff den
disch
804 inne auch I, fehlt S. 802 acht M, acht I, nahe S. 806 lewcht M,
fehlt IS. genumens, davor ist ein b durchstrichen, vgl. S. 199. 809 laid MI, liep S,
Der Vers ist wahrscheinlich aus den drei ersten Versen einer Strophe ziisammengezogeji.
811 Der ganze Vers fehlt I. 812 vlüege S, mug I. in den sal S] ich verzaget i;
dahinter noch her abe S. 813 vast er [noch M] MI] vahet er mich S. [vn] 7.
grimmer S, zornig I. 814 gewinn 7, gewinnet 5'. leicht 7, fehlt S. 815 piß
daz (daz über geschrieben) M] hintz 7. unz sie gezzent unde trinkent S. ezze und
trinche 7. 816 im] der S. unmut 7. von in S. versinchken 7. 817 zwar ez
wart nie . . . [nie] S. 818 er sey MI] erst vil S. ungemuot 7^ zornigs muot M
819 dar] gar S. 820 gut 7] eben S. 821 auf den tisch die leste richte 7.
die lesten rieht S (Hs.). 822 auf den tisch] dar I.
DIE STUTTGARTER OSWALTPROSA.
203
Do erauf den tisch wazbechomen, vn do er ufF den disch kam
alz wir es seid' haben v nomen,
do sprach d' Rab : ^der den 825 do sprach er Der den himmel hat
himel hat besessen (13*),
der gesegen euch haiden ewr
essen.
besessen
der gesegen uch dz trincken un
dz essen
Da mit begund er naigen schon
dem reichen kunigk aron etc.
Hier irrte der Schreiher zu den
gleichen Worten essen vn zu trin-
ken [M 35] ah.
Die zwischenhegenden Verse bis 840 enthalten alle drei Hss. des
Gedichtes, von da ab nur MI. Diese Verse zähle ich als [Ml] u. s. f.
d' kamr säumet sich nicht mer [M 33]
vn begund czuo essen vn czu
trinken tragen her.
Do man czuo essen vn zu trinken [m 35]
pracht,
der Rab sich ain' frag bedacht;
an der selben stund,
er den kung fragen begund.
Er fragt in also schon: vn fraget do den könig
^sag mir, reicher kung aron, [m 40] Sag mir rycher könig von Araon
wer isset dein prot uii drinket wer din brot isset vn dinen wyne
drincket
de dustu nit an sine leben,
dein wein,
dem tustu doch nicht an de
leben sein?'
Der kung sprach unu^porgen:
^Rab, leb mir an sorgen:
Der könig spräche
Rabe lebe on sorge
wer trinkt mein wein vn ist [M 45] Wer min brot isset unminen wyne
mein prot,
der chumpt in chain schlacht
not.
Hie an dem hof mein
soltu an alle sorgen sein:
trincket
der kümt von mir in kein not,
824 Do sprach der Rab MI] er sprach S. 826 ewr MS] daz /. trinken
nnde ezzen S. 827 sich naigen S.
[35] czuo fehlt I. [38] er M, der rab I. [41] praten I. [42] sein M,
dein 7. [43] chunig I. [44] crabe Mf? (so Bartsch), mir] Bartsch liest in M
nur, in I lautet der ganze Vers rab du tarst nicht sorgen. [45] izzct /. prat 1.
[47] hoffe 1.
204
A. EDZAEDI
dein leib un dein guot
ist] pei mir Recht wol be-[M 50]
huot' (14')
Do der Rab die red v^rnam,
wie hart er sich frawen began
aller not begund er vergessen
und begund frolich trincken
vn essen.
Als d' rab gas vii getrank, [IH551
erst gwan er raangen gedank,
wie er mit seine getracht
den haiden der potschaft innen
pringen mächt.
Er sprach also schon: «41
„0 Edler kungk aron,
du dunkest mich ain vesf man,
daz ich dir mein potzschaft
nicht gesagen chan.
Du wellest mir dan deinen frid 845
geben,
Paidew meine leib un meine
leben,
80 wolt ich dir sagen drat,
was man dir enpoten hat.'
Der heidem sprach ein stimm groß,
daz ez in dem haws er doß; 850
din lybe vn din gut
sol by mir wol behüte sin,
Do der Rabe die rede v^nam.
do begunde er sich ser freüwen
vn vergaß aller not
vn begunde frölich essen vn
drinckeu,
Do der Rabe nu gaß vn getranck,
Do trachtet er
wie er
de beiden sin botschaffte für ge-
leget
Vn sprach
O ßycher könig,
du dünkest mich so herlich
dz ich dir min botschafft nit ge-
sagen kan,
Du wollest mir dann einen fride
geben,
beide mine lybe vn mine leben.
so wolt ich dir sagen
was man dir enbotten hat,
Derheide sprach mit einer grossen
stymmen
dz es jn de sale erhalle.
[49] dein laib 7, den leib M. [50] pey 1, pein M. [Recht] I. [51] d' Kab M]
er I. wol vernam 7. [52] Wie hart M] zehant 7. pegan 7, do begund M. [55]
tranch und gas 7. [56] Der ganze Vers: alles laides er gar vergas 7. [57] Der
ganze Vers: er gedacht in seinem gedecht 7. [58] Der ganze Vers: wie er dem
chunige die potschaft in precht 7. 842 O M] o du S, fehlt I. Aaron IS.
843 Der Vers fehlt in S. 844 nit 7. mine botschaft an nu niht lenger verdagen
kan S. 845 du weitest 7] und ir wellet S. danne dein 7] den S (Hs.) frid
alle. 846 peyde 7, fehlt S. mein — mein 7. und ouch S. 847 wil icli
iu S. 848 dir man 7, man iu S. gepoten 7. 849 ein stimme 7] mit einer
stimme S. 850 daz] so 7.
DIE STUTTGARTER OSWALTPROSA. 205
du pist gar ein Iistig[er] vogel Du bist ein listiger fogel
ich furcht, ich werd mit dir be- ich vörcht ich werde mit dir be-
trogen, trogen
Dannoeh kan ich dir sein nicht vn kan dir sin dennoch nit ver-
versagen, sagen,
du must mein staten frid haben Habe minen steten fride,
dein leib und auch das leben dein 855
sol haben den staten frid mein .
D' haiden sprach unv'pargen: Die Verse 857 — 864 übersprang
„rab leb mir an sargen; roohl der Schreiher, indem er von
da mit wil ich ern 857 zu dem ähnlichen Verse 867
Machmeten, meinen lieben 860 abirrte.
herren :
user got ist Machmet genant;
durch dez willen hab ein frid
auz disem land."
Do sprach d listig vogel:
„mit Machmeten wurd ich hart
betrogen ;
der chund mir nicht pei ge- 865
stan (14")
ich muoss ain pessern frid han.
[Er sprach] „Edler furste her, Der Rabe sprach Edeler filrste
duo es durch deines landes er tue es durch dines landes ere
vngib mir aiueu frid von hinnen vn gib mir einen (260*) friden von
hynnen
als lieb dir sei die alt küugin". 870 als liep dir die alt künigin sy.
Ich muß hier kurz erwcähnen, daß ich die Moroltstrophe für die
ursprüngliche Form des Gedichtes*) halte, die, vielfach verkannt und
verwischt, dennoch sehr deutlich erkennbar ist. Ich gedenke diese An-
sicht sowie meine Meinung über den diese Strophe schließenden Lang-
vers in oben erwähnter Abhandlung ausführlich darzulegen und zu
851 listig nur M. 853 dennoch /, dennocbt S {Es.). sein M, fehlt IS.
gesagen M. 867 er sprach IS fehlt M. here IS. 868 taoz S, tu I. 869 ein
(einen S) fride IS. binn« M, hinne I. 870 alte kuniginne IS.
*) Sowohl in der unsern Überlieferungen (vielleicht außer der bei Zingerle ge-
druckten Prosa) zu Grunde liegenden Gestalt, die ich X nenne, als auch in dem X zu
Grunde liegenden älteren Gedichte, über dessen Alter ich mich noch jeder Vermuthung
enthalte. Ich stimme hierbei in den wesentlichsten Punkten mit den von Strobl (Über
das Spielmannsgedicht von St. Oswald, Wien 1870) entwickelten Ansichten überein.
206 A. FDZARDI, DIE STTTTTOARTER OSWALTPKOSA.
begründen. Die unter den vierzeiligen Strophen in unseren Überliefe-
rungen offenbar sich findenden seehszeiligen halte ich für verderbt aus
einer oder zwei vierzeiligen (denn als solche betrachte ich die Morolt-
strophe), was auch dadurch bestätigt wird, daß mehrfach statt der
seehszeiligen in S vierzeilige Strophen in M stehen.
803 zeigt die Übereinstimmung von s mit S, daß die Assonanz
tnne : bringen echt und von MI beseitigt ist. Die Strophe wird gelautet
haben:
Wserlich diu künigin guot
ist vor mir rehte wol behuot:
der stolzen küniginne
mag ich die botschaft nimmer [gejbringen.
Vielleicht ist aber 802 und 806 Strophenschluß anzunehmen.
805 scheint s mit in der nacht die richtige Lesart zu haben, der
S mit inder nahe noch am nächsten steht, während daraus in I acht
und in M acht geworden ist.
809 spricht wol oder we in s für die an sich schon wahrschein-
lichere Lesart von S Uep oder zorn.
812 zeigt s, daß S her abe der Reimcorrectur halber einschob.
826. s bestätigt den schließenden Langvers, den S bewahrt, MI
beseitigt hat. Er lautete wohl:
d^r gesegen iu beiden daz trinken unt daz ezzen.
[M 41] von Araonfe : schone] in s ist wenigstens zu beachten.
[M 46] von mir (s) hat wohl ursprünglich mit in dem schließenden
Langverse gestanden.
[M 55 — 58], wo M und I bedeutend abweichen, spricht s für M.
843 f. Hier, wo MI und S (letzteres offenbar verderbt) bedeutend
von einander abweichen , ist die Lesart von s in Betracht zu ziehen ;
ich möchte darnach herstellen:
du dunkest mich so lussam^
daz ich dir min botschaft nicht gesagen kan,
wobei 8 lussam durch herlich wiedergegeben hätte.
Für die Beurtheilung des Wesens und der Bedeutung dieser
Prosa wird die hier gegebene kurze Probe genügen, und ich darf mich
in meinen „Untersuchungen über das Gedicht von St. Oswalt" auf
diesen kleinen voraufgeschickten Aufsatz beziehen. Bei ihrer Wichtig-
keit verdient aber die Prosa s wohl noch eine weitere Veröffentlichung,
und es liegt daher in meinem Plane, in kurzem wiederum ein großes
Stück, vielleicht alles noch fehlende, drucken zu lassen.
ANKLAM im Febr. 1875. A. EDZARDI.
MAURER, ÜBER ISLÄNDISCHE APOKRYPHA. 207
ÜBER ISLÄNDISCHE APOKRYPHA.
n.
Meine vor mehreren Jahren begonnene Berichterstattung über
isländische Apokrypha wieder aufzunehmen ^), veranlasst mich eine neuere
Veröffentlichung, nämlich ])orleif Jonsso n's Ausgabe der Hrana
hrings saga und des Jjättr af jjöri hast ok Bardi birtu
(Kopenhagen, Druck von S. L. Möller, 1874; 34 und 19 S. 12"). Doch
will ich für dießmal nur die erstere Saga besprechen, um welche ich
mich seinerzeit selbst schon, und nicht ohne Erfolg, mehrfach be-
müht hatte.
Im Herbste 1857 war ich während eines längeren Aufenthaltes
in Kopenhagen von isländischen Freunden auf die Existenz einer Hrana
hiings saga aufmerksam gemacht worden, welche sich auf die Ge-
schichte des Bärdardals beziehen, jedoch nur in sehr wenigen Hand-
schriften erhalten sein sollte. Freilich musste von Vornherein ver-
dächtig erscheinen, daß weder die arnaraagnaeanische noch die große
königliche Bibliothek in Kopenhagen, noch auch die königliche Bib-
liothek in Stockholm eine ältere Hs. der Saga enthält^) und daß diese
auch in keinem der älteren Sagenverzeichnisse genannt wird; bei
Torfseus in seiner Series Dynastarum et Regum Daniae (1702), in Jon
Eiriksson's einschlägigem Briefe an Lüxdorph (1760), in Hälfdan
Einarsson's Sciagraphia (1777) und Uno von Troil's Bref rörande en
resa til Island (1777), bei Bischof Finn Jöusson (1778), Suhm (1781)
und P. E. Müller (1817 — 20) ist ganz gleichmäßig keine Spur von
derselben zu finden. Indessen bestand doch immerhin die Möglichkeit
eines höheren Alters der Saga, und da wenigstens einzelne unter meinen
isländischen Gewährsmännern geneigt waren ihr solches zuzugestehen,
schien es sich allerdings der Mühe zu verlohnen, ihr auf Island selbst
nachzuspüren. Als ich nun im Frühjahr 1858 nach Island hinübergieng,
') Vgl. Bd. XIII der Germania S. 59—76.
*) In der ArnamagnJEana soll sich nach einer Mittheilung, die ich meinem
Freunde Gudbrandr Vigfüsson verdanke, allerdings eine Hs. der Saga befinden, welche
mit Additam. 59, 6 in 4" bezeichnet sei ; allein sie soll die Copie einer Abschrift sein,
welche Gisli Brynjülfsson im Jahre 1821 genommen habe. Da ich Weiteres von dieser
Ha. nicht weiß, muß ich im Folgenden von ihr absehen.
208 MAURER
blieben zwar in Reykjavik eingezogene Erkundigungen ohne Erfolg;
im Nordlande aber gelang es mir, der Saga auf die Spur zu kommen.
Als ich nach einem beschwerlichen Ritt über den Sprengisand zu dem
trefflichen Pfarrherm, sera Jon Austmann, nach Haldörstadir im Bdr-
dardale kam, wusste dieser guten Bescheid über die Sage; er hatte
selber eine Hs. derselben in Händen gehabt, welche dem ])orsteinu
hreppstjori Gislason von Stokkahladir im Eyjafjörde gehört hatte,
einem eifrigen Sammler isländischer Handschriften. Nun war freilich
Jiorsteinn bereits im Jahre 1839 gestorben^); aber sein Schwiegersohn,
der als Dichter weit herum bekannte Zimmermeister Olafr Briem,
wohnte noch zu Grund im Eyjafjörde, und bei ihm war somit Auskunft
über den Verbleib der Handschriften seines Schwiegervaters zu erhoffen.
Die Hoffnung betrog mich nicht; aber der Bescheid gieng dahin^ daß
J)orsteins sämmtliche Handschriften an den bekannten JDorgeir Gud-
mundsson gelangt seien, einen geborenen Isländer, welcher damals als
Pfarrer in Nysted auf Laaland lebte. Inzwischen ist ])orgeirr vor
wenigen Jahren auf dieser seiner Pfarrei verstorben, und da er seine
Bücher der Stiftsbibliothek in Reykjavik ^) vermachte, so mag es sein,
daß die beiden Hss. unserer Saga, welche deren neuester Katalog auf-
weist^), aus seinem Nachlasse stammen; für mich aber waren diese
Hss. durch die Überführung nach Dänemark unzugänglich geworden,
und da der hochbegabte Olaf Briem nur wenige Monate, nachdem ich
ihn gesprochen hatte, starb ^), blieb auch sein Versprechen, mir eine
Abschrift der Saga zu verschaffen, unerfüllt. Bald that sich inzwischen
eine neue Spur auf In Akureyri erfuhr ich von Sveinn Skülason, dem
jetzigen Pfarrherrn zu Stadarbakki, welcher damals die Redaction der
Zeitschrift Nordri führte, daß der Buchbinder Jon Borgfirdingr eino
Abschritt der Saga besitze. Freilich war der in der Geschichte und
Litteratur seiner Heimat sehr bewanderte Mann, welcher zur Zeit den
Posten eines Polizeidieners in Reykjavik bekleidet, damals verreist
und seine Hs. somit für mich ebenfalls nicht erreichbar; indessen hatte
derselbe die Güte, unmittelbar nach seiner Heimkunft mir eine eigen-
händige Abschrift derselben anzufertigen, welche ich noch vor meiner
Abfahrt von Island erhielt, so daß der Entgang für mich wenigstens
kein bleibender war. — Noch ehe ich in den Besitz der eben bespro-
') Vgl. Skirnir, 1839, S. 101.
*) Skyrslur og reikningar hins Islenzka Bökmentafölags, 1870, 71, S. XIII.
") Skrd yfir prentadar Islenzkar baekur og handrit i Stiptis b6ka-
safninu i Reykjavik (Reykjavik, 1874J, S. 140, Nr. 137, und S. 177, Nr. 87, c.
*) Vergl. Nor.tri, VII, S. 15.
ÜBER ISLÄNDISCHE APOKRYPH A. 209
ebenen Abschrift gelangte, hatte ich inzwischen einen zweiten Text der
Saga aufgespürt, und zwar zu Ytri-ey auf den Skagaströnd. Hier saß da-
zumal der im Sommer 1859 verstorbene Kammerrath und Sysselmann
Arn6rr Arnason ^), und als Amtsschi-eiber diente ihm der inzwischen
gleichfalls verstorbene Gudmundr Einarsson '^). Ein Sohn des sagen-
kundigen Eiuarr Bj arnason, besaß dieser aus dem Nachlasse dieses
seines Vaters eine reiche Sammlung von Sagenhandschriften, und unter
diesen insbesondere auch ein von der Hand dieses letzteren ge-
schriebenes Exemplar der Hrana hrings saga; da der Mann sich
schlechterdings nicht entschließen konnte, von seinen Hss. sich zu trennen,
kam ich mit ihm dahin übereiu, daß er mir im Laufe des nächsten
Winters die genannte und eine Reihe anderer Sagen abschreiben sollte.
Die Zusage wurde getreulich gehalten, und durch des Hrn. Kammer-
rathes freundliche Vermittlung gelangten die bestellten Abschriften
wirklich in meine Hand; Gudmundr aber vermachte seine Hss. an die
isländische gelehrte Gesellschaft, deren gedruckter Handschriftencatalog
denn auch richtig unter den von ihm hinterlassenen Hss. eine Hrana
hrings saga aufführt^). — Im weiteren Verlaufe meiner Reise glückte
mir endlich noch die Auffindung einer weiteren Hs. der Saga. Auf der
Insel Flatey im Breidifjördr fand ich nämlich den alten Gisli Kon-
rädsson vor, den Vater des Kopenhagener Professors Konrad Gislason.
Von Haus aus ein schlichter Bauer, hatte derselbe doch durch fleissige
Arbeit ein ungewöhnliches Maß von Kenntnissen sich erworben, zufolge
deren er sich bei seinen Landsleuten eines hohen Ansehens erfreute.
Eine Reihe von Werken hatte er verfasst, oder doch aus dem Dänischen
übersetzt oder nach dänischen Vorlagen bearbeitet; er hatte aber auch
über isländische Geschichte, Stammtafeln, Volkssagen u. dgl. Vieles
gesammelt, und zumal eine große Zahl von Sagen und anderen Quellen-
schriften eigenhändig abgeschrieben. Seine häusliche Wirthschaft war
darüber allerdings bedenklich zurückgegangen; aber dafür hatten im
Herbste 1851 zehn angesehene Männer aus Flatey und der Umgegend
ihm für sich, seine Frau und seine Kinder lebenslänglichen Unterhalt
zugesichert, gegen die Verpflichtung, bei seinem Tode der Flatey er
Fortschrittsgesellschaft alle seine Handschriften und Bücher zuzu-
') Vgl. Nordii, VII, S. 63.
') Vgl. Islendingur, IV, S. 64; dann Skyrslur og reikningar, 1864 — 65,
S. IX, und 1865-66, S. IX.
*) Sigurdr Jonasson, Skyrsla um handritasafn hins Islenzka bokmentafelags,
(Kopenh. 1869), S. 226, Nr. 8.
GERMANIA. Neue Reihe. VIII. (XX. Jahrg.) 14
210 MAURER
wenden'). Gisli nun besaß auch eiu Exemplar der Hiana hrings saga,
welches er selbst um 40 Jahre früher, also in den Jahren 1818 — 19.
von einem Originale abgeschrieben hatte, welches dem gelehrten Probst
sfera Jon Konn'ulsson zu Mselifell (geb. 1770, f 1850) aus dem Bardar-
dale zugekommen war; im Auftrage des inzwischen verstorbenen Kauf-
mannes Brynjölfr Benediktsen von Flatey fertigte er für mich eine
Abschrift der Saga an, welche mir kurz nach meiner Rückkehr in die
Heimat nachgeschickt wurde.
So bin ich demnach im Besitze von drei verschiedenen Abschriften
der Saga, welche mir von drei verschiedenen Seiten zugiengen. Als I.
bezeichne ich unter ihnen das von Gudmund Einarsson geschriebene
Exemplar, bezüglich dessen dieser mich versicherte, nur in Bezug auf
die Orthographie und die Flexionsfonnen sich Abweichungen von
seiner Vorlage erlaubt zu haben, weil diese selbst in beiden Beziehungen
keine Gleichmäßigkeit gezeigt habe, wogegen er die Worte selbst und
deren Eeihenfolge niemals verändert, sondern höchstens in unter dem
Texte beigesetzten Anmerkungen das ihm Auffällige bemerkt habe.
Als n. führe ich die Abschrift an, welche Jon Borgfirdingr mir
schenkte; er erklärte mir übrigens brieflich, daß die Orthographie dieser
Abschrift theilweise ihm zur Last falle, und daß er auch wohl einzelne
Worte in derselben „berichtigt" habe. Als III. endlich bezeichne ich
die Abschrift Gisli Konrädsson's; über sein Verfahren bei deren
Anfertigung hat dieser keinen Aufschluß gegeben, ich kann indessen
nach der ganzen Art des Mannes nicht bezweifeln, daß auch er sich
mit seinem Texte manche Freiheiten genommen haben werde. Berück-
sichtige ich, daß Gudmunds Vater, von dessen Hand das Original von I
geschrieben war, längere Zeit eben jenem sera Jon Konrädsson zu
Mselifell als Verwalter gedient hatte, in dessen Besitz die für HI be-
nützte Vorlage sich befunden hatte, so liegt von Vornherein die Ver-
muthung nahe, daß I und HI aus derselben Quelle geflossen sein
möchten; für H dagegen fehlt mir jeder Anhaltspunkt zu einer ähn-
lichen Annahme, und da Gudmundr mich bestimmt versicherte, die
Saga sei so selten, daß er von Niemanden außer dem bereits genannten
J*orsteinn ä Stockkahlödum wisse, der sie besitze, wäre zunächst auch
die Möglichkeit im Auge zu behalten, daß in H eine Copie dieses
weiteren Originales vorliegen könnte. Der Herausgeber der Saga be-
schränkt sich dem gegenüber darauf, in einem kurzen Nachworte zu
') Skyrsla um 6. S. og I. F. Flateyjar Framfara-Sto fnun, III (Reykjavik
1868), S. 3—4; J)jö.!ölfr XII, S. 41.
ÜRKK ISLÄNDISCHE APOKRYPHA. 211
erklären, daß er seinen Text (hier als Ed. bezeichnet) einer jungen
Papierhs. entnommen habe, ohne daß er weitere Hss. zur Vergleichung
hätte benützen können, und es wird sich demnach vor Allem darum
handeln, durch Vergleichung das Verhältniss festzustellen, in welchem
diese verschiedenen Texte zu einander stehen. Die große Willktirlich-
keit, mit welcher die isländischen Abschreiber bekanntlich ihre Vor-
lagen zu behandeln pflegen, und von welchen nach dem soeben Be-
merkten auch meine Gewährsmänner sich keineswegs frei hielten, be-
reitet einer solchen Vergleichung allerdings nicht geringe Schwierig-
keiten.
Von Vornherein scheide ich eine Reihe von Fällen aus, in welchen,
sei es nun der Herausgeber der Saga oder der Schreiber der von ihm
benützten Hss. oder aber umgekehrt der eine oder andere von meinen
Gewährsmännern sich eine willkürliche Änderung oder auch ein bloßes
Versehen zu Schulden kommen ließ. Wenn z. B. Ed. 2/4 steht: „hann
var skyldr Agli ä Lundarbrekku. |5eir fedgar toku vel vid honum",
wogegen I, II und III lesen: „hann var skyldr Egli d Lundarbrekku
ok J)orsteim i Reykjahlid. Helgi reid frd skipi sinu at Lundarbrekku ;
jieir fedgar töku vel vid honum", so ist klar, daß der Herausgeber
oder seine Vorlage sich durch die Wiederkehr des Namens Lundar-
brekka zu einer Auslassung haben verleiten lassen, und wenn Ed. 6/15:
„gengr hann pä, heim i setit" steht, statt wie in I, II und III „i selit",
so mag dabei vielleicht sogar nur ein Druckfehler zu Grunde liegen.
Wenn ferner Ed. 9/21 „framvegis" steht anstatt des sehr modernen
„i eptirtid, welches I, II und III übereinstimmend geben, oder Ed. 11/23
„i kaupferdum jafnan" statt „gjarnan", dann Ed. 12/24: „i mot ydr"
statt „til mötparta", so ist hierin wohl nur eine, an sich gar nicht üble,
Correctur eines anstößigen Ausdruckes zu finden, und auch darin
wird man kaum ähnliche Conjecturen verkennen können, wenn man
in Ed. 6/14 ,,um hana midja" statt „um hana undir höndum"' liest,
wie I, II und III übereinstimmend lesen, oder in Ed. 9/19 „fyrir uppi-
stödutima", wo I „fyrir uppistödur", dagegen II und III „fyrir uppi-
Btödu" bieten, oder wenn in Ed. 10/22 steht ,,födurarf ]5inn edr arf eftir
okkr modur Jjina", während l, II und III lesen: „arfhlut eptir okkr
mödur ]:)ina". Wenn ferner umgekehrt III „heimamadr" liest, wo Ed.
3/4, dann I und II „saudamadr'' lesen, oder wenn in III die Worte:
„Jjrsellinn för ok vard var um, at Hrani vseri eigi heima", fehlen,
während sie in Ed. 5/9, dann I und II stehen, — wenn sodann in III
„fyrir austan Lagarfljöt" steht, wo Ed. 6/12, dann I und II, „fyrir austan
Skjälfandaflj6t" lesen, oder „Dysjamyrar(Skessumyrar)" genannt werden,
14*
212 MAURER
WO Ed. 8/18, dann I und TI, übereinstimmend „Skessudysjar" nennen,
wenn endlich in III „skdldmseli" steht, wo Ed. 9/20, dann I und II
das unpassende „Ijod" haben, so ist auch hierin eine Unachtsamkeit,
oder wieder eine willkürliche Verbesserung durch den Schreiber der
ersteren Hs. nicht zu verkennen. Sieht man nun von derartigen, völh'g
werthlosen Abweichungen ab, so stellt sich zweifellos heraus, daß
einerseits zwischen meinen Texten I und III, andererseits aber zwischen
meinem Texte II und der Ausgabe ein engerer Zusammenhang besteht.
So lesen z. B. Ed. 5/8 und II: „sem Jjat vseri einkis vert", dagegen I
und II: „])vi er ei neins se vert", „]3vi er neins sje vert". Während
Ed. 5/9 liest: „muntu nü fara sömu för sem hann", und gleich darauf
eftir attu at leida mik j^ann veg", II aber dieser Lesart mit der Maß-
gabe folgt, daß ursprünglich „leid" geschrieben stand, und dafür „för"
eincorrigiert wurde, lauten beide Sätze in I und III: „muntü nü fä sömu
laun sem hann", und: „eptir ättü at afgreida mer J)au" („slikt ad af-
greida"). In Ed. 7/16, dann II, steht: „i Kroksdal", wofür I und III
besser lesen „i Kroksseli"; in Ed. 8/17 und II: „nü beljadi blödit upp
um hann", dagegen in I und III richtiger: „nü belgdi blodit upp um
hann"; in Ed. 8/18 und. II: „hversu gekk ykkr ferdin", dagegen in I
und III: „hversu gekk ykkr reisan", wobei also ein dem Deutschen
entlehntes Wort, welches nach Gudbrand Vigfussön's Zeugniss zwar
vor dem Ende des 15. Jhdts. auf Island nicht auftritt, aber auch
im modernen Sprachgebrauche daselbst nur wenig üblich ist, in
den beiden ersteren Texten durch ein nationaleres ersetzt erscheint.
So steht ferner in Ed. 14/28 und II: „höfdu jieir ok ordit varir",
während I und III lesen: „höfdu ]3eir ei ordit varir"; in Ed. 14/30
und II: „laut eftir högginu", während I und III geben: „laut eptir
J)essu jötunliga höggi", u. dgl. m. — Vielleicht lässt sich aber noch
näher an die Sache herankommen. Der Hof, auf welchem Gauti saß,
wird in Ed. 3/5, 4/6, 5/7 und 5/9 ganz consequent Gautlönd genannt,
wogegen I, II und III ebenso consequent die Singularform Gautland
für ihn brauchen. Die Pluralform des Namens scheint heutzutage die
allein übliche zu sein, und daß sie dieß auch schon in der Vorzeit
war, lässt sich aus der Vigaskütu saga, 24/302 ersehen; dagegen ist
die Singularform, weil für die oftgenannte schwedische Landschaft ge-
bräuchlicher, die viel bekanntere, und mochte sie darum in unsere Texte
eingedrungen sein. Nun enthält II an der Stelle, an welcher der Name
„a Gautlandi" zuerst vorkommt, die Einschaltung („Gautlöndum") und
möchte man annehmen, daß die Ausgabe aus dieser Einschaltung ge-
schöpft habe, möge sie nun auf der Variante einer anderen Hs. oder
auf einer bloßen Conjectur beruhen. Ebenso liest Ed. 14/28: „var hann
ÜBER ISLÄNDISCHE APOKRYPIIA. 213
Dal-JDordr kalladr", während I und III geben: „var hann Jdvi Daljjordr
kalladr." Die letztere Lesart ist die richtige, soferne der Zusammen-
hang zeigt, daß der in Frage stehende Mann seinen Beinamen wegen
seines Geschickes im Bogenschießen erhalten hatte; aber dalr als Be-
zeichnung des Bogens ist ein veraltetes Wort, und mochte wohl dem
Abschreiber nicht mehr verständlich sein, — in II steht hiernach ge-
schrieben: „var hann (J)vi) Daljjördr kalladr", und gerade diese Ein-
klammerung dürfte das Streichen des» Wortes „j^vi" in dem gedruckten
Texte veranlasst haben, Keinenfalls kann indessen II die unmittelbare
Vorlage dieser Ausgabe gebildet haben; denn jener erstere Text zeigt
mehrfach falsche Lesarten, von welchen diese letztere nichts weiß, und
die sich sämmtlich auf das irrige Lesen eines undeutlich geschriebenen
Originales zurückführen lassen. So steht z. B. in Ed. 2/4;, dann in I
und III richtig „Godlaugs", wo II „Modlaugs" liest; femer in Ed. 4/7,
dann I und III „Audur"^ wofür II, und zwar zweimal, „Heidur" gicbt.
Es liest ferner Ed. 14/29 mit I und III übereinstimmend: „Jjeir Hrani
og Einar gengu jsä fyrir gardsendann, alla götu at JDeim brsedrura.
Vid mega menn skiftaz, Jjot Isegra (in Ed. hsegra) lati, segir Hrani",
dagegen II: „Jseir Hrani og Einar gengu Jsar fyrir gardsendan alla
götu at J)eim brjedrum med marga menn. Skipast ])6 Isegra lati, segir
Hrani", was völlig sinnlos ist. Wiederum liest Ed. 14/29 mit I und III:
„vid gestum", wo II: „vid (gossum)" hat, also einen Ausdruck zweifelnd
setzt, welcher zweifellos aus dem Schwedischen dem moderneren Is-
ländischen zugekommen ist; wenn aber Ed. 5/7 mit I „hrodamadr"
liest, wofür III „iijafnadarmadr" und II „hävadamadr" giebt, so mag
dabei in II doch wohl auch eine falsche Lesung, und nicht wie in III,
eine willkürliche Vertauschung eines ungewöhnlicheren Ausdruckes
mit einem gewöhnlicheren vorliegen. Sogar die Lesart „med mörgum
ok gödum heillaöskum" in II gegenüber den Worten „med mörgum
godum hjartansöskum" in Ed. 11/24 sowie I und III, lässt sich ebenso
erklären, obwohl hier allerdings die Annahme einer bewussten Correctur
des allzu modern scheinenden Ausdruckes vielleicht näher liegen düi'fte.
Ist hiernach der engere, zwischen Ed. und II bestehende Zusammenhang
aus der Benützung eines gemeinsamen Originales zu erklären, so dürften
andererseits auch I und III einer gemeinsamen Vorlage entsprossen
sein. Bedeutsam möchte bereits sein, daß I mit Ed. 6/13, dann II über-
einstimmend liest: „tröllkona ferleg; stigr hün a i fyrir, enn Jjjöhnapp-
arnir berir", wogegen III giebt: „tröllskjessa ferleg i skinnstakki^ ok
stigr hün ä i fyrir" u. s. w. ; indessen ist doch die Stelle nicht entschei-
dend, denn, wenn zwar die letztere Lesart den Vorzug zu verdienen
214 MAURER
scheint, liegt sie doch nahe genug, um allenfalls auch auf einer bloßen
Conjectur beruhen zu können. Wenn ferner Ed. 10/31, dann I und II
haben: „sem hugr Karls s^ vel til J^in", dagegen III: „sem hugarkast
s^ vel til ])m", so mag auch hierin sei es nun eine falsche Lesung
oder eine schlechte Conjectur zu erkennen sein. Aber wenn zwar in
Ed. 13/26 und II Grimr den Beinamen jarnkarl führt, und dieselbe
Form des Beinamens zunächst auch in I wiederkehrt, dagegen III con-
sequent jarnskalli liest, und auch I bei einer zweiten Nennung des
Namens diese letztere Namensform bietet, so dürfte doch kein Zweifel
sein, daß in diesem Falle III die Lesart der gemeinsamen Vorlage besser
bewahrt hat als I. Wir werden übrigens kaum fehlgehen, wenn wir
die für I und III vorauszusetzende gemeinsame Vorlage gerade in jenem
Exemplare der Saga suchen, welches wie oben bemerkt sdra Jon Kon-
radsson bereits im zweiten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts in seinem
Besitze gehabt hatte. Mit minderer Bestimmtheit lässt sich dagegen die
gemeinsame Quelle ermitteln, aus welcher Ed. und II geschöpft haben,
und dürfte dieserhalb eine zweifache Möglichkeit ins Auge zu fassen'
sein. Einerseits nämlich hat Jon Borgfirdingr nicht wenige isländische
Hss. an das Bökmentafelag geschickt, und wenn zwar in dem oben
angeführten gedruckten Verzeichnisse der Hss. dieser Gesellschaft
unter den von ihm gelieferten noch keine Hrana hrings saga genannt
wird, so hat derselbe doch nach dem Zeugnisse der Skyrslur seine
Einsendungen auch später noch fortgesetzt; es wäre demnach recht
Avohl möglich, daß unter diesen nachträglich von ihm geschenkten
Hss. auch jenes Exemplar der Hrana hrings s. sich befunden hätte,
nach welchem meine Copie genommen ist. Andererseits konnte aber
auch während der Zeit, da der handschriftliche Nachlass des j^orsteinn
Gislason sich im Besitze des Pfarrers JDorgeirr zu Nysted befand, recht
wohl von irgend einem der in Kopenhagen studierenden Isländer eine
Abschrift der Saga genommen worden sein, und im einen Avie im an-
deren Falle konnte diese dem in Kopenhagen studierenden Heraus-
geber leicht zugänglich werden. Immerhin erweist sich das Ergebniss
der Textvergleichung der Vermuthung günstig, daß Ed. und II auf
die seinerzeit dem ])orsteinn gehörige Hs. zurückgehen möchten.
Das Bisherige habe ich nicht etwa zu dem Zwecke ausgeführt,
darzuthun, daß die Ausgabe der Saga auf ungenügendes handschrift-
liches Material gebaut sei. Wenn nämlich zwar die eine, durch I und
III vertretene, Recension derselben von dem Herausgeber unbenutzt
gelassen wurde, so sind doch deren Abweichungen von der von ihm
veröfteutlichten Recension von sehr geringer Bedeutung; der Heraus-
ÜBER ISLÄNDISCHE APOKRYPHA. 215
geber will überdieß offenbar nicht eine kritische Ausgabe, sondern nur
einen Beitrag zur Unterhaltungslectttre seiner Landsleute liefern, welchem
bescheidenen Zwecke seine Arbeit auch vollständig genügt; endlich
lässt sich auch mit gutem Grunde behaupten, daß die Saga eine sorg-
samere Behandlung, als die, welche ihr zu Theil geworden, überhaupt
nicht verdiene. Lediglich um diesen letzteren Punkt feststellen, und
damit über Alter und Werth der Saga zu einem bestimmten Schluße
gelangen zu können, wurde auf den handschriftlichen Befund bezüglich
derselben des Näheren eingetreten.
Es ist oben bereits bemerkt worden, daß die Hrana hrings s. in
keinem der bekannten älteren Sagenverzeichnisse aufgeführt
wird; überdieß wurde soeben dargethan, daß die handschriftliche
Gewähr für dieselbe, soviel bekannt, nicht über das laufende Jahr-
hundert hinaufreicht, und wenn zwar zwei Hauptrecensionen ihres Textes
unterschieden werden konnten, so sind doch deren Abweichungen von
einander allzu unbedeutende, als daß sie auf ein längeres Umlaufen
derselben zu schließen erlauben würden. Auf innere Merkmale sind
Avir demnach angewiesen, wenn wir dem gegenüber für die Saga ein
höheres Alter beanspruchen wollen; auch diese erweisen sich aber
einem solchen Ansprüche keineswegs günstig. Die Darstellungs-
weise der Saga zunächst will zwar augenscheinlich den Charakter
der älteren Saga tragen; es fehlt in ihr nicht an alterthümlichen Worten
und zumal die in Cap. 9 eingeflochtenen Verse zeigen manche seltene
und dunkle Wendungen. Aber der Vortrag ist sichtlich ein erkünstelter
und eine Menge von ziemlich modernen Ausdrücken lässt sich in dem-
selben nachweisen, die in einer alten und echten Quelle vergeblich
gesucht werden würden. Einer Reihe derai'tiger Vorkommnisse wurde
bereits oben gelegentlich der Erörterung der Classification der Hss.
erwähnt, wie z. B. der Ausdrücke: i eptirtid, gjarnan, med mörgum
gödum hjartans öskum, jötunligr, Ijöd für eine einzelne visa, til mot-
parta u. dgl. ra.; einige weitere mögen hier noch zusammengestellt
werden. Der Beiname Krüna, welchen Gestr Höskuldarson führt (8/16),
ist aus dem lateinischen corona abgeleitet, in keiner älteren Quelle
als solcher nachweisbar, und überdieß ganz im Widerspruche mit dem
Sagenstile nicht motiviert. Worte wie bogskytta (14/28), vel lystugt
(14/31), uppä vist (15/32) sind entschieden modern, und wenn zwar
Ausdrücke wie skelmir (14/30), pläss (10/22), u. dgl. hin und wieder
schon in Quellen des 14. Jhdts, vorkommen, so werden sie doch erst
in weit späterer Zeit einigermaßen häufiger gebraucht. Ebenso ist die
Bezeichnung eines Schwertes als hid bezta })ing (2/4), der Ausdruck
21G MAURER
kiytr (3/6), das widersinnig zusammengesetzte Scheltwort merbikkja
(5/9 — 10), der Ausdruck i samstsedum (13/25) u. dgl. m. der alten
Sagenspraclie durchaus fremd. Im Einzelnen mag gegen diese Be-
merkungen Manches sich einwenden lassen, da weder die Geschichte
der einzelnen Worte und Redewendungen zur Zeit mit vollster Ge-
nauigkeit festgestellt, noch auch die Möglichkeit zu bestreiten ist, daß
durch spätere Abschreiber in einen älteren Text hin und wieder mo-
derne Ausdrücke hineingebracht werden konnten; die vergleichsweise
große Zahl aber solcher neuerer Vorkommnisse in unserer Sage muß
im Großen und Ganzen den Schluß auf deren späte Entstehung immer-
hin gesichert erscheinen lassen. — Auch der Inhalt der Saga führt
zu keinem anderen Ergebnisse. Dieselbe berichtet, wie Bärdr, des
Hersen Heyjängrs-ßjörn von Sogn Sohn, nach Island auswandert, den
nach ihm benannten Bärdardal in Besitz nimmt, dann aber südwärts
wandert und sich zu Gniipar niederlässt; wie ferner dessen Sohn Egill
zu Lundarbrekka im Bärdardale zurückbleibt, und hier mit seiner Frau
Salgerdr, des ])6rir snepill Tochter, einen Sohn Namens Hräni hrino-r
gewinnt. Weiterhin erfahren wir, wie ein Verwandter Egils, Helgi krökr,
nach Island kommt, und hier von diesem Land angewiesen erhält,
dann dem Kroksdale sowohl als dem von ihm erbauten Hofe Helga-
stadir seinen Namen vez'leiht, endlich mit Hrani hriag sich befreundet
und diesem ein gutes Schwert schenkt. Eines Herbstes, als man das
Galtvieh von den Hochweiden herabtreibt, kommt Vakr, ein Schaf-
knecht Helgi's, mit einem Dienstknechte des Gauti a Gautlöndum
Namens Sigfüs in Streit, und wird von diesem ohne alle eigene Schuld
erschlagen; Hrani aber erschlägt dafür sofort den Sigfüs, nicht ohne
selbst eine schwere Wunde davonzutragen. Er wendet sich sofort an
seinen Verwandten, Jjorsteinn zu Reykjahlid, damit er ihn mit Gauti
aussöhne; dieß gelingt, und Hrani wird sogar von Gauti's arzneikun-
diger Frau geheilt. Nun erfährt aber ein Bruder des Sigfüs, Hroaldr galti
von Torfastadiri Vopnafirdi, von dem Todschlage; er stellt zunächst den
Gauti zur Rede, und da dieser ihm nicht zur Blutrache verhelfen will,
greift er ihn an, erschlägt ihn und einen seiner Dienstleute, und zwingt
zwei andere, ihm den Weg nach Lundarbrekka zu weisen. Da sie hier
den Hrani nicht zu Hause finden, beschließen sie ihn sofort bei Helgi
aufzusuchen, treffen ihn aber, nachdem sie a Hrafnabjörgum das Skäl-
fundafljot überschritten haben, weiter oben im Kroksdale mit zwei Be-
gleitern. Hroaldr greift ihn selbneunt an, und Hrani's beide Begleiter
fallen; aber auch Hroaldr wird mit allen seinen Genossen erschlagen,
bis auf einen, dem Ilrani das Leben schenkt, und im GaltahoH liegen
ÜBER ISLÄNDISCHE APOKRYPHA. 217
die Gefallenen verscharrt. Nun bleibt Hrani eine Weile bei Helgi. Da
geschieht es, daß ein Schafknecht des letzteren auf dessen Sennhütte
spurlos verschwindet, und ebenso ein zweiter, der an dessen Stelle
getreten ist; da bezieht Hrani seinerseits die Alpe. Er wird von einer
Unholdin Namens Nypa angegriffen, die im Fljotsdale wohnt, und ihm
erzählt, daß sie die beiden Knechte sich und ihren Angehörigen zur
Nahrung geholt habe ; nach hartem Kampfe gelingt es ihm, sie zu über-
wältigen und zu tödten, aber jetzt wagt vollends niemand mehr den
Dienst zu übernehmen, so daß das Vieh heruntergetrieben und die
Sennhütte leer gelassen werden muß. Im nächsten Herbste leisten Einarr,
des Sölvi zu Storuvellir Sohn^ und Gestr Krüna, der Sohn des Hös-
kuldr halti zu Hofgardar im Rängärdale, zwei sehr streitbare junge
Männer, dem Hrani bei der Bergbegehung Gesellschaft. Sie gehen mit
einander dem Fljotsdale zu, werden aber von einem schweren Schnee-
sturme heimgesucht, und sowie dieser etwas nachgelassen hat, von
zwei Eiesinnen überfallen. Nach hartem Kampfe erlegt Hrani die eine,
dann Einarr die zweite, doch nicht ehe sie dem Gest die Kehle durch-
gebissen hat; die Unholdinnen wurden in den Skessudysjar verscharrt,
worauf Hrani und Einarr deren Höhle aufsuchen, auch noch den alten
Riesen glücklich tödten und dessen reiche Schätze sich aneignen. Im
folgenden Frühjahre trägt sich Hrani viel mit Reiseplänen, und ward
in diesen durch seinen mütterlichen Großvater ]>6rir bestäi'kt, der ihm
im Traume erscheint und ein paar Strophen an ihn richtet. Er bespricht
sofort das Project mit seinem Vater sowohl als mit Helgi, welche dem-
selben Beide zustimmen, obwohl sie voraussehen, daß er in die Heimat
nicht mehr zurückkehren werde, und er bewegt den oben genannten
Einar zum Mitreisen. Zufällig lagen damals gerade mehrere Kaufschiffe
in der Nähe, nämlich zwei im Eyjafjördr und eines im Skjalfanda^'ördr;
das letztere war von einem hebridischen Manne Namens Kaupa-Raudr
geführt, und wurde von den Leuten aus der Umgegend ganz besonders
gerne besucht. Mit diesem letzteren Schiffe verlassen Hrani und Einarr
Island; obwohl sie von dem Neide und der Bosheit des übrigen Schiffs-
volkes viel zu leiden haben^ werden sie doch von Raud selbst erfolg-
reich in Schutz genommen und erreichen glücklich die Sudreyjar. Bei
einem Manne Namens Högni hänefr und dessen Frau Geirjjrüdr nehmen
die Bundbrüder sofort Wohnung und Hrani macht bald Bekanntschaft
mit dessen schöner Tochter, Signy; sie finden hier aber auch zwei
Engländerinnen vor, die Olrün nämlich und deren Mutter Sunnefa,
welche während der Abwesenheit des Gautr storheuti, des Mannes der
letzteren, von dem Vikingr Grimr jarnkarl geraubt, dann aber von
218 MAURER
anrlern Seeräubern ihm abgejagt, und aus Mitleid auf den Hebriden
ans Land gesetzt worden waren, und Einarr verliebt sieh sofort in die
Olrün. Während nun einmal Kaupa-Raudr, im Begriffe eine neue
Keise anzutreten, ein feierliches Absehiedsmahl hält, zu welchem auch
Hrani und Einarr geladen sind, wird die ganze Gesellschaft von zwei
Vikingern und Berserkern, Hildir und Arnhöfdi, überfallen. Von den
beiden Isländern angefeuert, entschließt man sich zu energischer Gegen-
wehr, und da deren Tapferkeit durch die Geschicklichkeit einiger
gewandter Bogenschützen kräftig unterstützt wird, gelingt es die beiden
Vikinger zu erlegen und auch über deren Schiffsvolk den Sieg zu er-
ringen. An der gemachten Beute erhalten die beiden Bundbrüder, wie
billig, ihren reichlichen Antheil; da aber nach kurzer Frist Gautr er-
fährt, wohin seine Frau und Tochter gekommen waren, und sich auf-
macht um Beide heim zu holen, fährt Einarr mit ihm nach England
hinüber, und weiß die Saga von ihm weiter Nichts mehr zu berichten.
Hrani dagegen bleibt auf den Hebriden und heirathet seine Signy.
Durch die Vertheidigung der Inseln gegen fremde Vikinger verschafft
er sich hier reichliche Ehre und Vermögen, wobei er von Björn breid-
skeggr und j^orirfimr kräftig unterstüzt wird, zwei schiffbrüchigen Is-
ländern, deren er sich hülfreich angenommen hatte. Mit der Signy ge-
wann er eine Tochter Namens Hallveig, und starb in hohem Alter eines
friedlichen Todes, ohne jemals wieder nach Island heim gekommen zu
sein. Damit endigt die Saga. Überblicken wir aber diese ganze Er-
zählung, so wird uns auch sofort klar werden, daß dieselbe in keiner
Beziehung einen alterthümlichen Charakter an sich trägt. Die That-
sachen, von welchen sie berichtet, die erste Niederlassung also im
Lande, der Streit der Knechte bei der Bergbegehung und die an ihn
sich knüpfende Rache, Versöhnung und nochmalige kämpfliche Be-
gegnung, die Conflicte mit der Riesenfamilie und deren Ausgang, die
Ausfahrt aus der Heimath endlich sammt den mehrfachen Kämpfen
mit Vikingern im Auslande sind ganz gewöhnliche Vorkommnisse in
den älteren Sagen, entbehren aller jener individuellen Züge, durch
welche die älteren Quellen die reichste Abwechslung in jene so ein-
förmigen Vorwürfe zu bringen verstehen, und die Art, in welcher jene
Geschichten vorgetragen werden, ist überdieß ganz diejenige, welche
wir von einem Verfasser zu erwarten haben, der mit einiger Belesen-
lieit in den alten Sagen einen durch und durch modernen Geschmack
oder Ungeschmack verbindet. Augenscheinlich hat derselbe den Inhalt
seiner Erzählung theils aus älteren Quellen, zumal der Landnäraa, ge-
schöpft, theilweisc aber frei componicrt, wobei mündlich umlaufende
ÜBER ISLÄNDISCHE APOKRYPHA. 219
Volkssagen benutzt zu sein scheinen, welche an bestimmte Ortsnamen
sich anknüpfend, diese auf geschichtlichem Wege zu erklären suchen.
Was über die Einwanderung des Bärdr, dessen Niederlassungen im
Bärdardale und dessen späteren Umzug nach dem Südlande erzählt
wird, ist aus der Landn. III, 18/225 — 6 genommen; die Bezeichnung
seines Vaters als eines hersir or Sogni stammt ebendaher, IV, 10/264;
die Namen seiner Söhne aber sind aus IV, 10/265 ergänzt. Allerdings
kehrt der Bericht über Bärds doppelte Niederlassung auch in der
Bärdar s. Sngefellsäss. 3/4 — 7 ziemlich gleichlautend wieder; daß ihn
aber unsere Saga nicht aus dieser entlehnt hat, ergiebt sich mit Be-
stimmtheit daraus, daß in der Bärdar s. der Vater Bärd's „häleyskr
at sett" heißt, und daß in ihr ein paar seiner Söhne unerwähnt bleiben,
deren Namen doch unsere Saga nennt. Ein paar der in der Landndma
genannten Söhne hat freilich unser Verfasser weggelassen, weil er ihrer
für den weiteren Verlauf seiner Erzählung nicht bedurfte: ein rein
willkürliches Verfahren, da er doch anderer gedenkt, welche hinterher
in dieser ebensowenig eine Rolle zu spielen haben. Schlimmer noch
ist, daß er den jiorsteinn Bardarsou zwar nennt, aber ohne seinen, in
der Landnäma ebenfalls nicht genannten, Wohnort anzugeben, so daß
man nur errathen kann, daß der hinterher als ein Verwandter Hrani's
genannte ])orsteinn i Keykjahlid etwa mit ihm dieselbe Person sein
dürfte; ja man könnte sogar statt seiner an jenen Jiorsteinn Sigmund-
arson^ einen Enkel Bards, denken, welcher nach Landn. III, 20/232
„zuerst" zu Myvatn wohnte, dessen Enkel aber Arnorr zu Reykjahlid
war, und welcher somit recht wohl selber schon dahin gezogen sein
könnte, — indessen würde auch bei solcher Annahme, die mit der
Chronologie ganz wohl verträglich wäre, derselbe Übelstand obwalten, daß
nämlich des Mannes selber und seiner Niederlassung zuvor nicht ge-
dacht worden wäre. Auch J)örir snepill at Lundi, der mütterliche Groß-
vater Hrani's, wird in der Landn. III, 17/223 — 4 genannt; dagegen
wird aber weder seiner Tochter Salgerdr noch ihres Sohnes Hrani Er-
wähnung gethan. Zweifelhaft mag erscheinen, woher unsere Saga ihren
Gauti ä Gautlöndum hat. Mag sein, daß er aus der Vigaskütu s.,
24/302 entlehnt ist, welche, wie oben bereits angedeutet wurde, einen
Gautr i Gautlöndum kennt; mag aber auch sein, daß dabei an jenen
Hjälmun-Gaut gedacht wurde, welchen die Landn. III, 17/223 als einen
Schiffsgenossen des Jaorir snepill nennt, oder daß der Name gar nur
aus dem Hofnamen Gautlönd construiert ist. Ahnlich steht es auch
mit dem Hroaldr galti at Torfastödum i Vopnafirdi; derselbe scheint
aus jenem Hroaldr bjola hervorgegangen zu sein, welchen die Landn.
220 MAURER
IV, 1/239 zu Torfastadir im Vopnafjördr wohnen lässt, obwohl aller-
dings der dem jManne gegebene Beiname nicht stimmt. Endlich lässt
sich auch noch Helgi krokr, der Verwandte Egils, insoweit heranziehen,
als ihm Godlaugr Asbjarnarson or Sogni als Vater zugewiesen wird,
den die Landn. IV, 10/264 als einen Enkel des Heyangrsbjörn be-
zeichnet. Helgi selbst wird allerdings in der Landnäma nicht genannt^
und scheint sein Name und Beiname, wie sich gleich zeigen wird,
lediglich aus Ortsnamen heraus construiert worden zu sein, analog
jenem, übrigens hieher nicht gehörigen, Helgi ä Helgastödum, welchen
die Vigaskütu s. 1/232 nennt; indessen ist die Benützung der alten
Quelle insofern immerhin eine ganz geschickte, als sie den Helgi in
verwandtschaftliche Beziehungen zu Hrani bringt, und als überdieß
der Name Helgi im Hause Asbjörn's heimisch war, wogegen freilich
die Angaben der Landuama über Gudlaugs Wohnort im Südlande zu
denen unserer Saga nicht stimmen. Zeigt sieh nun in den bisher be-
sprochenen Angaben unserer Saga sehr deutlich deren Bestreben, ihre
Erzählung soweit möglich in den Rahmen der alten Überlieferungen
zu bringen, und zumal eine sehr ausgiebige Ausnützung der Landnäma
zu solchem Ende, welche freilich zu einem derartigen Gebrauche unter
allen Quellen die bequemste war, so spricht sich anderwärts nicht
minder entschieden die Neigung des Verfassers, in bestimmten Orts-
namen (örnefni) eine Stütze für dieselbe zu finden, wobei er aber frei-
lich nicht, wie dieß in den alten Sagen zu geschehen pflegt, den Orts-
namen nur gelegentlich bei Besprechung der Person oder des Vorganges
erwähnt, denen er seine Entstehung verdankt haben soll, sondern um-
gekehrt sichtlich erst aus dem Namen der Örtlichkeit die Person oder
den Vorgang sich abstrahiert hat, welcher zu der Erklärung jenes
Namens von ihm verwerthet werden will. Einen schlagenden Beleg
für dieses Verfahren bietet der soeben besprochene Helgi krökr. Eine
Strecke des Thaies, welches das Skjälfandafljot in seinem oberen Laufe
durchströmt, heißt der Krokdalr oder Kroksdalr. Die erstere Form des
Namens, welche auch die Karte Björn Gunnlaugsson's festhält, ist wohl
die richtigere, und die Bezeichnung dürfte wohl von der scharfen
Krümmung hergenommen sein, welche der Fluß gerade auf dieser
Strecke in seinem Laufe macht. Da aber krokr, d. h. Krummnase, oft
genug auch als Beiname von Personen vorkommt, wie denn z. B. nach
Landn. II, 22/128 ein Jjörarinn krokr dem KröksQördr im Westlande
seinen Namen gab, und ein Ketill krökr in der Haralds s. hardräda,
123/428 (FMS., VI), ein Jon prestr kr6kr in der Sturlüuga V, 9/120,
dann ein Hr. Ivarr krökr in den isländischen Annalcn a 1385 genannt
ÜBER ISLÄNDISCHE APOKRYPH A. 221
wird, lag es immerbin nahe, von einem derartigen Beinamen den Orts-
namen abzuleiten, wogegen den Hauptnamen der betreffenden Person,
Helgi, der nunmehr längst verödete Hof zu Helgastadir lieferte, welchen
Arni Magnüsson in seinem Grundbuche noch aufzuführen gewusst
hatte ^), und dessen Stelle sicherlich auch jetzt noch in der Gegend
bekannt genug sein wird. So wird ferner der Beiname galti, welcher
dem aus der Landnäma entlehnten Hroald anstatt des ihm in dies^er
beigelegten gegeben wird, wohl nur aus dem Ortsnamen Galtaholl ge-
flossen sein, während doch dieser Oi'tsname in Wahrheit von göltr
abzuleiten und als Schweinehügel zu deuten sein dürfte, so daß er
sich der langen Reihe derjenigen Benennungen anzuschließen hätte,
welche von der vordem so schwunghaft betriebenen, nunmehr aber
schon längst völlig abgekommenen Schweinezucht auf Island Zeugniss
geben. So mag ferner die Begegnung mit den Riesinnen aus dem Namen
Skessudysjar erwachsen sein, obwohl allerdings in diesem Falle der
Verf. recht wohl auch aus dem Volksmunde geschöpft haben konnte,
in welchem gerade in der hier fraglichen Gegend, dem Bärdardale
sowohl als der Myvatnssveit , Riesensagen noch gegenwärtig in Hülle
und Fülle umlaufen*^). Genaue Kenntniss der Umgegend scheint dem
Verfasser der Saga überhaupt eigen gewesen zu sein. Er kennt das
Land zwischen dem Skjdlfandafljot und der Mjoadalsa bis zu den
Sandar, d. h. dem Sprengisande hinauf; er weiß ferner von den fjall-
göngur, welche die Barddselingar mit den Myvetningar gemeinsam ab-
zumachen haben, und er kennt auch jene Fürth, welche „a Hrafna-
björgum" über das Skjälfandafljot führt. Unklar bleibt mir freilich die
Erwähnung des Hofes at Hofgördum i Rängardali, sowie des Fljotsdales,
in welchem die Riesenfamilie wohnt. Dem Zusammenhange nach, in
welchem beide Namen erwähnt werden, sollte man vermutheu, daß
der Rängärdalr entweder im Bardardale oder in der Myvatnssveit, und
daß der Fljötsdalr in irgend einem Seitenthale am Oberlaufe des Skjalf-
andafljöts zu suchen sei, da der Fljötsdalr, welcher von dem Lagar-
fljot im Ostlande seinen Namen hat, und die in dieses letztere mün-
dende Ränga doch viel zu weit abliegen; indessen weiß ich mit den
mir zugänglichen Hülfsmitteln diese Localnamen nicht aufzuklären,
und muß somit deren Feststellung landeskundigeren Männern anheim
geben. Zum Schluße muß ich aber noch darauf aufmerksam machen,
*) Vgl. J6n Johnson, Jar^atal a Islandi, S. 322, Not. 14.
*) Vgl. z. B. meine Isländischen Volkssagen, S. 47,51; Jon Arnason, Is-
lenzkar Jjjödsögur, I, S. 186 und öfter.
222 MAURER, ÜBER ISLÄNDISCHE APOKRYPnA.
wie wenig die Ökonomie der Erzählung den Regeln entspricht
Avelche die alten Sagen in dieser Beziehung zu befolgen pflegen. Nicht
leicht pflegt in diesen eine Person oder Sache eingeführt zu werden,
welche nicht im Verlaufe der Erzählung irgend welche Rolle zu spielen
berufen ist; unser Verfasser aber verstösst gegen diesen Grundsatz
wiederholt und in der aufl'älligsten Weise. Das vortreffliche Schwert,
welches Helgi krökr dem Hrani schenkt, wird zwar später bei den
Kämpfen mit Sigfüs und Hröald erwähnt, aber in ganz gleichgültiger
Weise, ohne daß dasselbe irgend etwas zu leisten hätte, was nicht
jedes andere Schwert auch zu leisten vermocht hätte; bei den späteren
Kämpfen aber wird desselben gar nicht einmal mehr gedacht, obwohl
gerade die Bekämpfung der Riesenfamilie und wieder der Berserker
den günstigsten Anlaß geboten hätte, dasselbe übernatürliche Eigen-
schaften zeigen zu lassen. Wozu ferner der beiden in den Eyjafjörd
eingelaufenen Schiffe gedacht wird^ nachdem doch selbst das dritte,
von Kaupa-Raud geführte nur dem Zwecke dient, den Hrani und Einarr
aus dem Lande zu bringen, ist ebensowenig ersichtlich lals der Grund,
um dessentwillen die Streitigkeiten der beiden Bundbrüder mit Rauds
Schiffsleuten erwähnt werden, an die sich doch ebensowenig irgend
welche weitere Folgen knüpfen, als sie dazu dienen, den Charakter
der Hauptpersonen der Saga in ein helleres Licht zu stellen. Wiederum
werden zwar Hildir und Arnhöfdi als berserkir bezeichnet; aber bei
dem Kampfe mit ihnen tritt diese ihre Eigenschaft in keiner Weise
hervor, und zumal zeigen sie keine Spur von jener Unverwundbarkeit,
welche sonst für solche Leute bezeichnend zu sein scheint. Endlich
die beiden schißl)rüchigen Isländer, welche am Ende der Saga erwähnt
werden, erscheinen vollkommen unmotiviert, da weder ihre Herkunft
noch ihr Schiffbruch, noch ihre späteren kriegerischen Leistungen des
Näheren besprochen werden wollen, und dieselben ganz im Wider-
spruche mit dem sonstigen Sagenstile nur erscheinen, um sofort wieder
spui'los zu verschwinden. Auch das ist ganz und gar nicht im Stile
der echten Sagen, daß einerseits auf die Nachkommenschaft des Helden
eingegangen, und andererseits von ihr doch nichts weiter als der Name
einer einzigen Tochter berichtet wird. Die gegenseitigen Schimpfereien,
mit welchen Hrani und Hröaldr, dann wieder Hrani und Arnhöfdi
einander begrüßen, ehe sie mit den Waffen einander angreifen, sind
ganz und gar nicht im Geschmacke der alten Sagen, und niemals hätte
eine solche die Riesin Nypa einen Gegner, den sie zu fressen gedachte,
mit den Worten anreden lassen: „heill J>ü, Hrani hringr", u. dgl. m.
BECH, BPvUCHSTÜCKE VON MEISTER ECKHART. 223
Nach allem Bisherigen wird keinem Zweifel unterliegen können,
daß unsere Saga ein durchaus neues Erzeugniss ist. Von wem dieselbe
verfasst sein möge, überlasse ich Anderen zu bestimmen; man möchte
an Jon Espölin denken, welcher im Jahre 1769 als Sohn des Syssel-
manns J6u Jakobsson zu Espihöll im Eyjcafjördr geboren wurde, im
Jahre 1836 starb, eine Menge gedruckter und ungedruckter Schriften,
und auch jene früher besprochene Hälfdanar saga gamla verfasste ^)
und durch seinen Geburtsort dem Bärdardale sowohl als dem Hofe
zu Stokkahladir, durch sein Amt als Sjsselmann im Skagafjördr (1802
bis 1825) dem Propste desselben Bezirkes, endlich als Halbbruder des
Amtmannes Stefan ]36rarinsson dem Gisli Brynjolfsson nahe gerückt
war, der in den Jahren 1812 — 15 bei eben diesem Amtmanne Schreiber-
dienste that ^). — Vielleicht wird manchem Leser die Weitläufigkeit
übertrieben scheinen, mit welcher ich die so wenig bedeutende Saga
behandelt habe; mir will indessen vorkommen, als ob gei*ade das ge-
nauere Eingehen in das Einzelne der hier einschlägigen Fragen ge-
eignet sei, ein lebendiges Bild von den Schwierigkeiten zu geben, mit
welchen eine kritische Behandlung der isländischen Litteraturgeschichte
zu kämpfen hat.
MÜNCHEN, den 18. M.ärz 1875. KONEAD MAURER.
BRÜCHSTÜCKE AUS MEISTER ECKHART.
(Fol. 1°) man me muge pruue. ab mä ganze mine
habe, dau an getruvnge. wan wer den andern
sere vii genczlich minet. daz sachit
Allis des man gote tar getruwe. da
5 i d* warheit I ome. vn tvsint me. Also alse got
nie M. zu vil mochte gemine. also mocht[e om]
nie M. zu vel getruwe. Alle dink di mä ge . .
mak. di sint nicht also zemelich. also groz tru
we zu gote. wä alle die i groze zuvirsicht
10 zu ome gewüne die geliz he nie. h'' worchte
groze dink m ome. daz hat h' wol bewist am
') Vgl. Germania, XHI, S. 75—76.
') vgl. Petr Petrsson, Hist. cecles. Island. S. 426— 27 ; Erslew, Fortatter-
Lexicon I, S. 239 und .388.
224 BECH
manige M. Dise getruvnge komt vö nilne
wä mlüe hat nicht alleine getruwe ra^ sie
hat ein war wizzen. vu eine vnzwiueliche
15 V zu virsicht. vn sichirkeit.
Iz ist zweirleye wizzen i diseme lebene. des
ewigen lebens. vn d^ vrütschaft gotis. daz
eine daz iz got eime meschi sage edir enpite.
bi eime engele. ed^ em sundirlieh liecht gibit.
20 vn daz geschet seiden vn wenik lut . . . . iz ist
and* wizze. daz vil vn vnglich bezz[irl . . vn nu[z]
zer. Daz geschet dicke allen gu[ten] vn . . . .
komene lute. daz ist daz d* M. vö mine vn vö
(Fol. P) .eimlikeit. die h* hat zu sime gote daz h* ome so
. . . getruwe. vn so sicher an cm sie. daz h' nicht
iwiuele möge vii wrH. da von. daz h* en rai
. . . . sich* selb*, vor s . . ten om alle c^ature. vii
5 vorseite om got selb* h* mochte
. . . . misse truwe wä mlne kan nicht
, sie getruwet allis gutis vn ist
mä den mineden vn gemine
sagen wä m deme daz h* gevulet
10 ... . vrüt ist da mite weiz h* gnuk
ist vn sin* (?) selikeit ge
ome. des bis du
dir vn lib*
vngelich me getruwe. wan
15. . . . getruwe vn • . . ge truwe . dar
ge . . . . sichir sin
. . . . alle . . mine. Dise sichirkeit ist
. . re g.zir vn warir d. . die erste vn mak
lichte ein vnrecht
20 . . . . ge . . . mä i alle den crefte
nicht getrige . . i den di da w*
zwivelt iz alse wenik alse d*
. . gote zwivelt. Wan mine virtriet
(Fol. II*) vindi den grüt. daz din gemute sal v*re dar vb*
irhabin sie. vn iz sal din gemute nicht ruren
zu mugene. noch zu minene. v^re sal din ge
mute dar vb* irhabin sie. wan daz w*e ein kräc
5 i uewendikeit di daz vzz*e cleit sal berichten
Daz i nere sal daz vzzere berichten, alse iz . .
BRUCHSTÜCKE AUS MEISTER ECKART.
22§
ne an dir stat. Mer alse iz dir alsus zu vellit. So
mach tu iz vz dime grüde gut neme. daz du d.
da ine vindest. Gevile iz andirs. daz du iz ouch
10 g^ne vn willichlichen wold. . nie. vn also ouch
mit d^ spise vn m den vrund . .mage vn m.
alle deme daz dir got gebe . . . me vn al. .
ich iz bezz^ allin dinge iz si smaheit iz si er. .
iz si waz lidens iz si
15 zu gote
h^
dan daz sich d* M. selbir drin
20 v recht, vn i deme so mak mä wol ere neme
ab smaheit geuile. vn vngemach. vii vnere.
vf den M. daz mä die ouch tragin mochte vnde
(Fol. TP) g^ne wolde tragen, vn m alleme rechte, vü vrtei
le. mak di wol ezzen di also gerech gereite w*e
zu d^ vaste. alse zu dem ezzene. vn daz ist wol
di Sache daz got vb* sine vrüt grozes vü vil
5 lidens virhengit. daz sin vmezige truwe andirs
nicht v^mochte wan daz so vil vn so groz vrome
an deme lidene lit. vfl her di sine nicht wil noch
enzemt. virsumen i icheine gute, dan daz h^
si quit list m deme grozen gereiten wille. vn
10 daz ome da mite wol gnvge. andirs om en dike
in leit laze virgan. vme de Vmezlichin vrom
eme lidene lit. Die wile also gote gnvgit
. zu vride. wan om ein andir behagit. so
. ch zu ganzen vride. Wan d* M. sal i newe
15 ... . anz gote gelazen si i alle sime willen.
. nicht vel bew*re wed^ m d^ noch m d^
. ir werkin vn svndUichin saltu vlien
. . ndirlikeit. iz si an cleidern. an spise. vn
orte, alse hoer wort vil zu redene od* sun
20 dirliche stete zu wisene. da i kein nutz an lit.
Doch Salt du wizen. daz dir nicht virboten ist
alle sundirlikeit. Iz ist vil sundirlikeit. di mä
Die vorstehenden Zeilen bilden den Inhalt eines
Doppelblattes in Duodezformat, das auf der Stiftsbibliothek in Zeitz
UERMANIA. Neue Reihe. VIII. (XX.) Jahrg. 15
Pergament-
226 LITTERATUR: ZUR ÄLTKRKN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN.
aufbewahrt wird. Da das Blatt früher als Einband diente, so hat die
Schrift durch Abreiben stark gelitten und ist trotz der angewandten
Reagentien an manchen Stellen unleserlich geblieben. Auf jeder Seite
sind mit Tinte 23 Linien gezogen; die letzte Linie auf Bl. IP wie auf
IP ist unbeschrieben geblieben ; die großen Anfangsbuchstaben sind
durch rothe Nebenstriche gekennzeichnet; Z. 16 auf Bl. I" deutet ein
rother Buchstabe zu Anfang auf den Beginn eines neuen Abschnittes.
Den Schriftzügen nach gehört das Bruchstück in das 14. Jahrhundert,
und zwar wahrscheinlich noch in die erste Hälfte desselben. Es ent-
hält ein Stück aus dem XVII Tractat Meister Eckharts, der in der
Ausgabe Pfeiffers S. 543 folgenden Titel führt: Daz sint die rede der
underscheidunge , die der vicarius von Düringen, der prior von Ei'fort,
hruoder Eckehart predier ordens mit solichen kinden hete, diu in dirre
rede frageten vil dinges, do sie sdzen in collationihus mit einander. Es
decken sich Bl. P und P unseres Fragmentes mit Pfeiffers Ausgabe
558, 31 bis 559, 27; Bl. W und IP mit 563, 13 bis 564, 9. Aus den
Sprachformen geht deutlich hervor, daß die verlorne Handschrift in
Düringen, vielleicht in Erfurt selbst entstanden, und daß sie mithin
nahe verwandt war mit jenen mitteldeutschen Handschriften Eckharts,
aus denen E. Sievers im 15. Bande der Zeitschx'ift für deutsches
Alterthum S. 373 folg. mehrere Predigten veröffentlicht hat.
ZEITZ, April 1875. F. BECH.
LITTERATUß.
Zur älteren romantischen Litteratur im Norden. I.
Gustav Storm. Ora Eufemia viserne. (in: Nord. Tidskr. for Fil. og Pasd.
N. R. I S. 23 — 43.)
Derselbe. Sagnkredsene om Karl den Store og Didrik af Bern hos
de n 0 r d i s k e F o 1 k. Et Bidrag til Middelalderens littersere Historie. Ud-
givet af den norske historiske Forening. Kristiania. Mallings Bogtrykkeri.
1874. 8».
Der durch seine Studien über norwegische Geschichtsschreibung bereits
rühmlich bekannte junge Gelehrte liefert in diesen Arbeiten schätzbare Beiträge
zur Geschichte der romantischen Poesie und Prosa im Norden.
In der ersten dieser Abhandlungen wird, gestützt auf das für diese Unter-
suchung nöthige, endlich vollständig vorliegende Material, die Frage nach den
Quellen der sogenannten Eufemiaviser in übersichtlicher Darstellung erörtert.
LITTEEATUR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN. 227
Es darf jetzt als feststehend gelten, daß Heira Iwan und Flores och Blanzeflor
zu betrachten sind als Übertragungen aus den entsprechenden altnorwegischen,
noch jetzt vorhandenen Prosasagas in altnorwegische Verse, während Hertug
Fredrik mit seinen unverkennbaren deutschen Eigenthümlichkeiten direet auf
eine deutsche Vorlage sehließen lässt. Alle drei Umdichtungen wurden unter-
nommen auf Anregung der Königin Eufemia, der deutschen Gemahlin des Hakon
Magnusson von Norwegen. Ihre Umsetzung ins Schwedische fällt erst einer be-
deutend späteren Zeit zu, vgl. u.
Dagegen wird sich schwerlich definitiv abmachen lassen, ob der von der
frz. uns erhaltenen Fassung ganz abweichende Schluß der Floressaga ok Blan-
kifliir, den das schwedische Gedicht natürlich theilt, dem norwegischen Über-
setzer zuzuschreiben ist, wie Storm will (S. 35j, oder seiner Vorlage schon an-
gehört hat. Wenn man erwägt, wie wenig selbständig die Gelehrten am Hofe
Hakons zu arbeiten pflegten — der selbständige Schluß der Parcevalssaga, auf
den St. verweist, war durch das unvollständige Original bedingt und ebenso
wenig können die etwaigen Änderungen in der Thidrekssaga, vorgenommen
zu Gunsten des Zusammenhanges, beweisen — und zugleich bedenkt, wie oft
in der altfrz. Litteratur der Fall eintritt, daß, um einer verballhornisierenden
Fortsetzung Raum zu schaflPen , der echte Schluß eines Epos gestrichen wurde
(vgl. Fierabras, Perceval le vieil, Partonopeus de Blois u.a.), so wird die
Originalität dieses Stückes der Saga mindestens unwahrscheinlich.
Eine sehr willkommene Zugabe ist der Abdruck eines im norwegischen
Reichsarchiv bewahrten, leider etwas defecten Pergamentblattes aus der Flores-
saga, seiner Schreibweise nach wohl in den Anfang des 14. Jahrhs. gehörig,
und wichtig, weil sein Text fast durchgängig vollständiger ist, als die ent-
sprechende Stelle der Handschrift M (gedr. in Annaler f. n. 0. 1850). Die bessere
Hdschr. N reicht nicht so weit. Die defecten Stellen sind durch Prof. Unger
ergänzt. Eine eingehende Vergleichung dieses Fragmentes [A] mit M und dem
schwed. Gedichte [S], sowie den anderen Versionen, bestätigt wieder den Satz,
daß diese Sagas fortlaufenden Kürzungen durch die Hand der Abschreiber unter-
worfen waren, indem selbst in dieser rel. alten Hdschr. Spuren von Kürzungen,
aufweisbar sind , wo z. Th. M sogar noch die vollständigere Lesart bietet
woraus zugleich erhellt, daß M nicht aus A geflossen sein kann; z. B. A S. 25® f.
munn kann pa taka at pakka per ok bidia [pik koma aptr etc. vgl. M S. 44 ^'^i
mun kann pd taka at elska pik ok mun bidja pik etc. Dag. S v. 1194 f. : han
thakkar tkik ok hafuer kcer , bidher thik ater koma ther. In A ist elska, in M
pakka ausgefallen. Ferner AS. 27^ f., wo es sich um das Schachspiel handelt:
En pcet var floires er uann [era jamskiott gaf kann duruerdenom fet alt etc.
M S. 46^ : ... ok I4t dyravörär ok var pd mjök reidr. En Flores gerdi sem
hiisböndi baud, gaf honum aptr etc. Vom Zorn des Wächters ist in A nicht
die Rede, freilich ebenso wenig in S v. 1252 ff., wo diese ganze Erzählung in
wenige Verse zusaaimengefasst ist und im frz. Texte v. 1952 ff., wo ohne
Zweifel mehrere Verse ausgefallen sind. Dag. heißt es mhd. v. 5104 f.: do ge-
stilte er einen zorn, also man mit gäbe tuot. Die Beziehung auf die Weisung
des Daries aber haben alle übrigen Texte; vgl. frz. v. 1954: comme ses ostes
li loa. = mhd. v. 5107 = ndl. v. 2706 = engl. (edd. Lumby. Lond. 1866)
V. 404. Beides wird also in A ausgefallen sein.
15*
228 LITTER ATUR: Zl^R ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN.
Ungers Ergänzungen sind sorgfältig mit Herbeiziehung des frz. u, schwed.
ausgeführt. An einigen Stellen kann man Zweifel hegen. .S. 24^ heißt es: En
pu haf med [per i piis pinum c. aura gidlz a;] firir uttann fe Iceik pu cei.
War der Raum für die Ergänzung nicht peinlich genau berechnet, was der Ab-
kürzungen wegen kaum thunlich ist, so möchte ich nach gullz einschieben : olc
legg vid, vgl. M S. 44'^ = frz. v. 1876: qua li meirez = mhd. v. 4666 = ndl.
V. 2614. S. 27^ scheint es mir richtiger, anstatt: (/erdist hdrdla gladr uid oJc etc.
zu ergänzen : undraäist hardla petta ok etc. In M und S ist etwas ausgefallen,
dag. vgl. frz. v. 1955 f.: moult sen mei'veilla, et por le don Ven mercia = ndl.
Vi. 2709 f.: den portwerder loonderde harde daer ave, ende dancte hem van der
g roter have. Endlich S. 27^ heißt es: En hin uard [enn gosysi gladr . . . .] indem
das letzte Stückchen der Zeile uncrgänzt bleibt. Ich möchte: olc ordlauss sup-
pi eren. Darauf deutet nämlich das folgende: ok aidfremi*) ftk han pakkat honum-^
und es wird bestätigt durch ndl. v. ?720 ff.: doe was -die man so blide, dat hi
in diere stonde een woort ghespreken niet en conde, daer na sprac hi over lanc
ende seide hem der ghichten danc etc.
So sind jetzt die Bearbeitungen und Übersetzungen des frz. Epos Floire
et Blanceflor sämmtlich gedruckt, mit Ausnahme einer englischen Redaction, die
sich in der Bibliothek von Bridgewater House befindet und nach Lumby's An-
gabe vorerst unzugänglich zu sein scheint, und der sog. Eschenburg'schen Hdschr.
der niederdeutschen Fassung (vgl. Hoffm. Horae Belg. III S. XII), mir nur zu-
gänglich geworden in Büschings, wie mir scheint, nicht allzu sorgsamer Abschrift
(Mscr. Germ. 786. 4 der Berl. Kgl. Bibl.), welche von der von Bruns edierten
(Berl. und Stettin 1798j bedeutend abweicht. Nur mit Hülfe dieser sämmtlichen
Bearbeitungen dürfte es möglich sein, die ursprüngliche Gestalt des frz. Ge-
dichtes einigermaßen genau festzustellen, was namentlich auch für die ästhetische
Würdigung desselben von Bedeutung wäre. Durch sorgfältige Berücksichtigung
derselben erst würde ein Urtheil gewonnen werden über das Verhältniss der
beiden frz. Redactionen zu einander, es würde sich vor allem herausstellen,
daß die kürzere, welche den ursprünglicheren Text enthält, dem Original gegen-
über eine Menge von Kürzungen erfahren hat, wo die Vorlagen der verschie-
denen Übertragungen — die, wie sich leicht zeigen lässt, von einander unab-
hängig, alle auf das frz. zurückweisen — noch das Vollständigere boten**). Zu
einer solchen detaillierten Vergleichung habe ich selbst schon das Material
ziemlich vollständig gesammelt und hoffe seiner Zeit genaueres darüber veröffent-
lichen zu können.
*) Das Wort s'ixlfremi „spät erst" ist seiner Seltenheit wegen bemerkenswerth. Ich
finde es in keinem Wörterbuch. G. Vigf. bemerkt s. \. fremi nur: Only in the phrase:
3vd fremi : onli/ so Jar.
**) Wie wichtig für das Verständniss eines Textes die Vergleichung aller Bear-
beitungen dieses Epos ist, lehrt u. a. eine Stelle des mhd. Geiiclites, an der zwar
wohl noch niemand An-stoß genominen hat. Flore ist an das Grabmal geführt worden.
Da heißt es v. 2207 fF.: vil wunders groz an im geschach: wan als er diu bilde gesach
s& ze stunt hekander daz sie nach in gemachet wären etc. In diesem und dem
Folgenden liegt aber, wie mir scheint, absolut nichts von einem Wunder, das an Flore
geschehen wäre. Der erste Vers ist also unverständlich. Dagegen steht im niederdeut-
schen Gedichte v. 462 ff.: Do Flos den stein anghesach, grot icunde)- dar ghescach; Flos
LITTERATUK: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. LM NORDEN. 229
Das oben an zweiter Stelle aufgeführte Buch bietet eine lichtvolle Über-
sicht über die Vei-breitung der Sagenkreise von Karl dem Großen und Dietrich
von Bern im skandinavischen Norden. Je mehr dieser Theil der altnord. Litte-
ratur von Interesse ist für eine künftig abzufassende Geschichte der „großen
Sagenkreise des Mittelalters", um so nützlicher erschien mir eine etwas aus-
führlichere Besprechung der fleißigen Arbeit in dieser Zeitschrift.
Das Buch behandelt zuerst Inhalt, Überlieferung und Quellen der Karla-
magnus Saga sowie ihre spätere Umarbeitung (bis S. 69), wendet sich dann
zur Entstehung und Wanderung der deutschen Heldensage nach dem Norden
(bis S. 83), knüpft daran die Besprechung der Hdschr. und Quellen der Thidreks-
saga (bis S. 131); dann folgt eine Erörterung über Alter und Quellen der
schwed. und dän. Chroniken, die dieselben Stoffe behandeln (bis S. 168); weiter
werden die hiehergehörigen dänischen Folkeviser untersucht (bis S. 211) und
endlich die an diese Sagenkreise sich anschließenden norweg., isländ. und fagröi-
schen Dichtungen (bis S. 225). Eine dankenswerthe Zugabe ist der Abdruck
des Bruchstückes „om Jorsalaferden" nach der schwed. und dän. Karlamagnus-
chronik und einiger Verse aus den von Thord. Magnussen c. 1570 verfassten
RoUantsrfmur.
Über einzelne, etwas breite Ausführungen und Inhaltsangaben, wo viel-
leicht ein Hinweis auf Ungers Vorreden genügt hätte, will ich mit dem Verf.
nicht rechten. Es lag das vielleicht in der Fassung der ihm gestellten Auf-
gabe. Ich werde mich im Folgenden darauf beschränken , die wichtigsten von
Storms neuen Resultaten zu besprechen, nach einigen Seiten auch Ergänzung
zu versuchen.
Bei der Besprechung der Quelle des Sagaschreibers für die dem Rolands-
liede entsprechende Partie der Karlam. Saga weist Storm sehr hübsch nach,
daß die Hdschr., die ihm vom frz. Liede vorlag, zwar nicht so alt und rein ist
wie das Oxforder Mscr., aber auch nicht so entstellt wie die späte Versailler
Hdschr., insofern in ihr oft schon die Assonanz in Reim verwandelt war (S. 26 f.),
ferner daß die Saga auf diese Weise manche Züge erhalten hat, die wir in
frz. Texten nicht mehr nachweisen können, die sie aber einmal enthalten haben
müssen (S. 30). Es ergibt sich aus allem, daß dieser Abschnitt der Saga und
— um das gleich vorauf zu nehmen — der entsprechende Theil der schwed.
Karlaraagnus-Chronik, die auf älteren nord. Hschr. ruht, leider aber sehr un-
genügend gedruckt ist — für die kritische Behandlung des Rolandsliedes nicht
ohne Werth ist.
Mit Recht scheint mir Storm ferner (S.38 ff.) gegen Unger und G. Paris
zu behaupten, daß der Sagaschreiber für das erste Buch nicht mehrere Quellen
ausgezogen hat, sondern treu seiner einen Vorlage, einer cyclischeu Darstellung,
gefolgt ist, die freilich verloren scheint.
lep dovendich wyse von dan, dar he wüste lauwen stdn. Er springt dann zu den
Löwen hinein, diese verletzen ihn aber nicht. Darin liegt wirklich ein Wunder. Da
nun sogar die Reimworte in beiden Texten stimmen, so werden wir billig annehmen
dürfen, daß in beiden dasselbe Wunder gemeint ist. Dafür spricht nun auch die zweite
frz. Fassung bei du Meril, wo es bei derselben Scenc heißt v. 1599: La puet l'en
miracles veoir. Flecks Vorlage scheint also die Episode mit den Löwen noch vorge-
funden, sie aber gestrichen zu haben, so daß nur etwas von der Einleitung derselben
stehen geblieben ist, das nun auch Fleck herüber genommen hat.
230 LITTEKATUR: ZUK ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN
BetreflPs des Abschnittes über Oddgeir danski (das zweite Buch der Saga,
ergänzt durch ein späteres Stück der dänischen Keyser Karils Krönike (Chr.
Pedersens Danske Skrifter. V Bind udg. af C. J. Brandt. Kjöb. 1856 S. 120 flF.)]
möchte ich hinweisen auf eine treffliche Abhandlung von Pio Rajna, die Storm
noch nicht kennen konnte: Uggeri il Danese nella letteratura romanzesca degl'
Ttaliani, in: Romania 1874 S. 31 — 77. Hierher speciell gehört folgendes aus
derselben. In dem frz.-ital. Gedichte über Ogier sowohl wie in der dänischen
Fassung (vgl. Ped. S. 121) wird als Grund für Cai-lotto's Haß gegen Ogier
angegeben, dieser habe ihm den Ruhm weggenommen, zwei bedeutende Feinde
zu tödten, obwohl jener nur beabsichtigt hatte, Carlotto zu Hülfe zu kommen.
Dieses Zusammentreffen hielt G. Paris (Hist. pofet. de Charl. S. 311) für zu-
fällig: Rajna will es (S. 61) — wie mir scheint, mit mehr Recht — auf eine
gemeinsame Quelle zurückführen, um so mehr, als sich auch sonst noch ver-
wandte Züge finden dürften. Im dän. Texte durchbricht Ogier mit Gewalt die
Kerkermauem, um zu zeigen , daß er sich auch selbst habe befreien können ;
ähnliches wird in einer der ital. Fassungen berichtet.
Über das Verhältniss der „Jorsalaferd" zu ihrem Original: Charle-
magne (ed. Fr. Michel. Lond. 1836) macht St. S. 60 ff. einige treffende Be-
merkungen. Fälschlich aber wird dem nordischen Bearbeiter die Vertauschung
der ipröttir des Turpin und Bernard zur Last gelegt (S. 62); denn auch in
dem frz. Volksbuche: Galien Rhetore, dessen erste Capitel direct auf den Charle-
magne zurückgehen, mit der nordischen Prosa aber nichts gemein haben, wird
Turpin das Überschwemmungswunder zugewiesen. Welche Anordnung die ur-
sprüngliche ist, wage ich hier nicht zu entscheiden. Dagegen übergeht St. ein
paar andere Eigenthümlichkeiten des nord. Textes, die der Beachtung werth
erscheinen.
Die Tochter des Königs Hugo sagt zu Olivier, als er, um sein Wort zu
lösen, mit ihr allein gelassen ist, frz. v. 712:
Sire, eissistis de France, pur nus fernes ocire?
Die Saga bietet S. 479^^ f.:
Herra, segir hon, komtu til Jjess af Frakklandi, at skemnia konur i Mik-
lagardi?
Der Ausdruck „tödten" passt gar nicht in den Zusammenhang, «Ä;em»na
vertrefflich. Die Quelle muß also ein ähnliches Wort gehabt haben, wenn auch
nicht hunire, das schon v. 721 wiederkehrt, und auch aus metrischen Gründen
unmöglich ist.
Interessanter ist folgende Abweichung. Im Charl. v. 488 hat Oliver ge-
lobt, der Königstochter hundertmal in einer Nacht zu Willen zu sein. Als es
zur Sache kommt, küsst er sie dreimal (v. 715); verspricht, sie zu seiner Ge-
mahlin zu machen, wenn sie ihn nicht verrathe, und der Dichter fügt hinzu
V. 726:
Li quens ne li fist la nuit mos que XXX feiz.
Am nächsten Morgen fragt der König v. 729 f. :
„Dites-mei, bcle fille, ad le vus fait c feiz?
Cele li respunt: Oil, sire reis."
So läge eine directe Lüge und ein sehr mittelmäßiger Scherz vor. Das hat
Keller bei seiner Inhaltsangabe des frz. Gedichtes: Altfranz. Sagen Bd. I S. 53
sehr wohl gefühlt und die Stelle dcßhalb so wiedergegeben: „Aber er beruhigte
LITTERATUR : ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN. 231
das Mägdelein und küsste und heizte sie vielfach bis an den Morgen. Davon
war sie so erfreut, daß sie seine Küsse zu zählen vergaß und als des andern
Tages ihr Vater sie zu sich rief und nach der Zahl derselben fragte, antwor-
tete, daß er ihr deren wohl hundert gegeben." Das ist aber Keller'sche Dichtung.
In der Saga heißt es dag. S. 479^'*: Oliver Id i hvilu hjd keisaradöttur ok
snerist til Jiennar ok kysti hana 100 sinnum. Auf die Frage des Königs: ef
Oliver hefdi drygt pat er kann ^agdi, heißt es : En hon svaradi ok kvad hann
drygt hafa. Das dreimalige Küssen fehlt hier ebenso wie eine Parallele zu v. 726.
Dag. haben wir hier ein reizendes Wortspiel, besonders wenn wir annehmen
dürften, daß heiser hier schon in dem bekannten Doppelsinne aufzufassen sei.
Die bessere Lesart ist das also ohne Zweifel. Ob das Original, lasse ich hier
un erörtert.
Die Zeit der Einwanderung deutscher Sage im Norden verlegt St. frühe-
stens in das 6., wahrscheinlich in das 7. oder 8. Jahrb. (S. 76 flF.). Die Gründe
sind einleuchtend.
Die Quelle der Thidrekssaga angehend, so weicht Storm namentlich darin
von Döring (Die Quellen der Niflunga-saga in der Darstellung der Thidreks-
saga etc. in: Ztschr. für d. Phil. II S. 1 ff.) ab, daß während nach diesem dem
Sagaschreiber nur Berichte nach dem Nibelungenliede, Eckenliede, Hildebrands-
liede vorlagen, und etwaige Abweichungen ihm zur Last zu legen sind, Storm
für letztere eine andere Quelle vermuthet. Die Sache ist schwierig zu entscheiden.
Indessen muß ich betreffs der von St. S. 118 besprochenen Stelle über Krim-
hilts Tod Storm gegen Döring darin unbedingt Eecht geben, daß es sich nicht
um eine zufällige Übereinstimmung zwischen der Saga und dem prosaischen
Anhange des Heldenbuches handeln kann, um so mehr, als auch in der Partie
von Ecke manche Züge genauer zu letzterem stimmen, als zu den Eckeliedern.
Auch darin will ich Storm nicht widersprechen, daß das Anzünden von Feuern
im Garten *) durchaus kein nordischer Brauch sei, als welchen Döring (a. a. 0.
S. 33) ihn vom Sagaverfasaer eingeführt wissen wollte. Aber wie steht es mit
der wichtigen Stelle vom Überwältigen der Feinde mit Hülfe der ausge-
breiteten, glatten Rinderhäute (Döring a. a. 0. S. 55 und 74), die Storm todt-
schweigt? Die Parallele aus der Eyrbyggja ist doch sehr treffend. Zu der Un-
selbständigkeit, die Storm sonst — meist wohl mit Recht — dem Sagaschreiber
vindiciert, stimmt auch nicht so ganz, daß er denselben in dem Abschnitt von
Isung und den Söhnen des König Artus von Bertangaland (S. 127) ziemlich
eigenmächtig schalten lässt. Über den Abschnitt von Hildebrand und Alebrand,
den St. S. 128 kurz bespricht, vergleiche man jetzt auch die Abhandlung Ed-
zardi's: Zum jüngeren Hildebrandsliede (Germ. XIX S. 315—326)**).
*) Unrichtig ist es , wenn Zameke, Nibelungenl. 4. Aufl. S. LXXXIII sagt, der
Norweger lasse seine Helden in der Halle ein Feuer anzünden. Damit wäre die
Schwierigkeit freilich gehoben. Aber abgesehen davon, daß auch sonst gardr unserm
Garten entspricht, vgl. Vigf. s. v., so heißt es gleich darauf: En peir er firir voru fylgia
viargreifa inn i hollina, ok skipar hann peim ä palla.
**) Das. S. 316 heißt es: Auch bleibt es doch wohl zweifelhaft, ob er [Hildebrand]
seinen Sohn in dem Gegner erkennt; nach der genaiien Beschreibung, die ihm von
Alebrand cap. 406 gegeben ist, müsste er es wohl; aber cap. 408 heißt es: ok kennast
nu vid, wo freilich B kämmst hat „sich mustern". Aber kannast heißt ebenso oft:
sich erkennen, vgl. Bp. I p. 228''^ Fms. I p. 186. vgl. Cleasby-Vigf., Möbius s. v,,
232 LITTERATUR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN.
Über den Prolog der Thidrekssaga und seine Echtheit sind die Acten
noch nicht geschlossen, denn auch was Storni (S. 104) dafür vorbringt, ist nichts
■weniger als zwingend. Ein interessantes Gegenstück zu derselben bildet die noch
ungedruckte Einleitung zur Adoni'us Saga ok Constantius (A M. 593 A. 4") und
das Schlußcapitel der Bragtta-Mägus Saga (S. 175 flF.), die übrigens für die
Sache selbst als Beweismaterial kaum brauchbar wären, da es sehr fraglich ist,
ob ihnen ein hohes Alter zu vindicieren ist.
Was endlich noch einmal die Quellen der Saga angeht, so behaupten
Storm (S. 107 f.) wie Döring (a. a. O. S. 7l) energisch, es seien das nicht
handschriftliche Quellen, sondern nur Erzählungen deutscher Kaufleute ge-
wesen. Sollte die Wahrheit nicht in der Mitte liegen? Sollten die Gewährs-
männer des Sagaverfassers nicht oft genug ihre Erzählung durch Recitation von
einzelnen Versen oder Versreihen unterbrochen haben, und auf diese Weise
die von Döring zwar bestrittenen (S. 3), aber von ihm selbst mannigfach auf-
gezeigten wörtlichen Übereinstimmungen zu erklären sein? Weist er doch selbst
öfters auf j^ydersk kvtBcti hin. Ob die Kaufleute aus Soest, Bremen und Münster
die Epen in mhd. und mnd. Mundart gekannt haben, lässt Storm (S. 107) ab-
sichtlich unberührt (vgl. jedoch S. 129 u.). Döring deutet S. 78 f. vorüber-
gehend auf letzteres hin, und ich glaube er hätte diese Hypothese kühner vor-
bringen dürfen.
In III erweist Storm u. a., daß die Thidr. und Karlam. Saga c. 1430,
zur gleichen Zeit wie die Eufcmiaviser nach Schweden gekommen und hier
übersetzt worden sind, ferner daß die schwedische [jetzt bis auf das Rolands-
lied und Jorsalaferd verlorene] Karlschronik auf einem sehr alten Texte der
Saga ruht, und ihrerseits die Quelle der wesentlich gekürzten dänischen Fassung
ist, die deßhalb nicht selten für kritische Untersuchungen von Bedeutung wird*) 5
endlich daß die Hvensche Chronik, die Döring auf die Thidrekssaga zurück-
führte, aus dem schwedischen Texte abzuleiten ist.
In IV wird, gestützt darauf, daß die dänischen Viser, die Saxo benutzte,
offenbar stabreimend waren, gezeigt, daß die dänischen Folkeviser, wie sie uns
jetzt vorliegen, späte Umarbeitungen sind, die auch die historische Wahrheit
oft genug verstört haben, während Grundtvig sie viel früher ansetzt; ihr Metrum
ist von Deutschland gekommen, zu Ende des 13. oder im 14. Jahrhundert.
Die meisten speciell hierher gehörigen Viser sind auf die schwedischen Prosa-
fassungen zurückzuführen.
Abschnitt V, der sich, wie oben erwähnt, mit den an diesen Sagenkreisen
sich anschließenden norwegischen, isländischen und fseröischen Reimgedichten
beschäftigt, konnte der Natur der Sache nach nicht so vollständig ausfallen,
wie die früheren, da dem Verfasser nur wenig handschriftliches Material zu
Gebote stand. Ausführlich wird nur die norweg. Rolandsvise und das faer. Lied:
so daß also über den Sinn der Stelle kein Zweifel entstehen kann. Trotz der genauen
Beschreibung erkennt der Vater den Sohn nicht.
S. 321 hält Edzardi den schwedischen Text an einer Stelle für ursprünglicher,
als die Hdschr der ps. Aber wie ist das möglich, wenn, wie Unger (S. VlII) erweist,
der schwed. Übertragung gerade A zu Grimde lag? Vgl. auch u.
*) Leider ist sie uns nur zugänglich in Pedersens Überarbeitung von 1534.
Schon eine genaue Angabe aller sachlichen Varianten der Hdschr. und Gehmens Aus-
gabe von letzterer wäre für kritische Untersuchungen von Interesse.
LITTERATUR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN. 233
Runsevalsstnij besprochen (S. 217 ff.). Kurz erwähnt werden S. 215 die Geiplur,
die den oben besprochenen Abschnitt der Karlamagnussaga: Um Jorsalaferd
zum Stoffe haben, zum größten Theil enthalten in der Wolfenbüttler Eimurhs.
(Tgl. Ant. Tidskr. 1849-51 S. 7 ff.), zu ergänzen durch AM 603. 4"*).
Daß diese Ri'mur auf die Saga zurückgehen, war a priori wahrscheinlich. Eine
genauere Prüfung bestätigt es; nur hat keine der uns erhaltenen Hdschr. die
Vorlage gebildet, sondern eine z. Th. bessere. Ich darf mich hier um so eher
kurz fassen, als ich einer neuen kritischen Ausgabe des Charlemagne, die einer
meiner Zuhörer gegenwärtig vorbereitet, die Rimur wie das gleich zu erwähnende
faer. Lied anhangsweise beizugeben gedenke.
Der Name Geiplur stimmt zu der Überschrift des Saga]iättr in B: Gei-
punar pättr (Unger S. XXXI). Die Namen der Kitter, die um König Karl sind,
weichen z. Th. von der Saga ab, woraus man sieht, daß der Dichter die ganze
Karlamagnussaga ziemlich genau studiert hatte. Es sind in R (= Rimur) folgende:
Rollant, Oliver, Oddgeir, Turpin, Nemus, Namlum, Otuel, Villifer, Ivorius, lugiler,
Bernard, Boering, Reinald, Geirard, Bertram, Angilas, Berard, Gumilum, und
zwar werden dieselben, etwa in der Art, wie in der ersten Aventiure des Nibe-
lungenliedes, der Erzählung vorausgeschickt, nicht erst bei Gelegenheit der
von Karl berufenen Rathsversammlung genannt, im Sinne des Dichters sehr
passend.
An ein paar Stellen schließt sich R genauer an frz. an als S (Saga).
RI v. 24 sagt Karl:
Ek skal leita at lofdung peim,
listin hefir so unnat,
koma ei fyrr i Frakkland heim,
enn foeg hann sdt ok kunnat.
= frz. v. 57 : Ja nen prenderai mais fin tresque l'averei veuz. S entspricht
S. 467^": Pd sor K. Je. at hann skyldi pat reyiia.
Vor den Pflug des K. Hugon sind Maulthiere gespannt R II v. 63^ f. :
rar var gerr af guUi ardr
ok gengu mülar undii*.
= frz. v. 287: Mais de chascune pari un fort mul amhlant. In S. S. 471'* ist
von öxn die Rede.
Dagegen finden sich eine Anzahl Stellen in R, für die weder in frz. noch
S. Parallelen aufzeigbar sind.
Nachdem der Patriarch Karl aufgefordert hat, gegen die Heiden zu kämpfen,
heißt es R v. 50 :
Hilmir for at herja framr
hvatt 4 spenska drengi ;
Massilius enn mikli gramr
mönnum red jDar lengi.
Marsilius wird in der Saga hier nicht genannt. Die obige Notiz von der
Belesenheit des Dichters wird dadurch bestätigt.
Hinter jeder ij^rott wiederholt in R der betreffende, daß er sterben wolle,
wenn er das Gelobte nicht ausführen könne. S. und frz. haben dieß bloß an
*) Vollständig, mit Ausnahme des Mansöngr, auch erhalten in Cod. AM chart.
615. J. 4".
234 LlTTERATUl?: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN.
zwei Stellen. Auch die Bemerkungen des njosnarmadr sind selten dieselben in
S und R. Ganz eigeutbümlich ist R v. 69:
Bidenciana var borgin sii
af brögnum köllud olim ;
p6 er hon kend af köppum nu
Constantinopolina.
Constantinopel wird auch in der dänischen Fassung (Storm S. 232'*') genannt.
Wie R zu dem Namen Bideneiana kommt, weiß ich nicht. Doch wohl eine
Entstellung aus Byzanz?
Als man sich zu der Abendmahlzeit im Pallaste Hugons niedersetzt,
nennt der Dichter unter Karls Helden mit Namen Roland, Oliver, Turpin und
Oddgeir danski (v. 87 f.). In schw. St. S. 233j f.: roland oc olifernus oc the
tolff ioempnunga, in S S. 472'^ f.: En Rollant ok tölf jafningjar sdtu ncest k. k.
Ich vermuthe, daß das Original von S Oliver auch erwähnte. Frz. gibt freilich
keinen Anhalt, v. 400: Carles s'asist e sis ruiste barnez, T. und 0. mag R
hinzugefügt haben.
Über die Gemahlin Hugos sagt R v. 90:
Listug kunni lauka ey
laekna drengja sottir.
Die andern Texte wissen nichts davon; aber es ist das ein Zug, der in
der romantischen Litteratur oft genug wiederkehrt, z. B. bei der Cecilia, der
späteren Gemahlin des Mirmann (Ridd. S. 174*^°); es wird das also eine ander-
weitige Reminiscenz des Dichters sein.
R V. 94: Mildings sonr ä meyna drakk,
mjiik er f)eirra bli'da,
gefr hon jarli göda jaakk. . . .
wohl eine Ausschmückung von der Hand des Dichters.
Bertram will durch sein Geschrei alle Thiere im Wald und alle Fische
zusammenlocken: R v. 89:
retta gjörvallt J)egar i stad
J)reyngist vörum fotum at,
en fyr afli anda mi'ns
aptr fari til heima sins.
Die Notiz in den letzten zwei Zeilen findet sich nirgends sonst; auch
ist sie nicht ungeschickt.
Noch interessanter ist folgende Stelle. Karl der Große erzählt am fol-
genden Morgen angstvoll seinen Helden, was Hugo fordere. Da heißt es in R
weiter v. 118 f.:
Rollant svarar med reidi hätt:
„Rsesi vildi ek bj6da fätt;
„kuggum bann med kapp ok matt,
„kvistum fölkit sundr i smätt."
„Högg ek aldri", er keisarinn kvad,
„kristit fölk i Jjessum stad.
„margr dn'fr mugrinn at,
„megu ver ekki efla J)at."
An dieser Stelle findet sich obiger sehr passende Zug nirgends ; vergleichen
ließe sich ein Passus aus dem schon citierten Galien Rbetorö. Auf dem Zuge nach
LITTERATUR: ZUR ALTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN. 9,35
Gi'iechenland wird K. d. G. von Saracenen überfallen, unter Anführung eines
Heiden Braimont. Roland und Naimes rathen, man solle den Kampf mit ihnen
aufnehmen; Karl weist auf die Übermacht der Feinde hin und sucht vielmehr
Hülfe bei den Reliquien. Während er dieselben anbetet, sind jene zwei auf die
Feinde losgegangen, erstaunen aber nicht wenig, als sie das ganze Saracenen-
heer plötzlich in Felsen verwandelt sehen, was natürlich der Wunderkraft der
Reliquien zugeschrieben wird.
Hier entsteht nun die Frage, ob diese wie die vorige Einschaltung der
Erfindung des Dichters zuzumuthen ist, oder nicht. Ahnliche Stellen aus der
Karlamagnussaga sind mir nicht erinnerlich. Es würde da zu entscheiden sein,
ob den Dichtern von Rimur überhaupt selbständige Ideen zuzutrauen, oder ob
sie bloß als sklavische Nachahmer zu betrachten sind. Dänische Gelehrte haben
mir mit Bestimmtheit das letztere versichert. Indessen schon die Einfügung
anders woher entnommener Reminiscenzen , die wir sicher nachweisen konnten,
sowie der Mansöngr, in dem die Dichter gar gern mit ihrer Gelehrsamkeit und
Belesenheit prunken, bilden den Übergang zu selbständigem Schaffen. Ich ge-
denke an anderem Orte darauf zurück zu kommen.
Selbständig ausgeschmückt sind vom Dichter endlich die Vorbereitungen
zu dem Beilager Olivers und der Königstochter, R v. 134 flP. :
Hoflolk allt med herrum gengr,
hörpu })aut hinn sasti strengr.
kurteiss ferr af klsedum drengr
ok kvelr sik ei i pessu lengr.
rar er hinn mesti ssemdarsidr,
sjdlfir kongar standa vidr,
aldri lengr leyfis bidr,
leggst hann par hjä meyju nidr.
regar var skenkt hit ski'ra vm
skjälda brjot ok silkihlin.
Jungfrü gi'et med angr ok pi'n,
Oliver hugdi gott til sin.
Lasar geymdu loptit Jsat,
lydrinn vi'kr burt i stad
Wir werden es hier, wie oben, mit Reminiscenzen des Dichters aus ander-
weitiger Leetüre zu thun haben. Besonders interessant ist v. 136; eine Erinnerung
an die bekannte Sitte, die uns aus dem Tristan am geläufigsten ist? Hier frei-
lich vor der Vollziehung der Ehe. Von einer wirklichen Umarmung sagt übrigens
S gar nichts (vgl. oben S. 231), wohl aber R v. 141^ flf.:
Ssetan vafdi silkijDrdd
scemdarmanns um vizkul4d.
Riddarinn fadmar refla nipt,
r^tt svä vasri eigingipt.
holdit spenti hann svä dript:
hrtedilig mundi J)eirra skript.
Diese Notiz wird in S ungern vermisst, im frz. nach dem früher be-
merkten freilich nicht.
Alles in Allem genommen werden wir zugeben müssen, daß wenn der
Dichter die sonst nicht nachweisbaren Stellen erfunden hat, was ich für v. 118 ff.
236 LITTERATUR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN.
noch nicht gern zugeben möchte, diese ein für diese Zeit und Dichtungsart
nicht gewöhnliches Geschick und Verständniss verrathen.
An die Besprechung dieser Ri'mur schließt sich am besten an eine Er-
örterung des entsprechenden faeröischen Litdes, das Storm nicht zu kennen
acheint. Es findet sich in Svabo's bekannter, freilich nur z. Th. gedruckter
Handschrift: Farseiske kveair eller gamle kjempe-sange samt Rujinur, samlede
og optegnede i aarene 1781 og 1782 af Jens Chr. Svabo. Heft HI S. IS.
[kgl. Bibl. in Kop. Gaml. kgl. Saml. 2894], unter dem Titel: Geipa Tcitur
(vgl. Lyngbye: Faeröiske Qvoeder S. 11). Eingehender beschäftigt hat sich mit
diesem Gedichte wohl eben so wenig jemand als mit den Ri'mur. Die Frage
nach der Quelle des ersteren ist nicht bloß litterarhistorisch interessant: es geben
uns solche Untersuchungen auch Fingerzeige darüber, woher die Faerör im MA.
ihre Bildungselemente gewonnen haben, ob bloß von Island, oder auch vom
Festlande oder von letzterem ausschließlich. Hier werde ich aus dem oben be-
zeichneten Grunde mich mit einer kurzen Übersicht über das Gedicht begnügen
können*), mit besonderer Rücksicht auf die Quellen. Die Schreibweise ist in
den Citaten natürlich normalisiert,
Karl fragt nicht die Königin, sondern seine Helden, ob sie jemanden
wüssten, der ihm überlegen sei. Alle senken die Häupter und wagen nicht zu
antworten, bis auf die Königin. Dieser Anfang ist wohl herübergenommen aus
einem anderen fser. Liede, auf das ich unten zurückkommen werde: Tiffriks
kappar (Svabo I, S. 329 fi".), das fast mit denselben Worten beginnt, und dem
Sinne nach ziemlich genau- zu der dänischen Fassung (Grundtvig D. Folkev.
I S. 94) stimmt. Daß solche ähnliche Situationen bei Liedern, die nur im Volks -
munde fortleben, sich allmählich ausgleichen, ist selbstverständlich.
Karl droht seiner Gemahlin mit dem Scheiterhaufen, wenn ihr Wort sich
nicht bestätige. Mit dem Tode wird ihr auch in den anderen Versionen gedroht.
Jene sucht ihn milder zu stimmen mit den Worten v. 6 : Ek eri tin eigiu
kona = frz. = S ^ schw. In DP fehlen diese Worte.
Der Zug nach Jerusalem , das übrigens gar nicht genannt wird, schließt
sich hier ganz unvermittelt an. Jer. wird umschrieben durch: eine Stadt, wo
ein Verwandter (!) Karls war. Er hört Glocken läuten, Turpin singt eine Messe,
der Patriarch, der hier Poul heißt, waffnet sich(!), um K. anzureden, lauter
dieser Fassung eigene Ideen. K. sagt (v. 10), er wolle die Reliquien sehen
(= S S. 469* = schw., fehlt in DP). Nun erst nehmen die 13 die Stühle
in der Kirche ein, wohin sie der Patriarch selbst leitet. So außer F nur DP:
Patriarchen leddbce hartem i toempcelin etc. Es folgt die Aufzählung der Reliquien,
betreffs deren sich F fast ganz an DP anschließt. Der Arm des heil. Simon
•wird überall genannt. F fügt hinzu v. 1 5 : Sjdlvur Jesus Id tar d, td hau var
eitt litit harn = D: som wor herre sat pa köndilmesse dag tha han qffrcedes i
monsteref. la frz. S. schw.**) fehlt dieser Zusatz. Weiter wird in F (v. 16) ein
Tuch erwähnt, mit dem sich Jesus die Hände trocknete, in D ein Schweißtuch,
mit dem er sich das Antlitz trocknet; in S schw. trägt er das Tuch nur um
*) Frz. = Charlemafrne. S = Saga. Schw. = schwedische Fassung (bei Storm
S. 228 flf.). D =: Dänisclie Krönike nach der jüt. Hdsclir. und Ghemens Ausgabe (bei
Storm a. a. O.). P = Pedersens Keyser Karlls Kr. (bei Brandt S. 99 ff). F = faer. Lied.
**) R übergeht die Aufzählung der Reli(|iiien gauz.
LITTERATUR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN. 237
das Haupt gebunden. Ferner findet sich in F (v. 17) ein Becher, aus dem
Jesus trank, als er gen Himmel fuhr, was zurückfühi-t auf S S. 469^^: kaJeh
pann er cb-öttinn hlezaäi = schw. ; fehlt in D F. Statt der Milch der Jungfrau
Maria wird hier ihre Brust genannt (v. 14). Neu ist in F eine Locke vom
Haare der Maria, Die andern Reliquien fehlen.
Nun folgt ein ganz selbständiger Zug, für den ein belesenerer Forscher
vielleicht die Quelle findet. Vor dem Zuge nach Gardariki [wie hier Miklagard
= Griechenland genannt wii-d; vgl. Cleasby-Vigf. s. v.] wird Karl durch den
Patriarchen gewarnt: große Gefahren drohten ihm da; zwei weiße Bären stünden
am Burgthor, doch beim Anblick seines Schwertes würden sie von den Stein-
thüren herabfallen; ferner au den Pforten der inneren Halle zwölf Wolfshunde,
die aber dasselbe Schicksal haben würden. In der Halle sprudele vom Boden
eine Giftquelle auf, Feuer brenne auf den Bänken. Als Karl sich durch alle
diese Schrecknisse, die nach unserem Geschmack freilich mehr als kindlich er-
funden sind, nicht abhalten lässt, gibt ihm der Patriarch seinen Segen. Beim
Eintritt in das Land findet K. zunächst 3000 Jungfrauen, die mit ihren Ge-
liebten einen Tanz aufführen (v. 34 f.), ähnlich wie in frz. = S S. 470'; fehlt
in schw. DP., dann auch die ihm prophezeiten Fatalitäten, die er nach
des Patriarchen Wort überwindet. Eine weitere Beschreibung der Halle fehlt.
Doch bestätigt Karl den Ausspruch seiner Gemahlin (v. 48). Die Abendmahl-
zeit, die Bekanntschaft Olivers mit der Tochter Hugos etc. werden ganz über-
sprungen. Im folgenden Vers fordert K. zu den i})r6ttir auf. Roland entgegnet:
ei skal niäur falla. Ber mi upp tä fystu treyt, ti tir erut ovur oss allar = D :
roland sagde thet böör ether först herre = P. Li S S. 473^' = R v. 104 =
schw.: peir hdäu kann fyrstan segja sina iprott. Frz. wird vor v. 453 etwas
ausgefallen sein. Mit Karls ijjrott ist diejenige Eimers [= schw. Aerner =
dän, Rymer] vermengt worden, allerdings nach ihrer dänischen Fassung. F v. 51
keisariiin skal ek d hdlsinn sld etc. = D S. 236*'^*': wilt ieg slaa hand [sc.
kongen] paa halsen etc. Die anderen Redactionen weichen ab. Der Mann in
der Steinsäule [diese letztere ist auswendig von Ziegelstein (!) inwendig hohl]
schreibt (v. 53 ff.) seine Uvtheile auf, auch in D wird er scriffuerin genannt,
und hinzugefügt: S. 234^'"^ f.: som skulle mercke och scriffum hvat frankes men
talade.
Mit Rolands Abenteuer (schw. D = iprött) ist dasjenige Bertrams
zusammengewoi-fen, und zwar steht letzteres zuerst. Dann will er das Haar vom
Haupte des Kaisers blasen (v, 56): hert skal eptir standa. Dazu stimmt nur
schw. S. 235^'': oc skal keysaren sta ater nakudher. Kein anderer Text hat
diesen Zusatz; doch hat er ursprünglich gewiß auch in S gestanden. Der
Schreiber bemerkt dazu in F. v. 57: Ger tu td sum tu sigur, td hevur til ster-
kan and = D S. 235''^" ff. ^= P: tha hafuer thu en stark andhe sadhe scriffue-
rin*). S weicht ab.
Des Schreibers Antwort auf Olivers gabb v. 60: Ger tu td sum tri sigur,
td er tu av spurru siegt, finde ich nur in P S. 101^^ wieder: Du trcettis en
för, uden du est äff spurge slecte. D hat nur: tu trötther cen för. = S.
*) In schw. fehlen die Bemerkungen des Schreibers durchweg, außer nach
Karls i})r(1tt.
238 LITTERATUR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN.
Es folgt Guillaume d'Orenge, der aber in F v. 61 : Villicornus genannt
wird = DP tvilliem comitz := schw. wilicelm,] dagegen S: Villifer af Orenge',
ich möchte fast glauben , Vühjdlmr Korneis habe in der Originalhdschr. von
S gestanden 5 vgl. Storms Bemerkung S. 62. Der Schreiber sagt zu seinem gabb
V. 67: Ger tii td sum tu sigur , tä ger tu kong Iluggon storan skada. = P:
Da g'ör du kong Hugen stör skade sagde scriffueren. Nach Storms Angabe muß
dieser Satz in A und B des dän. Textes fehlen. S und R weichen ab.
An Ernaldrs Stelle tritt hier Eingilbrett, ein Name, der sich nahe be-
rührt mit D S. 236''3 = P: Engeler. Es heißt v. 66: Ek skal etiga i hUikerit,
td tcift heitast swlur := D S. 236''7 : ... nar hwn sywdher tha will jeg styge
iher lofj P S. 102^' fügt nach suider ein: hardist, dem F heitast entspricht;
S schw. weichen im Wortlaute ganz ab. Der Späher sagt v. 67: td hevur tu
eaja(f) hiid = D S. 236''2 = P: tu haffuer en hord hudh.
Es folgt Turpin, zu dessen Rede nichts zu bemerken ist. Antwort des
Schreibers v. 72: td mundi honum illa behaga', ger tu td sum tu sigur guä
forbjddi tad = F8. 102 2": Gud forbiude dtt. Dagegen D S. 236''='': gud lade
thet aldrigh skee. S weicht noch mehr ab.
Die übrigen gabbs fehlen. Am Morgen greift der Spion zu seinen Kleidern,
löst den Brief von seinem Gürtel und wirft ihn auf den Tisch des Königs.
Das ist natürlich nur eine Weiterbildung der Idee vom Schreiben.
Dagegen ganz selbständig erfunden scheint der Zug, daß dem König Karl
seine Gemahlin im Traum erscheint mit der AuiForderung, sich das Gesprochene
noch einmal zu überdenken. Als er aber am Morgen, ängstlich geworden durch
diese Erscheinung, mit seinen Helden zur Kirche geht, kommt, anstatt eines
Engels, eine Taube, setzt sich auf seinen Arm, spricht aber etwa dasselbe,
wie jener. Diese letztere Änderung könnte leicht hervorgerufen sein durch eine
Reminiscenz aus dem VI. Buche der Saga: Äf Otuel, dem (Cap. 8) während
des Zweikampfes mit Roland ebenfalls der heilige Geist in Gestalt einer Taube
zufliegt, um ihn anderen Sinnes zu machen. Dann springt F v. 82 gleich zur
Ausführung der if)röttir über und bricht mit der Flucht des Königs Hugo auf
den Thurm ab.
Zunächst ist hervorzuheben, daß die den Zusammenhang wesentlich schä-
digenden Auslassungen in der Erzählung schwerlich dem Dichter zur Last
zu legen sind, sondern auf der Lückenhaftigkeit der mündlichen Überlieferung
beruhen dürften.
Etwas bedenklicher ist die Frage nach der Quelle von F. Aus der obigen
Übersicht erhellt erstens, daß F sich am nächsten — oft wörtlich — anlehnt an
die dänische Bearbeitung, und zwar an einer Anzahl Stellen augenscheinlich
Zusätze von Chr. Pedersen aufnimmt*). Daneben muß aber, wie einige Stellen
zeigten, auch ein ausführlicherer Text, jedenfalls die isländische Prosa, benutzt
worden sein. Mit R zeigt F nirgends nähere Berührung. Dieser Umstand ist
lehrreich gegenüber der Neigung Storms, die faer. Gedichte, z. B.^die Sjürdar
*) Es wäre, nebenbei bemerkt, recht zweckmäßig gewesen, wenn Storm die ver-
hältnissmäßig geringen sachlichen Zusätze Pedersens in die Variantensammlung auf-
genommen hätte. Man hätte dann eine Art Überblick darüber gewonnen, wie häufig
und welcher Art dieselben sind. Brandt (a. a. O. S. 525 ff.) hat sie gar nicht betont.
LITTERATUR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN. 239
kvfedi, nicht direct von Sagas, sondern von nach diesen verfassten isländischen
Rimur abzuleiten (vgl. a. a. 0 S. 224 f.), von denen keine Spur nachweisbar
wäre. Eine solche Annahme mehrerer Quellen für ein fser. Lied hat gar nichts
AuflFallendes. Für das Högnilied hat Döring (a. a. 0. S. 283 ff.) ebenfalls ver-
schiedene Vorlagen aufgezeigt, und Storm erwähnt (S. 223), daß auf Svabos
Aufzeichnung des „Runsevalsstruj" die dänische Karlschronik Einfluß geübt hat.
Pedersens Redaction der Karls Krön icke ist in erster Auflage 1534 er-
schienen: Geipa tätur muß also später gedichtet sein. Auch das kann nicht
befremden, wenn wir bedenken, daß auch Vedels gedruckte Viser für ältere
faer. Gedichte benutzt worden sind.
S. 215 spricht Storm von Otuels rimur in Kopenhagen, die ebenso alt
sein sollen als die Geiplur. In einer Membrane existieren dieselben wenigstens
nicht und ich habe sie überhaupt nie gesehen; doch wird Jon Sigurdsson da-
mit natürlich Recht haben. Dagegen findet sich in Svabös Sammlung Heft III
ein fseroisches Lied über Otuel, der hier freilich Otvald heißt. Ich will das-
selbe hier kurz besprechen und wenigstens einige Verse anführen.
Am Morgen bei Sonnenaufgang erscheint ein großer Mann aus der Halle
Garsia's, Namens Otvald, beim Kaiser, erfasst denselben bei seinem weißen
Barte und hebt ihn so aus dem Sitze. Von dieser Gewaltthat weiß S nichts,
obwohl der Bart des Kaisers auch dort erwähnt wird. Keiner von den Fi-anken
wagt ihn anzublicken, außer Roland. Dieser droht, ihn durch sein Schwert Dirin-
dal zu einer Beute der Wölfe zu machen. Karl fragt Otvald, an welchen Gott
er glaube. Es heißt v. 8:
Ek trygvi paa mitt skjöld og svord,
og ringabrynju fri'da,
hesin sami buni brandur
pn'sar mik so vi'da.
[Ein Zug, der sich hier nicht in S, aber sonst oft genug in S. findet, hier
also anders woher eingeflochten ist.] Karl prophezeit ihm übles bei solchem
Schutz. Auf die weitere Frage Karls, welche Botschaft er bringe, eröflfnet jener,
der König Gaisia sende ihn, um Tribut von des Kaisers Land zu erheben.
[Nach S soll K. ihm sogar ganz Prankreich abtreten]. Das möge Gott ver-
hüten, versetzt K. Ferner sagt 0. er sei gekommen um sich mit Roland zu
messen. Die Jungfrau, welche 0. wappnet, heißt Dalita, was zu keinem Namen
in S passt. Bei Tagesanbruch wird der Zweikampf begonnen. Rolands ersten
Hieb wehrt 0. mit seinem Schilde ab; bei den nächsten Schlägen verwunden
beide sich gegenseitig. Auch diese Scene schließt sich nicht enger an S an.
Die Gebete Karls sind in F in dines zusammen gezogen v. 24, wie in P:
T4 er keisarinn Karlamagnus ,
til bönar hann gär.
Harra gud gevi tär sigur i dag,
Roland frandi v4r.
Da erfolgt das Wunder, ähnlich wie in S; v. 25ff. :
Ljösit kom av himli nidur,
tä for eptir vonum:
Vid tad er Odvald högga mundi
alt drö megin frä honum.
240 LITTERATUR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN.
Ljösit kom av himli nidur,
yvur heidins herar.
Vi'ct f)ad er Odvald högga mundi,
tä vildi av angun vera.
Tu tort ikki, Roland jall
efla tek so stinuan ,
Hevdi ec havt slika trii sum tii,
tu skuldi mec ikki vinna.
Wir finden auch hier nirgends directen Anschluß an S oder P; an die
Stelle der Taube ist ein Licht getreten , das dem Heiden seine Körperkraft
nimmt, und Otuels Worte sind viel weniger zahm gehalten, als dort.
Der Kaiser verspricht ihm, wenn er Christ werden wolle, seine Schwester
zu geben [in SP seine Tochtei-] ; mit einer beistimmenden Rede von Odvalds
Leuten schließt das Gedicht. Nach welcher Vorlage es verfasst ist, lässt sich
nicht mehr erweisen: vielleicht nur nach mündlicher Überlieferung. Sonst würde
sich wohl — wie in Geipa tätur — irgendwo wörtliche Übereinstimmung mit
einem Texte finden.
An diese drei Lieder aus der Karlamagnussaga (Runsivals striS, Geipa
tätur, Otvalds rima) schließt sich ein viertes, das Svabo Edmunds Ri'ma nennt.
Es handelt von dem Abenteuer, welches K. d. G. mit Jamund an der Quelle
zu bestehen hat: Karlamagnussaga VII, Cap. 55 S. 199. P S. 47. Daß man
diese Lieder auch beim Volke für zusammengehörig hielt, lehrt die Bemerkung
des Sammlers „Denne rujma synges af nogle for sig selv, som en taatur
af Runsivals bölk, men efter andre er den eet med Rol. kv. eller Runsivals
etruj " .
Das Gedicht beginnt:
Emund kvittar ur stridinum ,
skuldi rida hajm,
Tä var keisarinn Karlamagnus .
bann vann honum mein.
Emund eigir ein fljotan best,
tilikur eingin i landi ,
So leypur han yvur dalar og fjöU
sum adi-ir a slöttum sandi.
Von der Schnelligkeit von Edmunds Roß ist nur in S, nicht in P die
Rede. Edmund legt sich an der Quelle nieder, um zu trinken.
Karl d. Gr. sagt v. 4 :
Ec sä kjempu i strid i dag,
vanari ec ikki sä.
Givi tä gud av himmiriki ,
ec hevdi heuni näd.
Er kommt zur Quelle und heißt Emund aufstehen und sein Leben ver-
tbeidigen, nennt auch auf E. Verlangen seinen Namen (v. 9). Emund wünscht
des Kaisers Helm zu besitzen, jener vei'weigert ihn und sie kämpfen darum.
Bis bierbin schließt F sich so ziemlich genau an die Saga an. Jetzt aber folgt
ein Stück, welches wohl der Erfindung des Dichters zuzuschreiben ist; wenigstens
ist dieser Zug von anders woher übei tragen, ohne daß ich jedoch die Quelle
anzugeben wüsste. Ich hebe die ganze Episode aus v. 16 ff. :
LITTERATLTR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN. 241
Bardust teir um hjalmin tann,
tä var mest af süt. —
Henda sama fagra dag
ta slap Koland ut.
Svaradi keisarinn Karlamagnus ,
stöd tä skamt i frä:
„Gevi tä guä i himmin'ki,
Olgar lievdi stactid hjä.
Keisarinn eigir ein systurson ,
bann vil bann ikki gloyma,
Setur bann i Glastriborg
vict sextan sveina goyma.
Eöland reikar i borginni,
bann biggur at ringinum reyda:
„Tk 63SY eg a ringinum ,
at frandi min er i neyct.
Roland talar til sveinanar
tögva ella triggjar:
„Lovi mar af ballinni vit,
franda min at siggja.
Svaradi ein af sveinunum,
sum binar bevdi i valdi:
Tii fert ikki af baliinni lit,
tu ert so ungur af aldri.
Svaradi annarr af sveinunum ,
bann beldur ä bi'inum knivi:
Tu fert ikki af ballinni lit,
tii ert so ungur k livi.
Roland reikar i borginni ,
ta gerdi ban treytr ,
Tok bann ein af sveinunum ,
og sldri binar dej^dar.
Roland slap af ballinni üt
i ti fyrsta sinni ,
Hanu fekk s4r ein fljotan best,
bann legdi sär i minni.
So reitet Roland in den Wald binaus. Ii; S beißt es nur S. 2OI3 : kemr
at fram Rollant etc. Interessant ist diese Episode immerbin für die Kenntniss
der Art und Weise, wie man die überkommenen Stoffe ausputzte, resp.
weiterbildete. Glastriborg findet sich übrigens in den Sjilrdar kvtedi, z. B.
Dvörgamoy IV v. 18.
Roland, von K. mit Freude begrüsst, der schon ganz ermattet ist, kämpft
mit Emund und tödtet ihn mit Durindal. Dann bringt er dem Kaiser, der in-
zwischen die Besinnung verloren und von dem Kampfe nichts gesehen zu haben
scheint, Wasser im Hörn Eulufu und stärkt ihn so. Hörn und Schwort des
Gefallenen nehmen sie mit und reiten zur Halle zurück. Olgar danski sagt,
K. verdanke Roland sein Leben und K. bestätigt es. Damit schließt das Ge-
dicht, das allerdings sich nur im Allgemeinen an S anschließt, so daß es, ebenso
GERMANIA. Neue Reihe Vin. (XX.) Jahrg. 16
242 LITTERATUR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN.
wenig wie beim vorigen, zu entscheiden ist, welcher Text zu Grunde liegt.
Ausfall von einzelnen Versen anzunehmen, scheint hier unnöthig, da der Zu-
sammenhang nirgends gewaltsam unterbrochen ist.
Damit ist die Reihe der faeröischen Lieder, welche sich an den Karls-
sagenkreis anlehnen, abgeschlossen, falls wir nicht die Flovins rima (Svabo III),
welche einem Theil der Floventssaga entspricht, mit hieher rechnen will, auf
die ich an andei'er Stelle bei Besprechung der letzteren zurückkommen werde.
Ehe ich diesen Abschnitt schließe, möchte ich noch eine Vermuthung be-
treffs der Karlamagnussaga aussprechen. Im frz. Rolandsliede wird erzählt,
daß Olivers Schwester Aide, welche mit Roland verlobt ist, in Ais vor Schmerz
entseelt zusammensinkt, als sie von dessen Tod Kunde erhält. In der Saga wird
sie zwar auch an anderem Orte erwähnt (vgl. Storm S. 42 f.), aber die obige
Erzählung von ihrem Tode wird an der betreffenden Stelle ganz übergangen,
wie auch Storm hervoi-hebt (S. 29). Doch aber möchte ich glauben, daß sie
ursprünglich auch in der Saga vorhanden war und durch irgend einen Zufall
ausgefallen ist. In dem Mansöngr nämlich, der die vierte ri'ma der Geirarils
ri'mur einleitet, v. 16 f. wird direct auf diesen Zug hingewiesen. Es heißt da:
Barctist moctr, fimr ok frodr
fyrr ä hjall,
rfkr ok odr, riddari godr,
Eollant jall.
Hring]DÖll skser var honum so kaer
til hjartans }3inga:
festarmser J)at(?) feil so naer,
hun for at springa.
Aus dem franz. Texte kann der Isländer diese Notiz unmöglich wissen,
und woher sonst soll er sie geschöpft haben?
Der Vollständigkeit halber will ich endlich noch bemerken, daß der Ver-
fasser von Icappakooßdi [in Cod. Holm. perg. 22, 4**, aus dem ersten Viertel des
16. Jahrb.], der zwar keine große dichterische Begabung, aber um so um-
fassendere Belesenheit an den Tag legt, indem er c. 50 isländische und aus-
ländische Helden kurz bespricht, auch in der Karlamagnussaga ganz heimisch
ist; er nennt Karl, Rollant, Oddgeir danski, Otuel, Balldin, Balan und Alkaen,
Die Thidreks Saga ist, was spätere dichterische Bearbeitungen wenigstens
auf Island anlangt, gegen die Karlamagnussaga sehr dürftig weggekommen,
obwohl ihre vielen Episoden sich sehr gut zu Stoffen für Ri'mur geeignet hätten.
Storm führt gar keine hierher gehörigen an, und auch mir sind nur Herburts
ri'mur (Cod. Guelf. und AM 604) bekannt geworden. Über diese heißt es Ant.
Tidsskr. 1849 — 51, S. 12: „Sagaen hörer til den brittiske Cyclus om kong
Artus og bans Kjsemper, men findes ikke, saavidt vides, i nogen Sämling." Daß
man 1849 in Kopenhagen nicht gewusst hat, daß diese Ri'mur ihren Stoff aus Cap.
231 ff. der Thidreks Saga hergenommen haben, muß billig Wunder nehmen,
um so mehi-, als die Abweichungen der Ri'mur sehr unbedeutend sind und alle
Namen übereinstimmen. Freilich, während der schwedischen Dietrichschronik
vielleicht nur dieselbe Stockh. Hdschr., nach der die Saga jetzt von Unger ediert
ist, als Quelle gedient hat, hat der Dichter vorliegender Rimur offenbar eine
andere Hdschr. benutzt. Daher wohl z. Th., vorwiegend aber vielleicht — die
LITTERATUR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN. 243
Entscheidung ist unmöglich, weil wir über die Vorlage jenes Sagaabschnittes
absolut nichts wissen — aus der Willkür des Dichters schreiben sich die
A^'arianten, die, meist sachlicher Natur, für die Greschichte der Thidrekssaga
nicht ohne Interesse sind und deßhalb im Folgenden mitgetheilt werden sollen.
Für die Stellen aus den Ri'mur (= R) ist Cod. Guelf. zu Grunde gelegt.
Thidrek sucht eine ebenbürtige Gemahlin. Es heißt in R:
Fylkir heldr frettum nii,
fimr i eli vigra,
hvar sü vseri hoeversk frii,
at honum s6 vegr at bidja.
= A: Pidrekr konungr leiäir at frettum, hvar su Jcona sitr, at honum
pikkir s^r soma. B ähnlich. Mbr. : Nu hcevir Pidrekr konungr oenga konuser til
ceignar konu. firir pvi at hvergi hcevir hann set oc eigi hceuir. hann frett til sua
friärar konu sem hann vill ceiga; also wesentlich im Wortlaute abweichend.
Die Werbung (S S. 214^ ff.) fehlt in R ganz. Statt dessen heißt es;
rekkr ok j^yctr Jjengill bydr
ridreks mönnum öUum:
Sextigir manns er sigldu or Franz
sitja i Artus höllum.
Hälfa vetr ok heldr betr
ristir sat ]iar n'ta,
Enga stund mk agaett sprund
afreksgarpa lita.
So hefig spurt, hann sendi i burt
si'na garpa dyra ,
Jseir skulu brdtt k J^enna hatt
Pidrek kongi skyra.
Holdar peir med hvassau geir
heim til rictreks venda,
fleiri menn vill fylkir enn
friinni ekki senda.
Nach der Saga schickt Herburt seine Begleiter erst zurück (Cap. 237),
nachdem er die Prinzessin gesehen. Zuzugeben ist übrigens, daß in der Dar-
stellung von S die Werbung (Cap. 234) ganz im Sande verläuft, ohne daß
damit etwas über die Ursprünglichkeit der dinen Lesart präsumiert werden soll.
Es wird dann in R noch einmal wiederholt:
Nii er hann einn ok engi sveiun
eptir ridreks manna.
Die Botschaft der Kammerfrau (S. Cap. 236) ist, wohl um zu kürzen,
in R weggelassen. Dagegen ist nach R Herburt etwas weniger brutal gegen
den störrigen Mönch :
Garprinn talar vid gamla segg,
Gripr 1 munksins sida skegg :
Ek skal kömpum kippa af per,
ei keifar l:>ü neitt til olids mer.
Vgl. S S. 21 64 ff.
16*
244 LITTERATUR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN.
Im Folgenden hat K eine wesentlich andere Darstellung als S, weßhalb
ich diese Stelle complet ausschreibe. Man vgl. S Cap. 237. K bietet:
Herburt nü fyrir hilmi stö
hseversklega ok feil k kn^;
sidan berr hann kongi ker:
kurteis veizla stofnad er.
t^eingill talar vid l)orna lund:
„t'vi skalt ganga ä vi'fa fund,
„J)j6na upp ä Jjeirra boret,
„):)egniun gledst vid J)essi ord.
„Nii er sa dagr, at döttir min
„drekkr i höll med meyjum sin;
„Jjeim er haldinn heidrinn vant,
„haf mi fram l:)at er ]m kant!''
Heilsar upp ä hseversk vif
Herburt med sitt unga lif,
]5iggr slikt af })eim i gen,
J)ar mä heita veizlan klen.
Byrlar hann hit bezta vi'n
bdru glödar seskiliu;
hvort til annars löngum leit,
li'fit speunir elskan heit.
t^enna-dag sem drykkjan lidr,
dögling sitt ok ristill fridr,
hilmir talar vid Hildi kgerr,
Herburt si'ttr furdu uaer.
„Ljiifa dottir", })engill kvad,
„leystu )iat er ek fretti at:
„Hversu kuiini hofmauns plag
„herra Jjann sem skenk[t]i i dag?"
Svanni vard i svörunum Idttr:
„Sa mä J)ikkja hofmann rdttr!
„slika kunni alla art ,
„einnhvern ti'ma laerdi mart.
„Hardla vitr er hristir fleins,
„hann skal verda ydr til sveins,
„standa frammi ok ]ijöna per,
„]De88 i milli hann skenkir mer."
Kappinn gekk i kvenna lid,
katar urdu meyjar vid
rar var hofmanns heidrinn vendr
hvern J^ann dag hann frammi stendr.
Nach S erbittet sich Hilde von ihrem Vater, daß Herburt ihr Schenke
sein darf und dieser willigt nur widerstrebend ein. An das Obige schließt sich
nun der Inhalt von S Cap. 238 genau an.
Endlich sind noch in R die Verse hervorzuheben, in denen dem König
von der Flucht seiner Tochter Anzeige gemacht wird. Man vgl. den Schluß
von S Cap. 238.
LITTERAT ÜK: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN. 245
Riddari einn fyri rajsi gengr,
r 36 dir svä med tiggja:
„Samir ]3eim ei at sitja lengr,
„er saämdir vilja jsiggja.
„Rsesir gaftu riddara einn
„n'kri dottur ]>inui:
„ydr mun eigi Tpessi sveinn
„jjarfr at setlun miuni.
„R^tt i dag, sem rann upp söI,
„rödullinn tok at ski'na,
„bjo sik ])etta bölvat föl
„burt meä d(5ttur ])ina.
„Lsetr Jiii ekki leita at })eim
„ok li'fi riddarann fletta,
„koma ]Dau aldri hingat heim,
„hafi Jj^r so gjort jietta.
Dieser Passus ist viel ausführlicher, als der entsprechende in der Saga,
mit dem er sich dem Sinne nach übrigens deckt. Hier wie oben lässt sich
aus inneren Gründen gar kein Schluß ziehen auf die Authenticität einer Fassung.
Ob die folgenden Zeilen aus Kappakvsedi (s. o.) v. 3 hierher gehören
mögen ?
Tristram fr4 ek med brandiun blä,
brytjar födur sins mengi.
Mit der Erzählung der Saga (die hier mit R stimmt) wollen die Worte
sich nicht recht in Einklang bringen lassen, denn dort (Cap. 231) hat es
Tristram nur mit seinem Bruder Herjaegn, nicht mit den Leuten seines Vaters
zu thun. Vielleicht beruht die Abweichung auf unsicherer Reminiscenz.
S. 73 ff. weist Storm, wie mir scheint, unwiderleglich nach, daß die
dänischen und schwedischen Fassungen der Vise von „König Dietrich und
seinen Helden" nicht, wie Sv. Grundtvig meinte, auf einen deutschen Urtext,
sondern auf die schwedische Dietrichschrouik zurückgehen. Die ungedruckte
fseröische Fassung, die Grundtvig (DgP. I, S. 65) in zwei Redactionen vorlag,
scheint St. nicht genauer geprüft zu haben, da er sie nur nach Gr. citiert. Was
mir eine genaue Vergleichung von Svabos Niederschrift, die mir allein zu Ge-
bote stand, mit den übrigen Formationen des Liedes^ sowie mit der Saga und
der schw. Chr. bemerkenswerthes ergeben hat, will ich daher zur Vervoll-
ständigung von Storms Notizen hier anfügen.
Bei der Vergleichung der verschiedenen Fassungen dieser Polkeviser wird
man höchst selten zu dem Resultat gelangen, daß eine als die absolut älteste
anzusehen und die übrigen sämmtlich davon abzuleiten sind. Oft kann gerade
eine verhältuissmäßig alte Fassung einzelne späte Interpolationen aufgenommen
und umgekehrt eine späte alte Züge bewahrt haben , wie das ja bei der Ent-
stehung und Fortpflanzung solcher Lieder ganz natürlich ist. Diesen Umstand
werden wir im Folgenden nicht übersehen dürfen*).
*) Kr = schwed. Dietrichschrouik; S = Pidrekssaga. F = faer. Lied. Arw.
Arwidsson: Svenska forusäuser I.
246 LITTERATUR: ZUR ÄLTEREN R0MANT1SCHP:N LITT. IM NORDEN.
Der König Visin (= Isungr) hat nach F elf Söhne, die seine Banner-
träger sind; der zwölfte ist Siurdr, Sigmunds Sohn; vgl. v. 3 ff. :
Visin kongur borgina eigir,
hon stendur ä höum fjalli,
EUevu eigir hann sinir s4r,
og tolvti er Sjurur snjalli.
EUevu eigir hann sinir skr ,
tolvti er riddarinn besti ,
eru so allir Visana sinir ,
sita so vel ä hesti.
EUevu eigir hann sinir sar,
teir bera sitt ailit merki.
Tolvti er Sjurur Sigmundason ,
Fevnisbanin sterki.
Diese Angaben stimmen genau zu Kr. und S, während nach den dän,
Fassungen Sjurur der Sohn des Königs ist (Storm S. 200).
Daß Brandr [hier hinn viferi genannt; vgl. Grundtv. S. 67 f.], seinem
Beinamen entsprechend, schon weit herumgekommen ist, hebt Kr. und S nicht
besonders hervor; dagegen F v. 6 : ti hann hevdi farit vi da :=: dän. A. v. S'^:
menn du haffuer vanndritt saa viide.
Wenigstens erwähnt muß werden, daß die Form Bertingaland und Ber-
tingäskog in F (v. 8) = dän. A v. 4, 9 einfacher von Bertangaland und Ber-
tangaskog in S, als von Bretanea oder Britania in Kr. abzuleiten ist, während
freilich Bratinsborg (F v. 6) zur zweiten Form stimmt.
Der Riese beißt in F Aggi (nicht Agi, Grdtv. S. 84, die Doppelconso-
nanz ist durch Assimilation des d entstanden) = Edgeirr (S) oder Edger (Kr).
Das Abenteuer Wictga's (Wideke's), F: Virgar Valindson, mit dem Riesen
bietet in F keinen abweichenden Zug. Dagegen fehlt der Scherz, durch den
jener seine Gefährten schreckt. Nach Aggi's Tode fährt das Lied fort v. 23:
, Virgar ropar vi(t härri röst,
hann bidur teir koma bratt,
at brenna irni Visans sinir
a teirri sömu nätt.
woraus hervorzugehen scheint, daß der Dichter diese Scene absichtlich über-
gangen hat, dieser Ausfall also nicht auf lückenhafter Überlieferung basiert.
Interessant ist die folgende Stelle. Während einige Fassungen gar nichts
davon wissen, daß Sigurd dem König die erste Kunde von dem Fremden bringt,
andere wenigstens die Reihenfolge der Handlungen umgekehrt haben, heißt es
in F V. 24f.:
Sjurur stod i visgördum,
hann heldr a gyltum hödni ,
Hann ssev guU ok glitra merki ,
ä fögrum aumars modni.
Sjurur gekk ur visgörum
og iun ä hallargolv:
Hdr eru komnir i vort land
Tidriks kappar tolv.
LITTERATUR: ZUR ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NORDEN. 247
T. 24 schließt sich eug an Kr. an Cap. 184^: Sigorcl swen stod i vigs-
kalen og sag thenne tidende. han gik m fore konungen oc sayde tili hanum etc.,
während sich in S S. 189'^ nur findet: oc nu kemr til peirra Sigurdr sueinn
oc mcellti til konungs etc. Diese Stelle beweist wieder klar die Abhängigkeit
der Vise von der schw. Chronik, und zugleich, daß F hier wie oben das Ur-
sprüngliche bewahrt hat*).
Sigurd reitet allein den Fremden entgegen. Fv. 30:
Sjurur g^kk i hellina inu,
einginn er bann kendi ,
ütan Virgar Valindson,
bann einni at honum vendi.
Dieser Zug ist F eigenthümlich. Sigurd fordert von Dietrich und seinen
Helden Tribut; F v. 72:
Gangur her nakar skättur av
eptur fornum vanda.
= Kr. Cap. 186^^: Sigurd sporde: wilia i nokon skatt wtge^ra som her ar en
gamall sidwania. In S entspricht S. 191 ^'^: sem her ero log til. F schließt sich
also direct an Kr an. Die andern Texte weichen ab.
Wenn Storra (S. 201) bemerkt, nur im faer. Liede würfen die Kämpfer
das Loos darum, wer sein Eoß ausliefern solle, so ist das nicht ganz genau.
Es heißt v. 35:
Teir kastavu sterning 4 breicta bord,
teir runnu vel nakid vi'da ;
Teir fdllu strax unga Humla til,
han skuldi möt Sjüri ri'da.
Also fast wörtlich = Arw. 4 A v. 9, wo ebenso wie im Dan. die Meinung
ist, daß Sigurd mit ihm um ihre Rosse kämpfen soll (vgl. Arw. v. 8), ohne daß
dieser Kampf jedoch zum Austrag kommt. Dagegen fährt allerdings F fort:
Sjurur sat a G-räna baki ,
snärliga hann sar vendi,
reid so burtur fra Tidriks koppum,
og Humlinga best i hendi
T4 hann för af gardi burt,
tä hevdi hann hestar tvä.
Hier sind also offenbar die beiden Lesarten mit einander vermengt.
In dem Gespräche Humlings mit Virgar**) finden sich alle die späten Zu-
sätze wieder, die Storm (S. 201 f.) zusammengestellt hat. Daß aber in F Sigurd
*) Nebenbei sei bemerkt, daß in dieser Rede Sigurds einmal die schw. Prosa
sich an die Lesarten von A und B der Saga anschließt, nicht an Mmb ; Cap. 185**:
oc suia hogmoduge are. oc vtan ider wilia are kompne i wort land. Saga A: ok sua
diarfir haja gorz, at firir utan rad ydart, hen-a, hafa komit i yävart land idofat. B : diarf-
lega lata ok S7ia mikit firir ser at peir hafa komit olofat i ydart land. Dagegen Mmb.
... at firir ydart rdd hava komit i ydart land. Zwei ähnliche Beobachtungen hat
Döring gemacht (a. a. O. S. 70). Es lohnte der Mühe, daraufhin die beiden Texte
einmal vollständig zu vergleichen.
**) Hier ist eine Stelle im schwed. Texte in grammatikalischer Beziehung in-
teressant; Cap. 187' f.: thevi gaff mik myn fiader oc tw skalt wara hans arffwinge oc
ekke iak oc faar tw ekke tin hest igen = wenn du dein Roß nicht wiederbe-
kommst. Also oc im Sinne von ,,wenn". Vgl. Saga S. 192. : ef ceigi f(c ek pinn hest
per aptr. Vgl. Tobler, Germ. Xlll S. 101.
248 LITTERATUK: ZUK ÄLTEREN ROMANTISCHEN LITT. IM NOItDEN.
und Ilumling nur zweimal auf einander stossen , wie in Kr., ist darum nicht
bemerkenswerth, weil, was Storm übersieht, auch einige dän. Fassungen dazu
stimmen (D v. 16 ff. ; H v, 46 £F. ; G- sogar nur einmal (v. 13), wo natürlich
mehrere Verse ausgefallen sind. Beim ersten Zusammentreffen: sundurgikk Hunila
sadiljjorä = dän. E v. 21. G v. 13 gegen Kr. S.
Wie in Kr weigert sich in F der besiegte Humling, seinen Namen zuerst
zu nennen : seine Genossen würden ihn der Feigheit bezichtigen. In allen an-
deren Versionen der Vise nennt er ihn ohne zögern. Nur in F =: Kr. S nennt
Sigurd sich direct, v. 52:
Sjurur skal tu nevna mik,
Sigmunda svein ,
Kjerdujr drottning
hon bar mik i heim.
Die beiden letzten Zeilen sind freilich Zusatz des Dichters; Kjerdujr doch
wohl Hiördis'i Kr Cap. 188**^ hat nur: Jak heter Sigord swen. In den andern
Texten nennt Sigurd sich überhaupt nicht, nur Humlung min nerskylde frende
(Arw. 4 V. 28) und systersann (das. v. 29); vgl. dän. A. v. 78 f. F hat nur
V. 53:
Er hetta satt, tu sigur mär,
tu skalt min frandi vera,
ähnlich wie in Kr., wo das aber Amlung sagt.
Endlich bemerke ich noch, daß am Schluße F ein Moment aus der spä-
testen Fassung aufgenommen hat; v. 60 f.:
Her gangur ein dans vid Bratinsborg ,
bär dansa kempur og heltir.
Her dansar Sjurur Sigmundason
vid eikinni 4 belti.
Hdr dansadi Sjurur Sigmundason ;
sin lika kan ikki siggja.
Tan minsta kempa i dansinum ,
var fyra älin til kniggjar.
also ganz wie dän. F v, 36. Den Schlußvers fügt F selbständig hinzu.
Es ergiebt sich aus dieser Erörterung, daß das fser. Lied in Svabo's
Fassung, trotzdem es manche späte Züge aufnahm, den Stoff am reinsten er-
halten hat, indem es mehrmals gegen alle übrigen mit der schwedischen Prosa
geht. Dadurch erlangt aber auch Storms Ansicht, daß letztere die Quelle der Vise
gewesen, nicht aber ein deutsches Lied, eine schlagende Bestätigung. Es ver-
lohnte sich deßhalb wohl, daß die verschiedenen Aufzeichnungen dieses Liedes
vollständig gedruckt würden, wie es denn überhaupt sehr zu bedauern, daß die
Sammlung der fjeröischen Lieder von Hammorshaimb unvollendet geblieben ist,
wie freilich in neuerer Zeit auch so manches andere littcrarische Unternehmen
in Dänemark.
Indem ich hiermit von Storms sorgsam gearbeitetem Buche Abschied nehme,
dessen Thema sich mit meinen eigenen Studien nahe berührt und dessen Be-
sprechung mich in Folge davon unwillkürlich weit über die sonst einer Reccn-
sion gesteckten Grenzen hinaus geführt hat, sage ich dem Verfasser für die
LITTERATUR: WILMANS, DIE ENTWICKLUNG DER KUDRUNDICHTUNG. 249
mir und gewiß auch anderen gewordene Anregung meinen Dank, und knüpfe
daran den Wunsch, Herrn Storm recht bald wieder auf verwandtem Gebiete
zu begegnen, ein Gebiet, dessen Bearbeitung ja für Skandinavier mit bei weitem
nicht so großen Schwierigkeiten und Umständen verknüpft ist, als für uns in
den Südlanden.
BRESLAU, im Nov. 1874. E. KÖLBING.
Die Entwicklung der Kudrundichtung untersucht von W. Wilmans. Halle,
Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, 1873. VIII und 275 S. 8.
Diese Arbeit schließt sich an die vor einigen Jahren erschienene Kudrun-
ausgabe von E. Martin an, deren Verdienste Hr. Wilm. S. VI sehr hervorhebt,
iedoch mit dem Zusatz, „aber die Einsicht in die Zusammensetzung und Entwick-
lung der Dichtung, woran mir vor Allem gelegen war und worin der Schwer-
punkt der Kritik und Erklärung liegt, fand ich durch sie nur wenig gefördert.
— So entschloß ich mich dann selbst die Untersuchung zu führen" u. s. w.
Von den vier dann hingestellten Hauptresultaten dieser Untersuchungen kann
ich mir freilich nur den letzten Satz: „An eine Wiederherstellung der ursprüng-
lichen Dichtung ist gar nicht zu denken", aneignen, und es ist bedeutsam
genug, daß ein derartiges Urtheil über die Herstellungsversuche EttmüUers und
MüUenhoffs, das indirect auch eine Abweisung der Lachmaun'schen Nibelungen-
kritik in sich schließt, jetzt auch in Berlin von einem der tüchtigsten Vertreter
der Schule abgegeben ist. Wenn ich gleichwohl mit den positiven Resultaten
der Wilmans'schen Untersuchung nur in Einzelheiten und mitunter fast zufällig
zusammentreffe, so liegt dieß einerseits in der sehr großen Schwierigkeit des
Stoffes ; andererseits aber auch wohl darin , daß Wilmans bei allem Bestreben
unbefangen an die Sache heranzutreten, sich doch von falschen Voraussetzungen
noch nicht völlig frei zu machen wusste.
Dahin gehört namentlich, daß Hr. Wm. (S. 1) als „feststehend voraussetzt,
daß Cäsurreime und Nibelungenstrophen einer jüngeren Entwicklungsepoche der
Dichtung angehören". Aber wenn auch Ettmüller und MüUenhoff in dieser An-
sicht übereinstimmen, so zeigen sich Beide in dieser Auffassung metrischer Ver-
hältnisse doch nur von Lachmanns Nib. Kritik abhängig ; wir können diese
Prämissen durchaus nicht einräumen , und können hier sogar auf Martin ver-
weisen, der (S. X) bekennt: „Indessen lässt diese mehrmalige Wahrnehmung,
daß der Cäsurreim öfter erst von den Abschreibern eingeführt ist, sich nicht
zu einem allgemeinen Princip erheben, wonach alle Cäsurreime auf diese Art
entstanden sein müssten." — Noch bedenklicher ist es, die Nibelungenstrophen
als Kriterium der Unechtheit verwenden zu wollen ; ihr Vorkommen in der Gudrun
(bekanntlich in '98 Str.) ist bisher nicht genügend erklärt. Von drei Möglich-
keiten, die sich darbieten, ist die gewöhnliche Annahme, wonach diese Strophen
Interpolationen der Abschreiber enthielten, wohl die am wenigsten wahrschein-
liche; man müsste hier einen reactionären Geschmack der Schreiber annehmen,
die von der jüngeren Gudrun- auf die ältere Nib. -Strophe hätten zurückgreifen
wollen — oder gar zu bequem Alles auf das Ungeschick dieser Leute schieben.
Theoretisch plausibler dürfte es schon sein, wenn man eine ältere Redaction des
Gedichtes durchgängig in Nib. -Strophen sich vorstellte, da die Wiederholung
250 LITTERATUR : WILMANS, DIE ENTWICKLUNG DER KUDRUNDICHTUNG.
derselben Stroplieuform im epischen Volksgesange ganz unbedenklich erscheint.
Eine dritte Möglichkeit wäre die , daß die älteste Gudrundichtung neben der
echten Nib. -Strophe eineVai-iation derselben mit klingenden Reimen in der 3. und
4. Langzeile eingeführt habe, und daß diese in der Hs. vielfach erscheinende, von
den Hrgb. allerdings verpönte Form — vgl. z. B. Martins Ausgabe S. VII — den
Übergang zu der eigentlichen Gudrunstr. (mit 5 Hebungen in der letzten Halbzeile)
gebildet habe, die bei den späteren Abfassungen allmählich das Übergewicht
erhalten, ohne die früheren Formen ganz zu verdrängen. Bei einer Dichtung, die
sich nicht an die festen Normen höfischer Poesie anschloß, ist ein solches Vcr-
hältniss wohl denkbar, und jene äußeren Kriterien, die Hr. Wm. als feststehend
bezeichnet, erweisen sich für ihn als sehr zweideutige Stützen. Nicht viel besser ist
es mit den inneren Argumenten bestellt. Gerade weil unser Gedicht in der vor-
liegenden Gestalt nicht als Geisteskind eines einzelnen poetischen Genius, sondern
als ein solches erscheint „an dem zu verschiedenen Zeiten verschiedene Verfasser
geai'beitet haben", fragt es sich sehr, ob von der Kritik „nicht nur das Anstößige,
sondern auch das Überflüssige und Entbehrliche bei Seite geschoben werden muß",
einmal angenommen, daß man sich über die Ertheilung einer derartigen Censur
wirklich verständigen könnte. Aber was erregt wohlgeschulten Kritikern nicht Alles
Anstoß! So bemerkt E. Martin zu Str. 1600, 2 — 3, wo vom Baden und Kleiden
Hartmuots die Rede ist: „Diese Schönheitspflege kennzeichnet hier, wo sie bei den
Männern hervorgehoben wird, die weichliche Sinnesart der Zudichter." Bekanntlich
war nicht bloß im MA. das Baden der Männer ganz gewöhnlich (vgl. z. B. mhd.
Wb. I, 76, 77), sondern schon Tacitns (Germ. Cap. XXH) weiß von warmen
Bädern der alten Deutschen.
Die so begreifliche List Gudruns, sich (Str. 1242) zunächst für eine andere
Person auszugeben, um die Gemüthsstimmung der Ihrigen zu erforschen; ein Zug,
den auch W. Grimm als poetisch berechtigt gewürdigt zu haben scheint, be-
zeichnet Martin als „unnütze Flunkerei" der Heldin, und meint, daß die ähn-
liche echt weibliche List, die Str. 1312 ihr beigelegt wird, „weder dem Herzen
noch dem Verstände der Kudrun besondere Ehre mache". Es ist wahr, daß
Wm. von derartigen Randglossen, die oft genug störend zwischen die wirklich
brauchbaren Erläuterungen der Martin'schen Ausgabe gerathen sind, sich fern-
zuhalten gesucht hat, wohl fühlend, daß auf solche Weise nur der zu eigenem
Urtheile Unfähige verwirrt werden könne ; aber auch Wm. nimmt öfter da An-
stoß, wo bei längerer unbefangener Betrachtung sich die vorhandenen Schwierig-
keiten denn doch noch selbst auflösen können. Von ästhetischen Urtheilen, die
so leicht den Kritiker irre führen können, macht Wm. zum Glück nur einen
sparsamen Gebrauch, desto mehr Scharfsinn wird aufgewandt, um „jeden An-
stoß in der Verbindung der Theile sorgfältig zu beachten" und aus dem schein-
baren Wirrwarr der Überlieferung einen fortlaufenden Faden älterer Vorlage
herauszufinden; so sehr wir aber auch diesem Streben unsere aufrichtige An-
erkennung zollen, ist es uns doch nicht möglich geworden, dem Ariadnefaden
des Herrn Wm. folgend uns wirklich in dem Labyrinth zurechtzufinden. Dazu
kommt, daß auch die Anlage des Buches nicht allzu bequem und der Gebrauch
des sorgfältig gearbeiteten Registers durch allzugroßen Laconismus erschwert ist*).
*) Die Unterscheidung der cursiv gedruckten Ziffern von den gewöhnlichen ist
bei der großen Menge der Zahlzeichen äußerst lästig, mid wäre ein beigesetztes Str.
viel praktischer gewesen.
LITTERATUR: WILMAN3, DIE ENTWICKLUNG DER KUDRUNDICHTUNG . 251
Zur nähern Beleuchtung des Wilmans'schen Verfahrens muß ich mich auf
einzelne Abschnitte seines Buchs beschränken , und ich wähle hier namentlich
III (5. — 8. Aventiure), weil man hier vielleicht am ehesten versucht sein könnte,
mit Herrn Wm. übereinzustimmen. Wenn auch der Satz, daß „im MA. edle
Geburt mit bürgerlichem Gewerbe unverträglicher schien als heute", nicht ab-
solut feststeht (vgl. Zacher's Zusatz in Martins Ausgabe S. XXIII), so lässt sich
doch wohl nicht leugnen, daß die Art, in der die Hegelingenboten „zugleich
als Kaufleute und vertriebene Landesherren auftreten" etwas Auffälliges und
sich fast ^Widersprechendes hat. Aber der rasche Schluß , daß es zwei Gestal-
tungen der Sage gab, je nachdem sich die Boten für Kaufleute oder Fürsten
ausgaben, ist darum noch keineswegs gerechtfertigt; vielmehr ist es ganz natür-
lich, daß Hagens und seiner Tochter Interesse für die Fremdlinge auf ver-
schiedene Art, zuerst durch Geschenke, dann durch ihre Kunst- und Kampf-
fertigkeit,'schließlich durch ihre edle Abkunft und König Hetels Machtverhältnisse
erregt und festgehalten wird. So zeigt auch die Thidrekssage in ihrem Bericht
von der Entführung Hilde's — mag man diesen als Quelle unseres Gedichtes
anerkennen oder nicht — zunächst die goldenen Kleinode als Lockmittel, während
den eigentlichen Ausschlag die männliche Schönheit des Boten, der hier das
Interesse seines Herrn verleugnet, giebt; und sollte, wie in unserem Gedicht —
eine schließliehe Aussöhnung der Familie Hilde's mit ihren Entführern stattfinden,
so war die ebenbürtige Stellung Hetels und der fürstliche Rang seiner Boten
dafür die fast nothwendige Voraussetzung. Ohne also eine Wandelung der Über-
lieferung ganz zu bestreiten, sehen wir in den scheinbaren Widersprüchen doch
zunächst nur eine Ungewandtheit der Redaction , die — vielleicht nach ver-
schiedenen litterarischen Vorbildern — verschiedene Motive in die Dichtung
einführte, und diese nicht — wie so leicht angieng — in künstlerischer Weise
wieder vereinigte. — Und wenn auch Wate sich selbst als wenig gewandt im
Handel und ungeübt im Verkehr mit Frauen bezeichnet (Str. 253, 255), so
darf man darum noch nicht gleich annehmen, daß er in einer früheren Fassung
sich bis zur gewaltsamen Entscheidung im Schiffe verborgen hielt. Dieß würde
seinem Charakter doch wohl noch mehr widersprechen, während sein Auftreten
in unserem Texte zu keinem Bedenken Anlaß giebt. Daß Fruote in unserer
Red. „mit den Waaren seine Bedeutung verloren, und als Hauptperson neben
Wate (nun) der ritterliche Sänger Horant getreten", lässt sich einfach dadurch
widerlegen, daß Fruote, welcher der Sage ursprünglich fremd war, mit Fug
und Recht nur eine Nebenrolle auch im Gedichte spielt, während bei Horant
das Umgekehrte der Fall ist; wenngleich die Art und Weise seines Auftretens
in unserem Gedichte allerdings Zweifel zulässt, wie weit diese auf sagenmäßiger
Grundlage beruhe. — Wenn wir so mit den „im Allgemeinen orientierenden
Bemerkungen" (S. 44) keineswegs übereinstimmen können , kann es nicht viel
helfen, in Einzelheiten bisweilen beizustimmen. Str. 356 mag sich an Str. 354
ursprünglich anschließen, aber ist Str. 355 ganz unecht oder vielleicht nur hier
an falscher Stelle stehend? — Im Folgenden geht Wilmans nun auf die Scene
mit dem Fechtmeister ein, und nimmt hier eine Interpolation an, mit der Ab-
weichung von Müllenhoff, Str. 363 zu verwerfen, aber St. 368 beizubehalten.
Die Gründe, welche für spätere Einfügung der Rolle des Fechtmeisters in
die fünfte Aventiure sprechen könnten, hat Martin zu Str. 359 vorgeführt; auf
ihn bezieht sich auch Wilmans. Aber zunächst ist klar, daß durch bloße Aus-
252 LITTERATUR: WILMANS, DIE ENTWICKLUNG DER KUDKUNDICHTUNG.
Scheidung der betreffenden Strophen unmöglich ein echter Bestand gewonnen
wird, denn die vier Schlüge in Str. 362 sind jedenfalls nur Steigerung der drei
Schwanke in Str. 359, wobei es völlig gleichgiltig ist, ob man ein solches Ver-
fahren der Red. «ganz abgeschmackt" findet oder nicht. Durch derartiges ästhe-
tisches Raisonnement wird überall weniger als nichts bewiesen; und ich muß
gestehen, daß mir bei längerer Betrachtung die Rolle des Fechtmeisters immer
minder anstößig wurde. Denn ist es nicht ganz natürlich für Hagen, einen
angeblichen Neuling im Fechten zunächst an den schirmmeisfer zu weisen, dann
aber, da sich Jener wider Erwarten tüchtig zeigt, selbst sich mit ihm zu messen?
Ob das äne vride Fechten (Str. 366) nicht eine ganz gewöhnliche Steigerung
der sonst üblichen Fechtweise war, wissen wir nicht. Aber völlig fehl zu gehen
scheinen mir die Erklärer, wenn sie die Stellen 358, 4; 3G2, 4; 366, 3 — 4
direct auf den späteren Kampf Hagens mit Wate in der achten Aventiure be-
ziehen, was nur bei der letzten Stelle allenfalls möglich wäre , obgleich auch
hier nichts hindert, das sti (366, 4) auf das zunächst Folgende (367) zu be-
ziehen. In der achten Aventiure findet sich auch bei passender Gelegenheit
(Str. 517, 8 — 4) keinerlei Zurückdeutung auf die frühere Fechtscene, die viel-
leicht nur in der Phantasie unserer Kritiker als ein Vorspiel zu dem ernsten
Kampfe aufgefasst wurde. Der Entscheidungskampf zwischen Hagen und Wate
war, wenn auch nicht in der ältesten Sage, doch schon vor Lampiechts Alexander
(vgl. V, 1830 fg. M.) in der Überlieferung begründet; jenes in der fünften
Aventiure geschilderte Fechten schloß sich wohl nur als Ausschmückung leicht
an eine ältere Darstellung an. Daß es Sitte für Fremdlinge war sich in den
Kampfspielen zu versuchen, ist bekannt — vgl. Martin zu Str. 371, 4 — und
daß diese Spiele in unserm Gedicht einen humoristischen Eindruck machen, ist
aus der Individualität Wate's vollkommen zu begreifen.
Auf den Gesang Horants in der sechsten Aventiure möchte ich noch
etwas genauer eingehen. Wilmans versucht — einige echte Strophen MüUeu-
hoffs kühn streichend — Str. 372 unmittelbar mit Str. 389 und dann 391 zu
verbinden. Dieser Vorschlag hat etwas sehr Ansprechendes, die wiederholten
Angaben über das Singen Horants schwächen den Eindruck und fördern die
Handlung nicht; eine Ausscheidung von Str. 373 — 388 scheint der Dichtung
zu statten zukommen, nur einzelne Wendungen wie Fruote's Scherz Str. 382,
der dann Str. 406 von Horant selbst ähnlich geäußert wird, verrathen denn
doch auch hier poetisches Leben. Auch würde die Athetese immer nur ästhe-
tische, nicht philologisch-kritische Berechtigung haben, denn zwingende Gründe,
Str. 373 — 388 auszuscheiden, findeich nicht. Auch ist der Entschluß Hilde's,
Horant heimlich zu sich zu entbieten, doch auch wieder verständlicher, wenn
sie den Sänger bereits mehrfach gehört und seine Kunst am ganzen Hofe Bei-
fall gefunden hat, ihr Versuch aber, mit Einwilligung des Vaters ihren Wunsch
zu erreichen, gescheitert ist, wie Str. 387 ausführt. Die hier gegebene Antwort
Hagens bezeichnet Wilmans S. 53 als völlig unverständlich, und im Einzelnen
mag der Text auch gelitten haben, aber in der Hauptsache ist doch klar, was
Hagen meint. Wohl hat Horant schon mehrfach gesungen, aber diel> geschab
vor der Burg, wie Str. 380 ausdrücklich bezeugt, in der Kemenate der Königin
Hilde war er nur zu einer Visite gewesen, vgl. Str. 375 — 378. Die junge Hilde
wünscht Horant nun am Hofe selbst, d. h. in der Hofburg (oder auf ihrem
Zimmer) zu hören, was namentlich aus Str. 387, 4 hervorgeht. Hierzu aber
LITTERATUR : WILMANS, DIE ENTWICKLUNG DER KUDRUNDICHTUNG. 253
die Gäste durch Bitten oder Geschenke zu vermögen, lehnt Hagen ab, und
nachdem die folg. Strophen noch einmal die Macht des Gesanges in aller Stärke
geschildert haben, entschließt sich nun Hilde selbst zu dem kühnen Schritt. —
So reduciercn sich doch auch hier bei sorgfältig-ruhiger Betrachtung die kri-
tischen Bedenken nicht unerheblich, noch mehr ist dieß in dem zunächst Fol-
genden der Fall. Allerdings wären Str. 392 — 94 beinahe ohne Verlust zu ent-
behren, aber an der Erwähnung Moruncs 394, 4 ist nicht Anstoß zu nehmen,
der freilich nur als Begleiter Horants auftritt und daher 395, 1 nicht aus-
drücklich zum Sitzen genöthigt wird. Es scheint bisher nicht bemerkt zu sein,
daß Morunc wiederholt in nähere Beziehung zu Hilde gesetzt wird; Str. 211, 1
ist er es, der zuerst den König Hetel auf den Gedanken bringt, um sie zu
werben; bei dem Empfang der Boten in Hagens Hofburg tritt von den jüngeren
Helden Morunc sowohl Str. 332 als Str. 345 folg. entschieden hervor — einen
Grund hierfür giebt das Gedicht allerdings nicht an, aber es ist nun nicht auf-
fällig, ihn auch in Hilde's Kemenate als Begleiter Horants Str. 394, 4 erwähnt
zu finden. — Str. 395 und 396 bleiben vor der Bei-liner Kritik bestehen,
wenngleich die Furcht vor Hagen, die in der letzteren ausgedrückt ist, nach
dem bisherigen Vei-halten desselben auflPallen könnte. Man hat es vorgezogen,
Str. 397 — 400 als unecht zu verwerfen, und also directen Anschluß von Str.
401 an 396 zu behaupten. Auf den ersten Blick hat auch dieser Voi-schlag
etwas für sich, aber der Wunsch Hilde's, den sie Str. 395 deutlich ausdrückt,
Horants Gesang zu hören, bliebe dann unerfüllt, und es würde nur eine
Unterredung zwischen Hilde und Horunt stattfinden. Lässt man die angefochtenen
Strophen stehen, so ist auch das erst Str. 401 erfolgende nähere Eingehen
Hilde's auf die Anspielung Horants auf seinen Herrn (396, 4) nicht unnatürlich:
ihr Interesse wendet sich zunächst dem Boten und seinem Gesänge zu , erst
die Zurückhaltung desselben und die erneute Hinweisung auf seinen Herrn
(400, 4) erregt nun die Aufmerksamkeit der Prinzessin. — Während Wm.
Str. 409 mit Recht gegen den Obelos Müllenhofts in Schutz nimmt, scheint mir
auch Str. 408 unentbehrlich, da eine Beruhigung der jungen Fürstin nach 407, 4
nicht überflüßig war*). — Bei der Scene mit dem Oberkämmerer (Str. 411
bis 425**), die schon von Ettmüller gestrichen wurde, ist eine jener Partien
unseres Gedichtes, wo der Verdacht späterer Interpolation nicht als völlig un-
gegrüudet erscheint, aber ein philologischer Beweis hierfür ist doch auch bis-
her nicht erbracht worden. Vielmehr erscheint erst durch die Bedrohung Str.
412, 2 — 4 die frühere Befürchtung Horants (Str. 396) verständlich, und die
Ansicht, daß hier wie dort dieselbe Hand an unserem Gedichte gearbeitet habe,
scheint unabweisbar. Die Weichlichkeit der Scene (namentlich Str. 416, 3) mag
unser Gefühl überraschen, unser Urtheil verstimmen darf sie darum nicht;
ähnliche Beschreibungen weicher Gemüthsstinimung finden sich auch sonst, z. B.
Str. 284 und 435 — freilich wohl nur in „unechten" Strophen! — In Bezug auf
Str. 342 bemerkt Wilmans S. 58, daß sie den Zusammenhang unterbreche, und
*) Auffallen könnte nur das unbestimmte Er sprach Str. 409, 1: doch ist eine
ähnliche Epanaphora von Wilmans selbst S. 55 Anm. 1 vertheidigt. Man braucht
Str. 409 nicht Horant als Redner zu denken, schon 408, 4 spricht Morunc entschlossen
für sich selbst.
**) Da[!i diese Str. nicht wohl „echt" sein kann, wenn das Vorhergehende un-
echt ist, bemerkte selbst Martin.
204 LITTKKATl'U: WILMANS, DIE ENTWICKLUNG DEK KUDRÜNDICHTUNG.
versucht sie zwischen 335 und 336 zu placieren, aber dort würde die Wendung
vor ir gesidele stuonden die wcetUchen man unverständlich sein, da sie eben erst
in den Saal getreten sind und eine Aufforderung zum Sitzen überhaupt noch
nicht erhalten hab»'n, die erst Str. 336 erfolgt. Dagegen erklärt sich die über-
lieferte Stellung vollkommen, nur wird man Str. 342, 1 nhd. so fassen dürfen:
es standen (nämlich) vor ihrem Sitze die stattlichen Männer, die sich auf feine
Sitte verstanden u. s. w. Nach der Aufforderung der Fürstin nehmen sie nun
allmählich Platz, wobei man sich an andere Stellen, wo gleichfalls das Stehen-
bleiben oder Aufstehen von Abgesandten als der feineren Sitte entsprechend
hervorgehoben wird, erinnern muß, so Str. 768, 1 — 2, wo von Martin einige
weitere Belege beigebracht sind. — Ebenso zerstreuen sich die Bedenken gegen
den doppelten Empfang der Gäste, zuerst von Hagen und Hilde (Str. 334 fg.),
dann im Frauengemach von Hilde und ihrer Tochter. Daß diese die Gäste
nicht bestimmt erwartet hatte selbst zu sehen, zeigt Str. 337 die gegen Hagen
geäußerte Bitte der Mutter — man darf sich also nicht wundern, wenn nun
erst von den jungen Damen Toilette gemacht wird. Der erste Empfang ist ein
officieller, an dem — nach der Sitte der Zeit — auch die Königin sich be-
theiligte, der zweite ein confidentieller im Frauengemach, zu dem die Einladung
erst ergeht, nachdem die Gäste sich sowohl artig (Str. 336, 1) als unterhaltend
(Str. 337, 1) gezeigt haben. — Wie Str. 342 wäre auch 348 allenfalls ent-
behrlich, aber einen zwingenden Grund sie zu streichen finden wir doch nicht.
Meinem Vorschlag Str. 351 auf 353 folgen zu lassen schließt sich Wilmans
an; zur Begründung sei hier noch erwähnt, daß Str. 352 den Abschied der
Gäste von den Frauen, 353 ihre Rückkehr zum König schildert, und von diesem
ist auch 351 die Rede. Doch ist auch diese Translation nicht völlig gesichert
und überhaupt das von der höheren Kritik in der Gudrun Erreichbare nicht
bedeutend, wenn man darauf verzichtet, geistreiche Entdeckungen oder scharf-
sinnige Experimente machen zu wollen.
Nur für die Hauptzüge der Entwickelung wird man aus einer unbefangenen
Prüfung der zu Grunde liegenden Sagenstoffe einige Anhaltspunkte gewinnen
können, und verweise ich hier noch auf meine Ausführungen in den Göttinger
Gel. Anz. 1872 S. 2026 fg., 1875 S. 303 fg. Im Gegensatz gegen Müllenhoff
und Wilmans — Martin weicht einer bestimmten Darstellung seiner Ansicht
aus — und im theilweisen Anschluß an Andere habe ich zu begründen ver-
sucht, daß man nur von einer oder mehreren Hildesagen als Quellen der
Gudrun reden könne, bei deren Redaction zu einem einheitlichen Gedicht auch
andere Sageustoffe, z. B. die Hildburgsage, das Gedicht von König Rother
und wohl noch andere Spielmannsdichtungen benutzt seien, während nach der
formellen Seite namentlich die Nibelungen als Vorbild gedient haben werden,
was sich bezüglich einzelner Charaktere noch weiter ausführen ließe. Für eine
Gudrunsage in dem sonst wohl angenommenen Sinne fehlt es uns aber nicht
bloß an jedem unverdächtigen Zeugniss, sondern es bleibt auch in unserem
Gedicht kein Raum für dieselbe übrig, wenn wir die einzelnen Theile desselben
auf die verschiedenen Hildesagen und ihre natürliche Fortsetzung richtig zurück-
geführt haben; der Name Gudrun scheint durch bloßen Zufall in die Über-
lieferung gekommen zu sein, ähnlich wie Dan erat in die Nibel., den Biterolf
und die Klage. E. WILKEN.
MISCELLE.V. 255
MISCELLEN.
Altdeutsche Freskobilder.
Im einstigen Hause der Margaretha Maultasch zu Meran, welches lange
Zeit als Magazin benutzt wurde, sind, wie die Kunstchronik 1874, Nr. 51 berichtet,
Fresken entdeckt worden, die an künstlerischem Wertbe die bekannten Fresken
des Schlosses Runkelstein bedeutend übertreffen sollen. Man verdankt diesen
Fund dem Oberbaurath Fr. Schmidt in Wien, der auf einer Studienreise mit
seinen Schülern das Haus näher untersuchte.
Handschriften in Olmütz.
Herrn A. Müller in Olmütz verdanke ich die nachstehenden Notizen über
folgende altdeutsche Handschriften.
1. Fergamenthandschrift in 4" von etwa 60 Blättern. Das puch das do
geheissen ist ein stachel der lyb. das mag man pillicheu in den süssen und
den guten herzen Jesu unsern heiler sprechen, und das teilet sich in dreu teil.
2. Pergamentblatt in 8., zweispaltig. Aus Bruder Philipps Marienleben
(V. 9062—9202).
Anfang: Wi heilig und auch wi gut si wer
ir rat wer suze und auch sin 1er
Daz alle di leut di zu ir quamen
groz genade si von ir namen
Ignatius der bat do des
sinen maister iohannes.
Schluß: Do di zeit nu chomen solte
daz iesus sein muter wol. .
In daz himelrich enphan
und si niht langer wolte lan
Uf ertrich bleiben zu ir sante
ein engel von sines vater lant
Der praht ir eine palme gru . .
3. Papierhandschrift in 4" von etwa 106 Blättern. Hie hebt sich an das
puch der ewigen weishait (von Suso). Anfang: Es stund ein prediger ze einer
czeit nach einer metten vor eine crucifix Vnd clagt got innichleichn. Das er
nicht chunt betrachten nach seiner marter und nach seinem leyden.
4. Papierhandschrift in 4" von 20 Blättern. Dicz ist das püchelein des
heilige pabstes inuocentii von menschilicher dürftikeit (Innocentii III de miseria
conditionis humanae).
5. Papierhandschrift in fol. von starkem Umfange. Ein vorred des puchleins
der himelstroß.
Die himelstraß die all menschen geen müssen die gen himel komen wellen
ist so verporgen das der wenig sind die die vinden.
25G MISCELLEN.
6. Papierhandschrift in fol. von 4 Blättern. Wye cristus der herr ge-
waltigklich Erstuend. In der czeit an dem dritten tag das was an dem hey-
ligisten esterlicheu tag früe Do für dy seil uusers lieben herrn J. eh. wider
czu dem leichnam yn das heylig grab do kam von hymel ein Hecht als ein
plicz und ein grossez erpide.
7. Interlinearübersetzung der Psalmen. Der selig man der niht inget in
den rat der posen und in den weg der sunter nicht enstuend Vnd in dem ge-
sesse dez gespottes nicht ensas.
8. Ebenfalls Interlinearübersetzung der Psalmen. Der selig man der niht
hingangen ist in den rat der boezen und in dem weg der sunder niht gestanden
ist und auf dem stuel der suchtichait niht gesessen ist.
30. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner.
Den Herrn Collegen und Fachgenossen geben die gehorsamst Unterzeich-
neten sich die Ehre anzuzeigen, daß die
30. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Rostock vom 28.
September bis 1. October
stattfinden wird, und sprechen die dringende Bitte aus, die weiteren Mittheilungen
uns vorbehaltend, beabsichtigte Vorträge für die allgemeine und Sections -Ver-
handlungen, sowie Thesen, besonders für die pädagogische Section, uns thun-
lichst bis Ende Mai einsenden zu wollen.
Zugleich erbitten wir die möglichst genaue Angabe der Zeitdauer der
gemeldeten Vorträge, indem wir uns zu bemerken erlauben, daß wir, um nicht
nachfolgende Redner zu schädigen, den Vorträgen nur die im Voraus geforderte
Zeit glauben gewähren zu dürfen.
Rostock, am 10. März 1875.
F. V. Pritsche. K. E. H. Krause.
Personalnotizen.
Dr. Karl Elze, Gymnasiallehrer in Dessau, ist als Professor der eng-
lischen Sprache und Litteratur an die Universität Halle berufen worden.
An Stelle von E. Windisch wurde der Privatdocent Dr. Ernst Kuhn
in Leipzig als ordentlicher Professor des Sanskrit und der Linguistik an die
Universität Heidelberg berufen, und wird seine Lehrthätigkeit daselbst im Winter-
semester beginnen.
Dr. August Lübben in Oldenburg hat zur Vollendung des mittelnieder-
deutschen Wörterbuches einen dreijährigen Urlaub erhalten.
Professor Dr. Wilhelm Seh er er in Straßburg ist von der Akademie der
Wissenschaften in Berlin zu deren correspondierendem Mitgliede gewählt worden.
Am 17. April d. J. starb in Halle Dr. Karl Ili Idebrand, Privatdocent
an der dortigen Universität, ein tüchtiger Kenner des Altnordischen, seit mehreren
Jahren mit einer Ausgabe der Edda beschäftigt.
ZUR HEIMATFRAGE WALTHERS.
Als Fr. Pfeiffer in dieser Zeitschrift 5, 14 Franken als die Hei-
mat unsers Dichters angenommen hatte*), bemerkte H. Kurz in der
Schrift: „Über Walthers von der Vogelweide Herkunft und Heimat".
Aarau 1863, S. 17: „Walther sagt, er habe das Land seiner Geburt
seit einer so großen Reihe von Jahren nicht gesehen, daß er weder
Land noch Leute mehr kenne. Diese Äußerung kann sich nun eben
so wenig auf Franken als auf Österreich beziehen, denn
auf seinen Wanderungen von Österreich nach Thüringen u. s. w. lag
Franken auf seinem Weg, und es ist kaum anzunehmen, daß er bei
solchen öfters wiederkehrenden Gelegenheiten nicht in seine nächste
Heimat gegangen wäre, wenn er auch einen Umweg von einer oder
zwei Tagreisen hätte machen müssen, um in dieselbe zu gelangen,
insbesondere wenn man erwägt, daß er gewiß nicht auf einen be-
stimmten Tag an dem Ort erscheinen musste**), nach welchem er sich
begab" etc. „Weil Wailher zu wiederholten Malen in Franken ge-
wesen, konnte dieß Land, wie gesagt, nicht seine Heimat sein.
Dieselbe muß von den Wegen, auf denen ihn seine viel-
fachen Wanderungen führten, no thwendi g abgelegen sein,
so daß es ihm nicht leicht war, auch mit Aufopferung
einiger Tage in dieselbe zu gelangen." Diese Bemerkung mochte
außer der Stelle im Meinhard'schen Urbar: „datz Vogelweide an dem
herbiste driu pfunt", Pfeiffer bewogen haben, seine frühere Annahme
aufzugeben und Wippthal in Tirol als die Heimat Walthers anzunehmen.
Herrn Professor Th. Mairhofer in Brixen gelang es, in der Gemeinde
Telfes (eine Stunde westlich von Sterzing) einen Wald zu entdecken,
der, in zwei Theile getheilt. Vorder- und Hintervogelweide genannt
wird. (4. Aufl. S. XXV.) So sehr mich als Tiroler freute, Walther
meinem Heimatslande zugewiesen zu sehen , wollte mir diese Wiege
*) Gegen Franken spricht schon Walthers Sprache, die von fränkischem Dia-
lecte keine Spur zeigt. Wäre Walther ein Franke gewesen, so wäre er wohl ver-
muthlich nach dem näheren Thüringen gezogen, um dort sich zu bilden.
**) So berichtet Walther ja selbst (L. 104, 25. Pf. Nr. 155, 3), daß er mehr
als eine Meile von der Straße abgebogen habe, um Tegernsee zu besuchen.
GKRMANIA. Neue lieihe VIII. (XX. Jahrg.) 17
258 ZINGEIU.E
Wnitliers nicht /nsa<:^eu. Das alte Sterzing und dessen Umgebung hat
mit Ausnahme des Tonkünstlers Joh. Gänsbacher weder einen Dichter
noch einen andern namhaften Schriftsteller oder Künstler aufzuweisen.
Und hier in dieser in geistiger Beziehung sterilsten Gegend soll der
größte Lyriker des Mittelalters geboren sein? — Der Dichter nimmt
die Jugendeindrücke der Natur mit durchs Leben, der Charakter dieser
Gegend passt aber gar nicht zu Walthers Anmuth. Der Dichter nennt
bei seiner Heimat ein fließendes Wasser — ich nehme die Stelle nicht
als bloße Phrase — , dieß fehlt bei Telfes. Ich glaube nicht, daß er
damit den fernen, die Thalsohle verheerenden Mareiter Bach gemeint
haben könnte. Das Hauptbedenken war aber dieß, daß der Edelsitz
oder das Gehöfte spurlos verschwunden sein sollte. Ich habe mich mit
alten Urbaren Tirols, namentlich mit den Meinhard'schen, die ich zur
Veröffentlichung vorbereite, vielfach beschäftigt und daraus gelernt,
daß alle in denselben genannten Höfe noch und meist unter denselben
Namen fortbestehen. Es wäre deßhalb doppelt merkwürdig, wenn ein
Herrensitz im Telf'ser Walde ganz zerstört worden sei, ohne daß die
zähe Volkstradition die leiseste Erinnerung daran erhalten hätte.
Da machte im Tiroler Volksblatte 1867 Nr. 90 der damalige
Pfarrer von Laien, Joh. Hall er, auf die zwei Vogelweider Höfe am
Laiener Ried aufmerksam. Als ich diesen Aufsatz las, schien mir diese
Ansicht einer näheren Untersuchung werth. Ich hatte das Laiener Ried
nur einmal 1847 gesehen, erinnerte mich aber oft an die Reize dieser
Gegend, an diesen Wechsel zwischen Wald und Feld, an die alten
Burgen und die wunderbare Aussicht. Es liegt ein eigenthümlicher
Zauber über diesen von dem Eisack und dem Grödnerbache um-
schlossenen Gelände. Hier von Brixen südwärts blühte im Mittelalter
reiches künstlerisches Leben. Die alten Burgen und Edelsitze, Kirchen
und Gemälde geben Zeugniss dafür. In der Nähe liegt Sähen, der
Vogelweide gegenüber die Trostburg, das Schloß der Wolkensteiner.
In der dortigen Gegend waren zahlreiche Burgen und Adelsgeschlechter
und der Name Walther war gerade dort 1140 — 1230 einer der be-
liebtesten, während er im obern Wippthale bei Sterzing, im nahen
Pustcrthale und im Etschthale nicht oder höchst vereinzelt vorkam.
Ich gebe hier einige' Belege aus dem Neustifter Urkundenbuche heraus-
gegeben von Theod. Mairhofer, Wien 1871. Da begegnen uns:
S. 3 Walther 1142. — S. 4, 5, 11, 12 Waltherus de Brixina 1142.
1147. 1148. — S. 6, 51 Witigus et frater ejus Waltherus 1142. 1179.—
S. 9 Quidam ministerialis de Brixina, nomine Waltherus 1145. — S. 10
cuidam libero horaini Walthero de Malentin 1145. — S. 15 Waltherus
ZUR HEIMATFRAGE WALTITERS. 259
de Gredena 1151. — S. 18, 19, 21 Waltherus, iilius domini Megenhardi
de Monte 1153. 1155. 1156 etc. — S. 19 wird ein Waltherus cognatus
des Reginbert von Sähen genannt und ein Walther kommt als Zeuge
vor 1155. — S. 31 Waltherus cocus 1161. — S. 32 Waltherus de Selus
1162. — S. 42 Waltherus 1173. — S. 52 Hartwigus et Waltherus 1181.
— S. 56 Ekkehardus Garrinus et frater ejus Baltherus, Waltherus et
frater ejus Hartwicus de Risehone 1182. — S. 57 Ekkehardo Garre et
fratre suo Walthero. — Walthero dapifero de Monte 1183. — S. 57
Heinrieus Augensis prepositus et Waltherus frater ejus 1184. — S. 61
Waltherus 1187. — S. 62 Waltherus dapifer 1187. — S. 68 Heinrieus,
filius domini W^altheri 1192. — S. 78 Waltherus de Bradelle 1211.—
S. 86 Waltherus, presbyter 1226. — S. 92 Waltherus, carpentarius 1231.
— S. 99 Waltheriuus, camerarius 1235. — Daß bei den Edlen von
Laien dieser Name vorkam, bestätigt eine Urkunde vom 16. Mai 1203,
in welcher die Brüder Gumpert und Walther von Lajan, Söhne
Walthers, für 140 Pfund Berner ein ihnen gehöriges Gut zu Lajan
dem Quarte von Veles verpfänden. (Archiv Gandegg. s. Ladurner, Bei-
träge zur Geschichte der Pfarrkirche in Bozen. Bozen 1851 S. 6).
Die Brixner Gegend ist die Region der Walthernamen, aus der
auch das Geschlecht der Edlen von Walther stammt; allein auch hier
tritt der Name Walther in der Regel nur als Herrenname auf
Am 8. September 1873 besuchte ich zum ersten Male die Vogel-
weide und in meinem Berichte über diesen Ausflug theilte ich mit, daß
der jetzige Besitzer über die ehemalige Bedeutung dieses Gehöftes
und dessen Reste gesprochen habe. Ahnlich äußerte sich derselbe gegen
Martin Greif. Dieser berichtet (Wiener Fremdenblatt 1874 Nr. 276),
daß der alte Schrott ihm gesagt habe, sein Vater, der 90 Jahre alt
geworden, habe ihm oft erzählt, daß Laien dem Hofe zinspflichtig ge-
wesen sei. „Das Gleiche habe er (Schrott) in seiner Jugend noch von
vielen anderen Leuten behaupten hören, trotz seiner 85 Jahre könne
er sich auf Alles recht wohl besinnen."
Man hätte mir gerne nachgesagt, daß dieß nur eine Erfindung
sei, ich weise jedoch solche Zumuthung zur Unehre der Gegner
entschieden zurück. Was der alte Schrott mir und ein Jahr später
Herrn Martin Greif und auch anderen erzählte, ist thatsächlich
wahr und urkundlich belegt. Denn noch im Cataster vom Jahre 1774
werden als Grund- und Zehentsolden des Inner- Vogelweidehofes auf-
geführt: 1. Aus dem Fechterhof an Wein, und Getreide zwei Theile.
2. Beim Zorgler an Wein und Getreide zwei Theile. 3. Zu Ranzfron
von allen Ackern auch je zwei Theile. 4. Aus dem Kerspamhof von
17*
200 ' ZIXfH-.KLF.
allen Äckern auch je zwei Tlieile vom ganzen Jahresertrag. Von den
eigenen Äckern und Weingärten unter dem Wege und in Schürf ge-
nannt mochte der Vogelweidhofbesitzer vom Zehent zwei Theile für
sich behalten, ebenso bezog er aus dem Langacker zwei Theile vom
Zehent an Wein und Getreide aus einem Grundstück in Ritsch, dann
aus einem Weingarten am Bach gelegen, welchen Hofer baut, dann
aus einem Weingarten, ebenfalls im Bach genannt, so der Hurlacher
baut und inne hat, je zwei Theile vom Erträgniss. Aus diesem ergibt
sich doch klar, daß unsere Vogelweide nicht ein gewöhnlicher Bauern-
hof, sondern ein Herrensitz gewesen ist. Dazu stimmt die Tradition,
daß beide Vogelweidehöfe ehemals ein geschlossenes Gehöfte bildeten*)
und dieß das älteste im Ried gewesen sei. Wir sind somit vollstän-
dig berechtigt, die Vogelweide als Edelsitz anzunehmen.
Den Namen Vogelweider kann ich in der Bozner Gegend schon
1302 nachweisen. Eine Paiersbergische Urkunde, in P. Justinian La-
durners Sammlung Nr. 620, beginnt: Anno domini MCCC secundo.
Indicione XV die dominico XXVy exeunte Octobri in domo fratrum
Theotonicorum apud aquam Ysarci iuxta Bozanura. In presencia
fratris Chonradi de Aychach, sacerdotis, et fratris ülrici de Monaco,
layci de domo et ordine fratrum Theotunicorum predictorum, Hainrici
laici, Chrophonis de Eppiano et Volchonis de sancto Michahele in plebe
de Eppiano et Chonradi Vogelwaiderii de Eppiano et Laurencii,
filii quondam Petri de Rinne de Eppiano et testium aliorum etc."
*) In einer Papierhandscbrift aus dem Ende des 15. Jahrhunderts „Vermerkt
die satzgüeter des pfuntschillings beider gericht Gufidaun und Villanders" heißt es
noch Bl. 26'': „Item der hof Vogelwaid gibt zu Liechtmes IX Xr, zu Jacobi IX Xr
und der vasten aier X". (Cam. Archiv Cod. Nr. 5. lit. n. 12). In der Papierhandschrift :
„Vervahung etlicher obrigkait, herrlichait, stuck und gueter, rent, zins und gült zu
dem satz und phantschaft des schloß Sumersperg und baider gericht Gufidaun und
Villanders gehörig und beschriben anno Cr. 1547 (Statthaltereiarchiv Lade Nr. 5 lit.
n. 13) heißt es Bl. 50*': Wörndl Voglwaider im Ried als innhaber des Underfoglwaider-
hofs, dazzue ain hausung, stadi , gartu , zwo jauch acker und von achtundzwainzig
haweru Weingarten gehört, dient cupl 5 Xr. Bl. 51" Wolfgang Voglwaider als inn-
haber des Oberfoglwaiderhofs, darzue ain hausung, stadl, garten, vier jauch acker und
von dreissig hawern Weingarten gehört, raicht cupl 5 Xr. Im Jahre 1562 finden wir
dieselben Besitzer. Im Jahre 1589 saß Michael Voglwaider auf dem untern, Andre
Voglwaider auf dem obern Hofe. — Die Theilung des alten geschlossenen Gehöftes ge-
schah somit zwischen circa 1500 und 1547. — Daß das LaienerKied zur Herrschaft Gufidaun
gehörte, ersehen wir auch aus den Urbaren des Grafen Meinhart aus den Jahren 1286
bis 1298. Unter der 16. Rubrik r „Der ist der gelt ze Gufdoun" Bl. 50 ff. werden
Bl. 53 auch Höfe „ze Riede" aufgeführt und Bl. 56 heißt es : „Umb daz Ried und
ze Laian git man minem herren von cinslseutten fümfzich Schillinge phenn," •
ZUR HEIMATFKAGE WALTHERS. 261
Dieser Conrad Vogelwaider stammte aber vermuthlicli aus dem Laiener
Riede, da weder ein Hof Vogelweide noch der Name Vogelweider
sonst im untern Eisackthale nachzuweisen ist*).
Nach diesen Vorbemerkungen darf ich wohl nicht unwahrschein-
lich finden, daß die Vogelweide die Heimat unsers Dichters sein könnte,
da die beiden im Sanderviertel zu AVürzburg gelegenen Vogelweider-
höfe aus früher genanntem Grunde nicht in Betracht kommen können**).
Ich nehme an, daß Walther auf dem Edelsitze am Laiener Ried
geboren sei, daß er den Kreuzzug mit Friedrich H. mitgemacht***),
und auf dem Wege nach Italien zum Kreuzzuge seine Heimat am
Riede nach vielen Jahren wieder zum ersten Male gesehen habef).
Ich lege nun meine Gründe vor, die für meine Annahme sprechen
könnten.
Unser Dichter hat sich längere Zeit, vermuthlicli öfters, in Kärnthen
aufgehalten. Er sagt selbst:
Ich hitn des Kerndseres gäbe dicke enpfangen L. 32, 17
und: edel Kerndensere, ich sol dir klagen sere,
milter fürste und marterer umb ere,
ichn weiz wer mir in dinem hove verkeret minen sanc L. 32, 31.
Es ist hier Herzog Bernhard von Kärnthen, der von 1202 — 1256
regierte, gemeint. Walthers Aufenthalt dort lässt sich ganz gut er-
klären, wenn wir ihn als Norithaler annehmen, denn wie heute der
Verkehr zwischen den zwei angränzenden Ländern ein großer ist, so
*) In einem Raitbuch vom J. 1477 (Statthaltereiarchiv) kommt ein „Meister
Thomas von der Vogelwaid" als Arzt vor.
**) Vergl. Schrott, Walther von der Vogelweide in seiner Bedeutung für die
Gegenwart (München 1875) S. 6.
***) Daß das Gedicht:
Allererst lebe ich mir werde L. 14, 38.
nicht Fiction, sondern „im gelobten Lande" selbst entstanden sei , davon bin ich fest
überzeugt. Meine Ansicht theilen Simrock: Übersetzung 2, 197, Ausgabe S. 241. Rieger,
das Leben Walthers S. 41. Lexer (Über Waltlier von der Vogelweide. Wiirzburg 1873).
der S. 7 sagt: ,.Die vielfach ausgesprochene Behauptung, Walthers Kreuzlieder seien
in Deutschland abgefasst und nur das Product einer gesteigerten Einbildungskraft,
muß entschieden zurückgewiesen werden, denn wir haben keinen Grund, an seinen
Aussagen und an seiner Schilderung des Erlebten zu zweifeln."
t) Über das Gedicht:
Owe war sint verswunden alliu miniu jär
bemerkt Lexer S. 27, daß dieß prachtvolle, wehmüthige Lied, das man häufig als
Walthers letztes und als seinen Schwanengesang bezeichnen wolle, jedenfalls, wie aus
den Schlußzeilen sich ergibt, vor dem Kreuzzug gedichtet sei. Wackernagel S. 74,
Pfeiffer S. 306 setzen es 1227 an.
262 ZINGERLE
waren die Verbindungen des Norithals mit Kämthen damals schon
bedeutend*).
Und wenn Walther in einem am Kärnther Hofe gedichteten
Spruche sagt:
singe ich minen höveschen sanc, so klagent siz Stollen L. 32, 11,
so ist es nicht unwahrscheinlich, daß dieser Stolle auch aus dem Eisack-
thal war. Denn in einer Neustifter Urkunde v. J. 1191 kommt als
Zeuge neben „Heinricus, plebanus de Lejan, Gebehardus de
Sehen u. a. ein Heinricus Stollo vor (Neustifter Urkundenbuch
Nr. 171 S. 66) und in einer Brixner Urkunde vom 9. December 1323
begegnet uns ein Christan der Stolle (Bartsch, Liederdichter S. LV)**).
Auch in Aquileja war unser Dichter und preist dessen Patriar-
chen Berthold von Andechs:
Die wile ich weiz dri hove so lobelicher manne,
so ist min win gelesen unde süset wol min pfanne.
der hiderbe patriarhe missewende fri,
der ist ir einer. L. 34^ 34.
Aquileja stand aber mit Brixen in den nächsten Beziehungen,
denn das Bisthum Brixen war in ältesten Zeiten der Metropole von
Aquileja untergeordnet und wurde von diesem Verbände erst 798 ge-
lrennt. (Tinkhauser, Beschreibung der Diöcese Brixen I, 4. 5.) Seitdem
waren lange Aquileja und Brixen Nachbardiöcescn***). — (Über die
engen Beziehungen zwischen Aquileja und Neustift bei Brixen vergl.
die Urkunden Nr. 109 v. J. 1165, Nr. 131 v. J. 1177 u. Nr. 225 v. J. 1235
im Neustifter Urkundenbuche S. 36, 44, 97.) Walther hatte aber nicht
nur dem Patriarchen Berthold von Andechs Gastfreundschaft zu danken,
sondern stand auch sonst den Audechsern nahe. Joh. Schrott betonte
zuerst das Verhältniss unsers Dichters zu den Audechsern (Beilage
zur Allg. Zeit. 1874 Nr. 186) und besprach es dann in seiner Schrift:
„Walther von der Vogel weide in seiner Bedeutung für die Gegenwart"
S. 4, 5. Hier schreibt er: „Die falsche Deutung des Waltherschen
Spruches auf den Nürnberger Hoftag hat zu dem langjährigen Irrthum
*) Bei dem Turnier zu Freisach 1224 waren Graf Albrecht von Tirol, Hugo
von Taufers, ein Wolkensteiner und Bischof Heinrich von Brixen anwesend. U. v.
Lichtenstein, Frauendienst S. 65, 67, 78 ff.
**) Vergl. Bote für Tirol 1875 Nr. 113.
***) „Karl der Große entschied: ut Dravus fluvius terminus ambarum dioecesium
esset. Dalham Concil. Salisb. p. 28. Wirklich gehörten bis auf die neuere Zeit selbst
die in Tirol unter der Drau liegenden Pfarren Ampezzo , Tristach und Lavant zur
Diöcese Aquileja. Tinkhauser I, 6.
ZUR HEIMATFRAGE WALTHERS. 263
Veranlassung gegeben, als ob Walther von Geburt ein Franke wäre.
Daselbst ist nämlich von seinen (unsern) heimischen Fürsten
und von Leopold von Osterreich als Gast die Rede. Die heimischen
Fürsten deutete man kurzweg auf den fränkischen Adel_, ohne zu
bedenken, daß Fürst ein staatsrechtlicher Titel ist und kleinen Herren
nicht zukam. Leopold ferner konnte nur durch einen außerordentlichen
Fall Gast sein, da er sonst als Reiehsfürst bei einer curia solemnis zu
erscheinen die Pflicht hatte. Zufälliger Gast konnte er nur 1219 sein,
als er vom Kreuzzug zurückkam und unvermuthet und freiwillig auf
jenem Reichstag erschien. Die für Walther heimischen Fürsten —
da die anwesenden geistlichen Reichsfürsten sicherlich nicht in Betracht
kommen — sind alsdann die Herzoge Ludwig von Baiern, Beruhard
von Kärnthen und Otto von Meranien, der Bruder Bertholds von An-
dechs, Patriarchen von Aquileja. Sagt man, der Ton jenes Spruches
komme vor 1220 nicht vor, so ist zu erwägen, daß der November
von 1219 vom Januar 1220 denn doch nicht so weit entfernt ist!"*)
Es befremdet, daß Walther den Herzog Friedrich von Osterreich,
Reinmar den Alten, Engelbert von Köln ehrende Nachrufe widmete,
aber für den ermordeten König Philipp, den er so hoch gehalten, kein
Wort fand. Schrott scheint mir dieß Räthsel glücklich gelöst zu haben.
Er sagt: „Mit wie hoher sittlicher Entrüstung Walther jede rohe Ge-
waltthat verdammte, wissen wir aus dem Spruch auf des Erzbischofs
Engelbert Ermordung, worin er sich in Ausdrücken des Zornes förm-
lich erschöpft. Man kann also Gleichgiltigkeit gegen jene That gewiß
nicht annehmen, noch auch voraussetzen, daß uns ein solcher Spruch
nicht erhalten worden wäre. Wenn er also schwieg, so muß er einen
Grund gehabt haben, der ebenfalls in einer sittlichen Empfindung an-
derer Art lag. Der Mörder König Philipps war des Baiern-Herzogs
nächster Verwandter, und des wilden Pfalzgrafen Mitschuldiger war
der Markgraf Heinrich von Istrien, Bruder des Patriarchen Bertholds
von Aglei und des Herzogs Otto von Meran. Können wir nun dem
zarten und höfischen Sinne Walthers zumuthen, daß er jene Unthat,
die zwei seiner Gönner und seinen Landesherrn so schmerzlich berührte,
durch einen in ganz Deutschland verbreiteten Spruch hätte in fort-
währender Erinnerung erhalten sollen? Ist es denkbar, daß er dem
gepriesenen Patriarchen von Aquileja ein infandum renovare dolorem
hätte bereiten und vorsingen sollen? Nein, aus zarter Schonung und
schuldiger Rücksicht für seine „heimischen Fürsten" aus den durch jenes
*) Böhmern Kaiser-Kegesteu ad a. 1219.
264 ZINGEKLE
Ereigniss so hart betroffenen Häusern Witteisbach und Auclechs wollte
und musste Walther schweigen." (Beil. zur Allgera. Zeit. 1874 Nr. 186).*)
Wie stellt sich nun das Verhältniss Walthers zu den Andechsern
bei der von uns angenommenen Heimat? — War Walther am Riede
zu Plause, so war er ein geborner Dienstraann der Andechser. Nach
Hormeyer hatten die andechsischen Rapotos den gräflichen Arabacht
des Norithales*) oder Eisackthales um Brixen schon frühe verwaltet.
(Goldene Chronik v. Schwangau S. 43.)
Im Jahre 1165 wurde vom Bischof von Brixen die Vogtei des
Hochstiftes dem Hause Andechs übertx'agen. (Sinnacher, Beiträge 3, 641,
Tiukhauser I, 37.) Seitdem begegnen wir Andechsern oft in Brixner
Urkunden. Ich verweise nur auf folgende im Neustifter Urkunden-
buche: Nr. 123. 1169 Ortolfus de Andechs. Nr. 127. 1174 Gotefrit et
frater ejus Grife de Andechs, Nr. 149. 1182 Bertholdus, marchio Histrie
ac brixiuensis ecclesie advocatus. — Gotschalcus de Andechs Nr. 159.
1187 Gotfrid de Andechs, purcgravius de Brixina**). In Folge der
Theilnahme am Morde Philipps verloren sie die Vogtei von Brixen
1214***) und ihre Güter, aber 1232 erhält Otto von Andechs wieder
Lehen vom Brixner Bischöfe, in Beziehung auf die Vogtei wurde aber
1241 beschlossen, daß die Grafen von Andechs und die von Tirol
dieselbe wechselseitig und erblich besitzen sollen f). Im Jahre 1239
finden wir Otto IL von Andechs auf dem Schloße Gufedaun, wo er
dem Kloster Neustift eine Schenkung bestätigtff). Von dort aus be-
fehdete er 1240 den Bischof Egno von Brixen. Zum Gerichte Gufe-
daun, das die Andechser besaßen, gehörte aber auch Laien mit
dem Riede. War Walther hier geboren, so läßt sich sein Verhältniss
zu den Andechsern leicht erklären.
Ich erlaube mir hier auch den Spruch von Tegei'nsee heranzu-
ziehen. Walther sagt:
Man seit mir ie von Tegerse,
wie wol daz hüs mit eren ste.
dar kerte ich mer dan eine mile von der sträze. L. 104, 23.
*) Die Grafschaft Norithal, welche Kaiser Konrad II. im J. 1027 dem Hoch-
stifte Brixen schenkte, reichte auf der linken Seite des Eisakes vom Preibach bei
Blumau, auf der rechten vom Tinnebach bei Clausen beginnend durch das ganze Wipp-
thal zu den Marken des Inn- und Pusterthals, Tinkhauser I, 34.
**) Über die Andechser s. J. Egger, Geschichte Tirols I, 197. 207. 214. 224 ff.
***) Sinnacher, Beiträge 4, 170. Tinkhauser 1, 37.
t) Tinkhauser 1, 37.
ff) Facta sunt hec in castroCufeduu anno dominice incarnacionisM.CC.XXX.VIIII.
Neust. Urkuudenbuch S. 108.
ZURgHElMATFEAGE WALTHERS, 265
Waltlier hat stäts von diesem Gotteshause gehört und sucht es
seitab von der Straße auf, was ein besonderes Interesse an diesem
Gotteshause voraussetzt. Er beklagt sich bitter, daß er dort keinen
Wein erhielt und mit Wasser fürlieb nehmen musste. Lag Walthers
Heimat im Eisakthaie, so gewinnt das „ze" seine volle Bedeutung. Dann
hat er sicher schon als Knabe von Tegernsee sagen gehört. Denn
Tegerusee hatte bei Bozen große Besitzungen*) und bezog den im
Mittelalter 'berühmten Bozensere**) von seinen eigenen Weinbergen.
*) In den mon. Boic. 6, 15 ist von Erwerbung von Gütern „in tribus locis, Stil-
vis, Pozajna, Loina nuncupatis" die Rede. Ebendort S. 34. „Noverint omnes fideles
Cristi präsentes atque futuri, quod quidam homo nobilis nomine Minio habitans in
Villa Bozana dimidium cellarii sui, quod habuit in castello eiusdem villae contigno,
potestativa manu pro pecunia delegavit in manus Sigifridi Abb. et advocati sui Per-
toldi." — S. 39. „Fidelium Christi pluralitas presens et futura non ignoret, qualiter
quidam advocatus S. Quir. Pertholt nomine potestativa manu ad alt. ejusd. s. Mart.
pro rem. sui suorumque parentum per manum Sigibotonis nostri advocati presenti abb.
Sigifrido cum suis fratribus in usum ipsorum vineam propriam in Bozanensi villa
donavit seil, in optimo loco eiusdem ville sitam" etc. S. 61. „Fidelium Christi plura-
litas presens et futura non ignoret, qualiter advocatus S. Quiryni Pernhardns de Snssin-
cheim potestativa manu pro remedio sui parentumque suorum duas vineas proprias ad
alt. pred.^Mart. in Bozanensi villa donavit, quas vinitores coluerunt Aribo et Vitalis."
Vergl. noch S. 126. 163. — Nach einer gütigen Mittheilung des Hrn. Prof. Dr.
Eockinger enthält die Hs.: ,,Anno domini MCCXLII subnotantur redditus prediorum
in montibus mouasterii Sti. Quiriui martyris in Tegernsee, qui nobis jure proprietario
attinent" (k. allg. Reichsarchiv in München. Kloster Tegernsee Nr. 54) folgendes auf
die Bozner^Gegend Bezügliche:
Ze Potzen Wiltteyuerm 4 vrn 1 fl perner malphenning. von der Ränern von
der mutaw vnder der Spitz von den drein Weingarten.
Ibidem Hanns Zumpf von den pewnt halben wein.
„ Freuntsperger in der Merum \ fueder wein.
„ Örtel 2 vrn. 2 gallos.
„ zu Kchlinn von des Kramers Weingarten bei den Talveren 1 vrn weins.
„ Niederhauserin 2 vrn weins.
Zu Potzen de Dominico 4 'Ü perner.
Planici weinhof administrat nobis medium vinum von den zwain tailen des hofs, die
zu den Weingärten ligen suUen, und von dem andern drittail, der zu anderm paw ligen
mag, 7 'S veronen, und sol das gotzhaus anwalt, die weil sy in dem wymat sind, mit
malen, mit fueter, mit hew und mit allen sachen jerleich besorgen und ausrichten.
Pernstich von einem Weingarten 14 g". Eppan in der Romei von einem Weingarten ain
phund perner," Vergl. überdieß B. Weber, Bozen und seine Umgebungen S. 12. Tiro-
lische Weisthümer I. 6. 7.
**) Mon. Germ. scr. 2, 108. Gotfr. de Viterbo Carmen de rebus gestis Friderici
primi in Italia v. 262. Otto v. Freisingen de gest. Frid. 2, 26. Wolfram v. Eschenbach,
Willehalm 136, 6. Von dem übelen Weibe 553. Ottokars IJeimchronik ed. Pez S. 310«,
266 ZINGEKLE
Wenn Walther im Eisackthale zu Hause war konnte er seine
Heimat auf seinem Kreuzzuge berühren? Gieng die Fahrt der damals
nach Italien ziehenden Kreuzträger über den Brenner und durch das
Eisackthal? — Wir könnten dies aus Antecedentien annehmen, da sich
das Kreuzheer in Italien sammelte. Denn die Züge nach Italien giengeu
häufig über den Brenner und durch das Eisackthal, was urkundlich
durch den Aufenthalt der deutschen Kaiser und Könige im Eisack-
thale festgestellt ist*). Aber für den in Rede stehenden Zuzug aus
Deutschland haben wir sichere Nachricht. In dem Spruche:
„Swer an des edeln lantgräven rate si"
L. 85, 17 fordert unser Dichter den Landgrafen Ludwig von Thüringen,
den Gemahl der heiligen Elisabeth, auf, den Kreuzzug zu beschleunigen.
Der Landgraf unternahm im Juni 1227 mit dem Hauptzuzuge aus
Deutschland die Fahrt nach Italien. Walther befand sich in seiner
Schaar oder in einem Nachzuge, der wohl den nämlichen Weg, wie
das Hauptheer, einschlug. Welchen Weg nahm nun Landgraf Ludwig?
Darüber sind wir genau unterrichtet. In den Annales Reinhardsbrun-
nenses (ed. Wegele) S. 205 heißt es: „Omnibus istis ad iter bene dis-
positis cum gaudio et JDcunditate maxima profectus est Ludewicus,
Thuringorum lantgravius, princeps Hassie et Saxonie comes palatiuus,
de terra sua eligens pro amore Jhesu Chi'isti exulare, ut in celesti
patria ab ipso recipi mereretur. Cum tranquillitate ergo pacis transiens
Franconiam, Sweviam atque Bavariamel trans Alpes Italiam, Longo-
bardiam Tusciamque venit in Ceciliam, ubi Imperator Fridericus ipsum
cum inestimabili gaudio suscepit in civitate, que Troya nuncupatur,
in inventione St. Stephani (3. August) et ibi commorabatur per tri-
duum." Der Landgraf zog also per Bavariam d. h. durch Altbaiern,
nämlich von Schwaben über Partenkirchen und Mittewald nach Zirl —
und von dort über den Brenner. Denn wäre er über Füßen und den
Fernstein nach Imst und gegen Chur gezogen, stünde nicht „per Ba-
variam"**). Simrock hat eingewendet (Ausgabe S. 23) Tirol könne
*) Vergl. „Beiträge zur Geographie Tirols im Mittelalter" im Archiv für Geschiebte
Tirols I, 323 ff. Was den Aufenthalt deutscher Könige im Eisackthale betrifft, ist mir
folgendes bekannt: Otto II. October 967 in Brixen. Conrad II. Mai 1027 in Brixen.
Heinrich IV. Juni 1079 in Brixen. Heinrich V. Sept. 1120 in Brixen. Friedrich I. im
J. 1155 in Bozen und Brixen. Heinrich VI. Jänner 1191 in Bozen. Heinrich VII. April
1226 in Brixen. Friedrich II. im Aug. 1236 in Brixen, im Sept. 1237 bei Klausen.
**) Die meisten Tiroler, die das Kreuz nehmen wollten, schloßen sich dem
Kreuzzuge 1218 an (Ferdinandeums Zeitschrift 1869 S. 37. 38), aber auch 1227 be-
theiligten sich manclie au der Kreuzfahrt. Sinnachcr Beiträge IV, "214 ff.
ZUR HEIMATFRAGE WALTHERS. 267
auch deßwegen nicht Walthers Heimat sein, weil, als der Dichter seine
Heimat wiedersah, er die 'liebe reise' noch nicht angetreten hatte.
Aber Simrock bemerkt selbst, Walther habe die ihm fehlenden Mittel
zu der Fahrt wohl in seinem Geburtslande aufzutreiben gehofft. Also
er begab sich in seine Heimat, und zu diesem Zwecke; das Lied Owe
war sint verswundeu ist unter dem ersten mächtigen Eindruck des
Wiedersehens entstanden, ehe der Dichter noch sicher war, seinen
Zweck zu erreichen. Es gelang ihm aber und er schloß sich dem durch
Tirol gehenden Zuzug an, dem er zu jenem Zwecke vorangeeilt war.
Auf dem Wege nach Italien sah Walther seine Heimat nach langen
Jahren wieder und die Verse:
bereitet ist daz velt, verhouwen ist der walt:
wan daz daz wazzer fliuzet als ez wilent floz
passen trefflich auf unsere Vogelweide.
Nach allgemeiner Sage stund von den Höfen bei St. Kathrein bis
Laien dichter Wald und alter Tradition eingedenk wollen nun die
Laiener die Heide von Casserol wieder anpflanzen. Nach den Mein-
hardschen Urbaren circa 1280 war aber Casserol nicht mehr Wald,
denn es heißt dort Bl. 55": „In Casiral von der voitai git man zwei
schäf."
Nach Tirol weisen aber auch, was Pfeiffer ausführlich betonte
XXVI ff., die Handschriften. In der V/eingartner Handschrift linden
wir die Folge Her Liutolt von Savene, Herre Rubin, Her Walther von
der Vogelweide, im Anhange der Heidelberger Handschrift: Rubin,
Friderich von Sunburg, Walther von der Vogelweide. Es ist dieß wohl
nicht blinder Zufall, daß Walther hier gerade neben Dichtern, die
dem „jetzigen Tirol" angehören, erscheint. Über das Verhcältuiss Walthers
zu Liutolt von Sähen haben Wackernagel XX ff. und Pfeiffer S. XXVII
ausführlich gesprochen. Ein nahes Verhältniss zwischen ihnen dürfte
nicht zu leugnen sein. Nehmen wir nun Walthers Heimat am Riede an,
so waren sie Landsleute in engster Bedeutung des Wortes, ihre Ge-
burtsstätten waren höchstens zwei Stunden von einander entfernt und der
Verkehr zwischen hüben und drüben, zwischen Laien-Gufedaun und
Säben-Villanders war der belebteste*), Wechselheiraten zwischen den zahl-
reichen Adelsgeschlechtern am linken und rechten Eisackufer waren
sehr häufig. Die Bekanntschaft mit den Säbnern liefert aber auch für
seine Fahrt nach Wien eine passende Erklärung. Allgemein wird an-
*) Im Neustifter Urkundenbnche erscheinen z. B. Zeugen von beiden Seiten
nebeneinander Nr. 1,51. 153. 155. 171. 172. 173. 176 ff.
268 ZINGEKLE
genommen, daß unser Dichter circa 1190 dorthin gekommen sei. Im
Jahre 1189 reiste aber Ortulf II von Sähen*) Domherr zu Brixen^
Probst zu Inuichen, Hofcaplan Friedrich I., nach Wien, um den Kaiser
auf dem Kreuzzuge zu begleiten, und erscheint in der dort 1189^ 18. Mai
ausgestellten Kaiserurkunde als Zeuge: Ortolfus Iticensis prepositus.
Fontes rerum Austriacarum XXXI. Nr. 122. S. 121. — Ortulf kehrte
vom Kreuzzuge zurück und lebte seitdem als Probst des weltlichen
Collegiatstiftes in dem früheren Benedictinerkloster zu Innichen.
Sein Todesjahr soll circa 1210 fallen**), es scheint aber zu früh an-
gesetzt, da sein Nachfolger Conrad von Tölz erst 1224 frühestens
diese "Würde bekleidete***). Ortulf hatte das Reich in seinem Glänze
gesehen und nach des großen Kaisers Tode die Wirren und Drangsale,
den unseligen Streit zwischen Kaiser und Reich noch erlebt. Nach
seiner Heimkehr lebte er so zurückgezogen, daß er in keiner Urkunde
mehr erscheint. Würden auf unsern Ortulf nicht Walthers Stellen, in
denen der Klosenaere vorkommtf), passen? Wenn Ortulf darunter ge-
meint ist, so haben wir ein sinnreiches Wortspiel, dergleichen
uns bei Walther öfter begegnen. Auf dem niedrigen Vorsprunge des
Säbner Berges, unmittelbar über der Stadt Klausen (Clüsa, Clüse,
Clüsna) hatten sich die Säbner eine eigene Burg, nun Branzol ge-
nannt, gebaut. Diese Burg war die Veste Klausens. Ein Säbner konnte
deßhalb mit Recht ein Bewohner Klausens (Clüsenaere, Cl6senaere)ff)
genannt werden. Closenaere enthält somit, wenn Ortulf gemeint ist,
eine Anspielung auf dessen Geburtsort; Klausner, Eremit, konnte Walther
ihn mit vollem Rechte wegen seiner Zurückgezogenheit im alten Kloster
zu Innichen nennen.
Der Annahme, daß Walther im andechsischen Gerichte Gufedaun
auf dem Laiener Ried geboren sei, stehen ihr vielleicht sprachliche
Gründe entgegen? — Ich glaube nicht. Der Reim „verwarren" L.
34, 18 ist nicht entscheidend, es kommt a für o in der bairischen Mund-
art ungemein häufig vor (Weinhold, bair. Gramm. §. 6), die häufigen Reime
a : 0 bei Vintler und Oswald von Wolkenstein, sowie die Schreibung
a für o in Urkunden beweisen dieß Vorkommniss auch für Tirol. Die
*) Über ihn vergleiche Sinnachers Beiträge 3, 465. Tinkhauser 1, 465. "KroU
Geschichtsfreund 1, 26.
**) Sinnacher 3, 467. Nach Tinkhauser 1. c. 1200.
***) Sinnacher 3, 468. Tinkhauser 1. c.
t) L. 9, 37. 10, 33. 34, 33. 62, 10.
tt) Heinrich der Clüsenaere 1102. Neust. Urkb. S. 67. Ulreich der Chlosner
1329. Ebendort S. 240.
ZUR HEIMATFHAGE WALTHERS. 269
Reime lieht : niebt L. 88_, 12. 18 und 26. 27 begegnen uns gerade auch
bei dem tirol. Dichter Liutolt von Sähen, der nicht : lieht : ieht bindet.
Wackernagel 265, 1. 4. 7. Walther erfreut sich sonst der reinsten höfi-
schen Form und Sprache, aber ungeachtet dessen deuten einige Aus-
drücke auf seine alpine Abkunft. Wenn er sagt: der kalc wacr abe
getragen L. 28, 30, so kommt kalc in der Bedeutung von „Weiße,
Tünche" im Eisackthale und Etschlande noch heutzutage allgemein
vor. Die Phrasen: „der kalk geht ab", „der kalk wird abgerieben"
sind überall dort gebräuchlich. In der Stelle: „ez ist ze Avich und
ofte hcene" L. 35, 28 ist ze wich durch A und C verbürgt. Lachraanu
möchte S. 163 „ze weich" oder „ze wiz" vorschlagen. Wich, wiech
ist aber ein jenseits des Brenners allgemein verbreitetes Wort. Es be-
deutet: fett, üppig, ausgelassen und abgeschmackt. Schöpf 815*).
Als Walther sein Lehen erhalten, jubelt er:
Ich hän min lehen, al die werlt, ich hän min lehen.
nü enfürhte ich niht den hornunc an die zehen. L. 28, 31.
Nun was soll das, ich fürchte den Hornung (Februar) nicht an den
Zehen? — Es ist zu beachten, daß Walther das Wort „hornunc" nur
an dieser Stelle gebraucht. In Pfeiffers Ausgabe 4. Aufl. S. 260 finden
wir die Erklärung „der hornunc, Februar, bildlich hier Frost, Frost-
beulen". Ganz richtig, aber dafür hätte Walther wohl das ihm sonst
geläufige Winter besser gebraucht, denn Frost, Frostbeulen bringt
nicht der Februar allein. Ein unerwartet Licht fällt auf diese Stelle,
wenn wir das horniglen, das im innern Eisackthale gebräucLlich ist,
heranziehen. „Hurniglen, horniglen vor Kälte prickeln, brennen;
den hurnigl an den Fingern haben" Schöpf 283. Vgl. Schmeller II,
1165. Hornigg'n heißen dort geradezu die Frostbeulen. — Wir haben
in „hornunc" also ein Wortspiel, das sich aus dem hornigg'n erklären lässt.
Bemerkeuswerth ist, daß der Name Walther auf unserer Vogel-
weide noch im 16. Jahrhundert vorkommt. Das älteste Taufbuch von
Laien beginnt 1571. Seite 36 heißt es vom Jahre 1575: Die 20. Martii
ain kindt getaufft dem Walter Voglwaider in Riedt, patrinus W'ther
Prantschurer alhie, infans W'ther**). Im 16. Jahrhundert war in Tirol
der Name Walther ebenso vergessen, als Walther von der Vogelweide.
Wie lässt sich dieß Vorkommnisse daß der Name Walther gerade auf
*) Es möge hier zu Schöpf bemerkt werden, daß „ein wiecher mensch" auch
in der Bedeutung: „ein ausgelassener, frivoler, widerlicher" gebraucht wird.
**) Ich gebe diese Stelle nach einer gütigen Mittheilung des Hrn. Pfarrers in
Laien, Jacob Tappeiner. Leider konnte ich ins Taufbuch nicht selbst Einsicht nehmen,
um die Kürzungen zu vergleichen; das erste „V/alter" steht fest.
270 ZINGERLE, ZUR HEIMATFRAGE WAI.TIIEKS
der Vogel weide erscheint, erklären, als damit, daü hier dieser Name
aus früheren Zeiten fortlebte? Das Bild am Hause, das an Bäumen
sich hinanschlingende Reben darstellt, an deren Früchten Vögel naschen,
zeichnet dieß Gehöfte vor andern aus. Aus welcher Zeit dasselbe
stammt, zu bestimmen, überlasse ich Fachmännern. Jedenfalls datiert
es nicht aus neuester Zeit.
Nach dem bisher Gesagten sprechen viele Wahrscheinlichkeits-
gründe dafür, daß Walthers Heimat am Laiener Ried zu suchen sei, iind
so lange für eine auderwärtige Vogelweide nicht kräftigere Stützpunkte,
als bisher beigebracht werden, bin ich in gutem Rechte, die Vogelweide
als muthmaßliche, ja höchst wahrscheinliche Wiege Walthers anzunehmen.
Weiter bin ich auch nie weder schriftlich noch mündlich
gegangen.
Damals erfreute sich Tirol des reichsten geistigen Lebens und
Strebens, was uns die hiesigen Dichter der damaligen Zeit, die zahl-
reichen Handschriften und die Bauten und alten Fresken gerade in
der Eisack- und Etschgegend beweisen. Wenn später das Eisackthal
noch einen Oswald von Wolkenstein und einen Fallmereier unter viel
ungünstigem Verhältnissen erzeugte, sollte es nicht würdig sein, die
Wiege eines Walther zu sein? — Urkundlicher Beweis dafür wird
sich nicht beibringen lassen. Aber könnten wir den Oswald von Wolken-
stein, der einem der mächtigsten Adelsgeschlechter angehörte und 200
Jahre später als Walther lebte, nachweisen, wenn er 1396 nicht wieder
heimgekehrt Aväre, um hier seine große politische Rolle zu spielen? —
Und ungeachtet der Archive und Familienaufzeichnungen, die dieses
gräfl. Geschlecht besitzt, wurde allgemein angenommen, daß Oswalds
hochgefeierte Margaretha vor ihm gestorben und er sich zum zweiten
Male mit Anna v. Ems verehlicht habe, bis in einem ganz fremden
Archive P. Just. Ladurner zufällig eine Urkunde fand, die das Gegen-
theil bestätigte. Wenn solche Dinge bei einem der mächtigsten Ge-
schlechter aus späterer Zeit begegnen, so ist bei Walther, der als
nachgeborner Sohn aus niederem Adelsgeschlechte fi'ühe seine Heimat
verlassen und dieselbe nur einmal wieder gesehen hat, an einen ur-
kundlichen Beweis nicht zu denken.
J. V. ZINGERLE.
*) Zur Note S. 260 kann ich nun berichtigen, daß in einem vom Archivar Dr.
D. Sehönherr aufgefundenen Urbare von Gufedaun aus dem Beginne des 15. Jh. schon
beide Vogelweider Höfe vorkommen:
Item baid Vogelweider IX gr. (Fol. 22).
S. Tiroler Bote 1875 Nr. 156.
FICKER, ZUR WALTHERFRAGE. 271
ZUR WALTHERFRAGE.
Von solchen, welche die für die Herkunft Walthers von der Vogel-
weide aus dem Laiener Riede geltend gemachten Gründe für unzu-
reichend halten, ist unter anderm geltend gemacht, daß die Frage be-
friedigend nur durch den urkundlichen Nachweis eines Geschlechtes
der Herren von der Vogelweide gelöst werden könne. Dem gegenüber
dürfte doch daran zu erinnern sein, daß der ganzen Sachlage nach
ein solcher Nachweis nie zu erwarten sein wird, daß insbesondere auch
die Annahme, Walther stamme aus dem südlichen Tirol, in keiner
Weise dadurch als unrichtig oder unwahrscheinlich erwiesen werden
kann, daß sich eine Herrenfamilie dieses Namens in jener Zeit in Tirol
allerdings nicht findet.
Die Forderung solchen Nachweises ist natürlich nur dann be-
rechtigt, wenn anzunehmen ist, daß Walther einem Geschlechte ange-
hörte, welches zu seiner Zeit bereits einen Geschlechtsnamen führte.
Diese Annahme aber ist in keiner Weise zu begrrtinden. Allerdings war
Walther zweifellos ritterlicher Abkunft. Aber gegen Ende des zwölften
Jahrhunderts hatten noch keineswegs alle ritterlichen Familien einen
Geschlechtsnamen; insbesondere nicht in der Gegend, in welche jetzt
Walthers Heimat überwiegend gesetzt wird.
Die ritterlichen Personen zerfallen hier in drei Classen, nämlich
freie Herren, Dienstmannen oder Ministerialen und einfache Ritter.
Freie Herrengeschlechter gab es hier, außer den Grafen, sehr wenige;
es wären aus nicht zu großer Entfernung nur etwa die Herren von
Wangen und von Taufers zu nennen. Alle übrigen Rittergeschlechter
waren unfrei. Diese zerfallen aber wieder in zwei Classen, welche hier
und in manchen andern Gegenden des südlichen Deutschlands scharf
geschieden sind, während sich in andern Ländern der Unterschied
mehr verwischt. Dienstmannen und Ministerialen sind hier eine bevor-
zugte Classe ritterlicher Unfreien; der Titel sollte eigentlich nur den
Mannen der Reichsfürsten, wie der Bischöfe von Brixen oder der an-
dechsischen Herzoge von Meran zukommen; er wurde dann aber auch
wohl den Mannen der Grafen oder angesehener Prälaten, wie etwa
der Äbtissin von Sonnenburg, zugelegt. Einer solchen Familie, wie es
etwa die brixnerischen Ministerialen von Velthurns, Sehen, Rodeneck,
272 FICKEK. ZUR WAr/rfIKRFKAGE.
Kastelruth oder die andechsischen von Gufidaun waren, gehörte
Walther sicher nicht an. Denn diese Familien, in den früheren Zeiten
des Jahrhunderts vielfach noch namenlos, führen gegen Ende desselben
durchwegs Geschlechtsnamen, wenn auch noch vielfach nach den Be-
sitzungen wechselnd. In der Zeit Walthers werden diese Ministerialen-
geschlechter nun aber hier, wie in andern Theilen Deutschlands, zu
häufig in den Urkunden erwähnt, um nicht den Schluß durchaus be-
rechtigt erscheinen zu lassen, daß, wenn eine solche Familie sich von
der Vogelweide genannt hätte ^ wir den Namen in den Urkunden be-
gegnen mtissten.
Es gab nun aber noch eine dritte Classe von Rittern, welche
nicht Mannen der Fürsten oder Grafen, sondern Mannen der freien
Herren und insbesondere auch der Dienstmannen waren. Werden die
Dienstmannen noch häufig als Herren bezeichnet, so ist das bei diesen
einfachen Rittern nicht der Fall. Sie führen weiter zu Walthers Zeit
durchweg keinen Geschlechtsnamen.
In den fürstlichen Urkunden werden sie überhaupt ihres geringen
Ansehens wegen selten genannt; und das ist wohl der Hauptgrund,
daß man bei solchen Untersuchungen diese anscheinend ziemlich
zahlreiche Classe von Rittern gewöhnlich ganz vergisst. In andern Auf-
zeichnungen dieser Gegend, z. B. im Schenkungsbuche von Neustift,
werden sie nicht selten erwähnt. Und zwar in der Regel nur als Be-
gleiter ihres Herrn, der meist selbst nur den fürstlichen Ministerialien
angehörte. Es heißt etwa: Reginbert von Sehen und seine Ritter Her-
mann und Hartmann, der Arnold von Rodeneck und seine Ritter
Herman und Werner.
Von dieser Seite her widerspricht also nichts der Annahme, daß
Walthers Geburtsstätte im Laiener Ried war; eher ergibt sich daraus
eine gewisse Unterstützung. Der dortige Vogelweidhof hat vor allen
andern bekannten Örtlichkeiten dieses Namens das voraus^ daß die an
ihn geknüpften Giebigkeiten ihn als alten Rittersitz zu kennzeichnen
scheinen. Wird dagegen nun geltend gemacht, daß in diesem Falle
sich ein Rittergeschlecht nach ihm benannt haben müsse, so verliert
dieser Einwand mit dem Gesagten seine Berechtigung. Gab der Hof
aber noch keinem Geschlechte den Namen, so kann es trotzdem wieder
in keiner Weise auffallen, daß eine einzelne, von ihm stammende
Person nach ihr benannt wurde. War Walther, wie wohl zu vermuthen,
ein jüngerer Sohn, der schon früh sein Glück an fremden Herrenhöfen
versuchte, weil ihm sein geborner Dienstherr, der etwa ein Ritter von
Gufidaun gewesen sein könnte, kein Gut zuwenden konnte, so bedurfte
SlICHIER, DIE QUELLEN DER MAGUSSAGA. 273
es einer bestimmteren Bezeichnung , um ihn von so manchem andern
Walther zu unterscheiden; nichts lag da näher, als ihn nach dem Hofe
zu bezeichnen, auf dem er das Licht der Welt erblickte.
Wenn ich mit dem Gesagten einen einzelnen Einwand für be-
seitigt halte, der gegen die Annahme, daß Tirol Walthers Heimat sei,
erhoben wurde, so weiß ich recht wohl, daß wir in dieser Richtung
von einem unumstößlichen Beweise noch weit entfernt sind. Aber das
wird man nach dem jetzigen Stande der Forschung wohl sagen dürfen,
daß der Annahme, Walthers Wiege habe im Lande am Eisack ge-
standen, bis jetzt nicht allein kein maßgebender Grund widerspricht,
sondern auch mancher gewichtige Umstand sie in hohem Grade wahr-
scheinlich macht.
(„T. B.") J. FICKER.
DIE QUELLEN DER MAGUSSAGA.
Zu den isländischen Sagas, welche altfranzösischen Chansons de
geste nacherzählt sind, gehört auch die Mägussaga. Mit Beziehung auf
die altfranzösische Litteratur wurde sie zuerst von Geffroy erwähnt
in seinem Berichte über die französischen und auf Frankreich bezüg-
lichen Handschriften schwedischer Bibliotheken (Archives des missions
scientifiques 1856 IV 222. 223). Geffroy führt auch die Rubriken zweier
]}oettir der Magussaga aus den Stockholmer Handschriften an {Laes
Hinrikssonar ok Hrolfs Skuggaßßs saga. Geirards jarls ok Vilhjalms
Geirardssonar saga).
Zwar erschien dann die Saga im Jahre 1858 im Druck u. d. T.
Bragda-Mdgus Saga med tilheyrandi pdttum. Skrifud ujyp eptir gömlum
handritum af Gunnlaugi Pördarsyni. Kaupmannahöfn. 1858. kl. 8"., wurde
aber in dieser übrigens sehr mangelhaften Ausgabe auf dem Continente
fast gar nicht bekannt, so daß die Gelehrten, welchen wir die um-
fassenden Werke über die Chansons de geste verdanken, auch später
noch über den eigentlichen Inhalt der Saga in Uugewissheit bleiben
mussten. (K. Maurer gedenkt unserer Saga Germ. XII, 480.)
Nun hat kürzlich F. A. Wulff versucht, uns über die Quellen
der Magussaga aufzuklären in seiner Abhandlung: Notices sur les
Sagas de Magus et de Geirard et leurs rapports aux epopees fran9aises.
Lund 1874. 4". Wulff erwähnt Beziehungen der Saga zu den franzö-
ÜERMANIA. Neue Reihe. VIII. (XX. Jahrg.) lg
274 SUCHIER
sischen Gedichten von Karls Reise nach Constantinopel und von den
Haimonskindcm, hat aber, wohl aus Mangel an Hülfsmitteln^ nicht
die französischen Gedichte selbst, sondern nur litterarhistorische Werke
herangezogen. Übrigens gibt er S. 14 fF. eine vollständige Analyse der
Saga nach den beiden Stockholmer Handschriften (die eine Nunomer 58
in Folio auf Papier im Jahre 1690 in Stockholm geschrieben, die
andere Nummer 6 in Quarto, gleichfalls Papierhandschrift) und einige
schätzbare Bemerkungen über die im 79. Capitel erwähnten histori-
schen Ereignisse.
Leider glaube auch ich nicht im Stande zu sein, die Frage nach
den Quellen der Mägussaga erschöpfend zu behandeln. Immerhin aber
wird das, was ich bestimmter als Wulff zu fassen oder dem von ihm
gesagten hinzuzufügen vermag, die Frage in ein besseres Licht setzen.
Ich greife sie daher von neuem auf.
Gunnlaug*) ]36rdarson kennt sieben Handschriften unserer Saga
auf der Ärna-Maguüssonischen Bibliothek in Kopenhagen : 1, N. 152 fol.
Pg. Diese Handschrift liegt der Ausgabe zu Grunde. — 2, N. 187 fol.
Pap. (ist Abschrift von N. 152). — 3, N. 535. 4". Pap. — 4, N. 590.
A. 4". Pap. — 5, N. 533. 4". Pg. — 6, N. 536. 4°. Pap. — 7. N. 188 fol.
In der letzten Handschrift bricht bei Ubbis Tode (Cap. 56) die Er-
zählung ab. Daß zwei weitere Handschriften in Stockholm sind^ habe
ich schon erwähnt.
Die Saga kann als Ganzes nicht vor der Mitte des 13. Jahr-
hunderts entstanden sein, da zahlreiche Anspielungen an die rictreks-
saga vorkommen. Sie ist eine Compilation aus mindestens drei vorher
getrennten Stücken, die ursprünglich nichts mit einander zu thun haben
und so roh an einander gefügt sind, daß sich die Nähte ebenso leicht
als sicher erkennen lassen. Möglich ist, daß die Vereinigung der beiden
ersten Theile vor Anfügung des dritten geschah und die Handschrift
A. M. 188 fol. diese ältere Gestalt der Saga repräsentiert.
Von den drei Theilen der Saga zeigt der dritte einen wesentlich
andern Charakter als die beiden ersten. Der Inhalt der beiden ersten
ist ein durchaus einheitlicher, und wenn sich auch der erste Theil
in zwei Abschnitte sondern lässt, so sind diese doch in der vorliegen-
den Gestalt in innern Zusammenhang gebracht. Dagegen besteht der
*) Es scheint mir berechiigrter, nordische Namen in der flexionslosen Form des
Accusativs, als in der flectierten des Nominativs ins Deutsche herüberzunehmen. So
werde ich auch im folgenden statt Rögnvaldr, Yidförull u. s. w. die Formen Eögnvald,
Vidt'örul u. s. Av. verwenden.
DIE QUELLEN DER MAGUSSAGA. 275
dritte Theil aus mindestens fünf Erzählungen, von denen jede für sieh
die Aufmerksamkeit spannt und befriedigt. Im ersten und zweiten
Theile bleiben ferner die handelnden Personen bis zum Schluße die-
selben, wogegen im dritten Theile, der uns das Geschlecht seiner
Helden durch neun Generationen kennen lehrt, der Reihe nach Lais^
sein Enkel Hrölf, sein Sohn Vilhjalm, sein Enkel Geirard und sein
Urenkel Vilhjalm in den Vordergrund treten.
Da die Ausgabe der Saga so selten ist, wird eine kurze Wieder-
gabe ihres Inhaltes hier am Platze sein, an welche sich zudem meine
Bemerkungen leichter anschließen lassen*).
I (Cap. 1 — 12.) Hlödver ist König von Saxland und wohnt in
Verminzuborg. Er ist Karlamagnüs Enkel. Sein Vater ist Hlödver;
seine Brüder sind Lotharius, Karulus, Pippin. Eines Tages fragt er
seinen Rathgeber Sigurd, ob wohl ein König auf Erden ihm an Macht
gleichkomme. Sigurd sagt: *So lange dir Weib und Kind fehlt, ist
deine Macht noch nicht vollkommen (1) und macht ihn auf Ermenga,
die Tochter König Hügons von Miklagard**), aufmerksam. Sigurd geht
als Brautwerber hin und bringt zusagende Antwort. Dann kömmt
Hlödver selbst die Braut zu holen (2). Hügon zeigt große Pracht (3).
Ermenga schminkt sich mit Kalkwasser bleich, ehe sie in den Saal
tritt. Dann bringt sie Hlödver einen gebratenen Hahn und bittet ihn
den Hahn zwischen ihr und ihm, ihrem Vater und ihren beiden Brü-
dern (Hrölf und Halfdan) zu theilen. Hlödver, der sich anfangs über
die Zumuthung beleidigt fühlt, weist dann dem Vater, der aller Haupt
ist, den Kopf, den Brüdern, die im Begriffe sind, flügge zu werden,
die Flügel, die Füsse und Beine ihr, welche die Stütze des Vaters
und der Brüder sein soll, die Brust sich selber zu, der aller Brust
und Panzer ist. Hlödver fährt mit ihr in sein Land, bleibt aber der
Kränkung eingedenk (4).
Ein dänisches Heer belagert Treviris. Der König zieht zu Felde.
Ehe er abreist, stellt er seiner Frau aus Rache für die Kränkung, die
er erlitten zu haben glaubt, drei Aufgaben, welche bis zum Ende des
Feldzuges, d. h. nach drei Jahren, gelöst sein sollen: Ermenga soll
eine Halle bauen, die an Pracht der Halle ihres Vaters gleichkömmt;
sie soll drei Gegenstände beschaffen, so kostbar als die, welche Hlöd-
ver besitzt, Hengst, Schwert, Habicht; sie soll ihm einen Sohn zeigen,
*) Herr Dr. Kölbing in Breslau hatte die Freundlichkeit mir sein Exemplar der
Ausgabe zu leihen, wofür- ich ihm hier herzlichen Dank sage !
**) = Constantinopel.
18*
276 SUCHIER
dessen rechter Vater er, dessen rechte Mutter sie ist (5). Sie beginnt
zunächst den Saalbau. Dann übergibt sie Sigurd die Regierung von
Saxland und reist nach Miklagard (6). Nachdem sie Männerrüstung
angelegt hat, bricht sie mit sechzig Rittern nach Treviris auf, welches
sich im Besitze der Dänen befindet. Sie gibt sich für den Jarl Iring
von Alimannia (nach andern Handschriften Hirting von Alimannia oder
Albania) aus (7) und tritt in das Heer des dänischen Königs ein. Nun
muß ihr Bruder Hrolf Hlödver erzählen, in dessen Lager er weilt, er
habe ein schönes Mädchen aus einem Thurm der Burg herausschauen
sehen. Der König reitet hin, erblickt Ermenga, ohne sie zu kennen,
und redet sie an. Sie sagt, sie sei Jarl Iriugs Kriegsgefangene, eine
Königstochter aus der Burg Sobrie in Frigia, und bittet ihn dringend,
ihr zur Freiheit zu verhelfen. Hlödver lässt Iring rufen, und dieser
ist bereit, ihm die Gefangene abzutreten, wenn er sich dafür drei
Kleinode ausbitten darf. Hlödver geht den Handel ein und muß Hengst,
Schwert und Habicht herausgeben (8). Dann legt sie die Verkleidung
ab, legt Frauenkleider an und lässt sich von Hrölf zum Könige führen.
Dieser behält sie in der Meinung, es sei die Phrygische Königstochter,
drei Nächte bei sich, und so gelingt es ihr die Lösung der dritten und
schwersten Aufgabe zu ermöglichen. Heimlich eignet sie sich dabei
den Ring des Königs an (9). Dann entkommt sie mit Hrolfs Hülfe
nach Saxland (10) und gebiert einen Sohn, der Karl genannt wird (11).
Nun folgt die Einnahme von Treviris, die Rückkehr des Königs. Alles
weitere versteht sich von selbst (12).
H (Cap. 13—46, 48^ — 57, 61 — 62). Hlödver regiert noch über
Saxland. Amund ist Jarl von Buslaraborg. Er hat vier Söhne: Vig-
vard, Rögnvald, Markvard, Adalvard und eine Tochter Matthild. Die
Sühne sind 18, 15, 12, 9, die Tochter ist 14 Winter alt. Des Königs
Rathgeber ist Ulf, der Rögnvald freundlich gesinnt ist. Beide, Rögnvald
und Ulf, sind bei der Königin gut angeschrieben. Des Königs Sohn
Karl wird mit Erling und Erlend, den Söhnen des reichen, aber ver-
hassten Jarls Ubbi, in Spiransborg erzogen (13). Matthild wird die
Gattin des zauberkundigen Jarls Mägus*) von Strausberg**) (14).
Auf des Königs Wunsch soll in Verminzuborg sich Rögnvald mit
ihm im Brettspiel messen (15). Der König setzt drei Ringe ein und
will, daß von Rögnvalds Seiten dessen Kopf als Einsatz gelte. Der
Königin, die für ihn zu bitten wagt, wird die Antwort: 'Ich weiß seit
*) Nach einer Anmerkung Aina Magnüssons, die Gunnlaug J)ör(larson mittheilt,
lautet der Name in den Handschriften auch Müfus oder Maus.
**) = Straßburg?
!
DIE QUELLEN DEK ÄLVGÜSSAGA. 277
lange, daß er dir lieber ist als ich: schon deßhalb sollte er den Kopf
einbüßen.' Der König verliert drei Spiele nach einander. Ergrimrat
steckt er das Spiel in den Beutel und schlägt Rögnvald damit ins
Gesicht. Da eilt Vigvard herzu und tödtet den König mit einem Axt-
hieb. Die Brüder entfliehen in des Vaters Haus. Karl (18 Jahre alt)
wird Kaiser (16).
Amund führt die Söhne in den Wald. Er würde meineidig, wollte
er des Königs Feinden mit Rath behültiich sein. Daher beschreibt er,
mit vier Eichenstämmen redend, ein Versteck, in das sich die Söhne
begeben. Drei Winter wohnen sie hier (17). Vergebens suchen Karl
und Ubbi die Brüder bei Amund (18). Der Zufall will, daß ein Mann,
Namens Aki, mit seiner Frau Helga, die ihm Grund zur Eifersucht
gegeben, sich im Walde niederlässt, nicht weit vom Verstecke der
Amundssöhne (19). Nun stirbt Amund. Ulf bekömmt Buslaraborg zu
Lehen (20). Als die Brüder beginnen Noth zu leiden, schicken sie
Eögnvald auf seinem trefflichen Rosse Flugar zu Magus. Dieser hat
seinen Schwcägern bei Strausberg eine Feste erbauen lassen (21). Nun
verrätli Aki dem Könige das Versteck der Brüder. Der Kaiser reitet
zu ihrer Verfolgung aus und trifft sie auf dem Wege nach Strausberg
an. Im Kampfe wird Adalvard gefangen, die anderen entkommen zu
Mdgus (22).
Magus macht sich auf, den Schwager zu befreien (23). Sein
Mantel ist mit klirrenden Muscheln und Hummerklauen besetzt. Dem
Skeljakarl, dessen Aufzug der ganze Hof bewundert, reicht der König
selber Speise und Trank (24) und lauscht den Mären, die der Fremde
von Hr61f Kraki, von Harald Hilditönn berichtet. Dem König Agülan-
dus und Jamund, seinem Sohne^ hatte er ihren Fall vorausgesagt. Als
Rollant durch Verrath fiel, war er an Karlamagnüs Hof gewesen (25).
Dann wahrsagt Skeljakarl den Hofleuten und schmäht dabei auf
Ubbi (26). Zuletzt zaubert er aus der Wand einen Wasserstrom hervor,
der den Saal überschwemmt. Alles entflieht (27), zuletzt der König,
der schlafen geht (28). Magus befreit dann Adalvard aus dem Gefäug-
niss und kehrt mit ihm nach Stransborg zurück (29).
Ubbi erfährt, daß Mägus ein Hörn besitzt, auf dessen Klang die
Amundssöhne ihr Schloß verlassen, um ihm zu Hülfe zu eilen (30).
Ubbi lässt ein gleiches Hörn anfertigen (31), rückt vor das Schloß
und bläst darauf. Vigvard und Markvard lassen sich täuschen, eilen
hinaus und stoßen auf Ubbis Krieger. Markvard fällt den Feinden in
die Hände (32). Da eilt Rögnvald in den Kampf und nimmt Erlend
gefangen (33).
278_, SUCHIER
Auf Matthilds Bitten (34) zieht Mdgiis aufs neue an den Hof, dieß-
mal als uralter riesengroßer Mann, Namens Vidförul (35). Er erzählt dem
König von den Helden der ridrekssaga, die er gekannt hatte; von
Ermeurek (36), Gunnar, Högui (37), Jjidrek (38), Vidga u. a. und ver-
spricht sogar, die Helden dem König vorzuführen (39). Doch muß er
sich zuvor verjüngen, da seine Zeit gekommen ist, wie schon zweimal
im Leben (40). Dann errichtet er im Freien fünf Säulen, darüber einen
Glashiramel. Die Helden erscheinen; zuletzt die vier Riesen des Osanc-
trix, vor welchen alles entflieht. Im Tumulte wird der Gefangene
Markvard zurückgelassen (41) und geht mit Mdgus nach Strausberg (42).
Drei Winter vergehen in Ruhe. Da erkrankt Mdgus; der König
schickt Ulf an des Sterbenden Lager (43). Nun hören wir vom König
Eystein von Dänemark, den zwei herserkir, Gyrdi und Atli, belästigen.
Halfliti-maun, der eine Seite seines Gesichtes mit rother Salbe entstellt
hat (44), tödtet den einen, die Dänen den andern. Dann fährt er nach
Saxland (45). Unterwegs schließen sich ihm Tosti und Ingimar mit
ihren Schiffen an (46). Hlödver macht den Hdlfliti-mann zum Jarl von
Buslaraborg, Als Rögnvald kommt, um mit ihm zu kämpfen, erkennt
er in ihm den Schwager Mägus (48). Den andern Tag wird Rögnvald
von des Königs Mannen umstellt, entkommt aber auf Flugar und gibt
Framar, Ubbis Neffen, seine Waffen. Erlend hält daher diesen für
Rögnvald und tödtet ihn, legt selbst die Waffen an und fällt in Folge
der gleichen Verwechslung von Ubbis Hand.
Nun lässt Mägus vor dem Kaiser Haufen feindlicher Krieger er-
scheinen, wirft sich aber, als dieser sich zum Kampf bereitet, ihm zu
Füßen und bittet um Frieden und Straflosigkeit für die Amunds-
kinder. Ulf, der an Mägus Sterbelager gewesen war, hatte sich täuschen
lassen; Mägus lebt. Der König bewilligt alles (49). Rögnvald heirathet
Karls Mutter Ermenga und bekömmt Buslaraborg, Markvard Spirans-
borg; Adalvard wird des Kaisers Rath. Ubbi wird verbrannt. Vigvard
gewinnt mit der Hand von Eysteins Tochter Helga Dänemark (50).
Nun wird der Angriff zurückgeschlagen, den von Ubbi aufge-
stachelt Hrölf und Hdlfdan, Ermengas Brüder, unternehmen (51 — 55).
Ubbi wird gefangen und von Pferden todt geschleift (56). Kaiser Karl
heirathet Koustantia, die Tochter des Königs Konräds von Frankreich,
der in Reirasborg wohnt, und wird dessen Nachfolger. Rögnvald be-
kommt Verminzuborg, Mägus Paris (57). Nach zwanzig Jahi-en folgt
ein siegreicher Krieg gegen König Osanctrix von Gallicia (61), in
welchem die Amundssölme fallen, außer Rögnvald, der an einer Krank-
DIE QUELLEN DER MAGUSSAGA. 279
heit stirbt und einen Sohn Hlödver hinterlässt, welcher bald nach ihm
gestorben ist. Mägus Sohn heißt Hävard, Karls Tochter Elinborg (62).
III. 1 (Cap. 47, 58—60, 63). Heinrek ist König von England,
Adalräds Sohn, Vilhjalms Enkel. Er hat einen Sohn Lais, was wir
Lödurr nennen*), und eine Tochter Fora. Der Sohn wird in Frankreich
vom Bischof Trajanus erzogen. Nach fünf Wintern kehrt er zu seinem
Vater zurück. Da er den Hirten Björn erschLägt, verbannt ihn der
Vater aus England. Auf den Wikingsfahrten, die Lais nunmehr mit
des Bischofs Schiffen unternimmt, hat er zunächst Unglück, bis er
dem Juden Barus begegnet, der ihm einen dem Besitzer Reichthum
verschaffenden Wunderstein F^gsefa gibt (47). Nach Verabredung sucht
Lais den Barus wieder auf und fährt mit ihm zu Schiffe nach emem
frischen Grabe. Lais muß die Leiche herausgraben, ihr die Eingeweide
herausnehmen, und dann seinen Kopf unter den Brustknochen haltend
Barusens Fragen beantworten. 'Wie lange M'ird dein Vater leben' ?
— *19 Winter'. — 'Und rora deine Schwester ? — *^10'. — ^Trajanus'?
— '27'. — 'Du selbst'? — 'o . — 'Und ich' ? — 'Nicht bis Morgen . In der
That bricht Barus unmittelbar darauf den Hals; Lais begräbt ihn und
segelt nach Dänemark zu dem Amundssohne Vigvard, der jetzt Val-
dimar heißt (58).
Während Laisens Abwesenheit hat Trajanus für ihn um die Hand
der Flörentia, der Tochter des Jarls Sergius von Schottland, angehalten.
Lais erzeugt mit ihr den Vilhjalm, den Mägus erzieht (59). Lais fährt
mit F16rentia nach Dänemark, trifft daselbst den Norweger Ingjald
aus Skugga und verabredet mit ihm auf ihren Wikiugsfahrten gemein-
same Sache zu machen. Sie gewinnen Reichthümer und fahren den
vierten Sommer nach Rüduland, wo Harald und Toki herrschen. Im
Kampfe mit ihnen fällt Lais. Flörentia stirbt bald, nachdem sie ihm
eine Tochter Pöra geboren. Diese wird Ingjalds Gattin und Mutter des
Hrölf Sfluggafifl (60).
Hrölf wird von Kaufleuten nach England mitgenommen, kauft
dort ein geraubtes Mädchen und lebt mit ihr den Winter auf einer
Burg. Eines Tages wird das Mädchen von ihm vermisst (63).
2 (Cap. 64 — 65). Auf einmal gibt sich der Burgherr als Laisens
Sohn Vilhjalm, Hrolfs Oheim mütterlicher Seits, zu erkennen und fordert
Hrölf auf, mit ihm nach Valland zu fahren. Sie wollen sich für die
Brüder Kaupahröi und Helgi ausgeben. Sie fahren hin. König Hring
*) Mau sollte eher Icidr erwai'ten; doch vergleiche man lödurmenni homuncio
TÜis. Björn Haldorsen.
280 SUCHIER
nimmt sie auf und Avird von ihnen in seiner Halle, die er dazu lier-
leiht, drei Tage lang bewirthet. Den ersten Tag ist die Halle ärmlich,
den zweiten fürstlich, den dritten mit wahrhaft königlicher Pracht aus-
gestattet. Als der König und seine Begleiter entschlafen sind, bereitet
Vilhjalm Hrolf eine große Überraschung, indem er ihm das ver-
schwundene Mädchen wiedergibt. Er schickt Hrolf mit ihr, die nun Sigrid,
die Tochter König Hrings von Valland, genannt wird, nach England.
Vilhjalm geht in Bettlcrtracht zu Jarl Ulf nach Marsil, wohin auch
Hrings Sohn Sigurd gekommen war. Als König Hring erwacht, ist
Kaupahröi verschwunden. Jetzt glaubt er Vilhjalm und Hrolf in den
Kaufleuten zu erkennen (64). Während sich in Marsil Ulf und Sigurd
mit dem Bettler unterhalten, erlöschen plötzlich alle Lichter und der
Bettler ist verschwunden. Sigurd heißt die Thüren der Burg schließen,
aber der Bettler erschlägt den Wächter Hermöd, wechselt mit ihm
die Kleider und berichtet dann Sigurd, der ihn für Hermöd hält, er
habe den Bettler getödtet. Nun geht Sigurd heim und will sich gegen
Hrölf rüsten. Zuvor jedoch beräth er sich mit Hermöd. Dieser gibt
sich plötzlich als Vilhjalm zu erkennen und ruft durch einen Stoß ins
Hörn seine Krieger herbei. Von den beiden Möglichkeiten, die er
Sigurd lässt: zu kämpfen oder das Königreich abzutreten und Vilhjalms
Jarl zu werden^ wählt Sigurd die letztere. Dann geht man in die Halle,
wo Hring Vilhjalm den Königstitel, Sigurd aber die Jarlswürde ver-
leiht. Hrölf wird König von England (65).
3 (Cap. 66 — 68). In Sniälönd herrschen Rodulgeir und Galifrey,
zwei Brüder. Er (welcher von beiden?) hat zAvei Söhne Frankus und
Niceta. Rodulgeir hat eine schöne Tochter Oktavia. Vilhjalm will um
ihre Hand anhalten, und Sigurd soll Brautwerber sein. Sigurd bringt
von Rodulgeir abschlägige Antwort zurück. Oktavia gibt ihm ihr Bild-
niss mit, auf welchem sie mit halb abgewandtem Gesichte dargestellt ist.
Daran erkennt Vilhjalm, sie schlägt ihn nicht aus, wagt aber nicht
dem Willen des Vaters entgegen zu handeln (66).
Vilhjalm belagert nun mit Hrölf Rodulgeirs Hauptstadt. In Bettler-
tracht begibt er sich hinein. Oktavia droht dem Bettler, die Kühnheit
sich in die Burg zu wagen könne ihn leicht das Leben kosten. Der
Bettler entgegnet, wenn sie ihn vertreibe, könne es ihr selbst theuer
zu stehen kommen. Vilhjalm Laisson, der berühmt sei in Waffenthaten,
werde ihr keinen Dank dafür wissen. Sie erlaubt ihm, sich auf den
Fußboden ihres Zimmers niederzulegen, und als sie entschlafen ist,
enteilt er mit den Burgschlüsseln. Erwacht bemerkt sie das Fehleu der
Schlüssel und lässt die Thüren mit neuen verschließen.
DIE QUELLEN DER MAGUSSAGA. 281
Vilhjalm setzt die Belagerung fort. Eines Tages sieht er Baum-
stämme oberhalb der Stadt den Fluß herabfließen, die er auffangen
lässt und mit Speisen und Getränken gefüllt findet (67). Vilhjalm steckt
sich und seine Krieger hinein und überfällt so die Stadt. Rodulgeir
wird gezwungen, Vilhjalm seine Tochter zu geben.
In Valland gebiert sie ihm einen Sohn, der Lais getauft (skirdr),
aber mit Eottulgeirs Geschlechtsnamen Geirard confirmiert [fermdr)
wird. Als Rodulgeir stirbt, setzt er Geirard zum Erben von Smdlönd
ein (68).
4 (Cap. 69—75). Nach Karls Tode folgt ihm Elinborg auf dem
Throne und wird von Mägus Sohne Hävard in der Regierung unter-
stützt (69). Geirard bewirbt sich um Elinborgs Hand und bekömmt
abschlägigen Bescheid. Er entgegnet: 'Die Zeit ist nicht ferne, wo du
dieses Wort ungesagt wünschen wirst, und wo du mir dasselbe An-
gebot stellen wirst als ich dir jetzt' und kehrt nach Smälönd zurück.
Elinborg aber bereut bald die Antwort, die sie Geirard gegeben (70).
Der heidnische König Priams von Afrika und Serkland kommt
mit großem Heere nach Frakkland. Die tapfersten Helden seines
Heeres sind Baldvini der starke und Baldvini der berühmte. Blan-
kandin heißt des Königs Fahnenträger, Osvip der des starken, Kabin
der des berühmten Baldvini. Zehn Meilen von Reimsborg, wo die
Königin wohnt, macht er Halt und schickt Baldvini zu ihr. Will sie
an ror und Odin glauben, so ist Priams gewillt sie zu heirathen und
Frakkland zu regieren. Will sie nicht, so nimmt er ihr das Reich mit
Gewalt ab und gibt sie selbst den Knechten Preis. Die Königin ent-
gegnet, sie bitte um zwei Monat Bedenkzeit (71).
Als die Königin mit ihren Mannen Rath hält, erklären alle ein-
stimmig: 'Wolltet ihr Geirard zum Gatten nehmen, so brauchtet ihr
Priams nicht zu fürchten.' Daher soll Hävard zu Geirard gehen und
ihn um seine Hülfe bitten. Die Königin gibt ihm drei Briefe. Sagt
Geirard auf den ersten nicht zu, so soll Havard ihm den zweiten über-
reichen; wirkt auch dieser nicht, den dritten mit ihres Vaters Siegel-
ring. Hävard reitet nach Smalönd. Den ersten Brief, den er vorzeigt,
lässt Geirard einfach verbrennen. Den andern Tag überreicht Hävard
den zweiten Brief und erzählt, Priams sei mit Heeresmacht in Frank-
reich eingefallen. Geirard tliut, als höre er nichts und reitet in den
Wald. Da endlich tritt Hävard vor ihn hin mit den Worten: 'Die
Königin will ihr Reich in deine Gewalt geben, wofern du sie von
Priams befreist' und übergibt ihm zur Bestätigung den Brief mit des
282 suciiiER
Kaisers Siegelring. Geirarct liest den Brief und schickt Hdvard mit
dem Versprechen seiner Hülfe heim (72).
Geirard reitet mit seinen Knappen Frankus und Niceta nach
Reimsborg. Sie übernachten dort, ohne daß sie sich zu erkennen geben.
Am andern Tage beginnt die Schlacht; sie dauert vier Tage. Am
zweiten schickt Priams den starken Baldvini Geirarct entgegen; er
fällt von Geirards Hand. Am Morgen des dritten bemerkt Geirards
Wirtin an seinem Finger des Kaisers Ring und berichtet dieses der
Königin. Baldvini der berühmte kämpft mit Geirard und theilt das
Schicksal seines Bruders (73). Am vierten Tage ordnet Geirard die
Franzosen vorn schmal und hinten breit, was man svinfylkt nennt.
Als Priams Geirard erblickt, ruft er aus: *Bei Maümet, nie sah ich
einen so schönen Mann! Zwar hast du meine Brüder erschlagen, aber
wenn du mir dienen willst, will ich dir Frakkland und Elinborg geben.
Dann wollen wir beide den Jarl Geirard erschlagen.' Geirard ver-
schmäht das Anerbieten, und Priams reitet auf seinem Elefanten auf
ihn zu. Sie kämpfen. Priams fällt. Der Sieg ist entschieden. Vilhjalm
und Galifrey erscheinen auf dem Schlachtfelde (74). Die Heiden er-
geben sich, die Christen ziehen feierlich in Reimsborg ein. Geirard
wird König von Frakkland und Elinborgs Gemahl. Vilhjalm tritt ihm
auch die Regierung von Valland ab und geht ins Kloster (75).
Aus dem 76. Capitel erfahren wir, daß Geirard und Elinborg
sieben Söhne haben: Vilhjalm, Karl, Lais, Konstantinus , Rodulgeir,
Rögnvald, Mägus.
5 (Cap. 76 — 78). Bevor die Königin diese Söhne gebiert, träumt
ihr, sie verzehre Apfel, der König gebe ihr aus einem Brunnen zu
trinken, und sieben Feuerbrände gehen aus ihrem Munde; sechs fallen
in ihrem Erbland nieder; der siebente fliegt in weite Ferne. Der König
deutet den Traum auf sieben Söhne, deren einer in ein fernes Land
fahren wird. Die Söhne werden geboren und wachsen auf. Mit Vil-
hjalm, der unbändig ist und alles Geld verbringt, fährt Geirard nach
Griechenland (76).
Kaiser Kirialax hat mit seiner Gattin Maxentia eine schöne
Tochter ]\Iargareta. Auf Pfingsten hält er ein großes Fest, wo nach
seinem Gebote niemand das erste Gericht, wenn es ein Lachs ist, um-
wenden, das Messer laut auf den Tisch legen, noch so laut reden darf,
daß man es durch das Zimmer hört. Der Zuwiderhandelnde soll die
Erfüllung dreier Bitten beanspruchen dürfen, aber nach der siebenten
Nacht der Todesstrafe verfallen. Vilhjalm verletzt die drei Gebote mit
Eclat und soll seine drei letzten Bitten äuüern (77). Er will die letzten
DIE QUELLEN DER MAGUSSAGA. 283
Bieben Nächte König sein, die Kaiserstochter Margareta sogleich hei-
rathen, die oberste Gerichtsbarkeit für das ganze Land ausüben. Der
Kaiser muß darauf eingehen , und als Vilhjalm im ])ing einen nach
dem andern fragt: 'Sahst du mich den Lachs wenden oder hörtest
mich das Messer hinwerfen oder laut reden'? will es keiner, selbst
der Kaiser nicht, bemerkt haben. Im Gegentheile gibt dieser zu, daß
Vilhjalm die Regierung behält und gekrönt wird.
Als Geirard stirbt, folgt ihm sein Sohn Konstantinus , und von
dessen Söhnen gibt es viele Sagen, die hier nicht geschrieben sind.
Elinborg geht ins Kloster. Vilhjalm hat mit Margareta einen Sohn
Karl und eine Tochter Konstantia (78).
Das 79. und letzte Capitel gibt verschiedene Ereignisse der is-
ländischen Geschichte an, welche in die Jahre 900 — 933 fallen und
als gleichzeitig bezeichnet werden mit dem, was in der Saga erzählt
ist. Aus weitern Angaben ergibt sich, daß der Compilator den Kaiser
der Mägussaga mit Karl dem Einfältigen identificierte. (Vgl. Wulff
S. 4-5.)
Wenn wir uns nun nach den Quellen dieser Compilation um-
sehen, 80 kommen wir zunächst an die Einleitung des ersten Theiles,
Hlödvers Reise nach Constantinopel. Die Angaben über Hlödver zeigen,
daß Ludwig der Deutsche gemeint ist. Seine Brautfahrt erinnert an
die in dem bekannten altfranzösischen Gedichte dargestellte Reise Karls
des Großen nach Jerusalem und Constantinopel. Freilich ist von der
Reise nach Jerusalem, dem unzweifelhaft ältesten Theile des französi-
schen Gedichtes, keine Rede; Hlödver reist nach Miklagard direct
über Greta und Cypern. Mit dem Französischen stimmt außer dem
Namen des Königs Hugo und dem Umstände, daß er zwei Söhne und
eine Tochter hat, nur die Motivierung der Fahrt überein. Auch dort
fragt Karl, ob wohl auf Erden ein Mensch sei, dem Schwert und Krone
80 wohl anstehe als ihm, worauf die Gattin antwortet: 'König Hugo
von Constantinopel'. Alles übrige weicht vollständig ab.
Daß die List, mit welcher Ermenga ihres Gatten Liebe wieder zu
gewinnen weiß, auch in der Fabel von Shaksperes Ende gut Alles gut
wiederkehrt, ist schon von Wulff hervorgehoben*). Kölbing (Riddara-
*) Ich verweise noch auf Grässe, Sagenkreise 377. Dunlop-Liebrecht
229. 439. Simrock, Quellen des Shakspere 3, 242. Ferdinand Wolf, über eine Samm-
lung spanischer Romanzen in fliegenden Blättern S. 42 — 44. Les facetieuses nuits de
Straparole traduites par Jean Louveau et Pierre de Larivey. T. I. Paris, Jannet 1857,
Preface zu 7, 1, wo ähnliche Stoffe nachgewiesen sind. Landau, Quellen des Deca-
merone S. 50.
284 ST 'CHI ER
sögur S. 218) hat auf die Übereinstimmung dieser Erzählung mit einem
Theile der Mirmanssaga aufmerksam gemacht.
Der zweite Theil erzählt die Geschichte der vier Haimons-
kiuder. Nach Sachsen sind auch hier die Ereignisse verlegt. Nach
Hlödvers Tode folgt gleich zu Anfang der Geschichte sein Sohn Karl,
also Karl der Dicke, während er im 79. Capitel für Karl den Einfältigen
gehalten wird. Im Französischen empören sich die Haimonskinder
gegen Karl den Großen. Mit den erhaltenen französischen Gedichten
zeigt dieser Theil der Saga die verhältnissmäßig größte Überein-
stimmung. Der Eingang von Beuve d'Aigremont fehlt. Im übrigen
finden sich alle Hauptsachen wieder: die Schachscene, das Leben im
"Walde, der Kampf um die Burg, die zweimalige Reise Mägus an Karls
Hof zur Befreiung der Schwäger (im Französischen ist Maugis das
zweite Mal selbst der Gefangene). In allen Einzelheiten sind die Ab-
weichungen freilich bedeutend. Von Magus (so ist der Name Maugis
latinisiert und verständlich gemacht) hat die ganze Compilation ihren
Namen bezogen. Doch ist die im Französischen Maugis genannte
Chanson (der niederländische oder deutsche Malagis) nicht benutzt
worden. Der Friede mit dem König macht den natürlichen Schluß
(Cap. 50). Alles was folgt (Cap. 51 — 57. 61 — 62) ist offenbar Machwerk
der Compilatoren.
Auch das niederländische Volksbuch von den Haimonskindern
(analysiert von Gödeke, Deutsche Dichtung im Mittelalter S. 705)
weicht von der französischen Darstellung oft weit ab, doch lange nicht
soweit als die nordische Fassung. Letztere entfernt sich fast überall
ebensoweit von jenem als von dieser. Doch stimmt sie in der That
in einigen Punkten mit dem Niederländischen überein. Heinrek, Vil-
hjalms Großvater, wird Rögnvalds Oheim mütterlicher Seits genannt
(Cap. 61). Ähnlich nennt Hugo von Dordoen im niederländischen Texte
den Grafen Aymyn von Dordoen seinen Mutterbruder und den Ayraeryn
von Narboen seinen Oheim. — Im Französischen findet sich nichts
davon. — Im Isländischen schlägt Vigvard dem regierenden Könige
Hlödver das Haupt ab, als dieser Röguvald mit dem Brettspiel schlug.
Im Niederländischen tödtet Reinout den König Lodewyk, weil er
Adelaert mit dem Spielbrett geschlagen. Im Französischen findet erst
Karls Sohn Lohier durch Beuve d'Aigremont, dann Karls Neffe Ber-
tolai durch Renaut, der ihn mit dem Schachspiele trifft, seineu Tod.
Diese Übereinstimmungen sind gewiß beachtenswerth, zumal die
letztere, die wir nicht für zufällig halten können. Der Beweis, daß die
Magussaga aus der niederländischen und nicht aus der französischen
DIE QUELLEN DER iMAGUSSAGA. 285
Darstellung geflossen sei, ist dcamit freilich nicht geführt, um so weniger,
als einige französische Gedichte unserer Sage e rst th eilweise heraus-
gegeben sind. Übrigens scheint die niederländische Darstellung in der
Eingangsscene wie auch in andern Zügen die französische, die Miche-
lant und Bekker (im Fierabras) bekannt machten, an Alterthümlich-
keit zu übertreffen.
Aus einem andern Grunde glaubte Wulff S. 12 schließen zu dürfen,
der Inhalt der beiden ersten Sagen wäre nicht direct, sondern erst
durch deutsche Vermittlung nach Island gekommen. Dieser Grund ist,
daß statt Frankreich und S. Denis oder Paris vielmehr Sachsen und
Worms, die Hauptstadt von Sachsen, den Schauplatz dieser Sagen bilden.
Möglich ist das gewiß ; aber ebenso wohl konnten in der Überlieferung
die Namen der französischen Localitäten vergessen oder entstellt worden
und deßhalb von einem Erzähler oder dem Compilator, dem die Namen
der ridrekssaga so geläufig sind, durch das in der Pidrekssaga oft ge-
nannte Worms und Sachsen ersetzt werden. Daß sich nach der franzö-
sischen Darstellung der Schluß des Kampfes um Tremoigne (Dort-
mund) bewegt und hier der Friede geschlossen wird, konnte schon
den Anlaß zu dieser Übertragung gegeben haben.
Übrigens scheint es auch in Deutschland einheimische Sagen auf
die Haimonskinder gegeben zu haben. Ich folgere dieß aus den An-
gaben des niederländischen Volksbuchs über die Person des Adelaert.
Ich kann die Angaben nur aus Gödekes Analyse des Volksbuchs
entnehmen (Deutsche Dichtung im Mittelalter 705, 706). Karl belehnt
die vier Brüder: Kitsaert mit Spanien, Writsaert mit dem besten Lehen
zwischen Loewen und Paris, Reinout mit Angers, Artois und Boulogne,
Adelaert, der zum Truchsess geordnet wird, mit ApuUen. Dann heißt
es am Schluße des Volksbuchs : Reinouts Brüder seien in Neapel be-
graben.
In dem niederrheinischen Auszuge aus dem Volksbuche, welchen
Reifferscheid in der Zeitschrift für deutsche Philologie V, 274 abdruckte,
findet sich nichts entsprechendes. Dagegen stimmt zum Volksbuche
die hochdeutsche Übertragung des niederländischen Gedichts, welches
die Quelle des Volksbuches bildete und nur in Bruchstücken erhalten
ist. Herr Prof. Ettmüller stellte mir gütigst eine Abschrift der Heidel-
berger Handschrift 340, welche diese Übersetzung enthält, zur Ver-
fügung. Hier finden sich folgende Stellen über Adelharts Beziehungen
zu Apulien :
1, S. 41 (V. 1353-6), wo Karl sagt:
286 SUCHIER
'Adelhart stolczer wygant,
Ich geben uch Polgen das riche laut
Darüber zu bliben ummermer
Marggraff und herr\
2, S. 387 (V. 13083—5), wo Adelhart sagt:
'Ee wir Beyart verloren,
Ee selten wir faren in Tabren,
In Polegen und in Calabren .
3, S. 454 am Schluße, wo es nach Reynolts Begräbniss heißt:
Reynolt für wider allzuhant.
Das sy uch allen wol bekant,
Mit sinen brudern in die hagedocht.
Ich sagen uch auch wer des geröcht,
Das er den herren wollte sehen,
Zu Napels mocht es jm beschehen.
Die letztere Stelle gibt auch Mone im Anzeiger für Kunde des
deutschen Mittelalters 6, 200 nach der Heidelberger Handschrift 399
und bemerkt dazu: 'Daß der Leichnam Reinolds zu Dortmund ver-
schwand und er mit seinen Brüdern und dem Malagis geisterhaft in
Neapel fortlebte, scheint einestheils eine Nachwirkung der Zaubersage
des Malagis, anderntheils eine Anknüpfung an die Zauberer Klingsor
und Virgilius zu Neapel. Ob und wie aber dieser Zug mit dem eigent-
lichen Inhalt der Reinoldssage zusammenhänge, das weiß ich vor der
Hand nicht zu erklären.'
In der That bleiben Adelharts Beziehungen zu Apulien in Dunkel
gehüllt. Daß er sich wirklich nach der Versöhnung mit dem Kaiser
nach Apulien begeben hat, können wir nur daraus entnehmen, daß
seiner Person fortan mit keiner Silbe gedacht wird. Einiges Licht, wenn
auch nur einen schwachen Schimmer, verbreitet über diesen Punkt
eine Stelle der Kaiserchronik. Es ist höchst auffallend, daß auch die
Kaiserchronik in ihrem sagenhaften Berichte von Karl dem Großen
einen Fürsten Adelhart von Apulien nennt, der auf Befehl des Kaisers,
gegen den er sich empört hat, enthauptet wird. Die Stelle lautet
(V. 14843 ff.):
Do er ze Rome gevestende sine phahte
unde er alle reht betrahte
umbe eigen unde umbe lehen,
umbe man unde umbe herren,
do karte er zuo Appuliä.
ein vurste was da.
DIE QUELLEN DER MAGUSSAGA. 287
geheizen was er Adelhart,
ein gotis widerwart,
durch des riches not
der vurste wart gehoubetot.
die siDe wurden gevangen.
der keiser karte dannen.
Karl zieht darauf nach Pavia (Sisinniä).
Beiläufig bemerke ich, daß Maßmann in diesem Adelhart den
historischen Adalhard Abt von Corbie vermuthet, daß mit dem letztern
aber auch Michelant Aalart den Haimonssohn identificiert. Auf jeden
Fall scheint mir die Identität zwischen dem Adelhart der Kaiserchronik
und Adelhart dem Haimonssohne unbestreitbar.
Nun aber entsteht die Frage, deren Beantwortung von großem
Interesse wäre: 'Ist die Quelle des niederländischen Volksbuches nur
eine französische Chanson, auf die es offenbar seinem Gesammtinhalte
nach zurückgeht, oder benutzte es für die erwähnten Angaben deutsche
Sagen, dieselben, die schon vor der Mitte des 12. Jahrhunderts dem
Compilator der Kaiserchronik bekannt waren? In dem französischen
von Michelant (in der Bibl. des Stuttg. lit. V. 1862) herausgegebenen
Texte finde ich nichts über Aalarts Beziehung zu Apulien. Leider sind
die beiden andern Recensionen von Hippeau (Arch. des missions
V. 1856. 157) und Bekker (vor dem Fierabras), zumal die erstere nur
in spärlichen Auszügen bekannt gemacht. Ist sie deutsch, so dürfen
wir die Sage von Adelhart von Apulien mit der von Karl und Elegast
zusammenhalten, deren Vorhandensein in ursprünglich deutscher Fassung
Bartsch in der Germania (IX, 224 K) wahrscheinlich gemacht hat.
Ich komme zu den fünf Abschnitten des dritten Theils der
Mdgus-Saga.
Die Quellen des ersten und fünften dieser Abschnitte sind
mir unbekannt. Der im letzten Abschnitte vorkommende Name des
Kaisers Kirialax (kvqioq l4Xi^ioq) erinnert an die Kirjalaxsaga, über
welche ich durch Konrad Hofmann (Münchener Sitzungsberichte 1867.
II. 218 — 219) und durch Dr. Kölbings Güte aufgeklärt bin. Danach
glaube ich annehmen zu können, daß keinerlei Zusammenhang mit
dieser Saga stattfindet.
Was den zweiten, dritten und vierten Abschnitt (die Fahrt nach
Valland, die Fahrt nach Smälönd, die Schlacht bei Reimsborg) betrifil,
so scheinen dieselben ein Gemisch entstellter Traditionen und neuer-
fundener Züge zu sein, die Traditionen aber, von denen der Compi-
288 SUCHIER
lator oder eher sein Gewährsmann eine dunkle Kenntniss verräth,
verschiedenen Chansons von Guillaume d 'Orange anzugehören.
Der zweite Abschnitt, die Fahrt nach Valland, erinnert
lebhaft an das Charroi deNimes, wo Guillaume und sein NefTe
Bertran (= Hrolf) in Kaufmannstracht die Stadt gewinnen. Wenn
England hier als Vilhjalms Heimat gilt, von welcher aus die Fahrt
unternommen wird, so ist V. 1107 des Charroi vergleichbar, wo Guil-
laume mit den Worten: Nos somes d'Angleterre sich und Bertram für
Engländer ausgibt. Die Bewirthung König Hrings entspricht dem Be-
suche Harpins und Otrants (Charroi 1097 ff.). In der Entführung der
Sigrid mag ebenso wie in Vilhjalms Aufenthalt in Marsil ein Nachklang
an die Prise d'Orange vorhanden sein, wo sich Guillaume in ähnlicher
Verkleidung in Orange einführt. Sicherer ist wieder die Scene, in
welcher Hring Vilhjalm mit Hintansetzung seines eigenen Sohnes zum
König von Valland macht, auf den Eingang des Charroi de Ninies
zurückzuführen, wo sich Ludwig erbietet, ehe er Guillaume mit der
südfranzösischen Mark belehnt, ihm die Hälfte seines Reiches abzu-
treten, was Guillaume ausschlägt*).
Nicht minder auffallend gleicht der dritte Abschnitt, die Fahrt
nach Smälönd, der Prise d'Orange. In dieser geht Guillaume in
Sarazenentracht in die Stadt hinein, wird vor Orable geführt und
rühmt Guillaumes treffliche Eigenschaften, ganz wie im 67. Capitel
der Mägussaga. Wenn Vilhjalm und seine Krieger in hohlen Baum-
stämmen in die Stadt hineinkommen, so liegt vielleicht eine Combination
der Prise d'Orange, wo Bertran auf einem unterirdischen Gange dem
in Orange gefangenen Guillaume zu Hülfe eilt, mit dem Charroi de
Nimes vor, wo Guillaume seine Krieger in Fässer versteckt in die
Stadt hineinführt. Wenn Rodulgeirs Bruder, Oktavias Oheim, Galifrey
heißt, so vergleiche ich das Coronement Looys, wo Guillaume das
Heer König Galafr^s besiegt und sich mit König Gaifiers von Apulien
Tochter verlobt.
Der vierte Abschnitt^ die Schlacht bei Reimsborg, scheint
eine Verbindung des Eingangs von Girard de Viane mit der
Schlacht von Aliscans zu sein. Freilich sind die Anklänge dürftig
*) Beiläufig erwähne ich, daß in Saga af ]ijalar-J6ni gefin ut af Gunnlaugi pör-
darst/ni. Rey^avik IS.'jT, König Vilhjalm über Frakkland herrscht. Er wohnt in
Rüduborg. Seine Gattin Elinborga ist die Tochter Hlödvers von Frakkland. Vil-
hjalms Nachfolger wird sein Sohn Eirik, der Jons Schwester Marsilia zur Gattin ge-
winnt. Weitere Bezüge dieser Saga zu Chansons de geste scheinen zu fehlen. Auch
diese Saga ward mir durch Dr. Kölbings Güte zugänglich.
DIE QUELLEN DER xMAGUSSAGA. 289
genug. Der eigentliche Hauptinhalt von Girard de Viane wird ganz
übergangen. An die Sehlacht von Aliscans erinnert nur, daß Priams
zwei Riesen, Baldvini den starken und Baldvini den tapfern mitbringt,
wie Desram^ den Bauduc oder Baudin (in Ulrichs von Türheim Wille-
halm: Baldewin). Daß Priams Sarrazene ist körmen wir nur aus seinem
Schwüre bei Maümet (Cap. 74) erschließen. Die Königin Eliuborg ist
an die Stelle von Guillaumes Gattin Guiborc getreten. Priams droht,
er wolle sie den Knechten preisgeben, wie Desrame (Aliscans S. 120),
er wolle Guiborc von Pferden schleifen lassen. Mir fällt auf, daß Priams
Botschaft, durch welche er Ermenga auffordern lässt, das Christenthum
abzuschwören und Heidin zu werden, vielmehr an Wolframs Willehalm
217, 9 ff. als an die erwähnte Stelle der Schlacht von Ali&cans er-
innert. Vilhjalm gilt als Geirards Vater, was in der That eher eine
historische Möglichkeit hätte als Großneffe. Geirard scheint die Stelle
Renoarts einzunehmen, wenn Priams ihn auffordert, Heide zu werden
(vgl. Aliscans S. 199), und wenn er beide Baldvini besiegt (vgl. Alis-
cans S. 215). Auch scheint die nach der Schlacht stattfindende Ver-
heiratung Elinborgs mit Geirard durch Renoarts Verheiratung mit Alice
hervorgerufen zu sein. In Elinborg aber sind die beiden Guiborc der
französischen Chansons de geste, von denen die eine Geirards, die
andere Guillaumes Gattin ist, in eine Person zusammengeflossen. Geirard
hat mit Elinborg (wie Aimeri mit Ermengart) sieben Söhne, deren ältester
gleich seinem Großvater Vilhjalm heißt. Der ältere Vilhjalm und Elin-
borg sterben wie Guillaume und Guiborc im Kloster.
Ich gestehe gern zu, daß mehrere der angeführten Züge nur
geringe Übereinstimmungen zeigen und nicht ausreichen würden den
Zusammenhang mit den französischen Gedichten zu beweisen. Doch
glaube ich soviel festhalten zu dürfen, daß den drei besprochenen
Abschnitten der Mägussaga Erinnerungen aus dem Charroi de
Nimes, der Prise d'Orange, aus Girard de Viane und der
Schlacht von Aliscans zu Grunde liegen.
Zwei der besprocheneu Sagen finden sich auch außerhalb der
Mägussaga in isländischer Fassung: Girard de Viane und Karls Reise
nach Constantinopel, beide als Theile der Karlamagnussaga. Doch kann
man sich leicht überzeugen, daß zwischen diesen Darstellungen und
denen der Mägussaga keinerlei Beziehungen obwalten.
Über die Art, auf welche die Mägussaga aus ihren Quellen ent-
stand, kann kaum ein Zweifel herrschen. Gewiß gehen alle Theile der-
selben, deren Quelle ich angeben konnte, auf mündliche Überlieferung
zurück. Isländer, die im zwölften bis vierzehnten Jahrhundert den
UKKilANIA. Neue Reihe VIII. (XX.) Jahrg. 19
200 SUCHIEK
Contineut bereisteu, fanden oft genug Gelegenheit, französischen Spicl-
leuten zu lauschen und gewannen an ihrem Vortrage solches Interesse,
daß sie nach ihrer Heimkehr nicht versäumen mochten, das vielleicht
von vorn herein nur halbverstandene, auf dem Heimwege halbver-
gessene ihren Landsleuteu wiederzuberichten. Dabei wurde mancher
Name vergessen und durch einen nordischen oder im Norden bekanntern
ersetzt. Mancher ursprüngliche Zug gieng auf der weiten Reise ver-
loren. So wird das Zerhackte der Darstellung, das Ungenügende der
Motivierung, das Fehlen jeglicher Pointe in den betreffenden Erzählungen
des dritten Theiles erklärlich.
Im größten Theile der ersten Sage aber sowie im ersten und
fünften Abschnitte der dritten dürfen wir neue Schößlinge erkennen,
welche der überallhin wuchernde und überall gedeihende Baum des
französischen Epos auf isländischem Boden angesetzt, wenn auch nicht
aus sich selbst hervorgetrieben hat. HERMANN SUCHIER.
Nachtrag zu 285 ff.
Meine Vermuthung über das Dasein einer deutschen Sage von
Adelharts Tod in Apulien muß ich zurücknehmen. Auch dieser Theii
der Sage ist ursprünglich französisch und ist sogar noch in poetischer
und prosaischer Form erhalten. In jener bildet die Sage den Schluß
der Pariser Handschrift 764, aus welcher Immanuel Bekker im Fiera-
bras S. II — XII Auszüge gab. Zwar hat Bekker diesen Schluß über-
gangen, dagegen wird er von Mone in seinem Anzeiger 6, 202 mitge-
theilt. Hier wird erzählt, wie Alart, Guichart, Richart und Maugis durch
Ganelons Verrath in einer Höhle bei Neapel ihren Tod finden. Daraus
ergiebt sich mit Sicherheit, daß auch das Original der niederländischen
Haimonskinder am Schlüsse dieselbe Erzählung enthielt. Denn das
seltene Wort hagedocht, welches der Niederländer hier anwendet (vgl.
S. 286), bedeutet nichts anderes als eine Höhle. {Haghedocht. Äpogeum
[gemeint ist offenbar Hypogeuvi] dicitur aedißciurn sub terra quod antrum
vel spelunca dicitur. Vocab. bei Hoffmann Gloss. belg.) Das niederlän-
dische Gedicht gehört dem 13. Jahrhundert an, die Sage von Aalart
muß also mindestens bo alt sein. Ich trage kein Bedenken, ihre Existenz
schon im 12. Jahrhundert vorauszusetzen und die angeführte Stelle der
Kaiserchronik daraus zu erklären, daß der Compilator der Chronik die
französische Tradition gekannt hat.
In Prosa findet sich Aalarts Tod in dem Volksbuche: Les Prou-
esses et Vaillances du redoute Mahrian (Troyes, 1625) erzählt. Durch
den Umstand, daß Alard hier sein Leben verliert, weil er und seine
DIE QUELLEN DER MAGUSSAGA. 291
Verwandten sich gegen den in Neapel anwesenden Karl
empören, wird das, was wir aus den Angaben der Hs. 764 und des
niederländischen Gedichtes erfahren, dem Berichte der Kaiserchronik
noch um einen Schritt näher gerückt. Den Inhalt dieses Volksbuches
erzählt auch eine dem 15. Jahrhundert angehörige Handschrift der
Arsenal-Bibliothek am Schlüsse eines langen Prosaromans von den
Hairaonskindern, von welchem die Hist. litt. XXII, 705 ff. nähere Kunde
giebt. Schon die älteste Ausgabe des Mabrian vom Jahre 1530 enthält
gleich der erwähnten vom Jahre 1625 die Angabe: reduit du vieil lan-
gage en hon vulgaire francoys, die sich vermuthlich auch in der Arsenal-
Handschrift wiederfindet. Diese Angabe würde kaum Glauben verdienen,
wenn sich nicht zeigen ließe, daß eine altfranzösische Chanson Mabrian
noch im 18. Jahrhundert existierte. Es wird dieses nämlich bezeugt
durch eine Notiz der Bibliotheque des Romans par M. le c. Gordon
de Percel (=Lenglet du Fresnoy). 1734. 2, 247, wo unter der Rubrik
Anciens romans manuscrits en vers et en prose depuis Vau 1250 jusquen
1450 auch Le Roman de Mabrian en vers, in 4. manuscrit aufgeführt wird.
Die verschiedenen Spuren dieser Sage scheinen von einem Punkte
auszugehen und zwar, wie mich dünkt, in der folgenden Weise. Im
12. Jahrhundert existierte eine Chanson de geste (Ja Mort Aalart?),
welche Aalarts Tod in Apulien erzählte, und an deren Inhalt der Vf.
der Kaiserchronik anspielt. Eine kurze Inhaltsangabe dieser Chanson
wurde einer Version des Renaut de Montauban angehängt und ist uns
in Übersetzung des 13. Jahrhunderts am Schlüsse des niederländischen
Gedichts, in verjüngter Gestalt des 15. Jahrhunderts am Schlüsse der
Pariser Hs. 764 erhalten. Durch eine Umarbeitung und Fortsetzung
der alten Chanson des 12. Jahrhunderts wurde die Chanson Mabrian
hergestellt, deren handschriftliche Existenz im 18. Jahrhundert Lenglet
du Fresnoy bezeugt. Gegenwärtig scheint von der poetischen Fassung
des Mabrian keine Handschrift bekannt zu sein, dagegen liegt ihre
Prosaauflösung in einer Hs. und zahlreichen Drucken vor.
Zweifel hege ich nur über einen Punkt. Wahrscheinlich existierte
die Chanson Mabrian schon im 13. Jahrhundert, und vielleicht lag sie,
und nicht die Chanson des 12. Jahrhunderts, dem Redactor vor, welcher
den Tod von Renauts Brüdern seiner Version des Renaut de Montauban
angehängt hat. In diesem Falle wäre die alte Chanson nur für die Angaben
der Kaiserchronik und für die Chanson Mabrian unmittelbare Quelle
gewesen. HERMANN SUCHIER.
19^
2()2 STROHL
ANGELSÄCHSISCHE STUDIEN.
VON
JOSEPH STROBL.
I. Zur sogenannten Cädmonschen Exodus.
Vers 12 He väs
freom folctoga
Das Wort folctoga erscheint noch Einmal in der Exodus Vers 254,
wo es von Moses heißt
heht pä folctogan fyrde gestyllan.
Vers 14 wurde Moses folctoga genannt, hier sind es die Führer
der eiste 229, die so bezeichnet werden. Und diesen, die ungefähr den
principes des Tacitus entsprechen mögen, gebührt wohl zunächst der
Ausdruck, In der ersten Fortsetzung des Beövulfsliedes 839 erscheint
das Wort wieder in gleicher Verwendung. In der Judith heißt Holo-
fernes folctoga 47; folctogan 194 werden die Führer der Juden genannt.
Im Andreas 8 bezeichnet folctogan die Apostel, 1458 die Heidenführer.
Jul. 225 heißt Helisaeus folctoga. Nirgend finden wir also folgtoga im
engeren und zugleich im weiteren Sinne verwendet, daß etwa einem
Hauptführer, der folctoga genannt würde, andere Unterführer als folc-
togan untergeordnet seien.
Dem widerspricht nicht der Gebrauch von folctoga im Daniel.
Folctoga wechselt im Daniel mit cyning, so heißt Nabuchodonosor z. B.
108 folctoga, 100 cyning u. s. w. Wenn es daher Vers 527 heißt:
Het J)a tosomne sine leode,
folctogan, frägn ofer ealle
svidraod cyning
ßo steht der Plural folctogan so bestimmt dem Singular in seiner engen
Bedeutung cyning gegenüber, wie der Plural cyningas in Exodus 185
dem cyning 175, Wie um eine unliebsame Doppelverwendung zu corri-
gieren steht Dan. 529 noch ausdrücklich cyning.
Das Wort folctoga kommt in der Genesis nicht vor.
55 modig magurwsva
Das Wort magurcesva kommt bis zum Vers 102 dreimal vor, in den
späteren Theilen sucht man das Wort vergebens; nur sein Simplex
roisva erscheint 234 roesvan herges.
ANGELSÄCHSISCHE STUDIEN. 293
16 sigora valdend,
eine im ags. sehr häufige Verbindung, die in der Genesis z. B. fünf-
mal gelesen wird, steht in der Exodus nur an dieser Stelle.
25 vitig drihten.
Das Adjeetivum vüig (nicht in der Genesis) findet sich in der
Exodus nur noch 80 vitig god.
102 mcere magurcesvd.
Es ist bekannt wie im mhd. gewisse Worte des Volksepos der höfi-
schen Sprache gegenüber zurückweichen; das Wort mcei-e gehört zu ihnen,
vgl. Jänicke de dicendi usu Seite 6. Das ags. Epos verwendet das Wort
wie das deutsche: mcere peöden Beöv. 129. seo mcere hurh Dan. 609.
mcere spell Gen. 2566. se mcera Be6v. 762. se mcera mago Beov. 2011.
Moyse pdm mceran Ps. 102' u. s. w. Im epischen Gebrauche und
zwar attributiv steht das Wort nur an angeführter Stelle, Vers 47
u. 349 steht es prädicativ, so häufig der attributive Gebrauch in an-
deren Gedichten z. B. der Genesis ist.
125 scyldas lixton.
Schild heißt in der Exodus 253 bord [oder 160. 236. 320 bordhreöda]
ein Wort, das die Genesis nur in der Bedeutung Schiflfsbord kennt, in
welchem Sinne es hinwiderum in der Exodus keine Verwendung findet.
scyld hat Gen. einmal 2062, Exodus auch nur an obiger Stelle. Die
Wörter lind rand kennen beide Gedichte, bordhreöda kennt Genesis
ebenfalls nicht, jedoch gudhord 2693, wie Exodus 466 vighord.
170 vlance ftegnas
ist ein Ausdruck, der genau so Byrhtnoth 205 wieder erscheint. Das
altepische pegn, das kaum ein ags. Gedicht nicht öfter darbieten dürfte,
erscheint in der Exodus nur hier. Von den vielen Compositis bietet
Exodus 131 nur metepegn.
406 cniht,
häufig in der Genesis und im Daniel, nur an dieser Stelle. Beovulf
kennt das Wort nur einmal 1219 in den Versen eines Interpolators.
419 sunu mit sveorde.
sveord ist ein Lieblingswort der Genesis. In der Exodus steht es
nur hier. Diese VI. Fytte enthält noch zwei Wörter für Schwert, das
altepische mece 413 und ecg 408. Sonst gedenkt die Exodus dieser
Wafie nur mehr 49 :t, wo mece steht.
Solchen Erscheinungen gegenüber wird es erlaubt sein, den Blick
tiefer in das Denkmal zu versenken und den Gründen dieser Ver-
schiedenheit im Sprachgobrauche nachzuspüren. Ich habe absichtlich
294 STROBL
diese Beobachtungen vorangestellt, weil auch sie es sind, die mich zu
dieser Arbeit veranlasst haben.
Die Exodus hebt an mit hvät, ein Sprachgebrauch, den J. Grimm
in seinen Erläuterungen zum Andreas Vers 1 und in der Grammatik
4, 448 ff. abgehandelt hat. Irren würde aber wer in solchem tj'pischen
Beginne das Zeichen besonderer Alterthümlichkeit suchte; gerade so
auffälliges hält der Nachahmer für das Wesentliche. In der mit Recht
beanstandeten Einleitung zum Beövulf derselbe Gebrauch.
Bis V. 19 liest sich alles ohne Anstand. Bis 7" beherrscht ve ge-
frigen hahhad die Construction. Die Verse bilden eine allgemeine Ein-
leitung zu dem folgenden, von der aus die Erzählung auf die Einzel-
heiten weiterschreitet. Ganz ähnlich im Beövulf, wo von den Versen,
welche den Sagenstoff bezeichnen, dem die Erzählung entlehnt ist,
übergegangen wird auf Skyld Scefing. Vers 8 tritt aus dem Abhängigkeits-
verhältniss heraus und knüpft mit pone an Moses an. Gott begabt ihn
in der Wüste mit seiner eigenen Gewalt, verleiht ihm Wunder. Er M'ar
Gott lieb, ein tüchtiger Volksführer. Nun wird erzählt wie er Pharaos
Geschlecht strafte, als ihm der Herr seiner Mage Leben und Erbsitz
den Söhnen Abrahams verlieh.
Vers 19 dagegen bringt uns nicht weiter. Was handledn sein soll
ist unklar, 19"^ wiederholt das 10* bereits Gesagte. Ebenso ist ])ä väs
forma std pät hine veroda god vordum ncegde im Widerspruch zu Vers
8 ff. und bringen V, 25 ff. ganz zur unrechten Zeit eine Erinnerung
an die Genesis. Mit 30, welcher Vers sich an 29 nicht im geringsten
anschließt, kehrt die Erzählung auf einmal wieder zu Pharao zurück.
Die Verse 31. 32 sagen wieder nichts anderes als 9 und 10 und sind dazu
da, den Einschub 19 — 29 an die folgenden Verse anzuschließen, denn
echt sind erst wieder 33 ff., welche die gyrdvite weiter ausführen :
Faraones cyn
godes andsacan gyrdvite band
jDser him gesealde sigora valdend
modgum magursesvan bis mäga feorh
onvist edles Ahrahames sunum.
J)ä väs iugere ealdum vitum
deäde [gedrenced] drihtfolca msest.
Das pä in Vers 30 hat erst jetzt seine Bedeutung, in der Über-
lieferung ist es unverständlich und nicht am Platze. Der Einschub hat
auch ein seltsames Mißverständniss hervorgerufen, der Ausdruck on
fordvegas ließ einen Corrector offenbar jetzt schon, also sehr zur Un-
zeit, an den Untergang der Ägypter im rothcn Meere denken, denn
ANGELSÄCHSISCHE STUDIEN. 295
das Verbum gedrenced steht auf Rasur von späterer Hand (Sievers in
der Ztschr. f. D. A. 15; 459) und ist offenbar auf die angedeutete
Weise an die Stelle geratlien. Gut schließt sich an, als Folge der
Strafen und des Todes der Erstgeborenen
älyfed lädsid leode gretan.
Vers 45 wiederholt unpassend schon Gesagtes. Vers 49 ist in
diesem Zusammenhange unverständlich, 51 trägt einen Gedanken nach,
der füglich früher besser am Platze gewesen wäre. Die Erzählung
schreitet erst fort Vers 54, der sich wieder an Vers 44 anschließt.
Das Folgende gehört aber kaum noch dem ausgehobenen Stücke
an. In Vers 59 ist der Ausdruck gearve bceron entlehnt von Vers 193.
Dieser lautet
güd|3red,t gumena gearve bseron
Also auch das allitterierende Wort güd ist in dem nachgedichteten
Verse verwendet, und dieser Nachahmung verdankt auch gewiß der
Volksname Guämyrce seine Entstehung. Nachgebildet ist er dem Al-
tnyrcan des Andreas. Die mit güd, heado zusammengesetzten angel-
sächsischen Volksnamen zeigen sämmtlich in ihrem zweiten Theil den
vollen sonst gebräuchlichen Namen des Volkes und treten giiä. u. s. f.
nur wie ehrende Attribute vor [vgl. Arscildinga Be6v. 464]. Güdgedta
Beöv. 1538 neben dem häufigen einfachen Gedtas, GüdsciJfingas Beov.
2927 neben Scylfingas u. s. f. Myrce erscheint aber nirgend für dieses
Volk; im Gegentheil muß nach dem Bildungsgesetze dieser zusammen-
gesetzten Volksnamen jeder Angelsachse an die Bewohner von Mercia
gedacht haben. (Vgl. Jac. Grimm Andreas und Elene XIX, wo dieselbe
Besorgniss mit Rücksicht auf Almyrcan ausgesprochen wird. Mit Un-
recht wie ich glaube. Mit äl tritt kein Volksname zusammen, es ist
in dem gegebenen Falle nur an das Adjectivum myrce getreten und
Almyrcan muß bedeuten ,,die ganz schwarzen", von einer Verwechslung
mit Myrce, Bewohner von Mercia, kann also nicht die Rede sein.)
Vers 60 ist unverständlich und ist offenbar gedichtet mit Hinblick
auf die folgende Fytte; es kann nur die Wolke gemeint sein, von der
Vers 73 redet. Ebenso verräth Vers 63, daß er seine Entstehung der
Absicht verdankt, die Einleitung mit der zweiten Fytte zu verbinden.
Diese erzählt Vers 87 von einem dritten Nachtlager der Israeliten, da
schien es noth wendig der zwei früheren zu erwähnen, was freilich
in der möglichst ungeschickten Weise geschah. Ich halte übrigens
pridda in Vers 87 für einen alten Fehler, der dann den Einschub der
in Rede stehenden Verse veranlasste. Drei Tagweiden bis zum rothen
Meere kennt auch die Vorauer Exodus 43, 12, und das wird einer
296 STKOBL
altkirchlichen Quelle entsprechen. In unserer Exodus gelangen die Is-
raeliten jedoch erst am 4. Abend ans rothe Meer 134^ man sieht nicht,
wohin sie am dritten gekommen sind.
Zunnchst hebt sich also aus der ersten Fytte als zusammengehörig
heraus: 1 — 18. 33 — 44. 54. 55. Die Einschübe sind theils gesprächige
Ausführungen, wie 19 — 32. 45 — 53, theils sollen sie den Übergang
vermitteln.
Was von der ersten Fytte echt ist, ist eine Einleitung zu einer
Geschichte des Zuges der Israeliten zu dem rothen Meer. Alle dem
Auszuge vorhergehenden Begebenheiten sind kurz zusammengefasst,
verständig dargestellt.
Haben wir aber die Einleitung desselben Dichters, der die fol-
genden Haupttheile dichtete? Ich glaube nein. Ganz abgesehen von
der Verschiedenheit des Tones in beiden Theilen, gehören die Haupt-
unterschiede in dem Wortgebrauche gerade der ausgeschiedenen Ein-
leitung an. Weiters zeigt sich, daß der Dichter der folgenden Theile
nur einen ganz bestimmten Theil der Exodus hervorhebt und behandelt.
Ein nach bestimmtem Plane arbeitender Dichter hätte auch schon in
der Einleitung davon Kunde geben müssen. Und dieser Theil der
Exodus ist die Ei-zählung von dem Durchzuge der Israeliten durch
das rothe Meer. Der Dichter hat seiner Erzählung auch in einem
Grundgedanken eine große innere Einheit zu geben gewusst.
Zu Anfang und Ende der Erzählung wird auf Joseph hingewiesen
Vers 140 fr.:
vajre ne gfmdon
J)eäh ])e se yldra cyning aer getidode
Jjä he veard yrfeveard in gefolca
manna äfter mädmum })ät he svä miceles ge]3äh,
bei welcher Stelle Grein mit Recht auf I. Mos. 47, 18 — 20 hinge-
wiesen hat.
Dazu halte man 584 ff. :
ongunnon sseläfe segnum dselan
on ydläfe, ealde mädmas,
reäf*) and randas: heom on riht seeode
gold and goldveb. Josephes gestreon
Vera vuldorgesteald
*) Man wird nicht mit Grein „Roben" oder Boutervvok (Cädmon I 259) „Raub
(Gewand)" übersetzen dürfen, sondern re/if wird wie im ags. Walther brünne bedeuten.
Bord und byt-ne bilden die Stäbe in Beovulf 2673, Byrhtnoth 284, byiii and byrdu-
icrüd Be6v. 2660 bord . . byrnhomas .Jud. 192.
angelsächsischp: studien. 297
Also an beiden Stellen ist von den Schätzen Josephs die Rede,
einmal , wie der Agypterkönig sie gewann , das andere Mal , wie die
Israeliten sie wieder zurück erhielten. Erinnern wir uns, daß in II Mosis
der Gedanke schon vorbereitet ist, so werden wir als den Grundge-
danken der Exodus erkennen die Wiedergewinnung der Schätze Josephs.
Bei der Bedeutung, welche der Schatz in Leben und Sage der alten
Germanen hatte, wird man es trefflich finden, wie der Dichter die
altbiblische Geschichte unter diesen Gesichtspunkt brachte. Der Kampf
um den Schatz ist der nationale Gedanke der alten Erzählung einge-
gossen. Bei der Naivität, mit welcher die Angelsachsen biblische Ge-
schichte in ihren Gedichten behandeln, darf es uns nicht wundern, einen
Dichter zu treffen, der bei der Wahl, Anordnung und Ausdehnung des
Stoffes sich von einem nationalen Gedanken leiten lässt. Der Dichter,
der aber so arbeitete, mußte aber entweder ein Volksdichter gewesen
sein oder an die Stelle eines Volksdichters haben treten, die alten
Heldenlieder durch andern Stoff in ihre Form gebracht haben ver-
drängen wollen.
Eine fortgesetzte aufmerksame Betrachtung des Gedichtes wird
die Frage beantworten. Man wird bemerkt haben, daß ich die zweite
Fytte vor der Hand übergehe, ich bitte dieserhalben um Nachsicht, sie
wird an richtiger Stelle ihre Würdigung finden.
Die Einleitung hatte mit den Versen geschlossen
lyrd väs gefysed, from se J)e Isedda
modig magorsesva msegburh heora.
Wie wir den Dichter kennen gelernt haben, der vieles nur an-
deutungsweise behandelt, so genügen ihm diese Verse, um die Fahrt
der Israeliten bis zum rothen Meere zu schildern und mögen sie gleich
vor 135 gestanden haben:
jjser on fyrd hyra fserspell becvom etc.
Die Verse 145 und 151 geben die Motive an, warum die Ägypter
den Juden feind wurden und sie nun verfolgen. Vers 145 ist, wie Grein
richtig vermuthet, änvig zu lesen, es wird gemeint sein, was 2 Mos. 2, 12
erzählt wird. Die anderen Verse lauten 150
voldon hie })ät feorhleän fäcne gyldan
jaätte he J)ät dägveorc dreöre gehöhte
Moyses leöde.
Das he 151 muß sich auf Moses beziehen und deuten die Verse
auf den Tod der Erstgeborenen, wie Vers 199, wenn auch hier hroäor-
gyld immerhin auffallen muß. Das letztere Motiv kennt die Bibel eben-
sowenig, als sie aus dem von Moses verübten Todschlage die obige
298 RTROBL
Folgerung zieht. Der Gedanke liegt zwar sehr nalie und die Milstädter
Exodus Diem. 159, 21 verwendet ihn ebenfalls:
div chint ligent uns tot, nu habent si uns beroubot,
ohne ihn jedoch wie unser ags. Gedicht als Motiv in den Vordergrund
zu stellen.
Gieng unserem Gedichte etwas voran, das die vorhergehenden
Theile der Exodus behandelte, so wäre eine solche Wiederholung der
Thatsachen unerträglich. In unserem Falle ist aber die Exposition
vollkommen tadellos. „Gefährliche Kunde kam den Flüchtigen , sie
harren des Feindes, der längst alte Versprechen vergessen, die Israe-
liten bedrängt hatte, seit er um einen Einzelkampf ihnen gram wurde.
Nun wollen die Feinde Rache nehmen, dafür, daß die Israeliten das
Tagwerk vergalten mit Blut."
Wir stehen also am Beginne eines Gedichtes, das nach Art des
epischen Volksliedes auf die Bekanntschaft der Hörer mit dem Stoffe
rechnen kann. In einigen kräftigen Zügen wird die Situation gezeichnet.
Die Worte vräcmon und lästveard rufen ganz bestimmte Vorstellungen
hervor, um wen es sich handelt wird Vers 141 klar, se yldra cyning
setzt bei dem Hörer dasselbe voraus, wie
Hygeläces Jjegn
god mid Geätum.
Nur wenn wir dem Gedichte gegenüber diesen Standpunkt ein-
nehmen wird der Ausdruck se yldra cyning verständlich, jeder Dichter
einer vollständigen Genesis und Exodus hätte sich dieses Ausdruckes
nur bedienen können, wenn er innerhalb seines Gedichtes hätte Er-
klärung finden können. Vergebens suchen wir nach einer solchen. Es
bleibt nun also nur unsere Annahme. Steht diese fest, so darf uns,
daß der Dichter auch weiters an seine Hörer dieselben Voraussetzungen
stellt wie der eines epischen Volksliedes, nicht mehr Wunder nehmen.
Zu ändern wird daher sein hyra, diese Beziehung hat der Dichter
der Einleitung hergestellt. Etwa
Jjser^on fyrd frecne fserspell becvom.
Die Verse 161 — 171 erregen Bedenken. An formelhaftem reiche
Poesien wie die angelsächsischen fordern verschärfte Beobachtung, ob
gewisse, geläufige epische Ausdrücke ;, Schilderungen auch am Platze
sind. Wir haben es hier mit den Ausführungen zu thun, wie sie ags.
Dichter bei Erzählungen von Karapfzügen, lieben.
Ich führe, um zu prüfen , nur drei Stellen an. Aus der Genesis
die eine. Es handelt sich um den Krieg der Elamiter u. a. gegen die
Könige von Sodoma und Gomorrha. Da heißt es 1983 f.
ANGELSÄCHSISCHE STUDIEN. 299
sang se vanna fugl
imder deoreäsceaftum dedvigfeJera
hrses on venan
Eine Schilderung, die dort ganz am Platze ist. Unsere, die es, wie sich
zeigen Mnrd, nicht ist, die auch über das Formelhafte hinaus zur Stelle
aus der Genesis stimmt, muß aus dieser entlehnt sein. Man vergleiche
deävigfedere 163 (nur hier und an der betr. Stelle der Genesis), vonn 164,
setes on venan 165. Daß aber die Schilderung in der Exodus nicht
am Platze ist, zeigt deutlichst der Ausdruck ofer drihtneum, denn es
gibt noch gar keine Leichen, zu dem ist atol sefenleod aus Vers 201
entlehnt. Unwahr ist für unsere Stelle ßedh fcege gast folc väs gehnceged.
Wie trotz des Formelhaften Dichter diese Formeln nur am pas-
senden Platze mit den durch die Situation bedingten Veränderungen ver-
wenden, zeigen zwei weitere Stellen, die ich anführen will Byrhtnoth 106 f.
J)ä veard hream ähafen, hremmas vundon
earn seses georn : väs on eordan cyrm.
Maßvoll ist auch der Dichter der Judith, wo er diese Formel
gebraucht.
Die Juden ziehen gegen die Assyrer 204 f.
dynedan scildas,
hlude hlummon; ]3äs se hlanca gefeah
vulf in valde and se vanna hrefn,
välgifre fugel : vestan begen,
])ät him ])ä Jjeödguman ])ohton tilian
fylle on fsegum; ac him fleah on laste
earn setes georn ürigfedera
salovigpäda, sang hildeleöd
hyrnednebba.
Trotz der breiten Ausführlichkeit geht der Dichter nicht mit einem
Zuge über das hinaus, was in seiner Darstellung volle Begründung
findet.
Die Verse 170. 71 haben offenbar die Aufgabe den Übergang
von der Interpolation zum alten zu vermitteln, außerdem ist mir das
Wort pegn verdächtig. Dieses, ein Lieblingswort der Genesis, in der
es als Simplex zwölfmal erscheint, trifft man in der Exodus nur hier
und außerdem das Compositum metepegn in der nach den bisherigen
Erörterungen schon nicht zum Liede gehörigen zweiten Fytte. Es findet
sich wiederholt in jedem größeren ags. Gedichte, als ana^ eiQO/.i. nur
noch in der Cynevulfischen Juliana. Cynevulf bedient sich des Ausdruckes
300 STKOBL
in seinen anderen Dichtungen und wäre es der Untersuchung werth,
warum ihn die Jul. meidet.
Streichen wir die bezeichneten Verse, so passt alles wieder vor-
trefflich zusammen. Die Israeliten sehen das Heer Faraos heranrücken
Jjüfas Jjunian, ])e6d mearc tredan,
gäras trymedon, güd hvearfode,
blicon borhreödan, byman sungon.
Him ]53er sigecyning vid })one segn foran
manna Jiengel mearc }>reäte räd.
In der Fytte IV ist der Ausdruck hycgan on eilen 218'' beachtens-
werth. Er findet sich wieder in dem Bruchstücke von dem Überfall in
Finnsburg 11 :
habbad eovre handa, hicgead on eilen
vinnad on orde, vesad onmode.
Synonym ist hicgan in anderer Verbindung Byrhtn. 128:
bäd ]3ät hyssa gehvylc hogode to vige.
In hycgan on eilen liegt jedesmal eine Aufforderung zum Kampfe,
wie auch in der Exodus der gleichfolgende Halbvers heran heorht searo
bestätiget. Schon die ausführliche Schilderung des Auszuges der Ägypter,
die schlachtbereit heranrücken, musste, sollten wir es nicht mit einer
müßigen Schilderung zu thun haben, einen Kampf erwarten lassen.
Wir werden einen solchen später wirklich finden. Von einer unpassenden
Ausführung, wie oben Vers 161 ff., kann also hier nicht die Rede sein.
Übrigens kann die volksthümliche Frische dieser Verse niemand ent-
gehen.
Was Grein zu 240 aus dem md. Ritterspiegel beibringt, passt
nicht. Im R. wird von den alten Rittern nicht Kampf sondern Rath ver-
laugt. Eher ist zu denken an Tacitus Germ. 31 jamque canent insignes
et hostibus simul suisque monstrati.
Zu dem Vorhergehenden stimmen aber wieder gar nicht die
Verse 247 — 251. Die Israeliten haben sich gesammelt am Strande des
Meeres, von einem Fortschreiten kann nicht die Rede sein, man sieht
daher nicht ein, was sie von dem sidhoda erwarteten, zumal beim
wirklichen Aufbruch von der Führung durch die Wolke gar nicht die
Rede ist.
Im Vers 277 nimmt Dietrich Anstoß an Ufgendra. Und mit Recht;
lifgendra peöden (denn so wird mit Thorpe zu lesen sein) ist niemand
anders als Gott, für Moses wäre die Bezeichnung höchst ungeschickt.
Grein sucht zu helfen, indem er annimmt lifgendra solle einen Gegensatz
bilden zu dedde fedan, ein solches AVoi-tspiel wäre, abgesehen davon, daß
ANGET.SÄOHSISCHK STT'DIEX. .^iOl
die Antithese durch die dazwischen stehenden Verse ziemlich abge-
schwächt ist. geradezu läppisch.
Aufschluß über den Sachverhalt giebt das zweite Buch Mosis.
Cap. 14, 13 beruhigt Moses das Volk, Vers 15 folgt die Aufforderung
Gottes an Moses den Stab zu erheben und das Meer zu theilen.
Die Verse 259—275 enthalten so ziemlich eine Paraphrase der
Bibelverse 13 und 14 in II Mos. Cap. 14. Die Verse 278 ff. sind aber
nicht entsprechend Vers 15 der Bibel im Munde Gottes zu denken,
sondern Moses spricht sie. Vgl. 280:
hü ic silfa sloh and jjeos svidre band
grene täne gärsecges deop.
Die Verse 259 — 277 sind zu streichen. Die Aufforderung ne beöd
ge Py forhti'an 259 ne villaä eöv ondrcedan 266 ist unpassend und über-
flüssig nach Vers 218, nach dem Verhalten der Israeliten, wie es sich
der Dichter der vierten Fytte vorstellt. Und dieses Verhalten ist aller-
dings ziemlich unbiblisch.
Moses eilt vor das Heer sowie es versammelt ist und verrichtet
vor dessen Augen das Wunder. Ein Interpolator sucht die Erzählung
der Bibel näher zu bringen. Er schaltet nach 258 eine Paraphrase von
II Mos. 14, 13 und 14 ein. In dem Worte 278 ff. glaubt er eine Über-
setzung von II Mos. 16 zu finden. Da in der Bibel der Herr die Worte
spricht, so schiebt er zur Verbindung 276. 277 ein.
Vers 353 — 361 möchte ich wieder für eingeschoben halten. Sie
führen von dem sonst so strenge eingehaltenen Gedankengange ab.
Doch lässt sich das wegen der Lücke vor 446 nicht sicher darlegen.
Gewiß ist aber die sechste Fytte unecht.
Wir haben oben schon Bedenkliches im Sprachgebrauche gefunden,
daß sie die Erzählung der Vorgänge am rothen Meere gewaltsam un-
terbricht, liegt zu Tage.
Zu Vers 446 (3375 Bou.) bemerkt Bouterwek: „Hier knüpft die
meisterhaft auch künstlerisch ausgeai-beitete Darstellung von des ägyp-
tischen Heeres Untergang an 3259 (330 Grein) an." Es ist dieß un-
möglich, vor 446 muß etwas fehlen, solche Sprünge sind unserem
Dichter nicht zuzutrauen. Auch was das Lob künstlerischer Ausführung
anlangt, so wird dasselbe auf die vorliegende Überlieferung kaum
Anwendung finden können.
Vers 447 geofon dedde hveöp sagt dasselbe wie Vers 477 hrim-
herstende hlödegsan hveöp; wie 447 das Verbum, so entlehnt 446 dem
späteren Verse das Wort hlodegsa, dem flodegsa nachgebildet ist. Vers
448 vceron beorhhlidu hlode hesfemed sagt dasselbe wie 476 väs seo hcevene
302 STROBL
lyft heolfre gehlanden. Vers 455 heißt es ne pcer cenig becvom herges to
käme, dasselbe wird 507 noch einmal gesagt for päm päs heriges häm
eft ne com cenig to Idfe. Vers 463 sagt randhyrig vceron rofene, doch
hinwiderum 467 hedh ofer häledum holmveall ästäh und holmveall meint
doch dasselbe wie randbyrg , die Wellenberge. Vers 466 steht mitten
in der Schilderung der Noth so unpassend als möglich vighord scinon.
Die Verse 446 — 466 sind zu streichen, sie enthalten Wieder-
holungen dessen, was an späterer Stelle passend gesagt ist, verwirren
die durchdachte geordnete Erzählung. Denn während die Interpolation
die Noth der Ägypter malt, ist 467 fF. erst von der Bedrängniss der
Israeliten die Rede, der Ägypter Untergang wird erst später abge-
handelt.
„Hoch über den Helden stieg der Flutwall in die Höhe, die
Schaar war in Todesnoth, ihr Fortgang behindert durch Nachstellungen,
der Sand wartete wann die Woge käme , die die Feinde ergriff" . . .
das ist doch nur die Schilderung der Situation der durch das
Meer ziehenden Israeliten. Unheimlich gefärhlich ist da durch zu
wandern, es dreuen die Meereswände, die den Sand suchen, den ge-
wohnten Pfad, der Fortgang ist gehindert, offenbar durch die an-
greifenden Ägypter. Das sagen deutlich die zusammenfassenden Verse:
„Es war die blaue Luft mit Blut erfüllt, das Meer drohte Schrecken,
der Seemänner Weg, bis Moses Hand die Muthige entfesselte" und
so die Israeliten befreite. Der Dichter muß also geschildert haben,
wie die Ägypter die Juden erreichten, sie im Kampfe bedrängten,
während die Wellenberge mit andern Schrecken drohten, bis Moses
dem Kampfe ein Ende macht*).
Nun rechtfertigt sich auch, warum der Dichter der Schilderung
der kampfbereiten Heere so bedeutenden Platz einräumt, die betreffenden
Verse erscheinen nun nicht mehr müßig.
Mit 481 erst beginnt die Erzählung des Unterganges der Ägypter.
Grein und Bouterwek haben sich durch den Interpolator irre
machen lassen und beziehen die Verse 467 — 478 auf die Ägypter.
*) Dem Dichter schwebt bei dieser Stelle offenbar Beöv. 2270 vor:
hordvynne fond
eald uhtsceada opene standan,
se ])& byrnende biorgas seced
nacod niddraca.
Wie ein nacud nydhoda sucht die See die alten Stätten wieder auf. Es ist nicht zu
Ijiugnen, daß unser Dichter sein Vorbild schön und selbständig benutzt. Keine Ver-
wandtschaft trotz des ähnlich klingenden Ansdrucks zeigt mit unserer Stelle _;Daniel
G32 nacod nytigenga, womit Nabuchodonosor bezeichnet ist.
ANGELSÄCHSISCHE STUDIEN. 303
Vers 519. 530 berufeu sich auf die h. Schrift, eine Berufung,
die, so häufig sie in der ags. Genesis sich findet, in unserem Gedichte
nur an dieser Stelle erscheint. Die frommen Betrachtungen, welche der
Anfang der VIII. Fytte enthält, verbreiten sich über die beliebten
Themen Himmel, Hölle, jüngstes Gericht und sind hier gar nicht am
Platze. Die Worte 551'' f. viindor ongeton^ modiges miidhcel (m. m. fasse
ich als Apposition zu vundor) dürfen von dem durch Moses Woi'te
hervorgerufenem Wunder Vers 478 ff. nicht so Aveit getrennt werden.
Die Verse 555 — 563 bringen unpassend die Verheißung Canaans^ wofür
in der Ökonomie unseres Gedichtes kein Platz ist. Vers 567 ist inso-
ferne verdächtig, als ja nicht der vuldres hedm, der in den echten
Theilen keine besondere Rolle spielt, sondern des Moses Wunder die
Juden gerettet hat. Die Verse 570 — 573 sind inhaltlich unbedeutend
und ungefüge gebaut. Ich streiche daher 515 — 547. 555 — 563*), 567
bis 573, wodurch wir einen wohlgefügten planmäßigen Schluß erhalten.
Ich lasse den kurzen Gedankengang des von mir aus der Über-
lieferung ausgehobenen Gedichtes folgen.
135 — 153. Gefahr verkündende Maere kommt den Wanderern.
Es erwartet der Vertriebene den leiden Verfolger, der das Volk schon
längst bedrängt, vergessen hatte, was der alte König einst versprochen,
als er Erbe ward der Völker. An all das dachten sie nicht, seit gram
wurden die Ägypter um eines Faustkampfes willen. Nun wollen sie
Rache nehmen dafür, daß Moses dieFrohnarbeit mit Blut zahlte. 154 — 160.
172 — 199. Aufzug des ägypt. Heeres. 200 — 207. Schutz der Israeliten
während der Nacht. 208 — 215. Nachtwache. 215—246. Aufruf des Moses.
Aufzug der Israeliten. 252 — 258. 278 — 360 Anrede des Moses. Wunder.
Das Israel. Heer zieht in das Meerbett. — Lücke. — 467—514. Die
Israeliten überfallen durch die Ägypter. Wunder Moses. Untergang der
Ägypter. 548 — 554. Anrede Moses angesichts des Wunders. Groß ist
die Menge, aber der Heerführer stark, der Hilfen größte die dieses
Heer fortleitet. 564—566. 574—578, Freude, Jubel des Volkes, das nun
erst am Lande ist. 578 bis Ende. Schlachtbeute. Wiedergewinn der
Schätze Josephs. Schluß.
Schon aus dieser kurzen Inhaltsangabe wird klar, daß wir es mit
einem einheitlichen, künstlerisch aufgebauten Gedichte zu thun haben.
Wer die von mir ausgehobenen Stellen im Zusammenhange liest, wird
*) Die E.xodus kennt sonst (63. 177. 254) vom Verbum hdtan nur die Form mit
erhaltenem Keduplicationsvocal lieht, nur 557'' erscheint die contrahierte geMt. Ich
setze die Bemerkung in die Note, weil ich wohl weiß, daß auch sonst die Formen
wechseln u. z. B. im Daniel neben 15 het ein einziges heht in Vers 704 erscheint.
304 STKOBL, ANGELSÄCHSISCH?: STIDIEN.
(ließ noch doutlicher erkennen. Die Lücke niuü, das können wir bei
dem symmetrischen Bau schließen, den Zug der Ägypter in das Meer-
bett enthalten haben, dem der Angriff auf die Israeliten gefolgt sein muß.
Wenn der gesaramten geistlichen Litteratur der Angelsachsen der
Stempel des Volksthümlichen aufgedrückt ist, so geht unser Dichter
weiter. Er wählt aus der bei den Deutschen so beliebten Exodus den
ihm und seinen Hörern zusagenden Stoff, legt ihm einen Grundgedanken
unter und behandelt ihn auf seine Weise. Der Bibel gegenüber ver-
hält er sich vollkommen frei, er hat sie wohl nicht vor Augen gehabt,
dichtet aus Erinnerung. Denn nichts deutet auf eine unmittelbare Be-
nutzung der Bibel durch unseren Dichter.
Ebenderselbe Umstand erschien einem späteren Interpolator ein
Mangel, Ihm verdanken wir alle jene Stellen in welchen eine Vermitte-
lung mit dem Bibeltexte gesucht wird, die oft unglücklich genug (Vers
259 — 277) ausfällt. Demselben Streben verdankt auch die ganze zweite
Fytte ihre Entstehung. Der Interpolator, ein ziemlich nüchterner Kopf,
sucht seiner Interpolation durch Verwendung formelhafter Ausdrücke
den Schein des echten zu geben. Wie unglücklich er dabei ist haben
wir gesehen, die zweite Fytte verdankt ihm ihren unerträglichen Schwulst.
Wo er aus dem ersten Grunde keinen Anlaß zu Interpolationen hat,
bringt er dieselben oft bloß aus Liebe zum Pathos an. Von solchem
Schwulste ist freilich die Interpolation 259 — 277 frei und könnte man
daher zwei Interpolatoren annehmen. Doch da die zweite Fytte den
Schwulst zeigt, wie das Bestreben, aus der Bibel die vergessene Wolken-
säule und die Feuerzeichen zur Nacht nachzutragen, so werden wir
Avohl sagen müssen^ in den Versen 259 ff. habe der Interpolator dem
Bibeltexte gegenüber in der Paraphrase der Rede seiner Gewohnheit
Zwang angethan.
Von diesem Interpolator ist aber jener verständige Kopf, dem
wir die Einleitung verdanken, zu trennen.
Erst bekam das Gedicht die Einleitung, dann folgten die Inter-
polationen, endlich wurde die Einleitung wieder interpoliert.
In der Halle Heort
väs hearpan sveg,
svutol sang scopes. sägde se J)e cüde
frumsceaft fira feorran reccan,
cväd ])ät se älmihtiga eordan vorhte
vlitnebeorhtne vang u. s. f.
Be6v. 89 ff.
STROHL, ANGELSÄCHSISCHE STUDIEN. ."^OÖ
Wenn auch die Einleitung dem ursprünglichen Beovulfliede nicht
angehört, so darf sie doch hier angezogen werden, um nachzuweisen,
daß schon früh an Höfen die alten Heldenlieder durch Lieder von
geistlichem Inhalte verdrängt wurden. Wenn mir also der Nachweis
gelungen sein sollte, daß in der ags, Exodus ein besonderes Gedicht
von den Schicksalen der Juden am rothen Meer sich erkennen lässt, so
wäre das keine für die ags. Litteratur unerhörte Thatsache. Dem-
selben Jahrhundert — K. Müllenhoff setzt die Zusätze zu den Beövulfs-
liedern wohl mit Recht ins achte Jahrhundert — gehört ein anderes
Zeugniss an.
Beda erzählt in seiner Kirchengeschichte von dem Northumbrier
Cädmon. Dieser, ein Dienstmann des Klosters Heorted, des Sanges un-
kundig, flieht, als er einst durch die Aufforderung zu singen beschämt
war, in die Einsamkeit. Im Schlafe erhält er die Gabe des Gesanges
und die Aufforderung die Schöpfung zu singen.
Eine Handschrift des Beda theilt eine Strophe northumbrisch mit.
Auch hier geistlicher Stoff, in jenen Kreisen, die einst das natio-
nale Heldenlied gesungen hatten.
Wir haben auch für die echten Theile unseres Liedes Benutzung
des Beovulf nachgewiesen. Eine Benutzung der unechten Partien des
B. dagegen ist nicht nachzuweisen, denn eine gleich richtige Ver-
wendung des Wortes folctoga, die unser Gedicht übrigens mit anderen
theilt, lässt noch auf keine Benutzung schließen. In die Zeit zwischen
die Entstehung der echten Theile des Be6vulf und die der Zusätze
wird also wohl unser Gedicht zu setzen sein.
Die echten Theile des Beovulf setzt es voraus.
Die Zusätze des Beovulf hinwiederum kennen, schon die That-
sache der Verdrängung altnationalen Stoffes im Liede durch geistlichen.
MÖDLING, im Juni 1875.
GERMANIA. Neue Reilie YIII. (XX. J;vhrg.) 20
30G CEDERSCHIÖLD
ZUR TEXTKRITIK VON VIER ROMANTISCHEN
SAGA'S.
Riddarasögur : Parcevalssaga , Valversjjättr, Iventssaga, Mirmanssaga. Herausgegeben
von Dr. Eugen Kölbing. Straßburg 1872.
Als ich vor einigen Woclien den Cod. Holm. 6, 4*° — um einen
Theil desselben abzuschreiben — hieher nach Lund entlehnt hatte und
auf der hiesigen Universitätsbibliothek benutzte, fiel es mir ein, zu
vergleichen, wie Kölbing diese Handschrift, auf welche er seine Aus-
gabe jener vier Riddarasögur gebaut, wiedergegeben hätte. Die Unter-
suchung wurde sehr bald von größerem Interesse, als ich es erwartet
hatte; ich habe sie deßhalb zu Ende geführt und alles, was sich von
jenen Saga's in der Membrane befindet (nur mit Ausnahme einiger
schwer leserlichen Stellen) — also bis p. 165 Z. 16 bei Kölbing — mit
der Ausgabe verglichen. Was ich dabei aufgezeichnet, theile ich hier
meistentheils mit; nur bedaure ich, daß mir die Zeit nicht erlaubt hat
die Handschrift mehr als einmal zu durchgehen; es sind gewiß viele
Dinge meiner Aufmerksamkeit entgangen und Vollständigkeit kann
nicht erreicht sein ; doch für die Richtigkeit meiner Angaben darf ich
einstehen, da ich die betrefienden Stellen mehrmals nachgeschlagen
und geprüft habe.
Tb. Möbius hat in der „Zeitschrift für deutsche Philologie" Bd. V
p. 217 — 25, eine sehr interessante und inhaltsreiche Anzeige der „Ridd-
arasögur" geliefert. In der Regel werde ich die von ihm schon be-
sprochenen Punkte nicht berühren; eine erste, allgemeinere Bemerkung
aber will ich an eine Äußerung des hochverdienten Mannes anknüpfen.
Er sagt (a. a. O. p. 218): „Übersicht des Inhalts und Columnenüber-
schriften werden ungern vermisst." Gewiß! und Kölbing hat überdieß
noch die Capitelüberschriften der Handschrift gänzlich aus-
gelassen. Diese sind mit rother Tinte geschrieben, zwar zum Theil ein
wenig verwischt, jedenfalls aber nicht undeutlicher als die zwei ersten
(ebenfalls rothen) Zeilen der Parcevalssaga, die Kölbing doch hat
lesen können. Die Überschriften der ersten Capitel der Parc. s. gebe
ich hier (meistens normalisiert) als eine Probe:
[Cap. III Parceval kom tu Artus konungs.
[Cap. HI] Parceval drap ranäa riddara.
[Cap. IV] lonet segir konungi frd Parceval.
ZUR TEXTKRITIK VON VIER ROMANTISCHEN SAGA'S. 307
[Cap. V] (Parceval) .... {p)roff\r goda manni [= Parceval
nam ipröttir af hinum göda manni?].
[Cap. VI] Af göda manni ok Parceval.
[Cap. VII] Harmtölur jungfrüinnar [Ende nicht ganz sicher].
[Cap. VIII] Parceval talar viä meyna [Ende etwas undeutlich].
[Cap. IX] Frd Klamadio konungi ok hans mönnum.
[Cap. X] Parceval vann yfir Klamadium konung.
[Cap. XI] Parceval kom [ergänze: til] konungs ok fiskimanns.
[Cap. XII] Parceval fretti [etwas undeutlich] dauda mödur sinnar.
[Cap. XIII] Frd Parceval ok drambldta riddara.
[Cap. XIV] Kcei feldr af haki.
u. s. w.
Diese Überschriften, die, wie man sieht, nicht alles Interesse ent-
behren, würden die Übersichtlichkeit des Stoffes erleichtert haben.
Kölbing hat sie nicht einmal erwähnt.
Bevor wir zu unseren specielleren Bemerkungen übergehen,
schicken wir die Erinnerung voraus, daß wir für die richtige Classi-
fication der hierunten angeführten Fehler gar nicht verantwortlich sein
wollen ; wenn wir einen Fehler, vereinzelt oder wiederholt, fanden, war
es uns oft unmöglich zu schließen, ob er vom Herausgeber oder vom
Setzer herrührte — besonders da die Druckfehler so zahlreich sind,
was in einem Buche, das der Verfasser selbst zur „Leetüre für An-
fänger" (s. Vorrede S. I) empfiehlt, nicht wenig befremden muß.
Für Druckfehler also halten wir erstlich die folgenden ent-
weder mangelnden oder irrigen Längezeichen: 4'^ nattüran (vgl. 64 ^,
103'S 108«, 140^ 145«); — 13^* i; — 17^« pa (auch 77^^ 70"-^ 131*«);
— 18^1 mer (ebenso 67"«); - 20^ folkit (vgl. 22''«, 23', 147=^«, 154*'^);
— 32' pdr- — 57« halfdauda; — 66 ^'^ haskavad (vgl. 121'); — 77^
malmi; — 79" ogn-, — 80*« nand; — 84^^ Gerif^ — 86^ Hvarrgi; —
106'- hydi;— 108* talma- — 108**^ sva; — 108*^ bodit; — 109*^ svikja-
— 115- Ök; — IW^mitt (auch 118^2); — US" fridleysi- — 118« >inn;
— 122"' jarnstafnum (vgl 122'«, 128^«); - 122*» sA«//; — 125- innyfl-
in; — 125*^ pät; — 131*^ ridr\ — 146^^ akvedinn; — 153« mids- —
157"^ eilifrar (vgl. 157"); - 164« pys- — 164'« liß.
Ferner 5*« rausaka lies raunsaka] — 9"" risti 1. hristi; — 32^^'
Patt 1. pat; — SS'^' tili 1. til-, — 69^ hvdra- 1. hvdrra-; — 69* Hin
1. Hinn; — 69''^ tjedi 1. tSdi- — 99« hefr 1. hefir-, — 104' peira 1.
Peirra\ — 107*^' afsetr 1. afsettr; — 110'^ kcemi 1. kwmi oder kvcemi;
— 115*^ vdrar 1. vdrrar- — 131^* Öttadist 1. Öttaätst-, — 132^^ syst-
urr 1. systur; — 140^ giördist 1. gjördist (vgl. 145«' ", 146''' ,
20*
.^08 CEDERSCmÖLD
156^ 157'); - 16P ijjörl 1. (jjört; — 162** os 1. oss; — 165'" spaltara l
psaliara.
Soweit die Druckfehler. Obgleich zum Theil störend und viel-
leicht den Anfänger irre machend, könnten sie fast alle ohne Benutzung
der Handschrift berichtigt werden. Schlimmer sind diejenigen, dem
Herausgeber zur Last zu legenden Fehler, die durch ein Zusammenhalten
des Textes mit der Hs. sich ergeben. Ehe wir dazu übergehen, theilen
wir, der Übersicht wegen, unsere Bemerkungen in folgende fünf
Rubriken ein: I. Die Orthographie; II. Stillschweigendes Corrigieren;
III. Die Noten; IV. Unsichere Stellen; V. Unnöthige oder unrichtige,
vom Hrsgb. nicht angemerkte Veränderungen.
I. Was die Orthographie der „Riddarasögur" betrifft, hat Möbius
(cit. Schrift p. 221) nachgewiesen, daß sie zum Theil allzu alte, zum
Theil allzu junge Formen darbietet. Wir wollen nur nachsehen, in wie
fern die Pflichten gegen die Handschrift erfüllt sind.
Daß man zuweilen im Texte ein Wort entweder auf eine von
der normalen Rechtschreibung abweichende Weise geschrieben oder
in zwei verschiedenen Formen findet, kann — wenn es auch mit der
von Kölbing (p. IL) ausgesprochenen Absicht, er wolle die Orthographie
normalisieren und durchaus einheitlich machen, nicht recht wohl stimmt
— doch gar keinen Anstoß erregen. Nur möchte man in solchen Fällen
gern glauben, ja, man hat das Recht zu fordern, daß sich der Hrsgb.
dem handschriftlichen Gebrauch jedesmal näher angeschlossen habe.
Dieß ist aber sehr oft nicht geschehen, wie wir es durch einige Bei-
spiele zeigen werden.
Die Präposition 6r wird in A*) fast immer Or geschrieben; lir
finde ich nur bei 40^ und 112'^ {vr hudkimi), vielleicht auch 12'*'^, wo
der Vocal undeutlich ist ; an diesen Stellen schreibt K., wie billig, ur.
Das handschriftliche Or behält er anfangs, wie 5^, 6^, 8^^ 9', 14^, dann
beginnt er es in ur abzuändern, wie 18'*, 19^ 22", 29'^», 302^ 34 '^
50'5, 51«' '^^ 52'^'^, 58^ 59=*, 60', 62», 63'^' '* (dreimal), 68'*, 70", 81^
84'*, 85'«, 98' u. s. w. ; wieder lässt er das or erscheinen 116'^, darauf
ur 117", 119^*, und endlich Or 142^ {orlausn), 147^ {orskuräar), 1473«,
149", 155^' '^' '^ u. s. w. Welche Verwirrung!
ei für e, wenn ng folgt, ist in A die Regel; eng kommt — For-
men wie fengi 107'" (wo K. feingi schreibt; vgl. 68'-'^ 119'^ 126^^^,
150^), die wohl eigentlich e haben oder wenigstens gehabt haben, aus-
genommen — meines Wissens nur zweimal vor, in Mnga 20'^ und
*) Mit diesem Buchstaben bezeichnen wir mit Kölbing den Cod. Holm. 6, 4'"*.
ZUR TEXTKRITIK VON VIER ROMANTISCHEN SAGA'S. 309
lengi 110®; auch hat sich K. (s. p. L) entschlossen eing zu schreiben.
Wider die Hs. und seine eigenen Worte schreibt er doch eng 11^^,
2422^ 15^^- ^^, 18*^^ 23^^^ 31^ {fengit; das vorangehende gengit ist in A
verkürzt), 77*^^ 82'', 86'" ", 94^', 106^ \W'\
A hat 6^ heisl und 135''® hrigzU; Ersteres, in dem s zu behalten
wäre, wird von K. heii^l, Letzteres, in dem z aliein berechtigt ist,
brigsli geschrieben.
Als Neutr. Part. Prät. des Verb, skilja braucht A skilt \V\ W", 26",
llö""; diese Form ändert K. an den beiden erstgenannten Stellen in skillt,
lässt sie aber an den beiden letzteren stehen. (132'' schreibt er mit A skilit.)
Die 2 Sg. Imperat. des Verb, halda kommt in A in der Form
halt vor, 4^" und 58'; am letzteren Orte hat sie K. ganz unnöthig in
hald abgeändert.
A lässt sehr oft die Endungen der 1 Sg. (Präs. Ind. und Conj.
nebst dem Prät. Conj. sämmtlicher und dem Prät. Ind. schwacher Verba)
mit denen der 3 Sg. zusammenfallen; statt diese (ziemlich jungen)
Endungen an den betreflfenden Stellen entweder gar nicht oder überall
zu behalten, hat sie K. zwar in einer Menge von Fällen stehen lassen,
die handschriftlichen Formen aber ek hütr QV, 95^^, 13P, gefr ek 113^,
ek ser 92^', ek hefir 68=^", 81", 96^", 103 '^ heyrU ek 81''S ek hefcti
82^", ek vissi 126^" gegen die gewöhnlichen normalen vertauscht.
Die Form hädi (statt des mehr üblichen hceäi) kommt in A 7"®,
109"», 1231®, 131"', 147"", 149^ 1513®, 154'« vor; nur zweimal, 149'
und 15P®, hat es K. behalten.
K. scheint, wenn man aus der Note p. 63 schließen soll, die-
jenigen Formen in A, denen der w-Umlaut fehlt, behalten zu wollen;
warum also 28^* skömm (A: ska) schreiben? Skamm kommt übrigens
auch als Neutr. vor, s. Cleasby-Vigfüsson's Dictionary p. 565.
A hat 119' godzi, 130"^- ='" god^; auf p. 130 schreibt K. göii»,
auf p. 119 aber go^i. (131"^, wo A gozinu hat, schreibt er gözinu.)
Die verschiedenen Formen des Wortes hrott pflegt K. genau
wiederzugeben; warum nicht auch mit A 154^, 158" i braut und 64^*
i hroitu schreiben?
A hat ferner: 146"" einshverjum eben so gut wie 151^^ einshverja,
— 147® eyrendi wie U&'\ 147 ^ — 42", 43«' "" Saiha^ wie 42'®' '^
43'"' '^; — 126"® riokkiu, das nicht wie die andern Formen des Wortes
rekkja (64^' % 67"®' "^ 70"®) angeführt wird.
Das Obige mag genügen um zu zeigen, daß K. beim Normali-
sieren nicht selten mit einer Willkür verfahren ist, die ebensosehr den
310 CEDERSCHIÖLD
Sachverständigen über die handschriftliche als den Anfänger über die
normale Form in Ungewißheit lässt.
Über die Schreibart einzelner Wörter bemerken wir überdieß
Folgendes: A hat 25^* piJckisdögum, 75^ 'pilcisdögum, K. schreibt (wahr-
scheinlich nach Fritzner) pikisd.; es scheint doch ziemlich sicher, daß
mau (mit Vigfüsson, Dict. p. 476) pikkis- zu schreiben hat, denn aus
dem schwedischen ^pingst"' (vgl. Pfingsten, pentacoste) erhellt, daß
in pikkis- eine der im Altn. überaus gewöhnlichen Assimilationen aus
nk oder ng in kk vorliegt. — 77^ hat A klokku-, von K. in klukku-
geändert; Vigfüsson (Dict. p. 344) führt auch die Form klokka, und
zwar als die ältere, an. — 85^^ schreibt K. vazfall] warum sollte das
handschriftliche vat%fall nicht eben so gut sein? — 103'^ Vrient (auch
96"), wie K. schreibt (A hat urient, 96" allerdings vrient), ist in nor-
malisiertem Altn. ein Unding. — 134^ hat K. den kürzeren Dativ pessi
(A) ganz uunöthig in pessari verlängert. — 136' 'völkurn (K.) ist eine
Form, die wohl nie existiert hat, denn die Dehnung des a vor l mit
nachfolgendem m, f, p, g oder k scheint von gleichem Alter zu sein
wie der i<-Uralaut des a in ö (s. K. Gislason: Forandringer af 'Qvan-
titet' i Oldnordisk-Islandsk, in den „Aarböger for Nord. Oldk. og Hist."
1866, p. 248) ; man hat also das volkü (A) mit vdlkum wiederzugeben
(fO steht für vd, wie gewöhiilich; vgl. Kölb. p. L).
II. Offenbare, leicht zu berichtigende Fehler der Hs. hat K. bei
corrigiertem Texte manchmal in den Noten angeführt, ebenso oft aber
nicht. So hat er 27 ^), 100^), 140 ^j, 150'^) u. ö. mitgetheilt, daß er
Wörter von A gestrichen hat; er hat aber vergessen zu sagen, daß A
32^^ af sönnu zweimal (erstes Mal am Ende der p. 49b, letztes Mal
im Anfange der p. 50a) hat, 6P^ porir zweimal, 95'^ pin zweimal,
102*^ Sil hann hin fricta. Daß in A Wörter übersprungen sind, ist
3 ''), 5 ') «), 6 '), 8 V), 14'*;, 15 '), 16 ^), 17 ') u. ö. bemerkt, aber nicht
betreffend 62*" ] d gekk hann, 66' herra Valver , 106*^ ])viat hann
hafdi sagt. Sonstige kleinere Fehler werden angeführt z.B. 14 ^'»^ 19'^),
30*), 35 3), 36^^), 44 1), 66 '), 123-"'), 141 i), 145^)3), 155 ') ^j; nicht
bemerkt wird, daß A hat: 3^^^ svinnin für sveinninn, 13" hueren für
hver?»iyi, IT'^ fagur f. fagrt, 23"- synyz f. synist, 2A-^ j guds frid f. i
guds friäi{?), 24^^^ haf f. hafa, 3V undarlik t undarligt, 38"^ konungsin
f. konungsivs, 49' heimnum oder heminum f. heiminum, bl^^ hino f. hina,
63"^ ok skildinum f. or skildinum, 8&^ skildinnir f. skildimir, 93^* hellt
f. heilt, 95» ef ef f. ef ek, 95'^ ath pu 'fyrir latet' f. fyrirldtir , 109*^^
janfnnok f. jafnvijök, 112" mer ser f. med ser, 118^ byrbd f. hyrgd,
124*** stfiRi f. st^Ei d. i. stoerri, 125'^ vor f. var, 141^ lang f. langt,
ZUR TEXTKRITIK VON VIER ROMANTISCHEN SAGA'S. 311
145''* jafvel f. jafnvel, 146" konurnar f. konutinar, 156'" giodi f. gjördi,
16V* heyri f. heyra.
Es dürfte nicht ohne Bedeutung sein, wenn Fehler wie diese —
man könnte sie „lapsus calami" der alten Schreiber nennen — in den
Ausgaben exact belegt werden. Denn, auch davon abgesehen, daß
ein solcher Fehler dann und wann auf mehr als eine Weise (und zwar
auf eine bessere als diejenige, welche sich zuerst darbietet) berichtigt
werden kann, oder daß er bisweilen von einer wirklichen, wenn auch
irrigen Aussprache herkommt (dieß ist vielleicht der Fall 86' und 146'*,
s. oben) — haben diese lapsus für die Textkritik ein ganz besonderes
Gewicht dadurch, daß sie oft bei der Behandlung von Stellen, die
weniger leicht zu corrigieren sind, als ein trefflicher Leitfaden dienen
können*). Um hier nur ein Paar Beispiele anzuführen, wären die Schreib-
art hyrbd für hyrgä, (s. oben) zu hraull für graull (30"; s. K. Berich-
tigungen p. 219) und das janfmiok (s. oben) nicht nur zu daulizst f.
dvalizt (s. 123"^ und Note 3), sondern auch zu ofranad f. öfarnad
(159"; s. Möbius p. 223) gute Seitenstücke gewesen.
ni. Bei denjenigen Änderungen des Textes, die nicht zu den oben
besprochenen gezählt werden können, hat K. meistentheils in den Fuß-
noten die handschriftlichen Lesarten angegeben; in so fern diese richtig
raitgetheilt sind, brauchen wir uns dabei nicht aufzuhalten, denn in
solchen Fällen kann der Leser ohne die Hs. selbst zu sehen über die
Befugniss der Änderungen urtheilen; auch hat Möbius schon bezüglich
mehrerer Stellen erwiesen, daß die Lesarten von A zu behalten sind**).
Was wir zu zeigen haben, ist, daß K. einigmale in den Noten die Les-
arten falsch oder ungenau angegeben hat.
*) Eine geschickt zusammengestellte Statistik der lapsus calami der sämmt-
lichen altn. Handschriften würde in der Hand des Textkritikers ein sehr nützliches
Hilfsbuch sein. Wir zweifeln nicht, daß das Bedürfniss in der Zukunft eine Arbeit
dieser Art veranlassen werde.
**) Wir können nicht umhin nebenher noch für die folgenden Stellen die Les-
arten der Hs. zu vindicieren zu suchen. 5'^ Bann kysti hana po at 'nauägn (K. ändert
in naudgu), vgl. Cleasby-Vigfüsson's Dict. pö B III, 2, wo das Beispiel gef pü mir p6
at overdugri (da mihi quamvis indignse) aus Stj6rn angeführt wird. — 62' dürfte wohl
das peim richtig sein, nur muß man so interpungieren : ok man peim skemtan pikkji
at, hinum f'ögrum meyjum, er etc. 79*-'* kann man sehr wohl mit A lesen: Eyru ho_fcti
hann opin ok innan hdri vaxin svd mär immnr sem ä leöni; ein solcher
Wechsel der Casus ist gar nicht selten; vgl. z. B. Njäla (Kphfn. 1875) Cap. 31 Z. 24
bis 26 ; konungr gaf hdnum tignarklceäi sin ok glöfa guUfjallada ok skarband — ok gull-
km'dar ä — ok hatt gerzkan, Bandamanna saga (Lund 1874) 7^' hafdi kdpu avarta ok
ein ermr ä, 12"' ' p)ar tel ek fyrst sonn Snorra goda eda synir porgiU Arusonar etc.
312 CEDERSCHIÖLD
So finden wir an vier Stellen, daß die Hs. eben das in den Text
aufgenommene bietet, K. aber ihr Anderes beilegt. 42" hat A kauper,
das -er durch einen Querstrich unten am p angegeben; diese nicht
seltene Verkürzung des (lateinischen) Wortes oder der Silbe per kommt
auch 165*^ vor, wo es von K. richtig gelesen wird. — 131* steht in
K faair] das r ist ganz wie in i^iddarar (131') geschrieben. — 152'"
wird kann nicht von A ausgelassen (das ok aber, das K. dem kann
vorangehen lässt, findet sich nicht in A). — 154^ schreibt A /yrir
f\(Bndum\ das r ist also nur erst vergessen, später hinzugesetzt; von
dem 'far ist keine Spur.
12^° hat A mikil arnrrekendr; K. hat das erstere Wort ausgelassen.
— 14^^ hat A nicht nam sondern warn; ich leugne nicht, daß die Hs.
d (aa, da) sehr oft statt ä braucht; doch scheint d [aa, da) mit der
Geltung d bei weitem vorwiegender zu sein; so gefasst giebt es auch
hier eine gute Lesart: ok ndmfüss slikt at nema. — 32^' hat A nicht
hvar sondern hvor d. i. kvär. — 68^ giebt K. Jur als die Lesart der
Hs. an; A hat doch JtiE, was wohl zunächst Jurv repräsentieren
muß. — 130^ hat A meyia^ peirra; der Schreiber hat also erst Plur,
gemeint, dann das erstere Wort zu Sing, berichtigt, bei dem letzteren
aber die Berichtigung vergessen. — 162*^ schreibt A annat hvort, nicht
annathvdrt/i.
IV. In den Fußnoten wäre der Platz gewesen auch solche Stellen,
die zu mehr als einer Deutung veranlassen, näher zu besprechen,
und zwar die in jedem Falle möglichen Erklärungen anzugeben, damit
der Leser selbst wählen könnte. Besonders an den folgenden Stellen,
die wir zum Theil anders als K. auffassen, hätte^ glauben wir, dieß
geschehen sollen.
4^' 'Fair ]m sigrat K. ; A hat Faer. ae statt oi {^, e) habe ich an
keinem Orte in dieser Hs. gesehen; dagegen bedeutet das faer fäh'
(wie auch K. schreibt) 23^^ (Adj.), 34*^^ (Verb), 146»« (Verb). Man
könnte hier Bedenklichkeiten gegen den Conjunctiv hegen; ganz un-
passend wäre er doch nicht: die Mutter will vielleicht die Un Wahr-
scheinlichkeit der Bedingung hervorheben (vgl. Z. 14, 15 ofveykr
verdr pü i vdpnaskipti] s. übrigens Lund, Oldnordisk Ordföjningslsere
§. 118, p. 306). — 12' rann 'yfirmiklum straiimi K. ; mir scheint es, A
habe vielmehr mz, d. i. med, miklum\ doch sind die Züge allzu ver-
wischt, um die Lesart sicher festzustellen. — 14"^ fyllandi K.; ich kann
nicht anders sehen, als daß in A fullandi steht. — 15^ Eigi 'herst' svd
at gera K.; das Wort kann auch (vgl. K. p. LH, 2) hei-^' (= oportet;
vgl. Vigfüsson's Dict. bera C III} gelesen werden, was gut passt; was
ZUR TEXTKRITIK VON VIER ROMANTISCHEN SAGA'S. 313
die reflexive Form hier bedeuten soll^ ist mir nicht klar. — 32'^'^ Hai
K.; das Wort ist in A undeutlich, scheint aber Ho (d. i. H6) zu sein
(das ^ziemlich breit geschrieben). — 35^' Jjegar hon'kemr i karlmanns
leik K. ; man kann auch kernst lesen. — 84'* giebt K. an, daß in A stehe
'eU vcentir mik, und will statt dessen ek vcenti lesen; mir dünkt es,
daß A ok vamttr mik habe; das o ist jedoch nicht ganz wie gewöhnlich
geschrieben. — 114^^ at eingi riddari 'stendr hdnum K. ; das Wort kann
ebenso gut stendst gelesen werden, wie es B hat und die Bedeutung
fordert (vgl. 13P** und Vigf. Dict. standa C, 2). — 149^" Boeringr K. ;
A hat Bcernigr] doch kann der das i bezeichnende „broddr" etwas ver-
rückt sein (wie 25\ wo A jungfruin statt jungfrnni schreibt). Der Name
des Jarls kommt in A sonst nicht unverkürzt vor. — 162^ 'Hverr er
sd madr her med os [d. i. oss] er petfa hefir gjört K. ; zwar scheint in
A zuerst hu (d. i. hverr) geschrieben zu sein^ dann ist aber über der
Zeile ein t zugesetzt (dessen Platz durch ein Komma nach dem u an-
gedeutet wird) und das Kürzungszeichen ^ rechts mit einer Krümme
versehen, wodurch es wohl in o verändert sein soll; man hat also hu°t
(^= huort, hvdrt) zu lesen.
V. Wir kommen jetzt zu der wichtigsten, wie auch der letzten
Classe unserer Bemerkungen. Denn das Folgende ist eine Sammlung
von Stellen, wo der Text der „Riddarasögur", ohne daß dieß nur mit
einem Worte angedeutet wird, von der Handschrift ganz unbefugt und
unrichtig abweicht. Es scheint uns genügend die Lesarten der Hs. in
der Regel normalisiert anzuführen.
8'^' ^* aßa ser tipokka ok ''sviviräing^ K. ; A hat svivirdingav (Ge-
nit.). — 17* vid 'framferdar pinar K. ; A hat framferdir. — 31'° Hann
reid pd '^af stadnum K. ; A hat brott af stadnum. — 31^^ Pd var 'trygt
Pat er ml er ''hrygt' K. ; A hat trygd und hrygd (Substantiva). — 31**'
'LX' milna K.; XL A. - 35''' ßngrguU \it£ K.; 7nUt A. — 38^' Parc-
eval ''leii sem hann heyrdi ekki hvat hann sagdi K. ; in A steht lett,
d. i. let {let sem = er that wie); dieses lett kommt auch 35^', 63"*,
97», 102^2, 103', 1061«, 112'^ 136», 142i°' " vor, wo K. es richtig durch
let wiedergiebt. — 38^« at hinn kom nidr K.; A hat am Rande fjarri
dessen Platz in der Zeile durch ein Zeichen nach kom bezeichnet wird.
— 48 1» meyjar ok konur gengu i vigskörd %orginnar (\) K. ; A hat bor-
garinnar. — 57^ Nu hefr upp K.; Nii hefr her upp A. — 64^' ^ hjö snar-
liga til leönsins ok af hdnum ''höfud' ok 'foetmai' (!) K. ; A hat höfudit
ok fcBh^xa. — 65^ hat A vor Mdri die (von K. übersprungenen) Wörter
drottning mwlti. — 65^"^ at sönnu vdrum ver '^heimskar er letum hann
hrott faraK.] A hat pä heimskar er. — 68^'' schreibt K. hj/l "okkar
314 CEDERSCHIÖLD
einvigi, die Hs. hat aber ock" {■= ockro = okkru)\ ebenso hat K. 131'' *,
fyrir 'okkar skyld, wogegen in A oM"" steht, was nach der gewöhn-
lichen Schreibweise okkra bedeuten muß. Bei diesen Fehlern und liei
den Schreibarten K.'s 133^ dömandi ^ykkav (A: ykk", wie auch 133®,
wo doch K. ykkavr schreibt) ok allra 'yävar (A: ydu''), ldb""'yctvar'
(A: ydu') hüsböndi und 145'^* hvdrr 'okkar (A: okc'-, vgl. auch 184^
einn 'ydar, von Möbius, cit. Schrift p. 223, zu yäarr berichtigt), —
kann man nicht umhin zu glauben, daß K. doch auf das, was er vom
Gebrauche des Genitivs des Personalpronomens statt des Possessivs
(s. Kölb. p. LH, LIII) in zwei ziemlich unzuverlässigen Ausgaben ge-
funden hat, allzu großes Gewicht legt*) und von seinem Versprechen
(a. a. 0.) das Possessiv beizubehalten abgegangen ist. — 70'**' *^ hefir
nidr hrotit svd ^Idgt' pina angi^cedi K. ; A hat langt. — 7916-18 Jcvikendi
er svd vdru ^olin (!) ok vidrces K. ; A hat oUm d. i. ölm. — 83®' *
at aldri 'kaemi madr fyrr padan K.; A hat kvcemist; — 85*'~^® moettust
peir med^miklum ok opinherum fjdndskaj) [richtiger ^*an(isÄ:ap], sem hvdrr
cetti ödrum dauda sök at gefa K. ; A hat svd miklum. — 87 ^^' *^ Yfir
pvi hlidi var dregin ein feUihurä K. ; dregin upp A. — 94® vildi hon
K.; A: vildi hon pä (zuerst pö geschrieben). — 95^"^ Meerin mielti:
Nu ef tveir riddarar herklcedast til hardaga ok mcetast, hvdrr peirra hyggr
pü at vildari se, ef einn vdpnsoekir annan ok sigrar? Sa synist mer vil-
dari, sagdi früin, 'ew' hinn er yfir verdr kominn K.; A hat aber 'er enn\
wodurch es leicht ersichtlich wird, daß das Wort sigrast ausgefallen ist;
man hat also (mit B) Äa .... er sigrast enn hinn er etc. zu lesen. —
96'® — 91^ samir ydr at spyrja pd [d. i. „Eure Mannen"] rdds um konung-
inn er hingat er d ferd, hvar [falsch; A hat hu d. i. hverr] til er at
halda sidum [sie! statt sidum] ydrum ok verja kelduna; ok seg peim at
einn riddari frcegr ok cettgödr %idr ydar ok vill ydr püsa K. ; A hat
hydr ydv [sc. petta oder at halda sidum ydnim ok verja kelduna]. Hier
ist die Stelle zu bemerken, daß K. auch 49'^'-* und 62^*^ gegen die Hs.
hid statt hl/d schreibt. — 97'* med svd '^marghdttudum' (!) starfi K. ; marg-
hdttudu A. — 97 '^^ tjdr 'pat' nü ekki leingr at leynast K. ; A hat per. —
104'' ® Varnü pangat hodit hiskupum ok harilnum' ok jörlum ok riddarum**}
K.; in A kann ich das ok (vor jörlum) nicht finden; der Wohlklang
*) Daß man jenen Gebrauch in den Papierhs. des 17. und des 18. Jahrh. findet
(wie in der That der Fall isti , kann natürlich für die Kritik dieser Texte wenig Be-
deutung haben.
**) Diese incorrecte Form, statt ridditrvm, begegnet unsjauch 4^', 5^^ 18'^ 24'^,
36'". 42*S 42'» (zweimal), 43«' •*' '', 51", 101'", 108'\ 109'' ', 134'-^; riddwum schreibt
K. 151'", 152", 162'*; A hat das Wort überall verkürzt {E"').
ZUR TEXTKRITIK VON VIER ROMANTISCHEN SAGA'S. 315
gewinnt auch, wenn es wegbleibt und die allitterierenden Wörter hisk-
upum ok barünum. ein Glied bilden ; vgl. übrigens Lund, Oldnordisk
Ordföjningslsere §. 156 p. 404 — 405. — 104*^' *"* svd vandliga föru '^par
med hdnum hans riddarar, at eingi sat eptir K.; A hat peh'. — 109*'' *^
Nu sendi hon per pau ord at pii vitir hennar aldri ^ eptir K. ; A hat
Optar. — 113^^' ^ pd var kann vordinn svd 'matlauss, at kann gat eiyi
gengit K. , mättlauss A; vgl. 179'* ^matUtüt, von Möbius (p. 223) zu
mättlitill berichtigt. ■ — j 1416-18 p^ ^j^ kann spjötü ok braut svd mörg
fyrir sinum ilvinum at 'feil tiu hiindricd' [das Verbum in Sing. !] fyrir
kveldK.'^ A hat vel XC\ hiernach ist wahrscheinlich vdru (das ge-
wöhnlich v° geschrieben wird) ausgefallen. — 129^' ^ ' pd var sem peir
heiddust K. ; A hat nicht pd, sondern ^j, d. i. pat, das jedoch von einer,
wie scheint, späteren Hand in P'', d. i. par geändert ist. — 134^*' ^^
gangari sie hon upp d Kann ok reid til er ^hann kom tu keldunnnr
K. ; A hat hon. — 140'* fdr er vamma 'vani K. ; A hat vanr. — 142^' '*
ok va;ri ^nikit' hetra at pü koemir ekki i heim. K. ; obgleich in A der obere
Theil der beiden letzten Buchstaben (das Wort steht am Ende der
ersten Zeile der Seite) abgeschnitten ist, kann man sehr wohl sehen,
daß der letzte o ist; hieraus ist leicht zu folgern, daß ma,n myklo, d.i.
miklu, zu lesen hat. — 143*' ^ ok var hann pd ^Xllf vetra gamall K. ;
A hat XIIII {dsis dritte / ist um ein wenig kürzer und das vierte er-
mangelt des „brodd"); vgl. 142'^ er ml sveinn XIII vetra und 143^' ^
mödir hans let hann pö vera heima um vetrinn. — 144^"^ '^lidu fram nökk-
urar stundir K. ; A hat lidi, d. i liddi, hier unpersönlich gebraucht;
s. Vigf. Dict. Uda B I, 2. — 145*^ '' Mikill pokki er mer d godvilja konungs
K. ; A hat mikil pokc, d. i. mikil pökk. — 146'^ pessu K. ; pvisa A. —
147*''' ^^ Svd lidr nü fram at peirri stundu er til var '^cefladf K.; A hat
cetlot, d. i. cetlud. — 14734-36 ^.^^, par pd dyrlig veizla, er Hlödver konungr
veitti hrullaup sitt ok stöd ' Vllf daga K. ; A hat VII. — 148^ 'vdnum'
hrddara K. ; A hat vonu, d. i. vdnu; ein dunkler Fleck des Pergaments
über dem u hat wahrscheinlich den Irrthum K.'s herbeigeführt. —
148*^ um hinar smwri 'ipröttar K. ; iprötti/i" A. — 152^^' ^^ settist Mir-
mann ncer jarli ok 'Brigidu mödur hans K. ; A hat Bg' mod\ d. i. Brig-
ida mödir. — 155* add. A nach pik: S. M., d. i. segir [oder sagdi]
Mirmann. — 156" 'er hann drap K.; A hat pä er. — 158*^' *" setti hjdlm-
inn '{(!) höfud ser K.; ä A. — 160*^— löl*^ En peir gdfu allir eitt rdd
til, at hann kalladi üt her sinn ok foeri i möti Boering jarl, ok 'hardist'
vid hann ok yrdi etc. K. ; herdist A. — 163* hvdrkinK.; huorki, d. i.
hvdrki A. — 163'*'^ pat legg ek d miskunnardöm allmdttigs [sie!] guds
er ek vil f>jöna K. ; A hat pes.s (zuerst vielleicht peim geschrieben) er.
316 CEDKRSCHIÖLD, ZUR TEXTKRITIK VON VIER ROMANTISCHEN SAG AS.
Was nun die Schreibart alhndttigs betrifft, hat K. augenscheinlich nicht
gewusst, daß man (wie bereits Rask, „Vejledning til det Islandske eller
gainle Nordiske Sprog", Kbhvn. 1811, p. 153 bemerkt) zwischen den Prä-
fixen a^- und a??- so unterscheidet, daß al- „all-", vollkommen", all- aber
„sehr" bezeichnet. Auch in A kann man diesen Unterschied Avahr-
nehmen, denn die Hs. hat hier und 164'^ (wo das Wort doch zu alfä
verkürzt wird) almdttigs („des allmächtigen") und dagegen 30^*^ all-
margir („sehr viele"), 145^ allvel („sehr wohl"), 146'^ allvitr („sehr
klug"), 146*'' a??/rtV („sehr wenige"), löl*^' a?ZM«wcT«^r („sehr ungern") ;
daß aber A 142" dlmikit statt all- und 143'^ almargir statt all- hat,
kann in einer Hs., die so häufig einfachen Consonant für doppelten
braucht (vgl. Kölb. p. LH), nicht auffallend sein. Obwohl also aus der
Hs. selbst die verschiedenen Formen der beiden Wörter ziemlich er-
sichtlich sind, hatK. 163^ (vgl. oben) und 164*8 allmdttigs, SO^" und 143^
almargir, 142^'^ almikit, lAö^ alvel, 146^^ alvitr, lAG^^alfdr nndlbV^ alnai(ct-
igr, also überall unrichtig geschrieben. — 163** at svd'hiut' K. ; A hat
huno, d. i. hiinu. — 164*^' ** er Jm porir at 'berja viämik K. ; A hat herjasi.
Wir enden hier. Zwar wäre noch hie und da etwas hinzuzufügen
und wir sind überzeugt, daß eine wiederholte Vergleichung der Hand-
schrift mit dem Texte der Ausgabe zu nicht wenigen neuen Bemer-
kungen Anlaß geben würde. Das schon mitgetheilte mag indessen ge-
nügen um zu zeigen, mit welcher Unachtsamkeit der Herausgeber beim
Benutzen der Handschrift zu Werke gegangen ist. Daß ein solches
Verfahren höchst tadelhaft und schädlich ist, braucht hier keine weit-
läufige Beweisführung. Die Handschriften bilden ja die wichtigste und
fast einzige Grundlage der ganzen Sprachforschung und da dazu
kommt, daß nur sehr wenige Personen die Gelegenheit haben dieselben
zu benutzen, die meisten aber auf die auf die Handschriften gebauten
Ausgaben verwiesen sind, so kann man mit allem Recht fordern, daß
diese mit der äußersten Sorgfalt und Genauigkeit ausgearbeitet werden.
Ja, da es einerseits unmöglich ist vorauszusehen, für welche — jetzt über-
sehene — Punkte eine künftige Sprachforschung Beweisstellen suchen
werde, und da andererseits die Handschriften gegen eine Vernichtung,
wie sie die Kopenhagener Bibliotheken im vorigen Jahrhundert betraf,
keineswegs gesichert sind, so wäre es wahrlich zu wünschen, daß von jeder
werthvolleren Handschrift neben einer normalisierten Handausgabe ent-
weder eine photographische Abbildung oder doch ein recht genauer Ab-
druck besorgt wäre. Man setze nur den Fall voraus, daß der Cod. Holm.
6, 4*° gleich nachdem die Ausgabe von K. erschien, auf irgend eine Weise
A. EDZARDI, EIN LITAUISCHES SIGFRIDSMÄRCHEN. 317
der Zerstörung heimgefallen wäre! Könnte wohl die Ausgabe einem Gram-
matiker, Lexikographen, Textkritiker für die verloren gegangene Hand-
schrift vollen Ersatz gewähren? Und wenn ein Sprachforscher dann
z. B. in den Formen 'horginnar 48^® und '^hvdrkin 163^ neue Anschlüsse
an's Altschwedische zu sehen geneigt wäre; oder in '^okkar 68^^ und
131^ eine Ausnahme von einer syntaktischen Regel oder in'olin 79*^ ein
wirkliches, sonst nicht gekanntes Wort u. s. w., wer wäre im Stande ihm
dieses zu wiederlegen? — Wohin auch ein Verfahren, wie es K. in
„Riddarasögur" zeigt, immer leiten mag, wissenschaftliche Wahrheit
bleibt dabei ein unerreichtes Ziel. Es soll die Absicht des Herausgebers
sein, der romantischen Sagen noch mehr herauszugeben. Zweifelsohne
ist es von großem Gewicht, daß sie allgemein zugänglich gemacht
werden ; aber wenn sie in derselben unzuverlässigen Form erscheinen,
wie das eben besprochene Werk, so wird der Nutzen im mindesten
ein sehr zweifelhafter werden.
LUND, Mai 1875. GUSTAF CEDERSCHIÖLD.
EIN LITAUISCHES SIGFRIDSMÄRCHEN,
So weit mir bekannt, ist noch nicht darauf hingewiesen worden,
daß von dem bei Grimm unter Nr. 60 gedruckten Märchen „Die zwei
Brüder" eine in manchen Punkten ältere Gestalt sich im Litauischen *)
erhalten hat, welche in Schleichers Lit. Lesebuch S. 118 abgedruckt ist.
Von dem hörnenen**) menschen (Aus Kurschen).
Von den beiden Sagen, die in dem deutschen Märchen zusammen-
gewachsen sind***) — der Sage von Sigfrid und der von den Blutsbrüdern
— enthält das Litauische aber nur die erstere, und auch diese nur
theilweise; sie berührt sich hierin und in andern Punkten am nächsten
mit der bei Grimm III, 104 angeführten Erzählung aus Zwehrn, die
ich mit Z bezeichne. Das litauische Märchen, welches ich in Über-
setzung gebe, beginnt also:
*) Grimm, Märchen III, 105 weist eine weite Verbreitung dieses Märchens in
andern Sprachen (indisch, dänisch, schwedisch, flämisch, walachisch u. s. w.) nach)
der litauischen Gestalt erwähnt er aber nicht.
**) raginis.
***) Grimm, Märchen III, 104.
31g A. EDZARDI
Es war einmal ein Mensch, der hatte drei Kälber [Z drei Ziegen],
und er gieng durch einen Wald mit den Kälbern und traf einen andern
Menschen, welcher drei Hunde hatte, der sagte: „Wir beide wollen
tauschen; ich will dir diese drei Hunde geben und du sollst mir die
drei Kälber geben; die Hunde werden dir aus jeder Noth helfen".
Und da tauschten sie [so mich Z]. Darnach gieng der mit den
Hunden und kam zu einem Hause, und er gieng hinein, fand aber
keinen Menschen, und als er sich umsah, da bemerkte er in der Stube
eine Flinte (puczka), einen Säbel und eine Flasche (pleczka).
In Z gieht ihm der Jäger, von dem er die Hunde ertauscht, Büchse,
Hirschfänger, Pulverhorn und Ranzen. Dann erst geht er, die ver-
schiedenen Thiere werden seine Diener und er findet dann ein Haus im
Wulde, ICO er ein weder im deutschen noch im litauischen Märchen er-
zähltes Abenteuer mit zwölf Spitzbuben besteht. Darauf kommt er in die
Stadt, und von hier ah stimmt Z im Wesentlichen zum Märchen Nr. 60,
bis auf den Schluß, s. Grimm.
Als er die Flasche erblickte, versuchte er auf den Finger zu
gießen, um zu erfahren, was darin sei; sowie er [aber] auf den Finger
goß, da überzog sich der Finger mit dem Ol, und der Finger
ward wie Hörn, und er konnte weder mit dem Messer noch mit
dem Säbel das Hörn abschneiden (abschaben). Darauf nahm (goß, eme)
er das Ol aus der Flasche und wusch mit demselben seinen
ganzen Leib, und er ward am ganzen Leibe wie Hörn. Und
darauf nahm er Flasche, Flinte und Säbel (zusammen) und gieng in
eine Stadt, die war ganz mit schwarzem Tuch (scharlach, szerlokas)
ausgeschlagen [y^mit schioarzem Flor überzogen'''' heißt es im Märchen
p. 247].
El' geht hinein, fragt nach dem Grunde und erfährt, es sei de ß halb
geschehen, loeil der König jedes Jahr eine seiner Töchter einem Drachen
geben müsse und jetzt werde der Drache wieder eine Tochter erhalten.
Sie ist schon gebunden und soll ihm am Morgen zugeführt iverden. Der
Hörnene erbietet sich, dem Könige seilte Tochter vom Drachen zu befreien j
der König verspricht in diesem Falle sie ihm zur Gattin zu geben*).
Darauf gieng er auf den Berg, wohin der Drache zu kommen
pflegte (ateidavo); dort war aber ein großer Stein; den Stein bestrich
er mit dem Öle. Wenn aber der Drache heranflog, pflegte er sich auf
den Stein zu setzen und des Wagens zu warten, auf dem des Königs
*) „Der König hat dem, der den Drachen besiegt, seine Tochter zur Frau ver-
sprochen" Grimm, p. 247.
EIN LITAUISCHES SIGFRIDSMÄRCHEN. 319
Tochter heranfuhr. Und als dießmal der Wagen heranfulir und schon
nicht fern von ihm war, da konnte er nicht aufstehn, sondern hob
den ganzen Stein mit in die Höhe.
Zornig athmet der Drache Feuer (wie im Märchen, im Lit. zioölf
klafterlange Flammen). Der Hörnene schlägt ihm mit vier Hieben alle
zwölf Köpfe ah.*).
Darauf band der Mann das Fräulein los und fuhr heim; aber auf
der Fahrt schlief er ein, denn er war sehr müde geworden von der
großen Anstrengung.
Als er eingeschlafen, loill der Kutscher ihn tödten und droht dem
Fräulein, loelches schreien will, mit dem Sähel. Er loirft den Hörnenen
aus dem Wagen, vergräbt ihn und droht das Fräulein zu tödten, wenn
sie nicht schwöre, daß er sie befreit habe. Da schwört sie es. {= Grimm
60, p. 250; nur schläft dort der Jäger auf dem Berge ein und der Mar-
schall tödtet dort den Schlafenden. Offenbar liegt in der litauischen
Überlieferung an dieser Stelle eine Vergröberung vor.) Durch die Hunde
aufmerksam gemacht**), gräbt ein Mensch den Vergrabenen wieder aus und
findet ihn schlafend. Und er wusste da nicht, wo er war. [Ähnlich
Grimm 60, p. 251]
Er geht in die Stadt und schickt einen Brief in einem Schnupf-
tu che (szniiptuks) ***) , durch einen der Hunde, welchem er dasselbe um
den Hals bindet, zum Könige. Da hält gerade der Kutscher Hochzeit mit
der Königstochter. [Bei Grimm ist inzwischen ein Jahr vergangen.)
Der Hund gieng hinein zum Fräulein und legte (uzsideda) den
Kopf auf ihr Knief), und sogleich erkannte sie ihr Schnupftuch und
fand den Brief, und so erfuhr sie, daß jener Mensch noch lebte.
Sie schickt auf demselben Wege einen Brief zurück. {Be> Grimm
werden die verschiedenen Thiere einzeln geschickt.) Der Hörnene bemerkt,
daß die Stadt nun mit rothem Scharlach ausgeschlagen ist ff), erfragt
den Grund, geht zum Könige und fragt das Fräulein'. „Wer hat dich
*) Mit den beiden ersten Hieben je fünf. Bei Grimm hat der Drache sieben
Köpfe; mit den beiden ersten Hieben werden je drei Köpfe, mit dem dritten der
Schweif abgehauen. (Letzteres ist ein echter Zug.)
**) Auch bei Grimm wird der Getödtete durch die Hülfe seiner Thiere wieder
lebendig. Im Litauischen ist nicht ausdrüklich gesagt, daß er getödtet sei.
*'■■*) Hierin findet sich der Zug des Grimm'schen Märchens wieder, daß die Königs-
tochter ihr Taschentuch mit dem Namenszuge dem Jäger schenkt, der die Drachen-
zungen in dasselbe wickelt (p. 249). Daran wird er später als ihr Befreier erkannt.
t) Hübscher und wohl älter als „kratzte sie am Fuße" bei Grimm.
tt) Ebenso bei Grimm p. 251 unten.
320 A. EDZARDI
befreit, ich oder der Kutscher?" Sie antwortete: „Du" und erzählte
ihm alles etc. Die Königstochter geht hinein 2ind sagt: ^^Ich verlor ein-
mal von meinem Schreibschranke (kontora) den Schlüssel und ließ
einen neuen machen, da aber fand ich den alten Schlüssel wieder.
Welcher wird der bessere sein, der alte oder der neue?" Da sagten
alle: „Der alte ist besser", und so sagte auch der Kutscher. Darauf
führt sie den Hörnenen hinein und sagt: „Das ist mein alter Schlüssel,
den ich verloren hatte." Der Kutscher wird getödtet [ivie hei Grimm
p. 257].
So das litauische Märchen. Es liegt auf der Hand, daß hier eine
in vielen Punkten ältere Gestalt des Märchenstoflfes vorliegt. Nament-
lich ist aber das von der Erwerbung der Hornhaut Gesagte wichtig
und die Übereinstimmung mit der Sigfridsage in diesem Punkte am
auffallendsten. Die drei Hunde sind, wie mir scheinen will, ursprüng-
licher*) als die verschiedenen Thiere, die wohl eine märchenhafte Aus-
schmückung sind. Überhaupt fehlen die besonders märchenhaften Züge
— das Sprechen der Thiere, das Anheilen des abgehauenen Kopfes
durch ein Zauberkraut und damit die Wiederbelebung des Todten u. a. —
im Litauischen. Die Benachrichtigung durch den Brief und Taschentuch
überbringenden Hund ist viel natürlicher und hübscher als die Spaltung
in die einzelnen Abenteuer der verschiedenen Thiere. Und so kann auch
das Gleichniss vom wiedergefundenen Schlüssel dem Märchen ursprüng-
lich angehört haben. A. EDZARDI.
NACHTRÄGLICHES ZUM JUNGEREN HILDE-
BRANDSLIEDE.
Vgl. diese Zeitschr. XIX, 315 flf.
Die wörtliche Übereinstimmung des jüngeren Hildebrandsliedes
mit andern mhd. Gedichten an zwei Stellen ist wohl erwähnenswerth :
1) Hbl. 14, 1 (bei Uhland) :
Du sagst mir vil von ivolfen, die laufen in dem holz.
Ich bin ein edler degen auß Kriechenlanden stolz.
*) Zunächst war es wohl nur ^in Hund, nämlich der, welchen bei Grimm p. 245
der Jäger dem Ausziehenden mitgiobt. Auch wird ja nur ^in Hund zur Königstochter
geschickt.
NACHTRÄGLICHES ZUM JÜNGEREN HILDEBRANDSLIEDE. 321
Wolfd. B 279, 1
Waz saget ir mir von wolven die loufen da ze holz?
er ist ein degen küene und ouch ein ritter stolz.
Die Übereinstimmung, die übrigens in Jänicke's Anmerkungen
nicht erwähnt wird, ist so auffallend, daß Entlehnung angenommen
werden muß. Betrachtet man an beiden Stellen den Zusammenhang
unbefangen, so wird man sicher finden, daß die Verse im Hildebrands-
liede an der ursprünglichen Stelle stehn und im Wolfd. daraus entlehnt
sind. Da, wie ich an oben citierter Stelle nachgewiesen habe, das Hbl.
dem Verfasser der ridrekssaga schon im Wesentlichen in der heutigen
Gestalt vorgelegen haben muß, ist auch in dieser Beziehung die Priorität
des Hbl. 's wahrscheinlicher. Hat es hiermit seine Richtigkeit, so wird
an dieser Stelle die Lesart H-ND-W durch den Wolfd. bestätigt, gegen
AK, denn die Strophe beginnt
in A: Wolven dat sijn wolven
in K: Wülffin das sein wolffe.
2. Hbl 11,4:
und was ich nicht gelernet hab, daz lern ich aber noch.
Oswalt, Ettm. 994.
swaz ich hiute niht kan, daz lerne ich morgen.
Hier kann die sprichwörtliche Wendung in beiden unabhängig
von einander Verwendung gefunden haben. Sollte indessen Entlehnung
vorliegen, so wäre auch hier die Priorität auf Seiten des Hbl. 's, da
die IMS zu Grunde liegende Recension des Oswalt wahrscheinlich
erst im XIH/XIV Jh. entstanden ist.
Es sei schließlich noch die Entlehnung im Volksliede Uhland Nr.
104 erwähnt, wo es heißt:
Vers 2 Wat bejegende em up der beide? (Hbl. 2, 2)
Vers 4 He nara se in der midde,
he schwank se liinder sick torügge
wol in dat gröne gras (= Hbl. 12, 1 und 2)
A. EDZARDI. •
ÜERMANIA. Neue Reihe. VIII. (X.\. Jahrg. 21
322 RECH
ALLERLEI AUS ZEITZER HANDSCHRIFTEN.
I.
Ein Naumburger Nachlaßverzeichniss aus dem Jahre 1453.
(fol. 238') Dis sint myn schulde czüsprach vnde gerechtickeit,
die ich Steffän HondorfF burger czu Nüenborg habe secze vnde thü
kegen vnde wider Hans Vogel vnde Telen sin swester vnde Ber-
told Sleifen iren rechten Vormunden u. s. w.
5 (fol. 239**) Ich schuldige sie semptlichen vnde sunderlichen
vnde gebe en schult, daß sie mir gar mit grossem vnrecht vor-
halden sulch erbe vnde gute, daß Niclauß Ilondorff eczwan richter
czu Nüenborg seliger myn liber vettir noch em gelossen vnde uff
mich sinen nesten erben geerbit hat. Nemlichen hat her noch em
10 gelassen vnde yn siner gewere vnder em verstorben ist hüß vnde
hoff vnde euch eyn forwergk, daß do vor Nickel Kils gewest ist,
allis bynnen der stad Nüenborg gelegen.
Item XXin art ackers erpgüt ym wichbilde vmbe die stad
Nüenborg gelegen.
15 Item krütgarten vnde hoppenberge.
Item VII vngarische gülden ringe, die ich achte uff LXXX
gülden, vnder den waß eyn ringk, der waß Merten von Heringen
gewest, der do eynen (fol. 240") steyn hatte, den man uff XXX
gülden achtet.
20 Item XXII leffil mit silber beslän.
Item tüsent gülden gereitschafft, czweie hundert schog getreidis,
drissig mallir getreidis weiße vade körn, sechczig mallir hafir, die her
uff den bodemen noch sinem tode liß, gekoufft vnde gewachssen.
Item eyn bire vnde drie virteil biris, virczen vaß wins, XXVI
25 siten fleysch, czwene bachen.
Her hat euch nach em gelassen hüßgerethe, daß her mit syner
eigen band angeczeichent hat, die ich bitte vor czu legen, ap vnde
wanne sichs geboret im rechten, bie namen
XII pflümen fedirbette,
30 LI gemeyne bette,
XXV heubtpfole,
XXX genäte kossen,
LXX wiße kossen,
ALLERLEI AUS ZEITZER HANDSCHRIFTEN. 323
LX kleyne lilachen,
35 XX grobe lilachen,
XXVI tuschlachen, czwelich vnde eynlich, obir eckechte tische,
VI tischelachen obir lange tusche,
VI gesinde tislachen,
XXVII hantquelen,
40 VII hantquelen vor daß gesinde,
XIII eren tigel, der sint drie slefin, ein schertichen,
XV eren toppe cleyn vnde groß, vir messingen becken, eynen
groß margkkessil,
V grosse czenene bechen,
45 VIII czenene becken nest den großen,
drie flach czenene becken,
vir ebenmessige czenene becken,
V czenen becken, do man alle tage üß aß,
VIII czenen becken vor den senffschusselin,
50 Item IX czenen ingeberschusselin, XX czenen teler,
Item drie stobichen czenen kanne,
Item siben halpstobgenkanne, der ist eyne sleyffen,
Item XI czenen nossil kanne,
Item XII virtel czenen kannen, der ist czwu sleyffen,
55 Item III czenen tisehkanne,
Item III halpnosselkanne.
Sulchobingeschribenhüßgerethehat myn vetter seliger mit syner
eigen hant yn eyne czedel geschriben, die bitte ich vor czu legen,
ap vnde wanne sichs geboret im rechten^ daß sie mir danne allis
60 vorhalden mit grossem vnrecht; vnde dorczü allirleye rechtbüchir,
die ich achte uff 11 hundert gülden.
Her hat euch nach sich gelassen eynen fochssen mantel vnde
eynen swarczen mechelisschen mantel vnde eynen swarczen buckiss
chen nüwe vnder geschuben, eynen roten harrisrock, eynen swarczen
65 rock mit lemmer gefutert, eynen langen pelcz, 11 grosse kistenyn syner
kammern vnde 1 1 kleyne, VII eckichte tissche vnde vir lange tissche.
Ouch hat her noch em gelassen küfen vnde eichene vnde
thennene ledige vaß, uff XL gülden geachtet, vnde vir waynpfert
vnde geschirre waß dorczü gehöret, daß ich allis achte uff 11 hun-
70 dert gülden;
Item XXXIII lebende swine, IUI küe, II eren lüehter, der
eyne hingk yn der kemenäd, der ander yn der dorncze;
Item 11 enczele eren lüehter, kessele, banekpfoln, küssen;
21*
324 l^ECH
Item hulczen schussel, benck, stüle, gleser, dien, haw viide
75 yngethüme mehr, daß ich achte uff XXX gülden; taschen, neser,
messer, swcrt, panczer vnde andern hämische, dali ich achte uff XL
gülden. Sulche oben geschriben erpgüter, varnde vnde vnvarnde,
bewegelich vnde vnbewegelich, vnde sust dorczü alle ander guter,
cleyne ader groß, wie die namen gehaben mögen, die myn obge-
80 nanter vetter seliger noch em gelassen hat, halden sie mir vor an
mynen willen czu sunderlichem hone smäheit vnde trefflichem scha-
den, so ich den schaden obir die heubtsumme achte vnde wirder
uff XIII hundert rtnische gute gülden u. s. w.
IL
Ein Streit um die Gerade vor dem Bischof von Merseburg
um das Jahr 1455.
(fol. 62'') Gnediger herre von Merßeborg, ewer gnade mercket
wol, daß sich fraw Agnes, Ciriax von Czweim eliche husfraw, czü
mir notiget wider recht, wan sie von mir czü der gerade vordert
gelt, nemlichen XXX gülden; item radkasten, tegel vnde schaffen,
5 morsir^ ern topfe, funff czinen kanne, schussil, ledige vnde vnbe-
selte pfert, küe vnde kelber, hunre^ swinsmutter, vaß vnde tröge,
brechen vnde reffein, stüle vnde bencke, eynen hälrincken^ lich(?)
butter vnde kese, brätspiß, drifüß, rost vnde kornsecke noch lüte
der czedeln die sie ewern gnaden hat geantwert.
10 Nu ist daß wissentlich, das sulche varnde habe czü der ge-
rade nicht enthoret; daß ist wol war, daß eyne kanne vnde eyn
tusche vnde eyn stüle gehöret czü der gerade, alßo das wol stehit
geschriben Wichb. ar. XXIII in gl.; das gibt der man der nifftel
von sunderlicher beheilickeit. Do muß j6 ye ouch eczwas yn dem
]5 büß pliben. Küe, kelber vnde pfert vnde alle ander habe obene
benant gehören ouch nicht czü der habe Wichb. ar. XXIII; vnde
dörvmbe, ap ich myn wip hette sulche habe noch ir geslagen, den-
noch muchte sie sulche habe nicht gevordern, alßö ich mich laß
beduncken.
20 Gnediger herre, sie macht ouch mancherley stucke namhafftig
yn irer czedeln, dy dö czü der gerade gehören. Sunder myn wip
hat sulche gerade in sulchir czal alßö sie seczet noch ir nicht ge-
lassen. Sunder alßö vil alßö sie gelassen hat. das habe ich der
selbigen Ilsen gereyt gegeben. Ich habe ir geantwert alle ir cleyder;
25 sie hat den silbern gortil von czwen margk silber vnde ouch die
XVIII gülden vnde silberin ringe uff dem crancz vnde czwen sil-
ALLERLEI AUS ZEITZER HANDSCHRIFTEN. 325
bern senckel, die an dem crancz sulden gewest sin, ader eyu koreln
paternoster, das funfF gülden wert were^ spangen von zweien margk
Silbers noch ir nicht gelassen. Was sie von sleyern, baren^ lilachen,
30 pfoln, küssen, thuschtücher, hanttücher, bangkpfoln (fol. 63*) vnde
pusten, badecappeu vnde badetücher, liwant, garne, kessel, hant-
becken, sehoff, gense, flachs, lyn vnde hanff deckelachen noch ir ge-
lässin hat, das hat sie gar weg, üß geslossen czwei boß tußtücher
vnde eyn boß knechtbette, daß hat sie mir selbir gerne gelassen.
35 Item so lihet dor noch eyn böse banckpfoel vnde eyn boß
puste. Ouch habe ich acht elen liwant gefunden yn dem casten
vnde nicht mehr, die habe ich vorthän. Do wären ouch acht czal
gesotten garn. Do ist eyn kessel, der ist myns vattirs gcAvest. Ich
habe eynen schapfen dornoch selbir gekaufFt. Dor wären XV schaff,
40 dor von habe ich ir XII beczalt vnde habe ir gegeben io vor eyn
schaff VI grl. ; dy andern wären menliche tyr, dy gehören czü der
gerade nicht. Do ist och noch eyn cleyn büchelin, vnde mich
duncket is sie sente Marien büchelin. Do was eyn halb hempzen
lyn vnde eyn clobe gebrechts hanffis. Dor obir ist mir keynis mehr
45 wider wissentlich, das sage ich bie mynen wären trowen. Wolde sie
mir abir das nicht glauben, so kan ich mich wider daß recht nicht ge-
secze. Wurde dann ewer gnäd , gnediger herre , im rechten ir-
kennen, daß ich eyn sulchs begriffen sulle mit mym eide, so schemc
ich mich des nicht czu thün vnde seczc daß mit ir gancz an das
50 recht was hirumbe recht ist.
III.
Ein Segen wider die Mäuse, von Georgius Law, Laien-
priester zu Prössdorf bei Zeitz, um 1471 aufgezeichnet.
(fol. 218^) Item czum ersten secze denn rechten fuss uf dy
swelle vn sprich: ich setcze mynen fuss uf dyße swelle vnd myne
rechte band bie gote dem üben heylant.
Vnd ich finde vngetvme yn dießem huße. das ist vngenant
5 koning vnd konigynn vnd alles das boss von meysin hynne finde.
Zo beswere ich ich ore orn fuße, das sy nynder keyne na-
runge hynne sullen spyße sullen finden (so!).
Ich beswere ore ougen bie vnsir liben frawen, das sy nynder
keyne narunge hynne geschawen, das helfe mir got vnd vnse libe fraw.
10 Ich beswere or hercz bie gote vnd syner groschen (so!)
schmerczen.
326 BECK
Ich beswere or czunge bie gote vnd bie synen heyligcn fünf
wunden.
Ich beswere ore leber, alzo war alzo got an dem fronen crutz
15 hat genomcn seyn ende.
Ich beswere ore leber, als war als got an dem fronen crutz
starp vn wart an dem drytten tage widder lebendig.
Ich beswere ore oren, alzo war alzo got ist von eyner reynen
raait geboren.
20 Ich beswere on or har bie der sonnen by dem monden, das
sy nynder mehir yn diss hawsz wesens komen.
Ich beswere oren leib vnd or leben, das wir on nynder
trincken dorffen geben, das helff mir der vater der son vn der
heilige geist.
25 Alzo gut sy der seyn hüte, alzo dy lawna di stunde was do,
do vnß liber herre also got ynne geborn wart.
Sy sint gross adder cleyn, zo beswere ich or gebeyne.
Alzo vor war wil ich alle dyße rayse usz diessen gebewde mit
dieszem seyne spreche.
30 Alzo vor war als got mit synen XII boten jüngeren an dem
grünen dornstage hat das abentessen gesson vn hat sie alle gespeyst
vn hat on seynen heyligin waren lichnam gegebin vn gewyst vn
hat sy geest mi synem fleische vnde getrencket mit synem blute.
Alzo vor war als ir esset myn fleisch vnde trincket myn blut,
35 alzo vor war sey der seyn vor dy bosin mewse gut.
Mit dyszem seyn ich sy vorspreche, das sy liy hynne nynder
keyne spysze essin nach trincken,
Das sy müssen vorswinden, das helfe mir Maria mit orem
liben kinde,
40 Alzo der man vorswant^ der den ersten nagel smitte vnd dy wyt
want, do man got mit fing vn bant.
Der seyn den ich hewte hab gesprochen, got gebe das ich
nicht habe geofi'ent syne heiligen V wunden vn hab sy om nicht
vorsprechen.
45 Do mit gee der seyu uß. Nw steh(?) do vros(?) uf vnd gang
mit czu dem huss vs, eyn was es sey eyn sie addir eyn her, das
nynder keyn schade rausze gescheen.
Nw hat disser seyn eyn ende, got gebe das nynder keyne
mawss kome yn dysze vir wende, yn dem namen des vaters des
50 sons vnd des heiligen geistes amen.
ALLERLEI AUS ZEITZEE HANDSCHRIFTEN. 327
IV.
Eine Predigt auf das Fest Aller Heiligen um 1400.
(fol. 269*") Ländern dicite deo nostro et non simulacris den
aptgoten, omnes sancti eins, qui timetis deum^ pussilli et magni,
quia regnabit dominus deus noster omnipotens. Gaudeamus et ex-
ultemus cett. Alle heiligen vnde alle die god suchen, die cleynen
5 mit den groszen, ir sollet vnß[eme] gote lob sprechin, quia regna-
bit, darumme daz vnß herre mechticlich herschet obir die aptgote
der bösen geiste. De hoc gaudeamus et exultemus, wir soln vns
dez frowen vnd vorhebe vnd vnßme gote die ehere gebin vnde
irbiten, darumme daß vnß loen grocz ist in den hymmeln. Diße
10 wort beschribet Johannes in den büohe der heymlichkeit, die gli-
chin sich deßm keynwerdigin tage hüthe, alz wir begehin den tag
der hochczit allir heyligin, die vnßen god an vnderlaß yn den
hymmeln loben, Daz ist nicht wundir, wan sie yn sehin von ant-
litzce czu antlitze, vnde sie von der gewalt dez bösen geistis irlost
15 hat vnde sie ufgenomen von deme betrüpnisze deszir keynwerdigin
werlde vnde sie gecronet yn der wonunge dez ewigin riches. Sed
hodie canitur: Sancti estis sancti dei cett. In der lobelichin stad
dez herrn lüthen die orgeln ewiglich. Do ist der allir sueßste beste
geroch dez balsamus zinamomen, daz sint die kunste der heiligin
20 vnde die schrifte der Engele mit den Erzengeln. Sie singen noch
den noten vor gotes throne den lobesang alleluia. Alsus haben die
heiligin in gotis riche alle froyde yn eyner gnüge. Do ist lebin
äne tod, tag äne nacht, wysheit äne czwifel, froyde äne jämir,
stillikeit äne storin, schonde äne missestalt, stergke äne crangheit,
25 recht äne vorkerunge, liebe äne hacz, soliche froyde die dyne oygin
nye gesehin haben, dyne oren nicht verhört noch dyn mund nicht
volsprechen kan, noch dyn herzce nicht voldengkin noch geachtin
kan. Westü da nicht enwilt, dez bistü vorhabin, allir sorge bistü änig.
(fol. 270*) Fulgencius. Die heiligin beschouwen die gotlichin
30 clärheit in drierleye wise, alßo vns der spigel dynet, mit drin an-
gesichten, daz do kegin ist. Wir sehin got, vns selbir vnde vnße
war andächt. Alßo ist daz vmme den spigel gotlichir clärheit. Keyn
spigel ist so clär alzo daz froydinriche antlitzce gotes. Wan yn
cyme spigel sehit man daz keynwerdig ist, abir yn deme antlitzce
35 gotis sehit man nicht alleyne das keynwerdige, sundern ouch die
dinge die von fernne sint. 0 wye lobeliche wertschaft! O wye
edele trugseßin! die Engel mit den Erczengiln dynen czu tysche,
die Seraphin seezen die tabeln addir tysche vnde breytin die
328 BKCii
tüchir, Potentes die furstin gewaldigin vortnbin die fynstirnisze,
40 Virtütes die wandiln daz bröd yn fleysch dez lammes, sundirn die
Seraphin wandiln daz blued dez hymmelztrübil yn den allir kifiri-
sten wyn, da vone alle, die czu der wertschaft sint, werdin ge-
setiget vnd nait froydin geti'ungken. Ilen wir, lieben brüdere, daz
wir an die sichir stad kommen, an den fruchtigin agkir, in die
45 süßen weyde, do wir äne forchte leben, da vns genüg wert äne ge-
brechin vnd nymmer müde werdin.
Zcu dem erstin mael sehin die heiligin daz antlitzce gotis
clerlich, daz vol gnädin ist, daz yre begerunge irfrowit. Dez sehins
werdin sie nummer müde, sundirn sie frowin sich därvone äne
50 vndirläcz, daz so gar lustig ist, daz sie nummer gehungirt, gedurst,
gefrüst, getrüren, crang werdin noch nummer von gote gescheidin
werdin. O mensche, wiltü do heue komme von deme betrüpnisze
deßir werlde, do du gesehen magist daz cläre antlitzce gotis, so
reynige hüthe din herzce von allen sundin. Math. V. beati mundo
55 corde, quum ipsi deum videbunt contra luxuriam. Die heiligin sehin
in der clärheit gotis alle güde wergke, die eyn iglicli mensche yn
hie uf ertriche zcu eren tued vnd irbüted mit almüsen [vnd] an-
dirn wergkin. Die schinen in deme antlitzce gotis also in eyme
spigel, also betin sie daune got vor dich. Johannis XVII, pater,
60 quos dedisti mihi. O vatir, ich wel wo ich ben dastö euch sint myne
dyner.
Zcu deme andern mael lobin die heiligin god inniclichin.
Ysaia LH, levaverunt vocem simul. Sie hüben alle met eynander
an eyne stymme: Ach waz froyde der schepphir yn hymmelriche
65 hat! schowin wir, wie die süße vnßs herrin ist! so wir die zcirde
syner ehere sehin, die gewalt syner koninglichin ewigkeit, wer ir-
kennit da die gew^alt dez vatirs, des sones wislieit, die güthe dez
heiligin geistis! Alsus irkennen wir die hoe der heiligiu dryvaldi-
keit. Eyn iglicher herschit mit syner ordenunge. Alßö die seyten
70 an der harffen iglich noch eime done ist geczogin, die langen mit
den körten gebin glichin süßen don, alßö habin sie in gotisriche
alle froyde yn eyner gnüge. Die stad endarf der sonnen noch dez
mänden addir gesternis nicht, wan die irlüchtit wirt von gotis clär-
heit. Wann do vz deme grundelosin obirfloßigin borne schepphin
75 iille wisheit, daz sie alle ding irkennen, die vorgangin keynwerdi-
gin vnd czükunftigin sache wieszen. Sie irkennen die zcael des
gesternis, dez meris die tropphen die daz graiz fruchtigin, die wythe
die brcyte die lenge dez hymmelz des meris vn der erdin aptgrunde,
ALLERLEI AUS ZEITZER HANDSCHRIFTEN. 329
sie wißen ouch alle kuuste vnd schrift. Do endarf nymand noch
80 dem andern frägin, kose noch rede. Sie swigen nummer, sie lobin god
von grundelosir liebe mit deme gesange sanctus sanctus. Ouch
sehit eyn igliclier syne vyende lyden in der helle, die en betrübet
hän ufF dem ertriche. Die seligin sehin die vorthüraeten yn der
helle, därurame daz sie sich daste mer gefrowen, daz sie der pyne
85 sint entgangin. Die vorthümetin in der helle sehin die seligen in
der froyde, daz yre pyne deste mer zcü neme.
(fol. 270'') Zcu dem dirtten mael lobin sie got vollin koninc-
lich. Ysaia LI: sie soln kommen czu Syon mit lobe vnde die ewi-
giu fi'oyde üß yrme houpte haben; sie sullen den süffzcen flihen;
90 ich wel sie selbir trösten. 0 wie große froyde dö ist, do got sel-
bir tröstet syne heiligin! dö ist volkommen froyde^ keyn vngemach.
O mensche, wez machstü dich vmme dyne crangheit betrübin, die
dich in deßir werlde aneficht, die korcz vnde vorgenlich ist! Sun-
dern du Salt geduldiglichen liden die anefechtunge , darume dastu
95 daz ewige leben irwerbist.
Wir begehin allir heiligen tag, wan wir von vnßn herzein
üzwerfin den aptgot der sunde vnd daz gestelteniße der eynfeldi-
keyt der demüt do hene malen, do vormälcz gewest ist der aptgot
der höchfart. Dö gestandin hat daz gestelteniße dez bösen geistes,
100 dö hene soln wir setzcen daz gestelteniße dez heiligin crücis,
vnde vor den haes sollen wir habin die demutikeit. Ibi beati mites,
quum ibi possidebunt terram. Bist (so !) demütig yn der wande-
runge, schemede hab in den worteu, czuchtig yn den seten. Eyn
philosophus lärte sin son vnd sprach: sich, daz die ameisze icht
105 wiser sie dan du;, daz der hane icht wachinder sie dan du, daz
der hund icht getrüwir sie dan du. Also lerne togind bi den crea-
türen vnd bist (so !) vorsichtig vor allin dingen. Wan also sich
daz tier vnd der boum von den fruchten neygin, alßö neygit sich
der demütige mensche, wan her vol toginde ist. Vor den zcorn
110 saltü haben die fredsamkeit. Ibi beati pacifici, quum lilii dei
vocabuntur. Vor die anefechtunge die innykeit. Ibi beati, quum
persecucionem patiuntur propterjusticiam, quum ipsorum est regnum
celorum. Vor die gyrheit soln wir haben den hunger vnde dorst
nach der gerechtikeit yn den worteu. Ibi beati, qui esuriuut et
115 siciunt justiciam, quum ipsi saturabuntur. Ir solt barmherzcig
sin yn den wergken. Ibi beati misericordes, quum ipsi misericor-
diam consequentur, contra luxuriam castitatem. Ibi beati pauperes
spiritu, quum ipsorum est regnum celorum, Hirmete soln wir obir-
330 BECH
winde alle vnße vycnde der bösen geiste vnd soln uffrichtin die
120 phanen allir heiligin.
Die Handschrift, welcher die unter I und II gegebenen Stücke
angehören, ist ein altes Copialbuch der Zeitzer Capitularbibliothek,
563 Bl. in folio enthaltend, in welchem theils Anklage- und Vertheidi-
gungsschriften, theils Rechtsgutachten von Leipziger Juristen und Ur-
theile von Schiedsrichtern {scheidisrichteren) eingetragen sind. Die dort
mitgetheilten Rechtsfälle fallen alle in die Zeit von 1449 bis 1459 und
beschränken sich nicht bloß auf die nächste Umgebung von Zeitz, wie
Naumburg, Pegau, Merseburg, Halle, Querfurt, Gera, Altenburg, Plauen,
sondern beziehen sich auch auf Meißen, die Niederlausitz, auf Barby,
Magdeburg, Halberstadt, Quedlinburg, Schwarzburg u. s. w. Für die
Geschichte gewisser Adelsfamilien, noch mehr für die Culturgeschichte
überhaupt sind die zahlreichen hier gelegentlich fallenden Mittheilungen
von nicht geringem Werthe.
I, Z. 1 die Worte schulde czüsprack (oder auch czüsprache) unde
gerechtickeit kehren in den Anklagen formelhaft wieder, ebenso oft wie
schtdde clage unde g. oder clage seh. it. g.\ nicht minder formelhaft be-
ginnen die meisten Vertheidigungen mit dis sint myn were schucz. vnde
antiüort. Unter schulde ist, wie der Zusammenhang lehrt, hier accusatio
criminatio Anschuldigung Anklage zu verstehen. Statt czüsprach oder
szüsprache erwartete man czüsproch oder czüsproche, entsprechend dem
auf den ersten Seiten einige Male vorkommenden czüspruch, czüspruche,
welches hier den rechtlichen Anspruch, die Forderung ausdrückt. Ob
der Schreiber czüspräche gemeint habe, oder ob eine Form czüsprack
anzunehmen sei, die sich dialectisch aus czüsproch -= zcüspruch ent-
wickelt habe, lässt sich schwer entscheiden; im Volke hört man hier
allerdings in betonten Silben öfter a statt des hochdeutschen zi, wie in
hanger (fames), holanger (samhucus), janc (juvenis), ranger {deorsum),
stahe (conclave), zange (lingua), vergl. namentlich Schroeder zur Griseldis
S. LXXXI, der unter anderm auch hadestahe und untagent aus dem
15. Jahrhundert für diesen Dialect nachweist. — Z. 21 gereitschaft,
Baarschaft, vergl. mhd. Wörterb. IP, 672''. — • Z. 22 mallir mhd. malder]
im Dialect heute noch so, wie der alle {aide), halle (balde), gelle (gelte),
melle (melde) u. s. w. — Z. 23 gewachsen hier im Gegensatze von ge-
kouft, so viel als: selbst erbaut. — Z. 24 hier hier = gehrüivede wie in
der gleichzeitigen Satzung des Bischofs Petrus von Naumburg, vergl.
das Programm von Zeitz a. 1870, II, 37; Michelsens Rechtsdenkm. 271
und 272; in Erfurt ehemals = 200 Eimer nach der Anmerkung in
Kirchhoffs Weist, von Erfurt S. 52 — 53. — Z. 29 pßümenfedirhette.
ALLERLEI AUS ZEITZER HANDSCHRIFTEN. 331
vergl. pflümvedernbette in der Griseldis ed. Schroeder 6, 18; in des Teufels
Netz 4042. — 31 Heuhfpfol, so in den Görlitzer Annalen 392, 11 und in
dem Rechtsb. nach Distiuct. ed. Ortloff I, 8, 1. — Z. 34 Heyne, fein.
— Z. 36 czioelich vnde eynlich, dazu vergl. das Stadtbuch von Augsburg
hrsg. von Meyer S. 315: si loellent daz man zicilich und einlich aines
geicantstahes brau sol machen zwißachez] si tcellent daz man zioüich und
einlich vail habe mit ainem bände üf hern Sibotes banke; 316 man sol
mezzen den rohen zicilich und einlich vierflach. — Z. 39 hantquele, vergl.
Deut. Wörtb. IV, 411; um Zeitz und Naumburg heute noch quele^
quaele üblich. — Z. 41 slefin ist hier wie Z. 52 und 54 sleijfen wohl
dasselbe Wort, das uns in dem md. schleifkanne näher bekannt ist.
Dieses sleife führt Weigand III, 592 gewiß richtig zurück auf das alte
sloufa, sloufe, sloife (neben der slouf) ^= ansa, ansula und versteht unter
Schleifkanne eine Kanne mit Handhaben oder oben übergehendem
Bügel, vergl. auch Adelung unter d. W. In unserer Stelle wird man
bei sleife demnach an einen Tiegel denken, der mit Henkeln oder
vielmehr mit einem Bügel versehen war, an dem man ihn tragen oder
an den Kesselhaken (hdlrinken) hängen konnte. In Z. 52 und 54 ist
sleife kaum etwas anderes als unser Schleifkanne. Dasselbe Gefäß
scheinen gleichzeitige Quellen aus Meißen und Düringen mit boymkanne
oder bomkanne zu bezeichDcn, so Schotts Sammlungen III, 295; wo es von
den bendern heißt: icas oicch von deinem gefesse loochelichen her in die stadt
bracht wirdet czu dem margkte, als kübeln, boymkannen , das sullen die
bender czu geben daryn nicht halden nach sprechen] und Michelsens Rechts-
denkmale aus Thüringen S. 122 (= die alte Erfurtische Wasserord-
nung) : der probist phliget den mollern eyne gude soppen czu gebene in
den graben, dar uffe fleisch, kese unde brot und eine boumkannen vol ader
cziou ires closterbirs ', vorausgesetzt, daß bomkanne verlesen, verschrieben
oder durch die Aussprache verderbt ist aus boin- oder boienkanne d. i.
bogenkanyie. Der Übergang von oge in oie oder oi ist in dem betreffen-
den Dialect nicht selten, vergl. außer andern Beispielen Schroeder
zur Griseldis Einl. S. LXXXVI; boie für böge auch schon in den alten
Gesetzen von Nordhausen bei Förstemann N. M. III, 1, 65 (157):
schiezin mit armbursten oder mit boin. Sonst habe ich sleife noch ge-
funden in einer Familienchronik des hiesigen Osterlandes aus dem
18. Jahrb., in der Verbindung schleißen und deeßen (cfr. Diefenb. 189''
s. v. dolium) und in den Weist. V, 265 (a. 1740 aus der Wetterau) :
bei der schläufkante uf des schuldigen kosten im icirthshaus zehren; vergl.
auch Corn. Kil. ed. Hasselt 594*^ sleepken, minoris poculi aut mensurae
gemts, cyathus. — Z. 41 schertichen ist das Deminutiv von scharte =
332 BECTT
patella, frixorium, sieh darüber Lexer Handwb. II, 670 und Adelung
unter scharte. — Z. 43 margkkessil, dasselbe Wort in Schmidts Urkun-
dcnb. von Göttingen I, 241, 69 : unum caldarium dictum marketketel. —
Z. 49 senffschusselin, bei Lexer Handwb. II, 878 und in den Fastnachtsp.
1216: senff mid salsenschusselein dein. — Z. 51 ist wohl gemeint d.rie
czenen stobichenkannen ] vergl. die ähnliche Verbindung in Z. 53. — Z. 53
zu nossil (= nozil) in nossükanne und halpndsselkanne Z. 56 vgl. Conrad
Stolle Chron. 293" ei/n gancz ald noßeln und Urkundenb. von Leipzig
I, S. 341 nösjUl (a. 1466) und S. 351 das nossell (a. 1469). — Z. 63
mechelisch, ebenso im Ofener Stadtrecht 213 item von Mechlisch unter
1 tuch:, mechenleich, mechelensis bei Schmeller-Frommann I, 1561; 0. Ru-
land 13; mächlich in Westenrieders Beitr. III, 121: ein tuch von Mecliel
in dem. -ßtadtrecht von Brunn 389 u. 405 ; in den Chroniken der D. St.
IV, 31; bei Fahne Forsch. I, 2, 59. — Z. 63 hiickisch, von huckeramf
vergl. Schmeller-Frommann I, 207 von wyssen hiiggenscliin , 381 hisso.
pocken.schin -^ C. Stolle, Chron. 211° hockschin; Urkundenb. von Leipzig
S. 312 hucksin (a. 1464). — Z. 64 under schieben^ füttern;, vergl. Renner
4495 untriuioe — einhalb mit eiden, einhalb mit lugen hat sie ir veteck
underschoben (: loben); Stadtbuch von Augsburg ed. Meyer S. 200 ez
sol niemen cheinen rindespüch mit cheime stro minder schieben. — Z. 64
harrisrock, Rock von arraz oder harris, Rasch, vergl. Lexer Handwb. —
Z. 73 enczelne lüchter, Leuchter, welche nur ein Licht zu tragen bestimmt
waren. — Z. 73 banckpfol, mhd. bankpfnltve, a. 1525 bankpfühle in Schött-
gen und Kreysig Diplom. Nachlese I, 309 und 310. — Z. 75 yngethüme,
Hausrath, Lexer Handwb. I, 1434. — Z. 75 neser, Speisesack zum Um-
hängen = eser, Lexer Handwb. I, 711 und Glossar zu J. Rothes Chron.
S. 700. — Z. 82 loirdirn, würdern, schätzen, oft in der Handschrift, im
Sachsenspiegel loerderen.
H, Z. 4 radkaste, Räder- oder Rollenkasten? sonst nur in der
Mühle vorkommend, vergleiche Vilmar Id. s. v. glint] noch in Zeitzer
Haudelbüchern a. 1603 bis 1609. — schaffe, sonst schape, schapfe, vgl.
Diefenb. s. v. lebes^ patella. — Z. 5 unbeselt, wenn vom Copisten richtig
geschrieben, bedeutet nach meiner Aufassung: noch nicht mit seien
d. h. sileUj Zugriemen oder Silenzeug (wie es heute noch hier im
Osterlande genannt wird) versehen, vergl. Lexer Handwb. II, 921 s. v.
sil] dazu das Verbum in der Wiener Handschr. der Heiligen Magda-
lena fol. 80'': er hat dtir got üf geben Swert sper unde schilt Vnd hat
zu Jesu sich gesilt. Dem Zusammenhange nach könnte man aber auch
an unbeschelt, equae non initae denken, vergl. D. Wörterb. I, 1544 s. v.
beschälen. — Z. 6 simnsmnfter, dasselbe Avas sonst im Mhd. verhermuoter,
ALLERLEI AUS ZEITZER HANDSCHRIFTEN. 333
varhmtioter, zuchtmuoter heißt. — Z. 7 breche, Flachsbreche, findet sich
in dem Nordhäuser Zollrodel (aus dem Anfange des 14. Jhrh.) in
Förstemanns N. M. III, 1, 23 = Senkenbergs Visiones 319. — reffel,
mhd. riffel, vif et, die Reffe oder der Reffkamm, vergl. Weigand s. v.
reffen und reffel. — hälrincke, cremacula, Kesselhaken- oder Ketteurink,
vergl. hälrinc bei Lexer Handvvb. I, 1154 = hähelrinc^ dazu das Eiseu-
achische Rechtsbuch bei Ortloff I, S. 676 : czu erbe gehört kessele,
hooringen, hoivestocke u. s. w. ; ebenso in dem Rechtsb. nach Distinct.
I, 7, 1 ; II, 1, 19 : sulde dy hdlringe ( Var. hokinge) czu deme huse gehoryi,
so muste der kessel ouch dorczü gehorn, unde des ist nicht; wen dy hdl-
ringe ist deme kessele gehangen czu notdorff unde nicht deme hüse. —
Z. 17 ich oft in der Handschr. = icht, wie nich ■= nicht\ so auch in
den osterländischen Novellen bei Haupt Altd. ßl. I, 354, Z. 9 daz ich
= ne forte und nicht minder in dem md. Schachbuch ed. Sievers
260,29 (nach der Handschr.); 338, 4; 339, 25; 370, 30 (nach der
Handschr.) und sonst in osterländischen Quellen nicht selten. — Z. 17
noch ir geslagen sieht fast aus als hätte der Schreiber in seiner Vor-
lage noch ir gelän gehabt und dieses für noch ir geslan angesehen ;
slahen scheint hier aber nicht passend; ohnehin steht das richtigere
in Z. 23 und 28. — Z. 27 koreln, adj., vergl. Hildebrand im D. Wort.
V, 1795; ferner Urkundenbuch v. Leipzig I, S. 293 (a. 1463): die hure
unde wilde frauwe uff dem fryhen hüße sollen nicht tragen korellen snüre
auch kein korellen paternoster. — Z. 29 baren jedenfalls wieder
vom Abschreiber verlesen für harten = borten ; diese Form bei Diefenb.
6P s. V. aureola, barten und 62" auriphrygium, goltbart^ goltbarde- ferner
in einer Urkunde von Speyer (a. 1365) im Anzeiger f. K. Neue Folge
III, 201 : dehein gtddin oder silberin barte und 175 keinen barthenrock.
— Z. 30 piisfe (ebenso Z. 36), vergl. Diefenb. 473' imluinus, puste.
— Z. 35 lihet, liegt, wie liet in der Griseldis ed. Schroeder 41, 28 und
lul (: cz7d) in Rothes RSpiegel 1376. — Z. 38 gesotten garn, vergl. das
Sachs. Weichbildrecht ed. Daniels und Gruben 97, 47 Iren unde ßachz,
garn^ roe und gesoten = linum, filum omne nervatum (Hs. nereatuni),
sive sit dealbatum sive non-^ Schöttgen u. Kr. Diplom. Nachlese I, 308
garn gesotten und ungesotteM\ Weist. III, 630; IV, 274. — Z. 43 hempze,
ein Getreidemaß, vergl. Dreyhaupt Beschr. des Saalkreyses I, 815:
sex mensurae tritici et totidem ordei, quae heymetzen Hallenses vulgariter
appellantiir (a. 1272); in einem Lehnbuche des ehemaligen Zeitzer
„Jungfrauenklosters" (16. Jahrh). 128": er gibt dem hirten 1 heynitzen
körn; 136'': vier heymitzen vharhaffer und 2 heymitzen scherhaffer; 138*
2 heymitzen feit; 140'' ein gehaufft heimitzen feit; drey heimbzen hopffen
334 BECH, ALLERLEI AUS ZEITZER HANDSCHRIFTEN.
in einer osterländischen Urk. von 1616; einen heimßen czxoihheln hört
man heute noch; im Mnd. lautete es hemete, vergl. Ernst von Kirch-
berg 724: von yeder hiifeii dy gesworne gäbin da ses mäz von körne und
achte mäz von havergelde, daz mäz yn dütschem ich hy melde, hemeie ist
daz mäz genant\ dazu Diefenb. 201'' emina, hempte und Adelung s. v.
heimzen und himten, Lübben Mnd. Wort. II, 238". — Z. 44 über brechen
swv. vergl. Grimm D. W. II, 351.
Der dritte und der vierte der oben mitgetheilten Abschnitte
stammen ebenfalls aus einer Handschrift der hiesigen Capitularbiblio-
thek. Ihrem Hauptinhalte nach bildet dieselbe eine Sammlung latei-
nischer Sermonen auf die verschiedenen Sonn- und Festtage des Jahres ;
hie und da sind längere oder kürzere deutsche Stellen eingeflochten.
Die ältesten Bestandtheile scheinen gegen 1400 geschrieben. Der
frühere Besitzer derselben, der sich als Laienpriester zu „Prestorf" bei
Zeitz, Namens Georgius Law, wiederholt darin verewigt hat, nicht nur
durch Einschreibung seines Namens, sondern auch durch lateinische
Randbemerkungen und durch mehrere theils lat. theils deutsche Zu-
sätze^ besaß sie ungefähr vom Jahre 1470 ab. Zu den Zuthaten von
Law's eigener Hand gehört auch der oben mitgetheilte Segen wider
die Mäuse, während die Predigt auf das Allerheiligenfest nach Schrift
und Sprache noch zu den älteren Theilen zu zählen ist. Die Stelle,
welche dem ersteren dieser Stücke mitten unter den Sermonen ein-
geräumt ward, lässt vermuthen, daß dasselbe gleich den Predigten zu
geistlichen Zwecken von Law verwendet wurde, wahrscheinlich also
zum Besten der Parochianen, so oft sie in ihren Vorrathskammern oder
Scheunen von leidigen Gästen heimgesucht wurden und zur Besprechung
derselben sich an ihren geistlichen Hirten wandten. Mit Rücksicht
auf diese Bestimmung ist es wohl gekommen, daß der Segensspruch
im Munde des Geistlichen vieles von seiner ursprünglich unkirchlichen
Form eingebüßt hat, namentlich durch die Einstreuung biblischer
Ausdrücke in seinen Reimverbindungen gestört worden ist, abgesehen
davon, daß seine Aufzeichnung auch sonst eine sehr flüchtige und iu-
correcte war.
III, Z. 4 — 5 sind offenbar verderbt; vielleicht alles was von mey
sin hinne (: koniginne) oder alles icas man meyse hinne finde, statt alles-
das hoss von meysin hynne finde. — Merkwürdig sind die Ausdrücke
zmgenant, koning u. konigynn, mit denen sicherlich verschiedene Unge-
ziefer bezeichnet werden; über ungenant lese man nach, was die Ver-
fasser des Mhd. Wörterb. IP, 312 und Schmeller-Frommann I, 1747
darüber zusammengestellt haben; über koning oder könig findet sich
BÄCHTOLD, DEUTSCHE HANDSCHRIFTEN IN PARIS. 335
einiges bei Hildebrand im D. W. V, 1700, das hierher gehört. — Z. 6
muß es heißen on ore fuße für ore om fuße', auch das Folgende ist
entstellt, etwa : das sy nynder keyne narunge hynne sullen finden noch
spyße. — Z. 14 ist leher auffällig, da es in dem gleich darauf folgenden
Abschnitte Z. 16 noch einmal vorkömmt. An der einen oder der andern
Stelle muß ursprünglich ein anderes Wort gestanden haben. Auffallend
ist ohnehin, daß der zagel oder ztl, der köpf, die zende der Mäuse un-
erwähnt geblieben sind. Oder war vielleicht das letzte, die zende, der
hier übersehene Ausdruck? Dieß würde wenigstens passen als Reim
zu ende, mit dem die Periode schließt.
IV, Z. 10 hüch der heymlicheit , vergl. Diefenb. 40"^ opocalypsis.
— Z. 24 missestalt, deformitas, fehlt bis jetzt im mhd. Wörterbuche. —
Z. 41 hymmelstrübil ist bis jetzt unbelegt gewesen. — Z. 51 gefrüst, md.
Form — mhd. gefritiset, friert, Mhd. Wörterb. III, 413'.
ZEITZ, Januar 1875. FEDOR BECH.
DEUTSCHE HANDSCHRIFTEN IN PARIS.
Es dürfte nicht ohne Interesse sein, eine kurze Nachricht über
die deutschen Handschriften der Pariser National-Bibliothek zu
vernehmen, zumal der von Michelant verfasste Katalog nicht gedruckt
ist. Derselbe enthält 24^ Nummern, zu denen übrigens noch andere
hinzugekommen sein mögen. Im Winter 1872 legte ich mir die folgen-
den Notizen an über diejenigen Manuscripte, die ich für bemerkens-
werth hielt, aber nur flüchtig gesehen habe*).
Ms. all. 33. (7832*^) Legende von den hl. drei Königen.
Pphs. aus dem Ende des XV. Jh. Wohl nach dem Lateinischen des
Johann von Hildesheim. Andere Prosaverdeutschungen derselben Le-
gende: in Heidelberg und Basel. Vgl. Wackernagel^ die altd. Hss.
der Basler Un. Bibl. p. 58, und eine Probe im Lesebuch 1. Aufl. Sp. 727.
In München: cgm 5134 f. 90—160, von latin zu tutsche braht 1405;
in der Stiftsbibl. St. Gallen sind nicht weniger als vier Hss. Nr. 594,
628, 985 und 987.
*) Die Handschriften tragen neue Signaturen, so muß man Ms. 7266, den
Minnesingercodex, als Ms. all. 32 verlangen. Das Vergnügen , das sein Anblick er-
wecket, ist immer noch wie zu Bodmer's und Breitingers Tagen „von den empfind-
lichsten".
336 BÄCHTOLD
Ms. all. 35. (2947) Heiligenlegenden, niederdeutsch.
Ms. all. 108(7834) Seh ächz abelbuch des Konrad v. Ammen-
hausen. Schöne Pphs. (Schluß daraus mitgetheilt in Graffs Diutiska
III, 450 fF.) Die vielen Hss. dieses Reimwerkes zum Theil in v. d.
Hagens Grundriß p. 426 verzeichnet. Auch die Arsenalbibl. besitzt es
und das Brit. Mus. in add. ms. 16616. (Bilderhs.)
Ms. all. 113. (5551) Das gegenwürttig Püechel wird genant
splendor solis oder sonnenglanntz, Tayltt sich Inn siben Tractat, Durch
wellich beschrieben würdt die künstlich Würckhung des Verporgenen
Steins der altten Weysen etc. Pghs. mit schönen Miniaturen.
Ms. all. 114. (7267) Chronica antiqua rhythmis germanicis,
quam auctor dicit se ex libro latino Gotfridi Bitterniensis (sie!) deprom-
sisse; ab orbe condito usque ad tempora Josuae, in versus germ. trans-
lata jussu Henrici Lantgrauii Thuring. Pphs. 153 Bl. in fol. Es ist dieß
eine unvollendete Abschrift der Weltchronik von Rudolf von Ems nach
Gottfried von Viterbo. (Siehe Graff Diutiska I, 75.)
Ms. all. 115. (1060^) Hartmanns Iwein, der Ritter mit dem
Löwen 187 Bl. in gr. Quart. Pphs. des XV. Jh. Das erste Blatt zer-
rissen. Schluß: Hie hat- der ritter mit dem lewen eyn ende | Gott uns
sinen gnade sende. Diese leider nur oberflächlich gesehene Hs. ist
von Benecke-Lachmann nicht benutzt worden und scheint unbekannt,
wenigstens ist sie bei Schade, Altd. Lesebuch p. 196 nicht verzeichnet.
Ms. all. 116. (1198) Der Renner des Hugo von Trimberg;
beendigt den 7. April 1439. Auch im Brit. Mus. add. Ms. Nr. 24280
(15. Jh. Pphs.) vorhanden.
Ms. all. 118. Fragmente deutscher Hss. des XHI. u. XIV. Jh.
gesammelt von Ob erlin. a) 2 Perg. Bl. in gr. Oct. Anf. : Er bot den
snabel an das gevider | Da ane was daz spengelin | Er sprach vil liebe
frowen min | Nu sist der warheit ermant etc.
h) 2 Pg. Bl. des XIV Jh. Stücke aus Megenbergs Buch der Natur
enthaltend, sie beginnen mit 39, 9 Pfeiffer.
c) 4 Pg. Bl. aus Strickers Karl v. 2525 B. an:
Und sollen uf uns ritten
Genelun sprach ich wil iuch bitten.
Ms. all. 134. Güldenes Tugendtbuch und Trutznachtigal
von Friedrich Spee. Schöne Pphs. ; geschrieben 1640 von Leonardus
Gülichius Benedictinus Bi*auAveilerensis. Die erste Ausgabe der bd.
Sammlungen erschien erst Cöln 1649.
Ms. all. 135. Das Manuscript von Fulda-Reinwald-Zahns Aus-
gabe des Ulfila 1805.
DEUTSCHE HANDSCHRIFTEN IN PARIS. 337
Ms. all. 140. Schwabenspiegel. Anmerkung Oberlins: „Diesen
Schw. Sp. hab ich im Jahre 1783 in einer Kiste voll alten Pergaments
gefunden, welches wirklich sollte zu Leim gekocht werden xind also
vom Tode gerettet." Die Hs. gedr. bei Schilter Thes. IL (Eine andere
Pariser Hs. bei Graff Diut. IIL 454 u. ff.)
Ms. all. 155. Cölner Chronik in Versen.
Ms. all. 192 — 204. Die literar. Correspondenz Oberlins, die wahr-
scheinlich des Interessanten noch viel enthält.
Ms. all. 206. Bruder Philipps Marienleben. Pghs. des
XIV. Jh. 80 Bl., jede Seite zu 2 Colonnen mit abgesetzten Versen. Ohne
Titel. Vor dem Anfang des Gedichtes: Dye gnade des heilgin geistis
si mit vns amen.
Maria müder kuueginneu
Aller der werlde loserinnen
Verlieh mir solicbe synne
Daz ich dissis buchelinis beginne etc.
Schluß : Alle die an diseme buche
Lesent der gnade ich suche
Daz si wellen haldin stedo
Durch got mich an irrae gebede
Vn biedin Jhesum daz er sich
Welle erbarmen über mich.
Peder sch'ber bin ich genant
Got ist mir leider vnbekant.
Geschriben han ich iz mit minre haut
Dez habe got vii sin lie(be) müder da(nc)
Daz er mir die sinne hat uerluwen
Dez danke ich yn myt truwen
Nu sat diz selbe büchelin
Sante iosep was maner myn
Der marien hüder was
Die ihs. godis sun genas
Der selbe ihesus müz vns gebin
Trost durch sin müder lebin
Marien lebin get hie vz
Nu helfe vns ir kint Jhesus. Amen.
Qui schripsit scribat et longo tpe viuat. Amen.
Dieser Epilog ist deÜwegen nicht uninteressant, weil sich darin
der Abschreiber Peter Schreiber an Stelle des Dichters : brader Philipp
bin ich genant, verewigt. Zu diesem Zweck mussten dann einige un-
GERMANIÄ. Neue Keihe VIII. (XX. Jalirg.) 22
338 BACHTOLl)
geschickte Verse eingeschoben und V. 10126 (bei Rücksrt): ze Seitz
ditz selbe büechelin in das unverständliche: nu sat etc. geändert
werden. — Hier sei noch auf eine Londoner Hs. desselben Gedichts
add. Ms. 10, 432 (XIV. Jh.) hingewiesen. Anfang und Schluß fehlen. Die
Hs. beginnt mit v. 1242 und schließt mit v. 9632.
Ms. all. 214 — 18. Sammlung von 204 deutschen Urkunden
des XHI. bis XVIII. Jahrh. v. Oberlin.
Ms. all. 219. Correspondenz v. Faulhaber.
Daneben liegen unter den deutschen Hss. der Nat. Bibl. die
Papiere von Winkelmann, (Nr. 56 — 76. Darunter eine Sammlung
italienischer sprichwörtl. Redensarten und Idiotismen etc. etc.), die
wohl schon benützt sind, und — um mit einem noch moderneren
Manuscript abzuschließen — der Kosmos v. Humboldt (siehe Allg.
Ztg. Jahrg. 1872, Nr. 182).
In Graffs Diutiska III, 450 u. ff. sind 12 deutsche Handschriften
aus der jetzigen Nat. Bibl. verzeichnet.
In der Arsenalbibliothek zu Paris befinden sich ebenfalls
deutsche Handschriften, aber nur in kleiner Zahl; sie tragen noch die
Nummer von Haenel's Katalog. Unter denselben wäre Ms. allem. 7
der große Prosaroraan von Lanzelot hervorzuheben:
Historien und Beschicht-Buch des hoch- und Weytberüembten
Ritters Herren Lannzelots vom Lac. Darinnen vermeldet wirdet, was
Er inn Zeytt seins Lebenns beueben andernn Ritterlicher Thaten und
Abenthewernn geendet und vollbracht hat. 4 Bde. in gr. Fol. Pphs. Im
ganzen 925 Bl. Am Schluß: scriptum et finitum per me Christophorum
Crispinum 12 Sept. ann. sal. 1576.
Daselbst befindet sich als Ms. all. 6 eine Pphs. aus dem Anfang
des XV. Jh., das so häufig vorkommende Schachzabelbuch des
K. V. Ammenhausen. Der Schreiber des Gedichts, Michel Scberer von
Straßburg^ erlaubt sich^ von seiner Arbeit mit Recht gelangweilt, zahl-
reiche Randglossen, die oft recht ergötzlich sind, er flicht Volksreime
ein, übt sich mitunter wohl selbst in der Poeterei. Manches, wie z. B.
die Bemerkungen über den Raubzug der Armagnaken unter dem
Dauphin Ludwig, wurde erst später eingetragen. Eine Blumenlese möge
hier folgen:
Michel Scherer schreip dis buch noch gottes geburt 1418, bittent got
für in, gesessen uf sant stefl'ens plen zu Strosburg.
0 Mensch höre diese wort! Hette ich die Wissheit Salomonis, und die
Sterke Samsonis, und die schöne Absolonis, und daz lange leben Enoch, und
den richtiim Cresy, und die frumkeit Alexanders: Was hilffe mich das nu alles,
DEUTSCHE HANDSCHRIFTEN IN PARIS. 339
60 myn sele würde gepinget in der hellen von den tüfeln vnde der lip wurde
den wurmen geben?
We, we, we allen den menschen, die durch einen kurzen gelust des libes
verlierend verlierend die ewige fröude ! — Sprüche aus Salomon, Chrysostomus,
Paulus, St. Bernhard etc.
Wer zehen wurste wol bereit
Und zu jeder wurst ein wecken gekeit,^)
Und darzü eine flesche mit win:
Do mohte daz kuntzilium zu Kostanz sin.
Mir ist nach der zarten we,
Das machet f. v. t. (d. h. fut, cunnus).
So liep zu liebe nit mag kommen,
Do wurt fröideu vil benomen.
0 hl. Sant Sebastianus, bit für mich den allmehtigen got für den jemer-
lichen gepresten der bülen vnd der bleter durh diner big. martel cre.
Unmvit düt we,
Armut noch vil me.
Doch geselle nit verzage:
Glücke kumet alle tage!
Ich hat einen bülen, daz wente ich.
Die hat ein andern, daz weis ich :
Nu hüt der selbe geselle sich^
Daz si in nit beschisse also mich**).
Die ich in meinem hertzen trage,
Die sehe ich gerne alle tage.
Den besten friunt, den iemant bat
Daz ist der pfenning an früudes stat.
Ein gut geselle ist ein slitte an dem woge.
I
Menger lachet den andern an,
Er wolt sin herze gessen hau.
0 edele maria, gottes müter vnd reine maget vber alle megede, vnd ein
gebererin des lebenden gottes sun vnd ein trost aller armen menschen! bit für
mich armen schriber dis buches, edele maget maria, durch diues lieben suues
L
*) Wühl zu allemanniseh: §cheien, werfen.
**) Dieser Spruch auch im Liedersaal 111. 205.
22*
340 BÄCTITOLD. DEUTSCHE HANDSCHRIFTEN IN PAUIft.
willen, mynes pottes und mynes berren Jesu Chiisli willon und bis mir helffcnde
an mynem ende, so min sele von myne'm libe scheiden sol. Daz bitte ich dich,
zarte, edele und reine Maria. — Im herbeste. M. Scherer.
Es wil nit her
Daz ich beger;
Und was ich nit mag ,
Daz begegent mir allen tag.
Ich wollte, daz der telffin mit sinen gesellen wei-e in der hellen und
ouch der küng von frankrich!
Salomon sprichet: Es ist besser wonende mit dem löwen vnde mit dem
seherpione und mit den slangen vnde mit den vei-gifFtigen wurmen, dan mit
einem bösen wibe.
"Wer mit eren wil wesen, der sol mit sinen nachgeburen in friden wesen.
Klein ist min gut,
Hoch ist mir der müt;
Klein ist min gewin ,
Krank sint min sin ;
Von wem ich niht enhan.
Der sol mich vngehrt lan.
Küng Karl von frankreich vnd din sun Ludewig, daz iuch der tüfel neme,
wie hant ir so vil lütes verderbet an libe und an gute!
Da man zalte von gottes geburte 1443 jor in dem ogeste, do kam der
telfin, der snöde man, in erlsaz mit grossem volk der mörder und der Schacher
vnwiderseit.
Letztes Blatt zerrissen. Am Schluß;
Das volk das schrey,
Der pfafFe sang,
Man begrup den man.
Die glocke klang.
SOLOTHURN. J. BÄCHTOLD.
MAETENÖ, NIEDEESÄCHSISCHE FASTENANDACHT. 341
NIEDERSÄCHSISCHE FASTENANDACHT.
Das liier zum theilweisen Abdruck gebrachte niedersächsische
Schriftwerk findet sich in einem Gebet- und Andachtsbuche aus dem
Ende des 14. oder Anfang des 15. Jahrhunderts. Es hat Sedezformat,
besteht aus 270 Blättern und ist von mehreren Händen geschrieben.
Es enthält Gebete an Gott, Christus und den heil. Geist, an die Jung-
frau Maria, auch „en gud bed jegen de pestilencien", in welchem „de
hilghe ridder simte Jürgen", dann Sebastianus, Antonius, Christophorus
und Rochus zur „bescharminghe vor den hastigen snellen doth" an-
gerufen werden, und Gebete an St. Mauritius und Maria Magdalena.
Neben diesen Gebeten enthält es zunächst von p. 56 — 234 eine Fasten-
andacht, dann die Passiousgeschichte nach dem Evangelium Johannis
und eine Anzahl geistlicher Betrachtungen, in denen namentlich „sunte
Augustinus, de sote lerer sunte Bernardus" und „byscop Albert, de
wise meyster" genannt werden. Unter diesen Betrachtungen kommt
p. 447 — 450 auch die Beschreibung der Person Christi vor, welche ich
in der Germania XII, 103 veröffentlicht habe.
Die schwarze Schrift ist vielfach mit rother unterbrochen. Die
Initialen sind sämmtlicli roth.
Das Buch ist für ein Nonnenkloster geschrieben worden.
Was die Fastenandacht selbst betrifft, so bemerke ich nur kurz,
daß sie vollständig die Zeit vom Sonntage Septuagesimae bis zum
stillen Freitage incl. umfasst. Betrachtungen, die an die Pericopen oder
an Institutionen der Kirche sich anschließen, wechseln mit Gebeten.
Das ganze Werk kann in dieser Zeitschrift nicht wohl mitgetheilt
werden; es sind deßhalb drei Stücke ausgewählt, die als Proben dienen
mögen.
Die Abschrift stimmt genau mit dem Originale. Die Interpunction
habe ich eingefügt.
Pag. 59-63:
AUeluia !
Dat is de alder soteste vu vrolikeste sangh
Vn alle des hemmeis seyden klangh.
Des ersten sondaghes*), wan dat Alleluia locht is, so bedenke,
leue mynske, dat in desscr tyd de hilghe korke begheyt^ wo Adam
'i Scptuag^esim.ie.
342 MARXENS
vth dem paradyse worpen wart, darvmme singhet me nu nicht mer
dat Allcluia vn Gloria in excelsis vn allen vroliken sangk. Ok leth
me de orgelen stan, dat dar nicht mer vp ghespelet wert; men wy
scholt vns bedrouen vn bewenen vnse elende. Wente alle, dat wy dat
ghansc jar vorsumet hebben, schole wy an dessen daghen bcriiwen vn
bewenen, dat wy an dem vrolyken Paschendaghe vns myt gode moghen
vrouwen vn dat vrolyke Alleluia sotlyken singhen vü moten vnse vader-
lanth vroliken anghan. Darvmme ghif dy tho gode an desser hilghen
tyd vii nim tho sinne de wort, de ghelesen werden in dem hilghen
Ewangelio, dar gheesket werden tho gande in den wingarden, de dar
leddich stan. O leue mynsche, hestu dy vorsumet an der ersten eskinghe,
dat is an dyner kyntheyt in dyner dope vn vermynghe, do du den
cristenlouen entfenghest, edder in der anderen eskynghe an dyner
joghet, do du myt gode vorenyghet wordest in der entfanghinghe des
hilghen sacramentes, effte in der drudden eschinghe, do du tredest in den
ghestlyken orden: Hestu*) an alle dessen vorsumich ghewesen wenta
an dessen dach, so gha nu snelliken in den wyngarden, dar du hüte
in gheladen werst. God de vorsmadet nemende, wente de lesten ent-
fanghet van eme lyke Ion alse de ersten. Darvmme snelle dy in den
kor, wan du hörst, dat me myssen luth, alse effte du tho der stuat
hörest de stempne godes, de dy segghe: Gha in mynen wyngharden,
vn wad recht is, dat wyl ik dy gheuen. Wau du in den kor kumpst,
so rop an den hilghen ghest, dat he dyn herte vorluchte myt syner
gnade vn lis: Veui, sce sps. vn dyt naghescreuen beth myd innycheyt
dynes herten:
(Hier folgt ein Gebet).
Pag. 110—118:
An dem sondaghe tho mytvasten**) scholtu dy openbarlyken
vrouwen, wente de vasten is ouer de helfte vii id nalet sick dem
vroliken Paschen, alse me list in dem Ewangelio: Erat proximura
Pascha. Dar vmme sprik jeghen dy sulues : Lat vns werdelken snellen,
tho beghande de Paschelken vroude.
To der vroliken missen: Letare iherusalem, lichte vp de oghen
dynes herten in den hemmel tho der ouersten stad iherusalem vn sprik
in groter vrolicheyt: 0 du ouerste iherusalem, du segheuechtelke kerke,
alle ghi vterkoren der hemmelschen stad iherusalem, de gy juwen
vacht hebbet vullenbrocht, vrouwet jw nu vn denket vnser in juwer
*) Hier setzt der Schreiber mit einem großen Anfangsbuchstaben wieder ein.
**) Laetare.
NIEDEESÄCHSISCHE FASTENANDACHT. 343
vroude vn helpet vns vn alle der cristenhevt myt juwem bede, dat
wy vnsen vacht ok tho enem salighen ende bringhen. Tho hant wert
dy en atitwart van em vn segghet: Gy loueghen mynsken, de gy
vormiddelst guden werken wandert tho der ouersten stad iherusalem,
maket ene samelinghe alle gy de de stad lef hebben vü dar begheret
in tho kamende, vrouwet jw myt groter vroude vü blideschup, de gy
wesen hebbet in groter drofnisse der waren ruwe edder juwer eghen
swarraodicheyt, de de god allene bekant is, vppe dat gy jw noch mer
moghen vrouwen vii gbesadighet werden van den brüsten syner trostinghe;
legghet jw tho syuen rosenvaren wunden vn sughet dar vth honnich
vn melk, dar gy van ghetrostet vn sterket werden.
Wan du desse trostliken wort hörst, so mochstu segghen in groter
vroude de wort, de me singhet an dem vreske*) tho der missen:
Letatus sum, dat is so vele: Ik byn ghevrouwet in den worden, de
my secht syn. In dat hus des heren wil wy ghan.
Dat Ewangelium in der missen bescriflft sunte Johannes vn secht:
Id nalet sik deme vroliken Paschen, vii secht ok vordan, wo god sede:
Ik wil my vorbarmen ouer de schare.
O leue mynsche, hefstu sus langhe wesen in bittercheyt dyner
eghenen samwitticheyt, nym nu trost tho dy. Höre, wo mylde dyn vader
is, deme du denest, he enbeydet dar nicht na, dat du de vasten vor-
vullet hebbest, men he kumpt an deme middele der vasten vn wil dy
trösten vn lauen vn secht : Ik vorbarme my auer de schare, de myner
gnade dre weken ouer beydet hebben, eft ik se nu hungherigh ghan
late sunder myne gnade, so vorwerdet se in dem weghe. So bidde
god vmme syne gnade vü sprik dit beth:
(Gebet).
Desse dach wert gheheten en dach des brodes vmme des groten
wundertekens , dat god dede myt den vif broden, dar he vif dusent
lüde mede sadede, so dat Ewangelium vtwiset, dat hüte lesen wert.
Ok wert desse dach gheheten de dach der rosen**), wente an desseme
daghe dricht de Pawes dor de stad tho Rome twe rosen***) van desem
vH balseme, vii darna offert he de enen der hemmelschen koninghinne,
den juncvrowen marien, de andere ghift he enem landes heren, de dar
jeghenwardich is. Offer du ok dyne rosen, dat is dyn innighe beth,
der juncvrowen Marien vii sprik:
*) = verske.
**) Laetare, Kosensonntag.
***) Die Einführung der Rosenweihe wird dem Papste Urban V. zugeschrieben.
Derselbe soll sie zuerst 1360 vollzogen haben.
344 MARTKNS
(Gebet).
Pag. 129-135:
An deme heylsameghen sondaghe*) wan dat lydent godes be-
ghunt wert, so steyt moyses, de dener godes, vp deme stillen der nacht
vn ladet myt syner bassunen alle eristenheyt tho samende in gheyst-
licher vroude vü secht de wort, de me tho der motten singhet: Isti
sunt dies. Dit sint de daghe, de gy holden seholt tho ewighen tyden.
An deme verteynden daghe**) des ersten manen, de myt vns de Oster-
mane wert gheheten, tho deme auende is de hochtyd de de Pasche
wert gheheten, vn in deme vofteynden daghe***) desses manen schole
gy beghan de hochtyd des alder hoghesten heren, efte he segghen
schole: Nu steyt vns an de begherlike hochtyd, de god an der figuren
der olden ee des Paschelammes heft ghebaden tho beghande tho ewy-
ghen tyden in groter werdicheyt, vn nu bauen alle de dechtnisse syner
vrolyken vpstandinghe der eristenheyt heft ghebaden tho virende vn
tho erende. Wente xpc vnse wäre Paschelam, de sick vor vns in deme
ghalghen des cruces gheoffert heft vn vns vorloset heft vth dem hei-
schen egyptenlande vn heft vns gheopenet an syner segheuechtelken
vpstandinghe den wech ' des ewighen leuendes vn heft vns ghebrocht
au dat loue laut, dar de melk syner hilghen mynscheyt vn dat sote
honnich syner godheyt vlut, dar alle vterkoren van ghesadighet werden.
Dar vmme vorhardet nicht juwe herte, men beredet jw desse verteyn
daghe vii beghat nu de tyd synes hilghen bitteren lydendes in groter
innicheyt vn danknamicheyt, dat gy dar na den hochghelaueden vro-
lyken Paschen in groter vroude moghen beghan.
Tho der myssen wert ghelesen de Epistolen: Xpc assistens pon-
tifex. Dessen hoghen werden bischop sette vor de oghen dynes horten,
eft du jw thom sestf), wo he sta an enem schonen Roden gharwe
vor deme altare, dat is vor deme angesichte synes hemmelschen vaders,
sik suluen tho offernde vor vns, myt synem duren eddelen blöde vor
vnse sunde. Tho dessem groten bischope trid sekerken vn ofifere eme
dat bernende offer des loues vii der dancksegginghe; klage eme alle
*) Judica.
**) Der 14. Nisan, der Abend vor den jüdischen Ostern, ist geraeint, die, wie
die christlichen Ostern, meistens in den April fallen, der daher der Ostermonat
genannt wird. Die ganze Stelle ist in Betreff der Zeitbestimmung übrigens sehr
wenig präcis.
***) Der 15. Nisan. der erste Tag der jüdischen Ostern,
t) Diese jedenfalls fehlerhafte Stelle ist mir unverständlich.
NIEDERSÄCHSTSCHE FASTENANDACHT. 345
dyne noth, he is wol vorsocht myt lydende, dar vmme kan he dy
vorlichten vn sote raaken alle, dat dy swar wert. He steyt myt vt-
reckeden armen vli secht lefliken: Kämet tlio my alle, de de arbey-
det vn beswaret sin myt sunden, vü ik wil jw vorquicken vn van
jwwen Sunden losen. Höre ok, wo sotliken he vns an der communien
desser missen tho syner werschop*) ladet vn secht: Hoc corpus, dyt
is myn lycham, de vor jw vorraden werden schal vn eues smeliken
dodes steruen. Dyt is de kelk des nyen testamentes in mynem blöde.
Dyt dot in myne dechtnisse. So sprik myt innicheyt dynes herten:
(Gebet).
Aus den übrigen Stücken der „Fastenandacht" sind einige be-
merkenswerthe Wörter ausgewählt und zusammengestellt, die hier noch
einen Platz finden mögen. Nicht meine ich, damit das mittelnieder-
deutsche Wörterbuch in seinem Wortschatze zu vervollständigen. Aber
das vorliegende Schriftstück gehört zu den älteren seiner Art; eben
deßhalb erhält das folgende Verzeichniss einigen Werth, und dürften
die ausgehobenen Citate als ein Beitrag zum Wörterbuche erscheinen.
Auname, angenehm. Ecce, nunc tempus acceptabile. Seth, nu
is de anname tyd, p. 85.
arstedie, Arzenei. Vasten, ... der menen cristenheyt tho ar-
stedye der sele ghesettet, p. 80. Myn vastent sy dy anname vii myner
sele nutte arstedye jeghen alle suke myner sunde, p. 83.
behaluet, umgeben. He was behaluet van synen vyenden, p. 222.
beruet, barfuss. Sine leuen jungheren, ... myt berueden voten
volghet se eme, p. 146.
beuinghe. Beben. Killinghe vn beuinghe dyner hilghen lede,
p. 218.
bigraft, Begräbniss. AI dyne leuen vrunde bewenden dyne alder-
hilghesten bygrafFt, p, 232.
bisproke, Gleichniss. Des sondaghes vor vastelauende so wert
ghelesen in dem hilghen 'ewangelio de bvsproke: Exiit, qui seminat,
p. 68.
boren, gebühren. Nos autem gloriari oportet in cruce domini
nostri etc, Vns boret to beghende in deme cruce vnses heren etc., p. 171.
dunkelgude, Pharisäer, Heuchler. Alle dult vn sachtmodycheyt,
de du had best in allen honspraken, de dy de quaden joden vü de
dunkelguden tholeden p. 107.
') Cf. werschuppen, in dem folgend'en Verzeichniss.
346 MARTENS
Egenboren, eigengeboren. Hute heft de hemmelsche vader
synen eghcnboren sone nicht geschont,|p. 231.
enenboren, eingeboren. Du willest anseen dynen enenbornen
sone, p. 195.
eutwiden, erhören. An ropet my, vn ik wil juv entwyden, p. 79.
(F) Vaken, oft. Ik hebbe vaken jeghen dyne bode vn myne
ouersten ghebellet alse en hunt, p. 101. Dit is m} n blot, wo vaken gy
dyt entfangen, so dot dat in myne dechtnisse, p. 173.
vastelauend, Fastnacht. Des sondaghes tho groten vastelauende
(=: Sonntag Esto mihi oder Quinquagesimae) desse dach wert ghe-
heten de veftigheste dach, wente van dessem daghe an beth an den
hogheloueden Paschedach rekenstu veftich daghe, p. 72.
vegevür, Fegfeuer. Myn naturlike dot mote wesen myn veghe-
vür, p. 234.
vetticheit, Fettigkeit. So behouestu de bitte der sunne, de
vetticheyt vn de vruchtbaricheyt des ertrikes van binnen, den reghen
vü den hemmelschen dow van bouen, p. 76.
vordere hant, rechte Hand. Dextera domini fecit etc. De vor-
dere hant des heren heft ge werket etc., p. 179.
vordomenissc Verdammniss. Nu sint de daghe des heyles, we
de vorsumet, de moth na dessem leuende hebben de daghe der vor-
domenissc, dar god vor sy, p. 85.
vordunckern, verdunkeln, zu sehen aufhören. Syne oghen vor-
dunckert, p. 225.
vorhenge, Vorhang. Des sunnauendes *), wan de hilghe korke
begint tho beghande dat lydent godes, so behenghet me de altare myt
rodem vorhenghe, p. 125.
vorsaken, verleugnen. Sunte Peter, de dy vorsaket hadde, p. 93,
We na my kamen wil, de vorsake sik suluest, p. 190.
vorsoren, verdorren. Dat ik nich envalle vppe den sten vn
vorsore, p. 70.
vor spei, Vorspiel. Du seult dy en vorspel maken der vroude,
de du an deme thokumpstighen veftighesten daghe hebben schult,
p. 73. — S. Paschendag.
vorstornisse, Störung. Sunder vorstornisse an der gnade des
hilghen ghestes, p. 58.
vridach, de stille = stiller Freitag, Charfreitag. De allerbedrof-
likeste nacht des stillen vrichdaghes, p. 204.
*) Sonnabend vor Judica.
I
NIEDERSÄCHSISCHE FASTENASDACHT. 347
vrowesname, Frau. Du hordest ene van dem cruce to dy
sprekende : vrowesname, see dyn sone, p. 230. — 0, vruwesname, dyn
loue is grot, dy sehe alse du wult, p. 103.
Geiseln, geissein. Du di'ogliest an dynem vorwundeden thoghey-
selden rugghen dyn sware cruce, p. 126.
halsslagen, an den Hals schlagen. Do du tho der sexten tyd
bist halsslaghet, gestot vn slagen, p. 223.
ho misse, Hochamt. Dyt naghescreuen beth lys vnder der ho-
myssen, p. 155.
honsprake, Hohnrede. S. dunkelgude.
honspreken, verhöhnen. Syne vyende, de quaden joden, (de)
ene honsprakeden vn eme vele vnere boden, p. 220. He wart ghe-
brocht van enem richtere to dem anderen, bespottet vn bespiget vii
honspraket, p. 203.
Jammerdal, Jammerthal. Dat wy in dessem jammerdale ichtes
wat smecken mochten van deme trostliken wort vn der hemmelschen
vroude, p. 57.
jum = iis. VorgifF id jum, wente se en weten nicht, wat se don,
p. 222.
Killinge, anhaltender Schmerz. S. beuinge.
klenad, Kleinod. Merke, wo groten klenade de moder der hilghen
kerken vphud, p. 56.
krepen, kriechen. De klenen wormeken des ertrikes krepet
dar in, p. 76.
kromeken, Krümchen. Men ik bidde, dat ik mote wolpes wyse,
vii alse en klene hundeken vplesen de kromeken, de dar vallen van
der tafelen dyner gnade, so dat ik arme wolpeken, ik vnwerdighe
creature, dor wäre ruwe vii othmodicheyt van den kromeken dyner
gnade wedder werde dyn dochter vii dyn kynt, p. 102.
leueken, Liebchen. Myt dynem leueken xp5 jhü in siner vro-
liken vpstandinghe, de beter is wen ienich vastelauendes leueken, p. 73.
leggen, beilegen, d.h. aufhören lassen. An dem sunnauende *),
wan me dat Alleluia locht, p. 56.
luchtere hant, linke Hand. De wunde der luchteren band, des
luchteren votes, p. 92. 94.
Mancket, zwischen, unter. Dat valt by den wech, mancket de
dorne, p. 68.
*) Sonnabend vor Septuagesimae.
348 MAKTENS, NIEDEKSÄCIiSISCHE FASTENANDACHT.
Nachtsang, der klösterliche cantus nocturnus. To dem nacht-
sangli betrachte nu de bedroffnisse jhü x, p. 189.
Palm entw ig, Palmenzweig. De joden, de eme thomote ghinghen
myt denrgronen palmentwyghen, p. 141.
Paschen dach, de lutke =: Sonntag Palmarum. Desse dach wert
ok gheheten de lutke Paschendach, wente he is en vorspel des groten
Paschedaghes, p. 149,
percessien, Procession. Gha de percessyen myt groter innicheyt,
p. 147. De percessyen kumpt wedder in den kor, p. 150.
predekinge, Predigt. Kader predekinghe des propheten, p. 89.
porteken, Pförtchen. Tho iherusalem is en dick, vmmedan
myt vifF porteken, p. 90.
Ranke, Ranke. Ik byn de wäre wynrauen vü gy synt myne
ranken, p. 190.
Salichmaker, Seligmacher. Denke, wo dyn salichmaker in deme
cruce ghehanghen heft myt vtreckeden armen, lop sekerken tho eme,
p. 151.
sekerken, Adv. sicher. S. salichmaker. — Opene nu xpö dyn
herte, trit sekerken to, p. 170.
Staltenisse, Gestalt. He hefft de staltenisse enes knechtes tho
sik ghenamen, p. 152.
Twigeken, Zweiglein. Dat lemmeken speiet entjeghen deme,
de id dodeu wil, wan he eme de gronen tvvygheken wyset, p. 141.
Ummekring, Umkreis, Umfang. An deme vmmekringhe des
dysches, p. 164.
vphuden, aufbewahren. Alleluia, dat in der hilghen korken nu
wert beslaten vn vpgehud, p. 50. — S. klenad.
Wer sc huppen, wirthschaften, walten. Myt dy werschuppen an
dyner Paschelken vroude, p. 82. Du moghest myt my werschuppen vn
ik myt dy, p. 84. — Ik bidde dy, dat du willest myt myner sele wer-
schuppen, p. 163. Werschuppe du \n sprik mit dynen vrunden, p. 164.
winpersen, Weinpresse. Do du vp dynen vorwundeden schul-
deren dyn sware cruce droghest vn de wynpersen allene tredest, p. 126.
winraue, Weinrebe, Weinstock. S. ranken.
wolp, wolpeken, junger Hund. S. kromeken.
BREMEN, im März 1875. H. MARTENS.
BLAAS, VOLKSTHÜMLICHES AUS NIEDEKÖSTERREICH ÜBER TIIIEKE. 349
VOLKSTHÜMLICHES AUS NIEDERÖSTERREICH
ÜBER THIERE.
VON
C. M. BLAAS.
1. Wenn ein Hund heult, geschieht ein UngUick*) (Wien).
2. Wenn der Haushund heult, so stirbt Jemand aus dem Hause '^)
(Göllersdorf). 3. Wenn ein Hund heult und schaut nach oben, so bricht
ein Feuer in dem Hause aus, wo er ist; sieht er aber nach ui^ten, so
stirbt Jemand aus demselben^} (Stockerau). 4. Wenn die Hunde Gras
fressen, so regnet es bald**). 5. Hundeschmalz hilft gegen die Aus-
zehrung (Sierndorf bei Stockerau).
6. Wenn sich die Katze putzt, so wird schönes Wetter oder
es kommt ein seltener Gast^) (Stockerau). 7. Wenn die Katze Gras
frisst, so wird es bald regnen ^) (Stockerau). 8. Wenn in einem Hause
eine dreifarbige Katze ist, so bewahrt sie dasselbe vor Feuersgefahr ')
(Stockerau). 9. Im Hause soll man keine Katze umbringen, sonst ist
kein Glück in demselben^) (Höbersdorf). 10. Wenn ein Mädchen keine
Katze leiden kann, so kann sie auch keinen Mann leiden (Göllers-
dorf) 11. Die schwarzen Katzen können kein heiliges Lied singen
hören (Deinzendorf). 12. Aus einer schwarzen Katze wird, sobald sie
älter wird, eine Hexe^) (Deinzendoi-f). 13. Wenn eine Katze neun Jahre
alt ist, so wird sie eine Hexe ^") (Höbersdorf). 14. Katzenschmalz hilft
gegen die Auszehrung (Sierndorf bei Stockerau).
15. Damit ein Kind leicht zahne, soll eines der Angehörigen des
Kindes einer lebendigen Maus den Kopf abbeissen, und dieser muß
dann dem Kinde um den Hals gehängt werden*^) (Wien). 16. Indem
die Kinder einen ihnen ausgebrochenen Zahn nach rückwärts über
den Kopf werfen, sagen sie : „Maus, Maus, i schenk da an banan Zahn,
schenk ma an eisan Zahn!" "^) (Stockerau).
») Vgl. Grimm, Myth. I. Ausg., Anhg. LXXIV. ') Vgl. Lütolf, Sagen der
fünf Orte 553. ^) Vgl. Grimm, Myth. I. Ausg., Anhg. CLV. ") Vgl. Wolf,
Beitr. z. deut. Myth. I, 231. *) Vgl. Schönwerth, Aus der Oberpfalz I, 358.
*) Vgl. Birlinger, Volksth. a. Schvv. I, 117. ') Vgl. Grohmann, Abergl. a. Böhmen 55.
*) Vgl. Grimm, Myth. I. Ausg., Anhg. LXX. ») Vgl. Zingerle, Tirol. Sitt. 94.
'") Vgl. Schönwerth, Aus der Oberpfalz I, 357. ") Vgl. Grimm, Myth. I. Ausg.,
Anhg. XC. ") Vgl. Simrock, Deut. Myth. 445.
350 BLAAS
17. Wenn man ausgeht und es läuft einem ein Hase über den
Weg, so hat man UngUick ^).
18. Man glaubt, wenn man unter das Bett eines Gichtkranken
ein Meerfadl gebe, so ziehe dasselbe die Gicht an sich und der
Kranke genese*^) (Sierndorf bei Stockerau).
19. Wenn man Schweinen begegnet, so hat man Unglück^)
(Stockerau). 20. Wenn einem auf dem Wege zu einem Besuche Schweine
begegnen, so ist dieß ein Zeichen, daß man dort nicht gerne gesehen
wird"*) (Sierndorf bei Stockerau). 21. Isst man am Neujahrstage einen
Schweinsrüssel, so hat man das ganze Jahr Glück") (Wien).
22. Bei festlichen Gelagen, z. B. nach Jagden, durfte in Litschau
(Wald viertel) ein Wilds chweinkopf nicht fehlen, welcher mit Ros-
marin, Bändern und Blumen geschmückt auf die Tafel gestellt wurde •*).
23. In dem Hause, vor welchem ein Pferd wiehert, ist eine Braut
(Wien). 24. Ein gefundenes Hufeisen bedeutet Glück') (Wien).
25. Wenn einem Schafe begegnen, so hat man Glück®) (Siern-
dorf bei Stockerau). 26. Wenn man Jemanden besuchen will und es
begegnen einem Schafe, so ist man dort gerne gesehen^) (Sierndorf
bei Stockerau).
27. Wenn ein junger Stier zum ersten Male auf die Weide ge-
führt wird, so bekommt er einen Kranz zwischen die Hörner. (Strous-
dorf bei Ernstbrunn). 28. Zum Stier sagen die Kinder:
„Stiarjodl bum, bum,
steß's Hefarl ued um,
steß's aufi, steß's abi,
steß's nur ned in Brunn!"
[steß's rundumadum!] (Spillern).
29. Wenn eine Kuh oder Kalbin aus dem Hause gegeben wird,
so reicht man derselben Brod, mit Weihwasser besprengt, zum fressen^");
zuweilen erhält sie außerdem zugleich drei geweihte „Palmkatzln"
(Sierndorf bei Stockerau). 30. Wenn das Kalbl von der Kuh verkauft
wird, so bekommt die alte Brod mit Weihwasser besprengt zum fressen
(Sierndorf bei Stockerau). 31. Die erste Milch von einer Kuh, welcher ihr
Kalbl verkauft wurde, heißt die „Blazmilch", und wird, nachdem sie
vorher mit Weihwasser besprengt wurde, den Armen gegeben (Siem-
*) Vgl. Grimm, Myth. 1079—1080. ^) Vgl. Grohmann, Abergl. a. Böhm. 58.
^) Vgl. Schönwerth, Aus der Oberpfalz III, 273. ") Vgl. Grimm, Myth. 1081.
^) Vgl. Vernaleken, Alpcnsag. 343. «) Vgl, Grimm Myth. 195. ') Vgl. Grimm,
Myth.., I. Ausg., Anh. LXXII. «) Vgl. Kuhn, Mark. Sag. 387. ') Vgl. Glimm,
Myth. 1081. '") Vgl, Birlinger, Aus Schwaben, Neue Sammig. I, 403.
VOLKSTHÜMLICHES AUS NIEDERÖSTERREICH t'TBER THIERE. 351
dorf bei Stockerau). 32. Wenn eine Kuh aufhört Milch zu geben oder
rothe Milch giebt, so sagt man^ sie sei „verhext" und man soll im
ersten Falle die paar Tropfen, die sie noch giebt, im zweiten Falle
die rothe Milch in einem Rein dl aufs Feuer stellen und mit einer
Doadistl peitschen; das gspürt die Hex und muß kommen, bittet ab
und macht, daß die Kuh wieder Milch giebt, wie früher^) (Deinzendo;f).
33. Wenn man ein Rothschwanzl fängt oder umbringt, oder
ihm das Nest ausnimmt, so schlägt der Blitz ein*^) (Spillern). 34. Wenn
man einem Rothschwanzl das Nest ausnimmt, so bricht Feuer aus
(Spillern) oder es wird eine Kuh hin^) (Pfösing). 35. Wenn man ein
Rothschwafl umbringt, so geben die Kühe Blut statt Milch *) (Döllers-
heim).
36. Die Schwalben sind heilige Thiere^), und man darf weder
ihnen noch ihren Nestern etwas authun^). 37. Wo eine Schwalbe
nistet, ist Segen Gottes'^) (Wien). 38. Wo Schwalben zufliegen, ist
Glück ^) (Stockerau). 39. Man soll die Schwalben nicht verjagen, weil
sie einem das Glück ins Haus bringen (Langenlois). 40. Im Hause wo
Schwalben sind, schlägt's nicht ein^) (Wald viertel). 41. Das Haus wo
Schwalben ihr Nest bauen, ist vor Feuer sicher^") (Waldviertel).
42. Wenn in einem Hause eine Gotteslästerung oder eine andere
Frevelthat geschieht, so kommen die Schw^alben nicht mehr, um zu
nisten^') (Wien). 43. Die Schwalben sind Muttergottesvögerln, daher
darf man sie nicht umbringen^-) (Hippersdorf). 44. Wenn Jemand eine
Schwalbe umbringt, so weint Unsere liebe Frau, weil das ihre Vögel
sind (Stockerau). 45. Wenn man eine Schwalbe umbringt, so kommt
Unglück über das Haus ^•'^) (Wolkersdorf im Gerichtsbez. Wolkersdorf).
46. Wenn man ein Schwalbennest ausnimmt oder eine Schwalbe um-
bringt, so bricht Feuer aus '*) (Spillern). 47. Wenn man ein Schwalben-
nest zerstört oder eine Schwalbe umbringt^ so geben die Kühe Blut
statt Milch '^) (Döllersheim). 48. Wenn man im Frühjahre die ersten
Schwalben einzeln sieht, so verlässt man den Ort, wo man ist; sieht
man aber mehrex'e zugleich, so bleibt man dort (Hadersdorf am Kamp).
49. Sieht man im Frühjahre die ersten Schwalben paarweise, so hei-
') Vgl. Grimm, Myth. 1026. ^) Vgl. V7olf, Beilr. z. d. M. I, 232.
') Vgl. Zingerle, Tirol. Sitt. 77 u. 78. '') Vgl. Ebenda 78. ^) Vgl. Meier,
Scliwäb. Sag. 221. «) Vgl. Grimm, Mytli. 638. ') Vgl. Zingerie, Tirol. Sitten 88.
^} Vgl. Grimm, Myth. 1087. '■>) Vgl. Birlinger, Volksth. a. Schwab. I, 194.
") Vgl. Kuhn, Westfäl. Sagen. I, 72. ^') Vgl. Grohmann, Abergl. a. Böhm. 70.
'*) Vgl. Zingerie, Tirol. Sitten 88. ") Vgl. Grimm, Myth. 638. >*) Vgl. Zingerie,
Tirol. Sitten 88. ^'') Vgl. Grimm, Myth., I. Ausg., Anhg. XCVIII.
352 BT- AAS
rathet man in demselben Jahre ^) (Waldviertel). 50. Wenn man die
ersten Schwalben sielit, so soll man sich am Boden „kugeln" (wälzen),
dann bekommt man kein Kreuzweh (Unter- Zögersdorf). 51. AVenn die
Schwalben niedrig fliegen, so nimmt man an, daß Regenwetter eintritt °)
(Sierndorf bei Stockerau). 52. Wenn Jemand sehr stark das Abführen
oder eine starke Geschwulst hat, so soll man von einem Schwalben-
neste etwas nehmen, auf eine Glut legen und über dem Rauche ein
Tuch abwärraen und dieses dem Kranken auflegen, so hilft es^) (Höbers-
dorf). 53. Um Maria Geburt
fliegen die Schwalben fürt;
um Maria Verkündigung
kommen die Schwalben wiederum"*).
54. Die Schwalben singen: Vorigs Jahr, vorigs Jahr
Kidl gflickt, Kidl gflickt,
heuer hab i koan Fleck (Spillern).
oder: Soll i Kidl flicka,
soll i Kidl flicka,
i hab koan Fleck ^) (Ober-Zögersdorf).
55. Wenn man zu einem Menschen, der an einem bösartigen
Rothlauf leidet, einen Gimpel in's Krankenzimmer giebt, so zieht
derselbe den Rothlauf an sich, der Kranke aber genest*) (Stockerau).
56. Wenn man einen Kreuzschnabel im Käfige zum Bette
eines Gicht- oder Rothlaufkranken hängt, so bekommt der Vogel die
Krankheit und stirbt, der Kranke aber wird gesund'') (Wien). 57. Die
Leute halten die Kreuzschnäbel, daß die Kinder die Zähne leichter
bekommen (Vitis und Wien); wenn dieselben dann die Zähne haben,
so stirbt der Vogel ^) (Vitis). 58. Man soll einem Kinde mit dem Wasser,
aus welchem ein Kreuzschnabel getrunken hat, die sog. Zahnpillen
einreiben, damit dasselbe leichter zahne ^) (Wien).
59. Wenn sich die Elster vor einem Hause sehen lässt, so
deutet sie kommendes Unglück an '") (Groß-Eogersdorf). 60. Wenn sich
die Elster auf einem Hause, oder in dessen Nähe mehrere Tage zeigt,
so stirbt daselbst Jemand *^) (Wald viertel).
') Vgl. Wuttke, Volksabergl. 190. ') Vgl. Zingerle, Tirol. Sitt. 89.
5) Vgl. Geßner, Vogelbuch, Zürich (Froschouer) 1557, f. CCXVII, a. ") Vgl.
Leoprechting, Aus dem Lechrain 167 und 194. *) Vgl. Landsteiner, Programm d.
Josefstädter Gymn. in Wien (v. J. 1872) 84. ") Vgl. Zingerle, Tirol. Sitten 79.
') Vgl. Zapf, Sagenkreis des Fichtelgeb. 47. «) Vgl, Alpenburg, Tirol. Myth. 387.
*) Vgl. Vonbun, Beitr. z. d. Myth. 110. '») Vgl. Lütolf, Sagen der fünf Orte 357.
") Vgl. Woeste, Volksüberl. a, d. Mark 54.
VOLKSTHÜMLICHES AUS NIEDERÖSTERREICH ÜBER THIERE. 353
61. Die Krähe bringt die kleinen Kinder in Reingers*).
62. Man soll, wenn man den Kukuk zum ersten Male im Früh-
jahre vor Georgi schreien hört, denselben zuerst ausschreien lassen
und dann zu ihm dreimal sagen: „Kukuk, wie lang leb' ich?" —
So oft er dann schreit, so viele Jahre lebt man noch 2) (Stockerau).
Überdieß fragen ihn die Mädchen: „Wie lange bleib' ich noch ledig" V^)
63. Wenn man im Frühjahre den Kukuk das erste Mal schreien hört,
soll man den Geldbeutel schütteln, so hat man das ganze Jahr Geld*)
(Sierndorf bei Stockerau). 64. Hört man den Kukuk das erste Mal
im Frühjahre vor Georgi schreien und hat dabei Geld in der Tasche,
so hat man das ganze Jahr keinen Mangel an Geld^) (Stockerau).
65. Hört man im Frühjahre den Kukuk das erste Mal schreien und hat
dabei kein Geld im Sacke, so hat man das ganze Jahr keines^)
(Stockerau). 66. Wenn man den Kukuk, da er schreit, nachspottet,
so bekommt man „Gugascheggn" (Sommersprossen) (Schiltern).
67. Wenn das Wichtl sich auf's Dach setzt und schreit, so stirbt
Jemand") (Ernstbrunn). 68. Wenn das Wicht! vor das Fenster eines
Kranken geflogen kommt, so muß derselbe sterben; der Ruf des Wichtls:
„kliwitt! kliwitt!" heißt bei den Leuten: „komm mit! komm mit!"*).
69. So oft man das erste Mal im Frühjahre die Wachtel schlagen
hört, so viel Gulden kostet der Metzen Korn^) (Reingers). 70. Die
Wachtel sagt: „Wau-wau-wau! findst mi ned,
hintern Stroh bin i ned,
hintern Heu a no ned,
Wau-wau-wau! findst mi ned". (Hatzenbach.)
71. Wenn der Hahn bei regnerischem Wetter auf der Höhe,
z. B. auf dem Dache oder Zaune, kräht, so sagt man: es wird schönes
Wetter; wenn er aber auf der Erde kräht, so glaubt man, es komme
Regen *"). 72. Wenn der Hahn nach dem Mittagessen kräht, so regnet
es noch an demselben Tage (Bromberg).
73. Kräht eine schwarze Henne, so bedeutet dieß Tod im Hause *') ;
eine gelbe: Feuer; eine weiße: Glück (Reingers). 74 Wenn eine Henne
kräht, so soll man sie abstechen, denn sie bringt Unglück "^) (Göllers-
^) Vgl. Feifalik, in Wolfs Ztscbr. f. d. Myth. IV, 333. ') Vgl. Grimm,
Myth. 641. 3) Vgl. Ebenda 641. ') Vgl. Grimm, Myth. I. Ausg., Anh. XCIV.
^) Vgl. Grimm, Myth. 643, ^) Vgl. Ebenda 648. ') Vgl. Wurth in Wolfs
Ztschr. f. d. Myth. IV, 30. *) Vgl. Rochholz, Deutsch. Glaube und Brauch I, 155.
'■') Vgl. Birlinger, Volksth. a. Schwab, t, 125. '") Vgl. Birlinger, Aus Schwaben,
Neue Sammig., I, 402. ^') Vgl. Landsteiner, Kremser Gymn. Progr. (v. J. 1869) 30.
■-) Vgl. Schönwerth, Aus der Oberpfalz, I, 345.
GEEMANIA. Neue Reihe VIII. (XX.) Jahrg. 26
354 KLAAS
dorf). 75. Schwarze Hühner brinc;en dem Hause kein Glück (Stockerau).
76. Jene Eier, welche die Hühner am sog. Antlaßpfinztag (grünen
Donnerstag) legen, werden von der Hausfrau aufgesammelt, am Char-
samstage roth gefärbt und Antlaü- oder Anlaßeier genannt. Diese Eier
lässt die Hausfrau am Ostersonntage in der Kirche weihen und nach
einem alten Herkommen werden drei derselben nach der Weihe zu
einem gemeinsamen Mahle hergerichtet, und zwar in so viele Theile
der Länge nach geschnitten, als Glieder in der Familie sind^). Man
glaubt: Jenes Familienglied, welches bei diesem Mahle sich nicht ein-
finde und das flir dasselbe bestimmte Stückchen nicht verzehre, gehe
in demselben Jahre für die Familie verloren, sei es durch den Tod,
oder eine Heirath, oder daß es aus was immer für einer Ursache die
Familie verlasse (Gerasdorf im Marchfeld). 77. Isst man Eier, möge
man die Schalen ja eindrücken, sonst gerathen die Eier im nächsten
Jahre nicht") (Wien). 78. Wenn man Eierschalen dort hinlegt, wo die
Dachtropfen darauf niederfallen können, werden diejenigen, welche
darüber hinwegschreiten, krank (Stockerau). 79. Wer gut lügen kann,
der kann gut Eier sieden (Ernstbrunn).
80. Zum Indian (Truthahn) sagen die Kinder:
„Roth und blau is ned schön,
pfui, pfui, pfui! schneuz da!"^) (Ober-Zögersdorf).
81. Damit die Stubenvögel nicht „beschrieen" werden, hängt man
ihnen ein Stückchen rothes Tuch in den Käfig.
82. Wenn man die Haare, die einem ausgehen, wegwirft und es
erwischt sie ein Vogel und nimmt sie zum Nestbaue, so bekommt man
Kopfweh '*) (Göllersdorf).
83. Die Hausader (Coluber natrix) bringt dem Hause Segen ^)
(Bromberg).' 84. So lange die Hausader im Hause ist, bringt sie den
Hausbewohnern Glück ^) (Groß-Engersdorf). 85. Wenn dem Hause
ein freudiges Ereigniss, z. B. eine Taufe, Hochzeit oder Erbschaft
bevorsteht, so erscheint die Hausader mit einer Krone auf dem Kopfe '')
(Groß-Engersdorf). 86. Wenn die Hausadern „schlagen", so stirbt
Jemand aus der Freundschaft, oder es zeigt dieß Schlagen an, daß
man zu Geld kommt ^) (Stockerau).
») Vgl. Panzer, Beitr. z. d. Myth. II, 211 u. 213. ^) Vgl. Wolf, Beitr. z.
d. Myth. I, 221. ^) Vgl. Vernaleken u. Branky, Spiele u. Reime 119. ') Vgl.
Grimm, Myth. I. Ausg., Auhg. CLV. ^) Vgl. Alpenburg, Tirol. Myth. 388.
*) Vgl. Eisel, Sagenbuch d. Voigtl. 149. ') Vgl. Alpenburg, Tirol. Myth. 388.
■) Vgl. Leoprechting, Aus dem Lechrain 77 u. 89.
VOLKSTHÜMLICHES AUS NIEDERÖSTERREICH ÜBER THIERE. 355
87. Die Kinder sagen, wenn sie eine Eidechse sehen, zu der-
selben: „Adraxl, Adraxl, wünsch ma a Glück, daß i heut oder morgn
was find!" (Laa an der Thaya).
88. Um sich das Schwitzen der Hände zu vertreiben, hält man
einen lebendigen Laubfrosch so lange in den über ihn geschlossenen
Händen, bis er todt ist^) (Wien).
89. Aus dem Brunnen oder Keller soll man die Kröte nicht ver-
treiben, denn sie zieht die Gifte an sich^) (Groß-Engersdorf).
90. Wespennester können Geschwülste bei Menschen und
Thieren vertreiben, wenn man sie anzündet und den Rauch auf den
geschwollenen Theil kommen lässt (Ober-Mallebern).
91. Es ist sowohl unter den älteren als auch unter den neueren
Bienenzüchtern die Meinung, daß, wenn nach dem Tode eines Bienen-
vaters den „Bienenvölkern" der Tod desselben nicht angezeigt wird
— durch's Anklopfen an die Bienenstöcke mit den Worten: „Der Bein-
vater ist gstorbu!)" — dieselben absterben^). 92. In den drei „Rauch-
nächten", und zwar in der Nacht vor dem Thomastage (21. December),
sowie in den Nächten vor Weihnachten und Dreikönig, werden die
Bienenhütten mit geweihtem Weihrauche durchräuchert und mit Weih-
wasser besprengt (Sierndorf bei Stockerau). 93. Während man bei den
übrigen Thieren, wenn dieselben verenden, sagt: „sie sind hingeworden",
sagt man von den Bienenstöcken, wenn sie zu Grunde gegangen sind:
„sie sind abgestorben"^). 94. Wenn sich Jemand Bienen einschaffen
will, so soll er den ersten Bienenstock nicht kaufen, sondern trachten,
daß er ihn geschenkt bekomme, weil er dann in der Bienenzucht viel
Glück hat^); und jeder Bienenvater ist gern bereit, einem Bienenzucht-
anfänger einen „Bienenschwarm" unentgeltlich zu überlassen (Sierndorf
bei Stockerau).
95. Diejenige Fliege, welche man über Neujahr im Zimmer er-
hält, bedeutet Glück (Litschau).
96. Wer Spinnen tödtet, zerstört sein Glück; findet man in der
Frühe eine Spinne^ so i^t es von übler Vorbedeutung, denn:
Spinne am Morgen
bringt Kummer und Sorgen.
Am Abende aber deutet es auf Freude^) (Stockerau).
^) Vgl. Geßner, Thierbuch, Zürich (Froschower) 1563, f. CLXVIII, b. 2) Vgl.
Leoprechting, Aus dem Lechrain 83. ^) Vgl. Simrock, Deut. Myth. 577.
■*) Vgl. Rochholz, Deut. Glaube und Brauch I, 1-17. ^) Vgl. Schönwerth, Aus der
Oberpfalz I, 355. ") Vgl. Lausitzer Neues Mag. N. F. VIII, 334.
23*
356 MOLLEH
07. Spinnerill am ]\Iorj^en
bringt Kummer und Sorgen;
Spinnerin am Abend
bringt Wohlstand und Gaben *) (Stockerau).
98. Wenn über dem Bette eines Mädchens ein SpinnengeAvebe
ist, so wird dasselbe bald heirathen, und man nennt dieß Spinnenge-
webe den „Heirathsbrief" '^) (Deinzendorf).
99. Man soll keiner Kreuzspinne etwas zu Leid thun, und sie
auch nicht aus dem Zimmer geben, weil sie in dem Gemache, wo sie
sich aufhält, alle Krankheitsstoffe an sich zieht ^) (Deinzendorf).
100. Wenn man einen lebendigen Krebs im Hause einmauert,
so ziehen die Wanzen fort (Wien).
STOCKERAU in Niederösterreich, Juni 1875.
ZUM FIÖLSVINNSMAL.
In der Gestalt, in welcher das Fiölsvinnsmäl vor uns liegt,
begegnet uns an zwei Stellen ein auffallender Sprung des Gedankens,
während an einer dritten der logische Zusammenhang arg gestört ist.
Jenes geschieht in den Uebergäugen von v. 18 zu 19 und von v. 24
zu 25, dieses ist der Fall in v. 23.
Nachdem in v. 15 — 18 die Frage verhandelt worden ist, wie man
den Hunden zum Trotz sich den Eingang erwirken könne, wird in
V. 19 dieser Gegenstand ganz abgebrochen durch die wie vom Zaune
gebrochene Frage des Svipdagr, wie der Baum heiße, der seine Zweige
über alle Lande ausbreitet. Zur Erklärung dieses Ueberganges bieten
sich zwei Annahmen dar: die eine die, daß eine Ideenassociation den
Svipdagr von dem in v. 18 genannten Hahn Vidofnir, den Svipdagr
also kennen muß, auf den Baum Mimameidr bringt, auf dem der
Hahn sich befindet-, die andre die, daß Fiölsvidr in v. 18 indem er
den Vidofnir nennt zugleich mit der Hand auf den Hahn hinweist, so
daß Svipdagr indem er den Hahn erblickt zugleich den Baum sieht,
nach dessen Namen er dann fi-agt. — Wie vom Zaun gebrochen
erscheint ferner im Zusammenhang der Verse von 23 an die Frage
des Svipdagr in v. 25, ob es eine Waffe gebe, den Vidofnir zur Hei
') Vgl. Lausitzer Neues Mag. N. F. VIII, 3.34. ^) Vgl. Grohmann, Abergl.
a. Böhmen 85. ^) Vgl. Birünger, Aus Schwaben, Neue Samml. I, 400.
ZUM FIÖLSVINNSMÄL. 357
ZU schicken. Im Folgenden bis v. 30 dreht sich dann alles um die
Erlangung dieser Waffe. Es handelt sich aber gar nicht um die Tödtung
des Vidofnir, sondern um die Erlangung des Eingangs in die Burg
der Menglöd: wir erwarten daher diese Frage gleich nach v. 18.
Zwischen v. 18 und 19 kommt der logische Zusammenhang zu
Stande durch einen künstlich angeknüpften Faden, in v. 25 wird der
Faden nachdem er einen Kreis beschrieben wieder an derselben Stelle
angeknüpft, wo schon der Knoten zwischen 18 und 19 sich befindet.
Die beiden Knoten wären zu ertragen, wenn wir ohne sie auf allen
Zusammenhang verzichten müssten, unerträglich aber ist der Kreis-
lauf, den zwischen ihnen der Gedanke macht.
Nachdem Svipdagr in v. 19 vom Vidofnir auf den Baum gekom-
men und in v. 20 — 22 dessen Namen und Eigenschaften erfahren hat,
wird er in v. 23 vom Baume wieder zurück auf den Hahn geführt:
er fragt nach dem Namen des Hahns und erfährt ihn in v. 24, nach-
dem ihm doch schon in v. 18 der Name des Hahns genannt worden
ist. Hieraus ergibt sich, dass beide Annahmen, durch welche wir oben
den Gredankenspruug von v. 18 zu 19 zu erklären versuchten, imrichtig
Avaren: Svipdagr kann weder den Vidofnir schon gekannt, noch ihn
in V. 18 kennen gelernt haben, er dürfte sonst nicht in v. 23 wieder
nach dessen Namen fragen. — Wie der Text des Fiölsvinnsmäl uns
vorliegt versteht Svipdagr also in v. 18 nicht, daß Vidofnir der Hahn
auf dem Mimameidr sei, statt nun aber sich näher nach dem ihm
wichtigen Vidofnir zu erkundigen bricht er in nunmehr ganz unerklär-
licher Weise das Gespräch über die Möglichkeit des Eintritts in die
Menglödsburg ab imd kommt auf den iMimameidr, ganz unabhängig
von der Vorstellung des Vidofnir, erfährt aber glücklicherweise im
Laufe des daran sich knüpfenden Gesprächs in v. 24, daß der Hahn
auf dem Baum eben jener Vidofnir sei, entsinnt sich nun, daß ihm
nach V. 18 die Bezwingung des Vidofnir erwünscht sein müsse, und
thut endlich in v. 25 die Frage, die er schon in v. 19 hätte thun müssen,
Avie diese Bezwingung möglich sei.
Alle Schwierigkeiten, ja Unmöglichkeiten, die der Text in dieser
Gestalt bietet, können mit einem Schlage beseitigt werden durch eine
sehr einfache Operation. Das oben bezeichnete Stück, in welchem der
Faden zwischen den beiden Knoten einen Kreis beschreibt, schneiden
Avir heraus und setzen dasselbe an einer andern Stelle wieder an, um
so einen einfachen und ununterbrochenen Faden des Gedankens zu
gewinnen. — Die Verse 19 — 24 müssen ursprünglich an einem andern
Oite und zwar nothwendlg vor 18 und 25 gestanden haben, da Vidofnir,
358 MÖLLER
der in v. 24 zum ersten Male genannt werden muß, in v. 18 und 25
als schon bekannt vorausgesetzt wird. Vor v. 18 ist nur an zwei
Stellen eine Einfügung der Verse möglich, zwischen v. 8 und 9 und
zwischen v. 12 und 13: an dem letzteren Orte erscheint sie geeigneter.
Die Verse 19 — 24 sind demnach zwischen die Verse 12 und
13 zu setzen.
Nachdem Svipdagr in v. 9 nach dem Namen der grind, in v. 11
nach dem des gardr gefragt, erblickt er ^) den Baum Mimameidr und
fragt in dem auf v. 12 folgenden v. 19 nach dessen Namen. Durch
den Baum auf den Hahn geführt, den er auf demselben sieht, fragt
er in v. 23 nach dessen Namen und erfährt in v. 24 der Hahn heiße
Vidofnir. Dann folgen die Verse 13 — 18: Svipdagr fragt nach den
Hunden und erfährt, daß die vaengbrädir tvser i Vidofnis lidum, den
Hunden vorgelegt, das einzige Mittel seien, das den Eingang möglich
mache. Ganz natürlich schließen sich nun hieran die Verse 25—30, in
welchen Svipdagr fragt und erfährt, wie Vidofnir zu bezwingen sei.
Wir erlangen auf diese Weise in v. 13 — 30 nach Ausscheidung von
19 — 24 eine schöne ununterbrochene Reihe schwieriger, ja, wie sich
in V. 30 herausstellt, unmöglicher Erfordernisse'^) zur Erlangung des
Eingangs. In v. 30, der für die Bezwingung des Vidofnir eine Vor-
bedingung stellt, welche nur nach Bezwingung des Vidofnir zu erfüllen
ist, findet die Verhandlung über den Eintritt in die Menglödsburg
ihren naturgemässen Abschluss, und Svipdagr kann in v. 31 eine neue
Frage aufwerfen.
Daß die Besserung, wie ich sie vornehmen will, nothwendig ist,
kann, glaube ich, nicht zweifelhaft sein, es fragt sich nur, wie wir
das Entstehen des Verderbnisses uns zu denken haben.
*) Denn daß Svipdagr den Baum sieht macht die dänische Sveidalsvise noth-
wendig, deren Zusammenhang, wenn nicht mit Grogaldr (s. E. Kölbing, Germ. XIX, 359 ff.),
obwohl ich g)aube, daß auch an diesem festzuhalten ist, so doch mit dem Fiölsvinns-
mäl mir unabweisbar zu sein scheint.
*) Ähnlich wie sie, doch hier in sehr ungeordneter und abgeschmackter Weise
(hier außerdem nicht zur Erlangung desselben Zweckes, sondern unmittelbar zur Er-
reichung des Zieles), in der kymrischen Erzählung Kilhwch und Olwen gestellt werden.
Von dem Zusammenhang dieser kymrischen Erzählung mit dem Grogaldr und Fiöls-
vinnsmäl und der Sveidalsvise vermag ich mich indessen nicht zu überzeugen: mit
dieser hat sie einige ganz untergeordnete Züge, wie ich glaube ganz zufällig, gemein,
mit dem Fiölsvinnsmä.1, so viel ich sehe, nichts weiter, als daß in beiden der Held
das Mädchen schließlich bekommt, woraus, da so bekanntlich die meisten Erzählungen
sehließen, sich gar nichts folgern lässt. Ist dieses richtig, so würde damit hinfällig
werden, was (a. a. O.) aus der Übereinstimmung der Sveidalsvise mit Kilhwch und
Olwen im Gegensatz zu Grogaldr und Fiölsvinusmäl gefolgert worden ist.
ZUM FIÖLSVINNSMÄL. 359
Das Verderbniss besteht in einer Vertauschung der je sechs
Verse 13 — 18 und 19 — 24. Diese zwölf Verse folgen unmittelbar auf
eben so viele andere, mit denen der überlieferte Text des Fiölsvinns-
mäl beginnt. Dem, der diese Bemerkung gemacht hat, wird sofort als
erster Gedanke der aufsteigen, ob nicht die Membrane, aus welcher
Grogaldr und Fiölsvinnsmäl in die Papierhandschriften übergiengen, auf
jeder Seite sechs Verse enthalten haben sollte: auf fol. 1 a des Fiölsvinnsmäl
hätten 1—6, auf Ib 7—12, auf fol 2 a 19-24, auf 2b 13-18 gestanden,
das Verderbniss wäre durch die verkehrte Lage des fol. 2 geschehen.
Dagegen erhebt sich der Einwand: die Membranen kannten keine
Versabtheilung. Aber eine solche anzunehmen ist gar nicht nöthig:
es braucht nur auf je eine Seite im Durchschnitt der Inhalt von je
sechs Versen in fortlaufenden Zeilen seine Stelle gehabt zu haben
und zufällig haben beide Seiten von fol. 2 mit demselben Wort aus
der jede Frage Svipdags einleitenden Vershälfte begonnen, z. B. mit
„]3at Fiölsvidr", oder auch nur die eine begann: „]3at F.", die andre:
„raer jjat F.", und die Schreiber, denen fol. 2 in verkehrter Lage
vorlag, schrieben doch den ihnen schon geläufigen Satz richtig: segdu
mer J)at Fiölsvidr. Doch es erhebt sich ein zweiter Einwand: auf der
Seite einer Membrane steht unvergleichlich viel mehr^ als der Inhalt
von sechs Liodahättr- Versen. Dagegen lässt sich nur sagen, daß wir
von der Beschaffenheit der Membrane, die Grogaldr und Fiölsvinns-
mäl enthielt, gar nichts mehr wissen, als das, was wir aus der Gestalt
der Ueberlieferung dieser Lieder in den Papierhandschriften erschließen
können. Die Membrane wird nur Grogaldr und Fiölsvinnsmäl, jeden-
falls kann sie außer diesen keine Eddalieder enthalten haben, denn
sonst wäre der von Bugge gelieferte Beweis, daß alle Papierhand-
schriften der Eddalieder auf keine andern als die uns erhaltenen Mem-
branen zurückgehn, falsch. Es wurden manche Lieder einzeln abge-
schrieben: solche Einzelabschriften schrieb man gewiss nicht immer
auf ganzen Foliobogen, und sicherlich sorgfältiger und also weniger
enge. — Ist die oben aufgestellte Seitentheorie haltbar, so würde nicht
allein die Vertauschung der Verse 13 — 18 und 19 — 24, sondern auch
der abgebrochene Anfang des Fiölsvinnsmäl eine sehr einfache Erklä-
rung finden: vor v. 1 würden ein oder mehrere Blätter ausgefallen
sein, auf denen der Anfang des Fiölsvinnsmäl oder die Verbindung
mit Grogaldr gestanden hätte.
Ist sie es nicht, so müssen wir zur Erkärung des Verderbnisses
diesen mechanischen Weg verlassen und einen ganz andern ein-
sehlaffen.
360 LITTERATUR: J. ZUPITZA, ALTENGLISCHES ÜBUNGSBUCH.
Die Schreiber der Membranen schrieben aus dem Gedächtnisse,
wie die Verschiedenheit der Gestalt, Keiheufolge und Zahl der Verse
bei verschiedeneu Aufzeichnuuii^en beweist. Daß auch in unserm Liede
als eine Folge dieser Art der Aufzeichnung Versetzungen von Versen
und Verstheiien stattgefunden liaben können, zeigt die von Bugge an
ihren richtigen Ort zurückversetzte zweite Hälfte von v. 2. Die oben
vermuthete Ideenassociation , die von dem Vidofnir in v. 18 zu dem
Baum in v. 19 führte, gieng also nicht in dem Svipdagr, sondern in dem
Schreiber vor^ und nicht Svipdagr, sondern der Schreiber ward durch
die Nennung des Vidofnir. in v. 24 zur logischen Folge der Gedanken
von V. 25 an zurückgeführt.
BRESLAU, den 13. März 1875. HERMANN MÖLLER.
LITTERATUR.
Znpitza, Julius, Altenglisches Übungsbuch zum Gebrauche bei Uni vei-sitäts Vor-
lesungen. Mit einem Wörterbucbe. Wit-n 1874. Braumüller.
Wülcker, Richard Paul, Altenglisches Lesebuch. Zum Gebrauche bei Vor-
lesungen und zum Selbstunterricht. 1. Teil, die Zeit von 1250 — 1350
umfassend. Halle a./S. Lippert'sche Buchhandlung (Max Niemeyer). 1874.
Das Studium der älteren englischen Sprache und ihrer Litteraturdeuk-
mäler hat bis vor kurzer Zeit an unseren Universitäten bei weitem nicht die
Beachtung und Pflege gefunden, wie sie z. B. dem Altfranzösischen und Pro-
venzalischen zu Theil geworden ist. Nicht dem Mangel an Interesse au und
für sich ist die Schuld davon beizumessen, sondern in der Hauptsache äußeren
Umständen, zunächst den geringen Ansprüchen, die man betreff des Englischen
au Ciiudidaten des höheren Schulamtes stellte: während für die classischen
Sprachen Kenntnise der historischen Grammatik und Übung in kritischer Text-
behandlung gefordert wurde, begnügte man sich hier mit einer ästhetischen
Abhandlung, bei der das Hauptgewicht auf den Stil gelegt wurde, und einigen
Kenntnissen in neuenglischer Litteratur und Grammatik. Dazu kam, daß man
das Englische mit den romanischen Sprachen unter den Begriff: „neuere Sprachen"
zusammenzufassen und dem Vertreter dieser letzteren an der Universität zu-
zutheilen pflegte, wodurch eine Kraft unverhältnissmäßig belastet wurde. Und
endlich fehlte es in der That auch an geeigneten und leicht zugänglichen Hülfs-
mitteln für Übung von Sprache und Textkritik, wie sie z. B. für Französisch
und Provenzalisch durch Bartschs treffliche Chrestomathien geboten sind, deren
Zweckmäßigkeit durch die mehrfach nöthig gewordenen neuen Auflagen zur
Genüge erwiesen ist. Für das Altengh"sche existieren nur Mätzners Alt-
euglische Sprachproben, ein zwar werthvoUes, aber theures und umfängliches
LITTERATUK: J. ZUPITZA, ALTENGLISCHES ÜBUNGSBUCH. 361
Werk. Mit um so größerer Freude sind also die Bücher von Zupitza und
Wülcker, speciellen Vertretern der englischen Philologie in Wien und Leipzig,
zu begrüßen, welche diesem Mangel abhelfen sollen. Übrigens finde ich ganz
und gar nicht, daß die beiden Arbeiten als mit einander rivalisierend anzusehen
sind. Sie lassen sich vielmehr sehr wohl neben einander gebrauchen.
Zupitza nennt seine Sammlung ein „Übungsbuch zum Gebrauche bei
Universitätsvorlesungen", bei dessen Zusammenstellung „überwiegend sprach-
liche Gründe maßgebend waren" (Vorwort). Man darf also auch nur diesen
Maßstab an dasselbe legen, nicht verlangen, daß es die Stelle eines vollständigen
Lesebuches vertrete. So ist z. B. wohl nichts aus der Ancren riwle aufgenommen,
weil in Mortons Ausgabe leider die älteste Cambridgerhandschrift ganz unbe-
nutzt geblieben ist. Ebenso ist es begreiflich, daß Robert von Gloucester und
Bobert Manning übergangen wurden, von denen nur die unzureichenden Aus-
gaben von Hearne vorliegen. Warum Layamon nicht vertreten ist, sieht man
weniger ein. Und wird man wirklich oft dazu kommen, den Piers the plowman
in einer Vorlesung zu behandeln? Ich möchte es bezweifeln. Im Übrigen ist
das Buch für akademische Übungen nach sprachlicher und exegetischer Seite
hin durchaus praktisch angelegt. Je mehr dieß der Fall ist, um so weniger
erschien es mir überflüssig, hier alles das einzeln aufzuführen, was mir bei ge-
wissenhafter Leetüre aufgefallen war, und seien es auch Kleinigkeiten : vielleicht
darf ich auch hoffen, daß diese oder jene Bemerkung sich der Zustimmung
des durch seinen Antheil an der Herausgabe des Heldenbuches rühmlich be-
kannten Autors erfreuen und so einer doch gewiß zu erwartenden zweiten Auf-
lage zu Gute kommen wird.
Eignet sich, wie bemerkt, Zupitza's Buch vorwiegend für akademische
Zwecke, so dürfte dagegen Wülckers altenglisches Lesebuch, von welchem bis
jetzt Theil I vorliegt, sich vorzüglich für das Privatstudium solcher schicken,
welche ersteres mit Hülfe eines Lehrers ausführlich durchgenommen haben. Die
reichhaltigen Anmerkungen werden dem Anfänger über manche schwierige Stelle
weghelfen. Für den Gebrauch bei Vorlesungen dürfte das Werk , dessen Er-
gänzung nach vorn hin uns durch den Recensenten im Centralblatt (Jahrg.
1875 p. 148 ff.) in Aussicht gestellt ist, doch schon etwas zu umfänglich an-
gelegt sein. Ich kann mich über dasselbe weiter unten um so eher kurz fassen,
als ich meine Anzeige nur als eine Nachlese betrachte zu der nach meinem
Urtheil, was das Sachliche angeht, ganz vortrefflichen Recension von Zupitza:
Zeitschr. für österr. Gymnasien 1875, p. 118 — 141, die manche meiner Be-
merkungen schon voraus genommen hat, deren Studium ich jedem Leser des
Wülcker'schen Buches empfehle.
Ehe ich aber auf Einzelnes eingehe, muß ich kurz einen Punkt erwähnen,
in dem die Verfasser beider Bücher differieren, der überhaupt jetzt zu einer
Art von Priucipienfrage geworden ist, nämlich die Eintheilung der englischen
Sprache. Während Wülcker (vgl. Beiträge von Paul und Braune I p. 57 ff. und
das Vorwort zum Lesebuche) bis 1250 den Namen angelsächsisch festhält, dieß
wieder in alt- und neuangelsächsisch theilt, und dann mit Entfernung des Aus-
drucks ,, mittelenglisch" die Sprache von 1250 — 1500 altenglisch nennt, be-
zeichnet Zupitza, wie Sweet, die bisher altangelsäcbsisch genannte Zeit mit dem
Ausdruck altenglisch und lässt mit der sonst neuangelsächsisch oder halbsäch-
sisch genannten das Mitteleuglische eintreten. Diese seine Eintheilung hat Zup.
3(32 LITTERATUK: J. ZUPITZA, ALTENGLISCHES ÜBUNGSBUCH,
vertheidigt kurz im Vorwort zum Übungsbuche, ausführlicher Ztschr. f. österr,
Gymn. a. a. 0. Seinen Gründen stimme ich vollständig bei und habe dieselbe
Ansicht schon vor dem Ersciieinen von Zup. Buche mehrfach in meinen Vor-
lesungen vorgetragen. Weder Zup. noch Wülcker wissen übrigens oder halten
es der Erwähnung für werth, daß Stephens, der Herausgeber der Oldnorthern
runic monuments, der erste gewesen ist, der in Gentlemnn's M;igazine 1852,
April- und Maiheft, gegen den Ausdruck: angelsächsisch auftrat. Diesen Auf-
satz ins Dänische übersetzt und erweitert veröffentlichte G. Brynjiilfsson u. d. T. :
Oldengelsk og Oldnordisk in: Antiq. Tidskr. 1852 — 54, p. 81 —143. Trotz
mancher Sonderbarkeiten , z. B. seiner wunderlichen Theorie über die nähere
Verwandtschaft der Engländer mit den skandinavischen Stämmen als mit den
übrigen niederdeutschen, hat Stephens doch hier schon schlagend bewiesen,
daß die Bezeichnung: ,, angelsächsisch" von keinem Gesichtspunkte aus gerecbt-
fcMtigt erscheint. Seine Eintheilung unterscheidet sich nur darin von derjenigen
Zupitzas, daß er Zupitzas mittelenglisch noch in zwei Abtheilungen zertrennt:
gammelengelsk bis 1350, melleraengelsk bis 1550*).
Ich wende mich jetzt zu Zupitzas Übungsbuch und gehe Lesestücke und
Glossar der Reihe nach durch.
I. Caedmons hymnus. ,,H ier mit Benutzung einer neuen Collation
von Prof. Schipper". Schon genau ebenso gedruckt bei Boutei-wek, Caedmons
bibl. Dichtungen p. CCXXIV.
IV. Die Zeilen der Überschrift sind unpassender Weise wie allitterierende
Verszeilen gedruckt, wozu höchstens Zeile 2 einen entfernten Anlaß bieten
konnte. Z. 24: pä he pät pä sumeretide dyde. Im Glossar findet sich
p. 124": sumretitl, 8umeretid, me. somertide, st. f. Sommerszeit. Da dieß Wort
sonst im Übungsbuche nicht vorkommt, so muß man obigen Artikel des Glossars
doch sicherlich auf diese Stelle beziehen. Diese Erklärung ist aber aus zwei
Gründen unrichtig; erstens müsste Sommerszeit ae. sumor- oder sumertld heißen^
ebenso wie sumorhät, sumurhat, oder sumerseld etc. Woher Zupitza die beiden
andern Formen hat, weiß ich nicht. Zweitens aber lehrt die lat. Vorlage (The
complete works of Venerable Bede, edd. Giles. Vol. III p. 112), daß sumere
tide Übersetzung von quodam tempore ist (quod cum tempore quodam faceret),
vgl. . . et sume time XIV, 9. on sumum däge X, 65. Es ist also getrennt: su-
mere tide zu schreiben. — Das. pä hüs. Hier war doch wohl ]iät hüs aus BD
aufzunehmen. Vgl. lat. : relicta domo convivii. — Das. Z. 29 hiaäthwef/u. Ich
glaube nicht, daß e anzusetzen ist, obwohl eine befriedigende Erklärung des
Suffixes weder bei Grimm Gr. III p. 30 noch bei Koch, Gr. III, 1. §. 54 zu
finden ist. — Das. Z. 70 ist eodercende aus CD für oüerccfiule in A aufzunehmen.
d ist unmöglich. Vielleicht bei Zup.^nur Druckfehler?
*) Es maty mir verstattet sein, als Probe den ersten Satz von Stephens Aufsatz
hier anzufügen /bei Brynj. p. 90): Vi spörge et tydsk barn, .,hvad sprog talte dine
ForfjEdre?" „Oldtydsk" lyder svaret. „Og hvad er eders gamle Modersraaal?" sige vi
til en Dansk, en Nordmand, en SvensUcr, en Fraiiskiiiand eller en Spanier; „Olddansk"
„Oldnorsk", „Oldsvensk", ,,01dfran.sk", „Oldspansk" svarer han. Vi spörcje vort eget
Barn, „og hvilkct Sprog talte dine Forftcdrc, min Dreng'?'' og mau har hört liam at
svare: Angel-Saiisk. Var der nogensinde noget mcre absurd, mere barbarisk eller
usan dcre ?
LITTERATUR: J. ZUPITZA, ALTENGLISCHES ÜBUNGSBUCH. 363
V, 2854 behält Zup., wie mir scheint mit Recht, das hric(j mit der Hdschr.
und Bout. bei, während Grein in hrincg ändert; besonders spricht für diese
Beibehaltung v. 2898: pät he on hröfe gestoct hedn Landes, wo hrnf diesem
hricg ganz parallel steht. — Das. V. 2856 ist das Comma nach Ixelfi'/r zu
streichen und nach pmum einzusetzen. — Zu v. 2861 konnte die Conjectur
Bouterwek's : hces waldendes, Caedm. III, 317 in den Anm. citiert werden.
V. 2906'' f. ff/re sencan mceges dreore. Zup. bemerkt nichts zu dem Verse. Bout.
s. V. sencan schlägt vor: ff/r dsencan-^ aber III p. 317: fj)r gesencan. Grein
bibl. I p. 75 weiß keinen andern Rath. Ich glaube, man hat eher den Sinn
zu erwarten: in das Feuer zu tauchen, zu senken des Sohnes Blut;
also etwa: on ff/re sencan mceges dreor- vgl. Beda edd. Smith 631, 22: hine
on pam stredme sende. Der Versuch Ettmüllers, Lex. Angl. p. 639 f., die über-
lieferte Lesart zu erklären durch : voluit filium necare manibus s^iis ignernque
extinguere consanguinei sanguine, geht deßhalb nicht an, weil der acc. von fijr
nicht fi)re heißt.
VII, 6: Zup. in der Anm.: gyrn die herausgeber] grenne. Greins Sprach-
schatz s. v. grene lehrt, daß, wie es auch wahrscheinlich war, die Hdschr. grenne
nicht für gyrn, sondern für grene liest.
VIII, 105. on dinges mere. Zup. gloss. p. 86^ dinges mere'? Hier hätte es
sich doch wohl gelohnt, Ettm. Erklärung, Lex. Anglos. p. 561 in fimi mare,
i. e. in mare algosum anzuführen. Es ist wenigstens die einzige , die jemand
versucht hat, und sprachlich zu rechtfertigen.
IX, 13. ]>ät ic macige niete pinum fäder pär of, and he ytt lustltce (vgl.
Vulg. : ut faciam ex eis escas patri tuo, quibus lihenter vescitur) scheint mir
ein treflFendes Beispiel für die Vertretung des pron. rel. durch and zu bieten
(vgl. Tobler: KZ. VI, p. 353 ff. Germ. XIII, p. 91 ff., wo ich ags. Stellen nicht
angeführt finde). Gegen eine andere Auffassung spricht schon der Wechsel der
modi, vgl. Wülcker 18, 3886 ft\: Ther nys non so slow loithinne and he wiste
to have muche wynne, that he no wolde , for gret tresour , don him seolf in an-
ioure. Das. Z. 68 ist mindestens auffällig die Ausdrucksweise: häfdest pti git
tme hletsunge'^. gegenüber dem lat. : Num unam, inquit, tantum benedictionem
habes, pater'i
X, 39: gif hwä pises ne gelijfd. gelyfan c. gen. Grimm Gr. IV p. 661
führt kein ags. Beispiel an. — Das. Z. 43 ist nach hwät kein Comma,
sondern ein Ausrufungszeichen zu setzen, wie es auch Grein gethan hat. Das.
ist cernemergen, wie bei Grein, in zwei Worte zu trennen. Ebenso ist das.
Z. 68 aweg nicht in einem Worte zu schreiben, trotz des ne. away. — Warum
das. Z. 58 siva swa durch Comma getrennt ist, an den anderen Stellen (Z. 46,
67, 69) nicht, sieht man nicht ein: aufzufassen sind sie alle gleich.
XI, 68 netra. Wie der gen. plur. von net netra heißen kann, weiß ich
nicht. Ist etwa schon bei Bout. netna zu lesen?
XII, 22. Glossar p. 81'' sagt Zup.: bryniges übersetzt Thorpe mit
fires: ich weiß damit nichts rechtes anzufangen. Da hätte doch wenig-
stens die Übersetzung der Stelle durch Ingram: The Saxon Chronicle. Lond.
1823, p. 366 mit angeführt werden müssen, der bryniyes durch coats of mail wieder-
gibt. Ganz befriedigend ist diese Erklärung freilich auch nicht: aber sie kommt
doch dem geforderten Sinne «eiserne Gewichte" am nächsten. Das. Z. 34
Anm. rruvdes bei Thorpe ist wohl Druckfehler. Daß diese Veruiuthung
364 LITTERATUR: J. ZUPITZA, ALTENGLISCHES ÜBUNGSBUCH.
unrichtig ist, beweist einfach der Umstand, daß Gibson (Chron. Sax. Oxonii 1692)
p. 239 und Ingniin p. 366 ebenso lesen. Auch dem Sinne nach passt wundes
ganz leidlich.
XIII. Aus dem poema morale. Dieß Stück soll, ebenso wie no. VIII,
Gelegenheit bieten zur Übung in der kritischen Behandlung eines Textes (Vor-
wort). Unter diesem Gesichtspunkte kann ich die Ausgabe dieses Abschnittes
nicht für genügend halten. Zup. legt die bei Morris: Old engl. Hom. I p. 159 ff.
abgedruckte Fassung (A) zu Grunde, und gibt die Lesarten der übrigen Hs.
in den Anmerkungen, in der Kegel nur an Stellen, wo A unverständlich ist
oder verderbt scheint. So hat also im Voraus schon der Herausgeber darüber
entschieden, wo der Text der Besserung bedarf, und dem Schüler ist dadurch
ein wesentlicher Theil eigener Arbeit entzogen. Sollte der obige Zweck ei-füllt
werden, so mussten alle Lesarten aufgeführt sein, was das Buch doch auch
nicht ungebührlich angeschwellt haben würde. Wie wichtig das gerade hier ge-
wesen wäre, will ich im Folgenden kurz zu begründen suchen.
Es lässt sich vor allem aus Zup. Text die wichtige Frage gar nicht ent-
scheiden — eine genauere Prüfung derselben ist mir wenigstens noch nicht zu
Gesicht gekommen — ob wir in diesen und gleichzeitigen Dichtungen, die den
Übergang vom ae. zum me. vermitteln, eine durchgehende Vernachlässigung
des germ. Wortaccentes zu constatieren haben oder nicht. Wenn ein oder
mehrere Hdschr. an allen oder den meisten Stellen , wo wir in A den Wort-
accent verletzt finden, denselben wahren, so spricht das offenbar sehr zu Gunste»
einer Verderbniss in A. Denn der umgekehrte Fall, daß die Abschreiber überall
geändert haben sollten, um den germ. Accent mühsam herzustellen, während
der Dichter das Gefühl dafür schon verloren hatte, ist doch unglaublich. Der
Grundcharakter des Metrums ist der jamb. catal. tetrameter, bestehend aus
zwei Hälften, deren erste vier, deren zweite drei Hebungen hat. Der Auftact
beider Vershälften darf fehlen. Die erste Hälfte pflegt männlichen Ausgang zu
haben, die zweite weiblichen. Ob Senkungen fehlen dürfen , muß vorerst un-
entschieden bleiben. Das Metrum ist also im Wesentlichen dasselbe wie im
Ormulum: daß Orm nie (vgl. Koch Gr. I §. 204), der Dichter des poema morale
wenigstens meist auf den Wortaccent Rücksicht genommen hat, lehrt ein flüch-
tiger Blick, woraus wieder wenigstens zu schließen ist, daß Orm sich seinem
Vorbilde, der lat. Hymnenpoesie, sklavisch angeschlossen hat, der andere freier.
Ich wende mich nun zu einzelnen Stellen des Gedichtes, um sie nach
dieser und anderer Seite hin zu besprechen.*)
V. S**: mi loit ahti hon märe AC mi icit ah tö ben moi-e BE. ogJite to D.
Die Lesart von D wohl die richtige; e von oght ist stumm. V. 7'' bifealt to
childhade A. Es fehlt eine Senkung. Die andern Texte weichen hier ganz ab,
aber A ist sehr leicht zu bessern , ja verlangt dieß geradezu, bifealt nämlich
wäre formell nur richtig, wenn es auf bifealde]) zurückgienge, also wenn der
Stamm mit einer Dentale auslautete (vgl. Koch, Gr. I p. 338 f.), was dem Sinne
nach unmöglich ist. Von hifeallan aber muß die Foi-m bifeaUep lauten. Dadurch
wird aber auch die fehlende Senkung gewonnen: bifedllep tö childhade. V. 15''.
dr ich hü wiste A. Es fehlt eine Senkung, er ich hit a. itnisie B. er jian ich
*) Der Abdruck von E bei Monis Old engl. Hom. U. 1873, p. 'J20 ff. stand mir
für das Folgende leider niclit zu Gebote.
'
LITTERATUK: J. ZUPITZA, ALTENGLISCHES ÜBUNGSBUCH. 3G5
hit wiste C. V. 1 9" ist uacU A lesbar, wenn man ]}ä vor ho elidiert, wie öfters ;
ebenso ist 19'' mit fehlendem Auftacte zu lesen, doch wird hier ein Dativ ver-
misst, wir hätten also, da die erste Vershälfte im plur. steht, kern zu ergänzen.
BC lesen: pe hioile he mei und setzen dann him ein. In V. 20*" fehlt nach A
und C eine Senkung; per pe hi cer seoioen B. V. 21'' ist mit BC pet zu streichen.
V. 23 pd him sölve föi'get ABC \ sehr hartes Fehlen einer Senkung; etwa: Jie
mon pe solve him forgetf vgl. V. 39. V. 25'' pe hwile pet ye mugen, fo hovene-^
sicherlich verderbt, pet ist mit C zu streichen wie V. 21"^" und das Schluß-e von
hovene und sovene für stumm anzusehen. B weicht ganz ab. V. 32* lies mit
B cefrech für eck. V. 32*' ist ]>et zu streichen wie 21, 25. V. 36: monies monnes
sare iswinc habbect oft unholde. Morris übersetzt 0. E. Hom. I p. 160: Many
kincls of sore trouhle have often the infirm. unholde soll = unhale sein. Aber
monnes = Jcinds'^ Dag. p. 315 schlägt M. vor, nach ivalde ein Comma zu setzen
und beide Zeilen so zu verbinden: He who does not well while he may , shall
not be able, lohen he would , for many a mans hard äff lief ion [i. e. grievous
sickness] hath [been] often iifavourahle. [i. e. has prevented him from amending
Ms evil life]. Daß hahbed sich sprachlich so auffassen lässt, kann ich unmög-
lich glauben. Die einfachste und ungezwungenste Auslegung scheint Zup.
im Glossar vor Augen gehabt zu haben, p. 97": iswink, Arbeit, Erarbeitetes,
Gewinn, Der Zusammenhang ist demnach: Weise ist der, welcher, so
lange er lebt, an sich selbst denkt (V. 33) [d. h. sich Schätze im Himmel
sammelt (V. 39 ff.)]: Fremde und Verwandte werden ihn bald vergessen. Wer
nicht zur rechten Zeit wohlthut, hat später nicht mehr Gelegenheit: so ge-
schieht es, daß manches Mannes mühsam zusammengescharrtes
Gut schließlich nur seinen Feinden [d. h. den lachenden Erben, die
auf seinen Tod gelauert haben] zu Theil wird. V. 37" scal A. sohle BC.
Der Betonung wegen ist letzteres besser. V. 40 hvile pät he mai A. pe hicile BC;
vgl. V. 32 etc. V. 41'' pes riche men wendet bon seker AB. peos Hohe mdn wenep
tö beon si/ker. Ich halte für die ursprüngliche Stellung: pes riche men wened
siker bon, wie in V. 39. V. 46'' and solf bered AC. B abweichend suuel and
bred. Ich möchte danach in A lesen : solf and, bered. Noch besser wäre : ?ider
he sent and bered solf. V. 53 f. wechselt sing, und plur. in A; ebenso C. B:
pe pe her det ani god. Das ist doch wohl das richtige, und hier hätte Zup.,
abgesehen von der Accentfrage, dieVaiianten angeben müssen, wenn er seinem
Principe folgen wollte. V. 54" in A richtig, dl hd schal vynde pdr C verderbt.
54"' hundredfald mare A. Es fehlt eine Senkung, hundred felde B. hundred-
folde C. V. 55'' hwlle pe A. petoile BC. Metrisch geht beides an; aber für hwile
pe weiß ich keine Parallelstellen. V. 63'' biforan pe hevenking A. hevenekinge BC.
Letzteres ist das richtige, da stumpfer Versausgang gefordert wird. V. 65" Ech
man mid ])et, he hdvet A.\ es fehlt eine Senkung; eure ilc B. everuych C, euwich D.
awich E. Also alle übiigen Hdschr. gegen A, V. 69 f. Zup. Anm. do hit\ bute B,
fehlt E, ded hitf Ich halte eine Änderung für unnöthig. Der Sinn ist: Jeder
soll nach seinen Kräften für das Himmelreich thun (V. 65). Der, welcher nicht
mehr thun kann, thue das wenigstens mit aufrichtigem Herzen, so gut wie das
der Reiche nöthig hat [auf die Gesinnung kommt es bei beiden an] ; denn oft
weiß Gott dem mehr Dank, der ihm weniger gibt. Zup. verlangt den Sinn: der,
welcher nicht mehr thun kann, thut mit seiner guten Gesinnung ebenso wohl,
als wie der Reiche [der viel gibt]. Das wäre an sich auch nicht verkehrt, aber
3G6 LITTERATUR: J ZUPITZA, Af.TENGLISCHES ÜßUNGSBUCH.
einmal erwartete mau dann einfach deff, nicht deä hit, und ferner würde dann
V. 73 f. nur eine Wiederholung von demselben Gedanken sein. — 82": pet his
wil is A fehlt eine Senknnfj. loilles B. wille C. V. 85* hord hüten horde A fehlt
eine Senkung; ahnten BE. Sollte Zup. an dieser Form Anstoß nehmen (vergl.
Ztschr. für österr. Gymn. a. a. 0. p. 139 f.), so kann man mit D albufen lesen.
AI dient dann zur Verstärkung der präp., wie nach Zup. richtiger Erklärung
a. a. O. p. 130 vor wit, Wülcker VII, 7. V. 88" >e ]je dU godes loilU K. ]>€
pe godes wille de BE. ]>(. pat — dod C. pe man pe — ded D. Auch hier steht
betreffs der Wortstellung die Autorität aller Hdschr. gegen A. V. 93'' lif leden
die Hdschr. fehlt die letzte Senkung, ileden'^ vgl. V. 5. Zu V. 93 f. führt Zup.
einige Varianten an wegen des unreinen Reimes: leden — ofdred in A; warum
nicht die Lesart von D? ^Se man neure nele don god\ ne neure god lif leden \
Kf ded and dorn come fo his dure | he mal Mm sore adreden. V. 97: pei- seiden
hön dovle swa föle A. BC haben dieselbe Wortstellung. Etwa: ])er sculen dovle
ben swa fole. V. 103* Hw^t seiden ordlinges don ABC. Hwet ordlinghes sculen don'i
Aus der Betrachtung dieser Stellen geht hervor, daß, wo A den Wort-
accent verletzt, dieß oft gegen alle andern Hdschr. geschieht, häufig gegen
eine oder zwei. Ebenso nun, wie, wenn eine der andern Hdschr. im Gegensatz
zu A den Wortaccent verletzt, wir sie für verderbt halten werden, wie Zup.
für eine ganze Anzahl von Stellen selbst jenen vor A den Vorrang eingeräumt
hat, so werden wir hier dasselbe Princip befolgen dürfen. Diese Untersuchung,
sowie die über die Möglichkeit des Fehlens der Senkungen würde uns hier zu
weit führen. Vielleicht nimmt Zup. selbst bei der neuerdings versprochenen Aus-
gabe von D Gelegenheit, auf diese Fragen genauer einzugeben. Die Richtigkeit
meiner obigen Behauptung, daß der von ihm hier gegebene Apparat zur Übung
in der Textkritik nicht genügt, dürften meine Bemerkungen erwiesen haben.
XIV, 79 from non on saterdei. Zup. Gloss. p. 112'' erklärt non durch
Mittag. Wegen des speciell kirchlichen StotFes glaube ich eher, daß hier von
der hora nachmittags um 3 Uhr die Rede ist.
XVI, 37 f.: per blowed inne Misse blostmen hwite and reade, | per harn
never ne mei snou ne vorst ivreden. Zup. bemerkt Gloss. 9.')'': gefreian, me. if reden,
ivreden, wahrnehmen, merken, fühlen: aber XVI, 38 übersetzt es
Morris ohne Bemerkung mit hurt : diese Stelle ist wohl verderbt.
— In der Anm. z- d. St. schlägt er deßhalb vor, für ham, non zu schreiben. Zup.
hat offenbar gar nicht verstanden, welches Wort Morris mit hurt übersetzt. Die
Hdschr. hat iureden; das u steht hier nicht für v ^ /, sondern für w, wie in
]>eoudom\ iwreden steht mit Metathesis (vgl. vrim = vyrm) für iwerden ■= hurt.
Einen schlagenden Beweis für die Richtigkeit dieser Erklärung liefert der Um-
stand, daß gewerden in genau demselben Zusammenhang schon ae. vorkommt;
vgl. Phönix V. 14 0".: Ne mag jxer ren ne snäv, ne forstes fncest vihte
gevyrdan is pät adele lond blöstmum geblöven. V. 45 per me s^chal ham
steoren mid güldene chelle. Zup. Gloss. p. 123" s. v. stcoren bemerkt im Blick auf
diese Stelle: ob me. aussteuern, versehen? So übersetzt nämlich Morris
p. 192: There shall they he presented loith golden cups. Diese Bedeutung von
fteoran ist aber sonst nirgends nachzuweisen. Ders. bemerkt p. 322: This line
might be mnre literally rendered as follows: There shall one stir up (mix) for
them the golden cup. Bei dieser Übersetzung bekenne ieli mid nicht recht zu
verstehen. Mir scheint die ebendas. citierte Vermuthung Stratmanns (Dict.
LITTERATUR: J. ZUPITZA, ALTENGLISCHES ÜBUNGSBUCH. :-]ß7
p. 469") den Vorzug zu verdienen, der steoreii = stcren thurlficare, von stör
thua ansetzt; vgl. ahd. raukhelle (Graff IV, 385). Der Einwand von Morris a. a. 0.:
hut schenchen in the next line is rather against tliis view , ist nicht stichhaltig;
vgl. z. B. Gen. und Exod. V. 321 ff.: [der Satan] wente in to a tvirme, and
tolde eue a iale, and senkede hire hure aldre bale , und schenkte ihr unser
aller Übel ein, wo auch vorher nicht von einem Becher die Rede war. —
V. 82 ist wohl zu lesen: pauh he habbe swude agult and de id^^eaved sore\
Metrum und Satzconstruction empfehlen diese Umstellung, denn de gehört nur
zu idreaved.
XVn. Auch hier lässt sieh der Vers oft sehr leicht glätten; z. B. V. 1308
lies childe für child, wie 1305. V. 132G lies: holoeaustuyn, wie V. 1319.
Ebenso in XVIII. Z. B. V. 19 möchte ich lesen: hwart artu, pat me drynke
byst. V. 25: Loverd po pe wymmon seyde; vgl. V. 36, wo seyde an derselben
Stelle steht. V. 43 ist vielleicht nach pilke, men einzusetzen. V. 47; pat ne
never beö pe mon. V. 72: and urnen of the bureuh ut. Wie sehr die einzelneu
Hdschr. des poema morale von einander abweichen, sahen wir oben, auch hier,
wo wir nur eine Hdschr. haben, ist also das Vorhandensein von Fehlern sehr
wohl möglich : aber ich bin natürlich weit entfernt, meine Anderungsvorschläge
für sichere Emendatioiien zu halten. — Daß nach V. 69 ein oder mehrere
Verse ausgefallen sein müssen, hat Morris wunderbarer Weise nicht angemerkt ;
Zup. notiert es richtig.
XX. Aus der Sage von Gregorius. Eine interessante, bis jetzt, wenn auch
in den Legendae catholicae Edinb. 1840 gedruckt, fast unbekannte Fassung
der Gregoriuslegende, deren Veihältniss zu Hartmanns Gregor und zum franz.
Text noch niemand genauer geprüft hat. Lippold: Über die Quelle des Gre-
gorius etc. kennt sie nur aus einer Anführung in Scotts Tristrem*), und Paul
(Greg, von Hartm. v. Aue. Halle 1873) erwähnt sie gar nicht. Die hier gt-druckten
60 Verse hat Zup. neu mit dem Mscr. verglichen. V. 11 lies des Metrums
wegen: walde für wald. V. 33"* lies: wijp gode hert. V. 34^ lies: goven hast
and lent. V. 36^: Zup. Gloss. p. 86* sagt: de7it Gregor (XX) 36 ist mir
unverständlich. Jedenfalls von dunten, dinten, denten = ferire abzuleiten :=
altn. dynta: das ne. dint erklärt Lucas mit: durch einen Schlag oder
Druck einzeichnen, eine Spur auf einen festen Körper machen.
Diese Bedeutung passt hier vortrefflich: Der Abt wollte sehen, was in den
Elfenbeintafeln geschrieben und eingegraben war. — Das Gedicht ist in vier-
zeiligen Stiophen abgefasst, die durch geraeinsamen Reim gebunden sind und
mit denen stets der Satz schließt. Zup. hat dieselben durch große Anfangs-
buchstaben markiert. Bis V. 42 ist alles in Ordnung; dann aber scheinen zwei
Zeilen ausgefallen zu sein, die mit sfon und non reimten ; dem Sinne nach wird
die ausdrückliche Erwähnung zu ergänzen sein, daß der Abt dem Armen den
Findling mitgibt (vgl. Hartm. V. 899 ff.); so gehören dann zusammen V. 43
bis 46, 47 — 50, 51 — 54, 55 — 58. Zup. hat diesen Ausfall übersehen und lässt
deßhalb erstens bei V. 45 mitten im Satze eine neue Strophe beginnen. Dadurch
gerathen aber auch alle folgenden Reime in Unordnung und der Abschnitt
schließt mitten in der Strophe. — V. 50* ist nach ladde wegen Vers und Sinn
*) Ebenso Bieling: Ein Beitrag zur Überlieferung der Gregoriuslegende. Berl.
1874, p. 7.
3G8 L1TTKI?ATUR: J. ZUPITZA, ALTENGLISCIIES ÜnUNGSBUCIT.
her einzusetzen. V. 5G": prest and clerk jier stode hi? V. 59'': J)e cloj) he wele
tok to hokn
XXI, 75: fn pe faderles wan he rath. Zup. Gloss. p. 116'': rath beraterf
Das müsste rüd heißen, rath ist vielmehr = hrad, ae. hrced, isl. hrddr schnell,
mit Wegfall des A. Der Sinn ist also: Zu den Vaterlosen war er schnell,
sc. ihnen zu helfen; vgl. V. 78: he dede hem sone to haven ricth. V. 163:
and aveden the king igrefi
XXIV, 8 1 f. jns is a mervayl message a man for to preche amonge enmyg.
"Wie Zup. diesen Vers aufgefasst hat, ist nicht ersichtlich. Er gibt im Gioss.
für mervayl die Bedeutung: Wunder, für message: Botschaft. Morris er-
klärt im Glossarial index mervayl für diese Stelle durch mervellous, also als
adj., übersetzt also doch wohl: das ist eine wunderbare Sendung für einen Mann,
zu predigen: aber müsste das nicht heißen: for a man to preche"^ Auch ist
marvel als adj. sonst nicht nachgewiesen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten : ent-
weder man fasst mervayl als suhst. und message als Verbum (wofür ich freilich
auch nicht eine Parallelstelle beibringen kann) und übersetzt: Das ist ein Wunder,
einen Mann zum Predigen abzuordnen, oder man fasst mervayl-mesÄage als Com-
positum und nimmt die oben angedeutete Umstellung vor. Das letztere möchte
ich vorziehen. V. 92 ])ay pe fader ^ pat hym formed, were fale of his hele. Das
Versfändniss dieser Zeile erscheint nicht ohne Schwierigkeit, fale erklärt Zup.
Gloss. p. 90": treu, lieb, gut. Morris: good. Soll das etwa heißen: wenn
auch der Vater, der ihn schuf, für seine Sicherheit gut sagte ?
XXV*), 4. Nach end ist der Punkt zu streichen, denn off aunters ist direct
von Jns werke abhängig. Dag. möchte ich nach V. 10 statt des Commas einen
Punkt setzen, denn mit V. 11 beginnt ein ganz neuer Satz. V. 18 scheint mir
Zup. mit Recht o fere zu übersetzen durch: mit Geschick; vgl. Orm. V. 1251 :
ay affer pine fere. == isl. foeri. Die Herausgeber übersetzen: ovt and out, com-
pletely (Index p. 532''). V. 35 pau hom maister loere. In der Ausgabe p. 463
wird übersetzt: than they had authority for : maister has here the same meaning
as in the phrase : he tvas master of his subject. Gegen diese Erklärung scheint
mir das in diesem Falle reflexiv zu fassende hom zu sprechen. Mit Znp. werden
wir maister hiermit: Noth wen digk eit übersetzen, in welchem Sinne es auch
V. 11815 vorkommt. V. 61. Im Glossar der engl. Ausgabe wird dew für diese
Stelle erklärt durch : related, hound, allied. Bei dieser Erklärung ist aber die
Beziehung von füll dere zu vag. Zup. trifft das richtige, wenn er p. 86"' deio
als adv. fasst = didy : gebührender Weise. Dag. ist es gewiß falscli V. 98
shene für das adj. „schön" zu halten (Zup. p. 118''); es ist part. prät. von
sehen: was für Schiffe da gesehen wurden.
XXVII, 17. Nach personis ist ein Comma zu setzen.
Ich wende mich nun zum Wörterbuche , indem ich im voraus bemerke,
daß ich an ein solches zumal bei so geringem Umfang der Texte, die Forde-
rung stelle, daß es nicht nur alle in den Lesestücken enthaltenen Worte und
zwar mit der geforderten Bedeutung aufweise, sondern auch alle grammatischen
Formationen jedes Wortes, soweit sie sich dort finden, falls sich nicht die be-
*) Bei Zup. wird die Ausgabe von: The Gast Mystoriale als 1809 erichieuen
angegeben. Mir ist nur die von 1874 bekannt, die sich nicht als zweiter Abdruck
bekundet.
LITTERATUR: J. ZUPITZA, ALTENGLISCHES ÜBUNGSBUCH. 369
stimmte Tendenz kund gibt, die etwa aus dem ne. oder frz. leicht erschließ-
baren Worte wegzulassen. Das ist aber bei Zup. nicht der Fall.
p. 75" fehlt zu an die me. Form o XVIII, 14, XX, 41. Das. fehlt: an-
Tiondredvald ein hundertfältig XXIIT, 69. p. Tö*" fehlt: ceräcemde bevor
III, 30. Das. fehlt zu arest die Bedeutung bleiben. XXIV, 144: pe wawes
— durst nowhere for roy arest at ihe bothem: die Wogen wagten nicht
auf dem Grund zu bleiben, p. 76*: zu äf fehlt: at pet bis XIV, 76 f.
p. 77*: bärsynnig :sehr sündig; vielmehr '.publice peccans:, vgl. publicanus.
p. 79" fehlt berrhles : Rettung XV A V. 103. p. 79^ zu biddan : auch refl.
gebraucht XVIII, 42. Das. fehlt bileuynge Lebensunterhalt XVIII, 9.
p. 82* fehlt byrth Geburt XXVII, 23. Das. fehlt zu bysig die Form besye,
XXVII, 37. Das. fehlt canceler XII, 8. p, 82'' fehlt zu ceorfan die Bed. kappen.
XXIV, 153 : yet corven pay pe cordes: sie kappten die Taue. Das. fehlt
ke^je halten XXII, 6. p. 84" fehlt creopan, me. crepen, kriechen XXI, 68.
p. 84'' fehlt christeneman , christeman XIX, 33, 35. Das. fehlt bei cuma7i die
nordh. Form cyma XI, 20; ebenso das Verbalsubst. eumming XXVI, 92. cumyne
XXVII, 36. p. 85'' fehlt ciricend ecclesiasticus XI, 97. Das. fehlt zu däg: to
df:y heute XIX, 3. p. 86'' fehlt zu dragan die me. sehr gewöhnliche Bedeutung
„foltern". XXIII, 93. p. 88* fehlt eallniwe ganz neu X, 60. Das. fehlt bei
ealswä me. alse-se so wie XIII, 70. p. 88'' fehlt efnegewyrcan condere XI, 41.
p. 91* fehlt zu fin die Form fyn XXI, 22. p. 91'' fehlt zu flcesc die Form vle^sh.
XXVIII, 64, 7. Das. fehlt zu folc die Bedeutung: Menschen XXV, 45 im
Gegensatz zu goddes. p. 92'' zu forgrowan fehlt die Bed. sich entstellen,
verstellen XXVIII, 63, 2. Das. fehlt zu forgyltan die Bed. schuldig wer-
den XIV, 23 f. p. 93" fehlt zu fyllan die Bed. erfüllen X, 39. p. 94'' gear-
wian, me. gere. „Ebenso nordh. II, 1, a": p. 95'' fehlt zu gehealdan die Bed.
zurückbehalten XIX, 26. Das. geläccan, me. ilacchen, prät. geUihte, schw.
V. Ib, fassen, ergreifen, fangen. Ich glaube trotz Ettm. a. a. O. p. 157
und 184, daß für dieß Verbum langer Vocal anzusetzen ist, also: gelcecan, und
daß es durchaus zu trennen ist von läccan, oläccan, ludere, /allere, p. 96'' fehlt
zu geong jung die Bed. jugendlich, kindisch. XIII, 10: yunge dede. Das.
fehlt zu geryman die Bed. ausbreiten III, 8 f., wo nicht etwa von einem
Verlassen der früheren Wohnsitze, sondern von der Ausbreitung der Herrschaft
die Rede ist. Sweet: enlarged. p. 97* fehlt zu gestrienan die Bed. gewinnen
III, 92: er gewann einen großen Theil des Menschengeschlechtes dem Walter
der Himmel, p. 99'' fehlt zu gylpan: auch refl. gebraucht XXIII, 55. p. lOO''
fehlen zu heäh die Formen: helh XVI, 25: hei 70. p. 101* fehlt hehangel Erz-
engel XIV, 49. Das. fehlt: heofenelcwene, Himmelskönigin XVI, 83. p. lOl''
heow, hiw, me. heow, hew , ne. hue st. n. me. ist es femin. XIV, 18: of seol-
cudre keowe. Ähnl. p. 109'^ : meaht . . . me. mihte . . . ne. might. st. f.; me. auch
neutr. XIV, 101: det forme mihte. Ebenso p. 124* f.: sunnan däg, me. sunne
dei, ne. sunday st. m. me. auch fem. XIV, 95. Hätte Znp. nur das ae. Genus
angeben wollen, so hätte er diese Angabe nicht an den Schluß setzen dürfen.
p. 101'' fehlt heircummyng Ankunft XXVI, 82. p. 102" fehlt die Form holo-
caustum XVII, 1319. p. 103" fehlt wat in der Bed. bis XIX, 26: wat nu.
Das. fehlt zu hwU die Form hwylem XIX, 43. p. 104'' fehlt inngelcedan intro-
ducere XI, 23. p. 105" lafian'i m. lave, schw. v. Ib. laben, erleichtern,
über Bord werfen. Ich glaube nicht, daß diese Bedeutuugsentwickelung
GERMANIA. Neue Reihe YIII. (XX.) Jahrg. 24
370 LITTERATL'R: J. ZCPITZA, ALTENGLISCHES ÜBUNGSBUCH.
richtig ist. Erstens findet sich das Wort schon ae. Beöv. V. 2722: Hyne Jid
mid handa — vinedryhten his vätere gelafede. Ebenso wie diese hissen
sich alle bei Stratmann p. 307* für me. lave angeführten Stellen so erklären,
daß schütten, gießen, benetzen die Grundbedeutung des Wortes ist.
Auch mhd. lap (Lexer I p. 1833) kommt als: Spülicht vor. Vielleicht
ist schon ae. lafian mit lavare verwandt, oder wenigstens ist ein urspr. germ.
lafian = laben mit dem aus lavare entstandenen lave zusammengeflossen,
so aber, daß das letztere überwog. XXIV, 154 passt die Bedeutung: schütten
ganz gut. p. 107" fehlt Uhting Dämmerung XIV, 79. p. 110* fehlt zu mon
die Pluralform mene XXII, 9. p. HS*" oferreccan übersetzen. Das Wort heißt
nur durchsehen, re-examine XXV, 69; von dem eigentlichen übersetzen ist
erst das. V. 71 die Rede. Das. fehlt oferseon übersehen XlII, 75. Das. fehlt
offpufyng, das Ablegen XXVII, 18. Das. fehlt zu oft die Form o//e XXVIII,
60, 5. Das. fehlt oläcung hlandimentum X, 54. Das. fehlt zu on die Form anupp-
on XIV, 51. p. 114* fehlt zu ond die Form ande XXVII, 6, 14, 21. Das. fehlt
zu ongegn das Wort: agaiiecumynge das Entgegenkommen XXVII, 20. p. 114''
fehlt ongemavg ungeachtet III, 68. Das. fehlt anweald potestas X, 15; 18.
p. 115" fehlt zu paye die Bed. Bezahlung XXIV, 99. p. 115'' iohM zvl peral
die Form peryl XXIV, 85. p. 117* fehlt zu riU die Form rith XXI, 123.
p. 117'' rudnyng Blitz? wohl schwerlich erweisbar; vielleicht gleich isl. rud-
ning, dän. rodninj wühlen XXIV, 139. p. 118*^ sceädan, me. schede, ne. shed
etc. ae. ftcheiden, me. (auch, zuletzt nur) ausscheiden, auswerfen, ver-
gießen. Schon ae. ist sceädan scheiden, von sceddan vergießen, zu tren-
nen; vgl. Ettm. p. 674; Müller, Etym. engl. Wtb. s. v. shed. Das. fehlt zu
sceäwian die Form schewen XXII, 9. p. 119*^. Die unter se aufgezählten Formen
sind ganz unvollständig, z. B. fehlt nom. pe py nordh. me. dat. plur. thaym
XXII, 9. paim XXVI, 102. pame das., 12 etc. Oims Formen und die übrigen
nordenglischen fehlen ganz. p. 120'' fehlen zu sütäan die Formen soädenXlll, 9.
siden XVII, 1295. p. 122* fehlt zu sona die Form soyn XXVI, 90. p. 122"
fehlt zu spedan: auch refl. gebraucht XXVI, 27. Das. fehlt zu stondan die
Bed. bestehen, instare, incumhere XIII, 18. p. 126*" fehlt tobiddan adorare
XI, 86. Das. tocyma venire XI, 94. p. 127* trahtere Übersetzer. Vielmehr:
Ausleger, interpres XI, 34. Das. fehlt zu traine die Form trayne XXV, 94.
p. 127^ tulke mann Ritter. Wie tulke = altn. tullcr Dolmetscher zu der
Bed. Ritter kommen soll, verstehe ich nicht, p. 128* fehlt undercyma succe-
dere XI, 33. p. 129* fehlt üteornan discurrere XI, 83. Das. fehlt zu vilanye die
Form vileynye XXIII, 3. p. 130* fehlt zu walle die Bezeichnung des Genus.
Es ist fem. XVIII, 12. p. 130" fehlt wylle, ivelleXXIV, 130. p. 131" fehlt zu
widuwe die Form widue XXII, 79. p. 132'' fehlt zu wtsian die Form vnjsshe
XXV, 4. p. 133*. tüown heißt nicht „dunkel", sondern bleich, farblos (oft
in Verbindung mit pale gebraucht), was XXIV, 141 sehr wohl vom Meere ge-
sagt werden kann. p. 135* fehlt parfore, perfore, Jjarfor XXVII, 22; 3. XIV, 82.
perfram, perefrom XXI, 55, parof XXVI, 84. parout XXVI, 48. porwif XXI, 100.
tharwyth XXVII, 29. perwithXXY, 97. p. 135'' fehlt pohhivedere at tarnen XV,
15623. p. 136' fehlt zu thing der Ausdruck sum ping somwhat XVIII, 7. p. 136"
p7-otu, rae. prote, ne. throat st. f. Hals. Vielmehr bedeutet das Wort ae. und
ne. Kehle. So natürlich auch XII, 31, wo es auch noch dazu neben „Hals"
steht, p. 137* fehlt zu ]mrh die Form pverrt ut Prorsus XV, 105, Das. fehlt
zu pyncan die Form (hynkqn XXII, 8.
LITTEEATUR: R. WÜLCKER, ALTENGLISCHES LESEBUCH. 371
Endlicli folge noch die Verbesserung einiger Druckfehler. I, 9 streiche
das Comma nach firum. III, 93 rodra, lies rödra. IV, 6 sceopgereorde, lies sceöp-
gereorde. VI, 192 bord, lies bord. X, 37 pät, lies pät. XI, 39 de, lies de.
p. 353 mid B, lies C. XVI, 111 ])ine, lies pine. XVIII, 37 hwart, lies hwat.
XIX, 17 iwe, lies ine. XXII, 33 streiche das Comma nach and. XXIIl, 54
norryssep, lies noryssep. XXIV, 97 passse, lies passes. XXV, 50 dampred, lies
Da die Besprechung von Zupitzas Sammlung schon ungebührlich lang
geworden ist, so begnüge ich mich, was Wülckers Lesebuch anlangt, mit einigen
kürzeren Nachträgen zu der oben besprochenen ausführlichen Anzeige in der
Ztschr. für österr. Gymn. Auch lässt sich ja wohl die eine oder andere Be-
merkung noch bei einer Besprechung des hoffentlich bald nachfolgenden zweiten
Theiles leicht nachholen. Hier also nur folgendes wenige. — 1, 60 üi iverld ivid.
iverldel vgl. on icerlde V. 38. Ferner ist gewiß das. V. 75 wegen des Metrums
und der Parallelstellen V. 113, 156 etc. zu lesen: Ford glod äat firme dais
ligt. Daß Morris GE. p. XXXIX schon diese Änderung vorschlug, scheint
Wülcker übersehen zu haben. Daß W. nur mit Vorsicht Änderungen in den
Text selbst aufnimmt, wird man nur billigen, aber zuweilen wird darin doch
etwas zu weit gegangen; so war V. 167 cam in den Text einzusetzen: aus der
Anm. z. d. St. erhellt nicht, ob man das darf oder ob man cam nur in Ge-
danken ergänzen soll. Das. V. 295 ff. heißt es; hu mal it ben, Adain beii king
and Eue ben quuen, Of alle de dinge in icerlde ben. Dazu wird p. 124 bemerkt:
Morris fügt hier nach dinge ein de ein, doch ist dieß unnöthig,
wenn wir verbinden: Adam ben king and Eue ben quuen of alle de ding e
in werlde. Erstens ist bei dieser Auffassung Wülckers Comma nach V. 29 6
sinnlos, wenn beide ben sich parallel stehen. Zweitens aber ist dieß doppelte
ben, wenn auch sprachlich erträglich, so durchaus nicht schön. Morris hat bei
seiner Einfügung von de dieß zweite ben meiner Überzeugung nach ganz richtig
bezogen; er würde übersetzen: von allen Dingen, welche in der Welt
sind, de in den Text zu setzen, war aber trotzdem überflüßig. Es ist vielmehr
hier einfach Ausfall des Relativpronomens zu constatieren. Das ist um so
glaubhafter, als das Subst. im Hauptsatze auf welches der rel. Satz sich be-
zieht, durch alle verstärkt ist (vgl. meine Untersuchungen über den Ausfall
des Relativpr. Straßb. 1872). Die ganz analoge Satzfügung gleich darauf V. 300:
of alle dinge, de wunen her bestätigt es. Dazu kommt, daß Ausfall des Relativ-
pron. sich in GE. sich auch sonst noch, wenn auch vereinzelt, findet. Ich führe
die Stellen hier auf. Zweifelhaft ist V. 737 f.: Abram du fare ut of land and
kin I to a lond ic de sal bringen hin, V. 738 lässt sich allenfalls übersetzen:
zu einem Lande werde ich dich hinbringen. Dem Sinne entspricht
weit besser: in ein Land, wo ich dich hinbringen werde. Ebenso
V. 1289 f.: and dor du sali him offren me\on a Ml, dor ic sal taunen de.
Das zweite dor lässt sich relativisch auffassen: auf einem Hügel, den ich dir
zeigen werde. Aber auch hier ist wohl zu übersetzen: auf einem Hügel,
den ich dir dort zeigen werde. Sicher sind folgende Stellen: V. 751 wird vom
todten Meere gesagt : Ilc ding deied dorinne is driuen. Jedes Ding stirbt,
welches da hinein getrieben wird. (Vgl. GE. p 135.) V. 2187: Xu bi
de feid ic ag to king pharaonl bei der Treue, die ich König Pharao
schulde. Vgl. Wülcker 3, 203; endl. V. 3672: and dies do men 'god made
24*
372 LITTKKATl'U: U. Wi'LCKEK, ALTENGLISCHES LESEBUCH.
wis: und las da Leute aus, welche Gott weise gemacht hatte. Auch
hier setzt Morris ohne Noth vor god, de ein. Sonst vgl. man noch: W, 6, 48.00;
12, .388; das. V. 437 f.; 17, 2090; 18, 3603.
12, 341 ist nicht nach salle, sondern nach traytcure das Comma zu setzen,
so daß also salle ye witen zusammengehört; vgl. V. 460: ye may witen.
18, 3935 ist nach serjauns das Comma zu streichen.
Anm. zu 12, 87 yole. Unter jidfest ist hier das Winter julf est
gemeint: la seynte feste de nowel. Hat man in England jemals den 24. Juni
Sommerjulfest genannt?
Anm. zu 18, 3678. Daß lepen nicht reiten heißt, sondern an Stellen
wie hier: leopon apon stedis durch: „sie sprangen auf die Pferde" zu
übersetzen ist, hat schon Zup. a. a. 0. p. 140 bemerkt. Hinzufügen will ich,
daß sich der ganz analoge Sprachgebrauch im Altnordischen findet: hjölpu peir
pd ä hesta sina. Njälss p. 263 u. oft.
Anm. zu 19, 6704. Manchmal geht irjnen geradezu in den Be-
griff des Verlierens über etc. Hier lag es sehr nahe, das altn. tyna zu
vergleichen, dessen Hauptbedeutung: verlieren ist.
Anm. zu 19, 6815. Wie im Niederdeutschen wird auch im Eng-
lischen oft lere statt Urnen gebraucht. Hier konnte auch der analoge
Gebrauch im Schwedischen und Dänischen erwähnt werden. Isl. findet sich loera
erst vom 15. Jahrh. an so gebraucht.
In den Anmerkungen wird Einzelnes vermisst. Während z. B. zwar über
den Kent-Dialect eingehend gehandelt wird, erfährt der Leser gleich zu Stück 1
nicht, was es mit dem qu für engl, wh auf sich hat; vgl. Mätzner zu GE.
V. 1908.
Zu 12,455: chanon, monk and frere wünschte man den Unterschied
zwischen monlc und frere angegeben, der ja u. a. auch für Chaucers Prolog zu
den C. T. zu wissen nöthig ist. (Vgl. Herzberg: GeoiFrey Chaucer's Canterbmy-
geschichten. Hildburgh. 1866. p. 581 f.)
Auf die Anmerkungen folgt p. 181 f. eine Erklärung der in denselben
gebrauchten Abkürzungen, die jedoch nicht ganz vollständig ist. So weiß man
z. B. nicht, welches Werk W. in der Anm. zu 17, 2184 durch By. abkürzt,
oder in der Anm. zu 4, 14 durch Somn.
Weiter füge ich eine Anzahl Bemerkungen zum Wörterbuche bei, übergehe
aber auch hier natürlich alles, was sich schon bei Zup. a. a. 0. notiert findet,
p. 185* fehlt afta^e ni ederschlagen 6, 5011. p. 18 6"^ fehlt an^'er Z or n
19, 6855. p. 188' fehlt baldehed, boldehed Kühnheit 12, 474. p. 188" fehlt
eri en , bere, strike 19, 7056. p. 189*^ fehlt bite.n, byte beissen 12, 348;
19, 6918. p. 191" fehlt zu buk Bauch die Form bouk 18, 3946. Das. fehlt
bücke Bock 20, 10. Das. fehlt bulluc Böckchen 20, 9. Das, fehlt castellet
19, 7010. p. 192b fehlt conten count 6, 4908. p. 193" fehlt crislenmen 11,
I, 162. Das. fehlt zu dmle die Form dal 1, 142. p. 193" fehlt eure ob acht
18, 4016. Das. fehlt bei dede , daß dieß Wort auch direct für misdede stehen
kann 11, 464, 466; vgl. dedbote Stratm. p. 118'. p. 195" fehlt zu drenchen die
Bed, ertränken, in loater drenche aqua mergere 18, 3721, Das. fehlt zu egre
heftig die Form egyr 19, 6840, p. 196" fehlt zu endyng die Form eyndyng
18, 4033. p, 197" fehlt zu feith Treue die Form fei 3, 203. p. 197" fehlt
fest tb. fest 12, 393. Das, fehlt fikel dolosus 12, 82. p, 201" fehlt grisUche
LITTEKATUR: L. SCtLMID, HARTMANN VON AUE. 373
hovribile II, II, 193. p. 201* fehlt hamelet Dörfchen 12, 494. p. 204" fehlt
zu kepen die Bed. erwarten 6, 5029; 31; vgl. mete V. 5051. So sehr oft
gebraucht in Verbindung mit copnien, vgl. Stratm. s. v. copnien und s. v. kepen.
p. 205" lec7:our sb. Wollüstling. Daß lecJiour auch die allgemeinere Bedeutung
Schurke haben kann, zeigt 18, 3916. So findet sich lecheor auch afrz. zu-
weilen, p. 205" fehlt les falsch 19, 6895; vgl. Lay. V. 28150. [Zu V. 6940
Anm. vgl. Zup. a. a. 0. p. 136.] p. 206" fehlt zu ligtli, lictly die Form lygt-
liche Jl, II, 285. p. 208" fehlt zu meke die Form meoke 10, 15. p. 208" fehlt
m?/?'e Sumpf 19, 6942. Das. fehlt mysbileued falschgläubig 11, II, 44.
p. 210" fehlt offring Opfer 5, 339. p. 211" fehlt zu oste Heer die Form
hoost 19, 6791. Das. heißt es s. v. other: auch findet sich ein unoi--
ganischea t eingeschoben: pe toper. Diese Form ist vielmehr entstanden
aus pet oder, vgl. Mätzner Gr. l" p. 338''. p. 211" fehlt ouerhie zu hoch 12,
228. Das. fehlt zu pm-t sb. die Form party 12, 506. p. 213" fehlt prouince
Provinz 12, 268, p. 216" fehlt scheme = schamel 12, 362. p. 218" fehlt zu
slagen die Form sie 3, 287; 18, 3937. p. 219" fehlt zu stiren, daß es auch
refl. gebraucht wird 11, II, 284; dem entsprechend activ: bewegen 6, 4710.
Das. fehlt streitly 12, 405. Das. fehlt sireo?i Gewinn, Nachkomme, Sohn
18, 3750. p. 220" somerstide lies: somerestide 12^ 1. p. 220" sioere s. sivire]
letzteres ^ cervix fehlt. Das. fehlt suyn, kent. zuyn Schwein 27, 11. p. 221"
fehlt zu peofpe die Form theft 12, 449. p. 222" fehlt zu prote Kehle die Form
protte 28, 17. Das. fehlt Urning Erfolg 1, 31. Das. fehlt timlich zeitlieh
27, 65. p. 223" fehlt towUle zuweilen 12, 373. p. 225" fehlt waterside
Wasserseite 18, 3702: they beon byset on waterside d.h. sie werden an-
gesichts des Wassers umringt [so daß auf der einen Seite das Wasser
sie bedroht, auf der andern die Feinde]. Das. fehlt loaterward nach dem
Wasser zu 18, 3686. p. 226" fehlt zu werre sb. die Form weorre 18, 3851.
p. 226" fehlt lohoso whoever 19, 6925. p. 228" fehlt ivretch elend 27, 183.
Das. fehlt zu wrethe Zorn die Form wrappe 3, 242. — Dabei habe ich noch
die Worte unerwähnt gelassen, die W. in den Anm. erklärt und vielleicht deß-
halb im Glossar übergangen hat.
Ich schließe wie oben mit den Druckfehlern. 6, 5305 ist das Comma nach
sliew zu streichen. 11, I, 161 pynkep lies pynkep. Das. II, 135 ist nach ywis
statt des Commas ein Punkt zu setzen. Anm. zu 2, ps. VII, 28 rihtwlse lies
rihtivise. Anm. zu 5, 26 also lies als. Anm. zu 6, 4798 ergänze e nach „ob".
Anm. zu 7^: pag. 97—99 lies 197 — 99. p. 148^ V. 108 lies 118. Anm. zu
12, 2 zwischen V. 2 und Es ist wild zu ergänzen. Gloss. p. 208" mihtig lies
mihting.
BRESLAU, den 17. März 1875. EUGEN KÖLBING.
Dr. Ludwig Schmid, des Minnesängers Hartmann von Aue Stand, Heimat
und Geschlecht. Eine kritisch-historische Untersuchung. Mit einem Wappen-
bilde. Tübingen, Fues, 1874. — XII, 200 S. 8".
„Wir wissen von Hartmanns äußerem Leben überhaupt fast nichts, als
was er uns in seinen Kreuzliedern mittheilt, " sagt H. Paul nicht lange vor dem
Erscheinen dieses Buches (Paul-Braune, Bcitr. I 539), und es zeigt sich auch
374 LITTERATUE: L. SCHMID, HÄRTMANN VON AUE.
in Schmids gründlicher Monographie deutlich, wie alles, was darüber vermuthet
werden kann , als mehr oder minder sichere Hypothese auf ein paar Stellen
des Dichters basiert. Soweit aber überhaupt mit annähernder Wahrscheinlich-
keit etwas conjiciert werden kann, dürfen wir nicht anstehen, Schmids Werke
das volle Lob gründlicher und nüchterner Forschung, redlicher Abwägung aller
gegnerischen Einwände und genauer Benutzung aller etwaigen Hilfsbeweise zu
geben ; und auch eine breite Weitschweifigkeit und Umständlichkeit dieses
Buches — soweit dieselbe nicht überhaupt gefoi-dert war — darf uns darin
nicht irre machen, obwohl sie dem Fachmanne den Genuß des Werkes stören
könnte. So möchte es sich lohnen, von der auch typographisch gut ausgestatteten
und mit den diplomatischen Belegen (in einem Anhang) versehenen Schrift hier
einen kurzen Auszug zu geben, an den sich dieser oder jeuer beiläufige Ein-
wurf anschließen kann.
Von den drei Abschnitten, in welche die Schrift zerfällt, gibt der erste
eine ausführliche Darstellung des Ministerialenwesens nach seiner geschichtlichen
Entwicklung und nach den Eigenthümlichkeiten der Diestmannenpflichten und
Rechte. Es wird diese Darlegung, klar und wohlgeordnet wie sie ist, gar
Manchen, der größere Werke darüber nicht zu Gesicht zu bekommen vermag,
recht willkommen sein. In engem Zusammenhang mit dem Hauptgegenstand des
Werkes steht allerdings dieser Theil nicht, und es ist für die Frage nach Hart-
manns Stande, resp. nach dem der urkundlich erweisbaren Ower, wesentlich
nur der Nachweis von Wichtigkeit, daß schon um 1250 die Ministerialen die
Prädicate nobilis und dominus erhalten, nicht aber das Prädicat über. Wichtig
ist dieser Punkt deßhalb, weil nach Schmids weiterer Auseinandersetzung (s. u.)
von allen diplomatisch belegten Herrn von Ow nach dem 12, Jahrhundert keiner
nothwendig als Freiherr anzusehen ist; ein Punkt, welcher die Hauptsache
an Schmids Opposition gegen H. C. v. Ow's Aufsatz in dieser Zeitschrift
XVI, 162 flf. bildet. Diese Opposition durchzieht überhaupt das ganze Buch,
und es scheint dasselbe ihr nicht zum kleinsten Theile seine Entstehung zu
verdanken. Persönlichen Hader zwischen beiden Parteien zu beurtheilen, kann
hier nicht die Sache des Ref. sein; dagegen ist es, um dieß zu anticipieren,
dem Verf. meist gelungen v. Ows auf den ersten Blick anziehende, aber kritisch
wenig gestützte Ansichten mit Glück zu widerlegen.
Im zweiten Abschnitt, der sich ganz mit Hartmann beschäftigt, weist der
Verf. zunächst mit Glück nach, daß von den beiden Behauptungen v. Ows:
Hartmann habe zu demselben Geschlecht gehört wie der „arme" Heinrich von
Aue, sei also frei gewesen, und: beide haben zu den Ahnen der heutigen
V. Ow gehört, die erste vollständig grundlos und durch positive Beweise wider-
legbar ist. In der That, wer wird (Arm. Heinr. 4/5) die Worte dienstman ivas
er ze Ouwe*) anders auifassen, als: Hartmann sei Ministerial eines Herrn von
Aue oder doch als Ministerial eines andern Herrn auf Aue ansäßig gewesen?
Aber mit der Construction Schmids a, a. 0. kann sich Ref. nicht einverstanden
erklären, umsowcniger, als sie ganz werthlos ist. Schmid liest nämlich mit Bech:
der was Hartman genant
{dienstman was er) ze (von) Ouive,
*) Wenn v. Ow und Schmid sich über die LA. von Ouwe oder ze Ouice streiten
und jeder die von ihm bevorzugte als Beweismittel benutzen, so scheint uns diese
ganze Sache ziemlich banausisch zu sein.
LITTERATUR: L. SCILMID, HARTMANN VON AUE. 375
eine unnöthig gewaltsame Coustruction , welche noch härter ist als die unten
zu erwähnende: unt lebt mm herre, Salatln etc.; während aber Bech gewiß so
lesen will: „der war Hartnaann von Aue genannt" so fügt Schmid zu der Härte
der angegebenen Coustruction noch eine Unmöglichkeit hinzu, indem er so be-
zieht: der was Hartman, genant (d. w. e.) von (ze) Oiiwe. Welcher Leser oder
Hörer des A. H. konnte v. 4 f. so verstehen? Ref. kann es nicht über sich
gewinnen, eine andere Coustruction der einfachen Folge der Worte nach über-
haupt für möglich zu halten, als diese: „er war Hartmann genannt; er war
Dienstmann zu (von) Aue". Wenn Bech (s. Schmid S. 36) sagt, eine solche
Parenthese, wie er sie annimmt, sei bei Hartmann häufig, so ist zu entgegnen,
daß hier gar kein Anlaß dazu ist, eine Härte anzunehmen, die Hartmann
zu Anfang eines Gedichts vollends gewiß nicht beabsichtigt hat. — Daß, was
sonst über Hartmann sich in seinen Werken findet, mit seinem Stande als
Ministerial durchaus nicht streitet, hat Schm. hinlänglich gezeigt. Ob A. H.
8 — 15, Iw. 23 — 25, II. Büchl. 715 den Schluß auf Hartmanns Dienstbarkeit
wesentlich verstärken, sei dahingestellt. Aber vollständig Recht hat Schm., wenn
er eben aus der Nebeneinanderstellung des Dichters und des Heinrich von Aue
im Armen Heinrich den Schluß zieht, daß die ganz verschiedene Einführung
und Prädicierung beider jeden Gedanken an Geschlechtsgemeinschaft ausschließe,
ja daß Hartmann seine Dienstbarkeit, von der er sonst nicht redet, im A. H.
gerade deßhalb erwähnt habe, um sich von dem freien Herrn von Aue zu unter-
scheiden. Weiter wendet sich der Verf. gegen die Behaujjtung v. Ows , daß
Hartmann als freiwilliger Ministerial im Dienste des Herzogs Konrad von Schwaben
gestanden habe, welcher 1189 Herzog von Rothenburg war. v. Ow sucht da-
durch den Aufenthalt Hartmanns in Franken, der durch MF. 218, 20 bezeugt
ist, zu erklären. Schmid wendet dagegen mit Recht ein, daß diese Annahme
ganz in der Luft steht. Daß sie gar unmöglich sei , sucht er dadurch zu er-
weisen, daß Hartmann, der Mann voll edlen, keuschen Sinns, bei dem rohen
AVüstling Kourad sicherlich nicht freiwillig in Dienst getreten sein würde.
Freiwillig that er's ohnehin nicht, da er ein geborner Dienstmann war; es dürfte
aber sehr bedenklich sein , an unsere Minnesinger mit solcher Moral heranzu-
treten, und dieser Beweis gegen v. Ows Aufstellung scheint dem Ref. aller
Kraft zu entbehren. Dagegen ist ganz richtig, daß jene Aufstellung überhaupt
fundamentlos ist, und wir werden sehen, daß Schm. selbst eine wenigstens besser
begründete Erklärung für Hartmanns Aufenthalt in Franken (wenn wir über-
haupt eine solche brauchen) vorgetragen hat. — Jener Anlaß gibt dem Verfasser
zugleich Gelegenheit, von Hartmanns Minnepoesie eine Darstellung zu geben.
Den Cardinalpunkt der ganzen Untersuchung über Hartmanns Dichtung
bilden seine Kreuzlieder, und Schmid hat mit viel Fleiß versucht, in das
Labyrinth von Schwierigkeiten und Widersprüchen, welche die Frage über den
Kreuzzug Hartmanns verwirren, Klarheit und Ordnung zu bringen. Die Haupt-
punkte in dieser Frage sind ja die Erwähnung des Meeres an mehreren Stellen
des Erec und des ersten Büchleins und die Erwähnung Saladins als eines Ge-
storbenen in dem Lied ich var mit iuwern liulden. Da der Erec nicht nach
1197 geschrieben sein kann''}, so wird angenommen, daß Hartmann das Meer
*) S. noch zuletzt Germ. XIX, 372. Wir können nicht alle erzählenden Werke
II. s in den Zeitraum zwischen 1198 und 1204 zusammendrängten,
376 LITTEKATUJR: L. SCHMID, HAKTMANN VON AUE.
bei dem Kreuzzuge von 1189 gesehen habt;, und da nun nach dem angeführten
Liede Saladin (1193) gestorben ist, wie Hartmann sich auf die Kreuzfahrt
begibt, so werden hinsichtlich dieses Liedes von den Forschern dreierlei An-
sichten aufgestellt: entweder ist Hartmann gar nicht Verfasser desselben, oder
ist (MF. 218, 19. 20) zu lesen:
und lebt min herre, Salat'm und al sin her
die enbrcßhfen mich von Vranken niemer einen vuoz ;
oder endlich hat Hartmann sowohl den Kreuzzug von 1189 als den von 1197
mitgemacht. Das Erste wäre doch nur bei ganz zwingenden Gründen und, wenn
sonst gar kein Ausweg übrig bliebe, anzunehmen. Das Zweite ist nicht ganz
unmöglich, aber hart (s. Germ. XIX, 372). Das Dritte ist die Ansicht, zu der
sich Schmid bekennt. Ref. muß gestehen, daß ihm eine zweimalige Theilnahme
an einer Kreuzfahrt nicht sehr wahrscheinlich aussieht und jedenfalls nur auf
zwingende Gründe hin angenommen werden sollte, obwohl von einer Unmöglich-
keit hier nicht die Rede sein kann. Daher wird es besser sein, mit Schreyer
anzunehmen, daß die Beziehungen auf das Meer in den älteren Werken Hart-
manns nicht auf die Theilnahme an einem Kreuzzuge zurückzuführen sind, ja
daß H. gar nicht einmal das Meer gesehen zu haben braucht. Mit Schillers
Teil, den Sehr, anführt, verhält es sich allerdings anders; Schiller brauchte
Localschilderungen , Hartmann hat jene Stellen (3. Schmid S. 55) selbständig
und ohne Nöthigung eingefügt. Allein Erec 7790 — 7796 beweist gar nichts,
es ist ja daselbst nicht ausdrücklich vom Meere die Rede. Erec 7062 — r7065
ließ sich auch ohne Autopsie sagen. Es bleiben nur die Verse 351 — 366 im
ersten Büchlein; zumal der t. t. selpwege legt hier nahe, an Autopsie zu denken.
Wir wären dazu genöthigt, wenn selpwege als Übersetzung eines romanischen
oder griechischen Wortes anzusehen wäre; allein auch die Xanter Glossen
(Graff I 660) haben ein selbwegi, das sie mit aquae motus übersetzen; der Aus-
druck ist also echt deutsch, und so wird ihn Hartmann wohl eher in Deutsch-
lar.d als im Mittelmeer vernommen haben. Und bietet sich für den Schwaben
H. nicht der Bodensee als Stätte dar, wo er solche Anschauungen gewonnen,
solche Ausdrücke vernommen haben wii-d? Denn der Bodensee ist ein stürmisches
Wasser, wie jeder weiß, der ihn beim Föhn gesehen hat. Hartmann hat Greg.
987 — 1026, worauf auch Schmid S. 133 f. hindeutet, eine Klosterschule lebendig
beschrieben, und es steht bei ihm, der geleret was, nichts im Wege, eine klöster-
liche Schulbildung anzunehmen, die er, wie Schmid a. a. 0. wahrscheinlich zu
machen sucht, leicht auf der Reichenau genossen haben kann, wo er den See
in freundlichen und stürmischen Tagen zur Genüge kennen lernen mochte.
Daß er seine Anschauungen davon auf das Meer übertrug, ist ganz natürlich;
denn wer wird zum Zweck einer ganz allgemein gehaltenen Vergleichung einen
Binnensee nennen? Durch diese Erklärung wurde auch deutlich, warum H.
gerade in seinen frühesten Werken, dieser Erinnerungen noch voll, jene Gleich-
nisse eingewoben hat.
Bleiben wir also bei der Annahme einer einmaligen Betheiligung H.s am
Kreuzzuge, natürlich dem von 1197 (denn Pauls Einwurf, Beitr. I 536, daß
dieser weit unbedeutender gewesen als der von 1189, wiegt nicht schwer).
Freilich hat Schmid S. 66 ff. darzulegen gesucht, daß- die Lieder dem kriuze
zimt etc. und ich var etc. nicht aus derselben Zeit stammen können ; aber seine
Beweise recurrieren bloß auf Gefühlsmoniente, deren Beweiskraft nicht stark
LITTERATUR: L. SCHMID, HARTMANN VON AUE. 377
ist. Und — wenn die beiden Lieder sich auf zwei verschiedene Kreuzzüge be-
zögen, so hätte wohl der begeisterte Kreuzfahrer in dem späteren Liede die
Hindeutung auf seine erste Fahrt kaum unterlassen.
In dem zweiten jener Lieder spricht H. von Franken als seinem Auf-
enthaltsorte. Daß dieser deßhalb nicht seine Heimat zu sein braucht, ist klar
und ist wiederholt betont worden. Auch, wie H. dorthin gekommen sein mag,
sucht Schmid S. 73 nicht ohne Wahrscheinlichkeit zu erklären; die Grafen von
ZoUein-Hohenberg, unter denen (s. u.) die Ower standen, waren Vasallen vom
Bamberg.
Hartmann selbst aber war ein Schwabe. Dafür gibt es zu viele Beweise
als daß mau daran hätte zweifeln sollen, und Schmid hat dieselben S. 74 £f.
schön und überzeugend dargelegt. Fragt man aber, welchem schwäbischen Aue
Hartmann angehört habe, so ist von jeher nur an das jetzige Obernau bei
Eottenburg a/N., an das Zähringische Aue und an den Thurgau (an das Ge-
schlecht derer von Wesperspül) gedacht worden. Daß an das zweite nicht zu
denken ist, hat F. Bauer Germ. XVI, 155 ff. dargethan. Daß man auch an
den Thurgau nicht zu denken hat, zeigt Schmid (im fünften Abschnitt seines
Buches) mit großer Wahrscheinlichkeit. Dagegen findet sich in Obernau im
zwölften Jahrhundert eine Freiherrschaft, und dieser hat wohl der herre Hein-
rich von Ouwe geborn des armen Heinrich angehört. Daß mit diesem Heinrich
der Dichter von demselben Aue stammt, durfte doch wohl der Eingang des
Gedichts unumgänglich sicher stellen; wie lächerlich wäre es, hätte Hartmann
erst sich selbst einen Dienstmann von Aue genannt, und dann einen Freiherrn
von Aue eingeführt, ohne beidemale dasselbe Aue zu meinen! Also — auch
Hartmann gehörte als Dienstmann zu Obernau; und, da die freien Auer daselbst
im 13. Jahrhundert nicht mehr zu finden sind, vielmehr alle folgenden Obern-
auer, die Ahnen der heutigen v. Ow, Ministerialen sind, so kann Hartmann ent-
weder Dienstmann des letzten Freiherrn von Aue gewesen sein oder nach Aus-
sterben der Freiherrschaft das Gut als Ministerial der Grafen von ZoUern-
Hohenberg, denen die Auer unterstanden, besessen haben. Diese Nachweise und
Belege für die Verbreitung und Besitzungen des Geschlechtes sowie dessen Zu-
gehörigkeit zu den Zollern bilden bei Schmid den vierten Abschnitt, dessen
gründliche Forschung alle uneingeschränkte Anerkennung verdient. Der fünfte
Abschnitt gibt eine Recapitulation der Resultate nebst Widerlegung einiger Ein-
Tvände.
Ref. rausste sich versagen auf manche disceptable Einzelheit, sowie auf
manche schöne Beweisführung im Einzelnen näher einzugehen , und kann das
Buch nur der genauen Kenntnissnahme und W^ürdigung aller derer warm
empfehlen, die in dem Dunkel, das über des herrlichen Sängers Leben ver-
breitet ist, sichere Stützpunkte zu finden wünschen.
SRUTTGART, im Juni 1875. HERMANN FISCHER.
378 LITTERATUR: K. WEINHOLD, ISIDOR.
Die altdeutschen Bruchstücke des Traclats des Bisehof Isidorus von Sevilla
de fide cathoiica contra Judaeos. Nach der Pariser und Wiener Hand-
schrift mit Abhandlung und Glossar herausgegeben von Karl Weinhold.
A. u. d. T. : Bibliothek der ältesten deutschen Litteratur-Denkmäler. VI. Band.
Paderborn. F. Schöningh 1874.
Eine bequeme handliche Ausgabe der althochdeutschen Isidor-Fragmente
war ein offenbares Bedürfniss, besonders da Holtzmanns Text anfieng selten zu
werden und auch Graflfs Abdruck in v. d. Hagens Germania nicht separat er-
schienen ist. Ohne die Bescheidenheit zu verletzen, die der Anfänger einem so
bewährten Meister wie K. Weiuhold gegenüber stets zu beobachten hat, glaube
ich indessen als meine Überzeugung aussprechen zu dürfen, daß diese neue
Ausgabe ohne vorhergehende Collation der Pariser Handschrift nicht hätte sollen
unternommen werden. Man wird bei der Benutzung eines «olchen Textes aus
den dreißiger Jahren sich nie des unbehaglichen Gefühls der Unsicherheit er-
wehren können. Daß mein Bedenken nicht ganz unbegründet war, zeigte mir
eine gelegentlich eines neulichen Aufenthaltes in Paris unternommene Nach-
collation, deren Resultate ich hier kurz mittheilen will. Anmerken darf ich noch,
daß mir von Anzeigen des AVeinhold'schen Buches nur diejenige von E. Sievers
Jen. Literaturz. 1874 p. 382 f. zu Gesicht gekommen ist: das dort über Ab-
weichungen von Holtzmanns Text angeführte übergehe ich im Folgenden. Er-
schöpfend war Sievers Vergleichung der Drucke übrigens nicht*).
Ich beginne mit dem deutschen Texte, p. 'S, 2. Die Worte umhihringa —
erdha sind verblichen und mit anderer Tinte später aufgefrischt, das. mittin.
Das i vor w, das G. bezweifelte, ist noch wohl erkennbar, davor ein kleines
Loch im Pergament und vor demselben der Anfang des zweiten t. p. 3, 3. Ich
lese liimilo. Das. zu garauuida bemerkte H: „inter syllabas gar et uui littera
a fortasse restituenda". Die Form von a ist als dunklerer Fleck ganz deutlich
erhalten, p. 3, 6. „So nach R. H. undeutlich, nach G. sicher". Es ist ganz
sicher, nur etwas dunkler, p. 3, 8. Das h in uuardh ist gänzlich verschwunden,
vielleicht durch die Schuld des Stempels der Bibl. regia, welcher auch über
den unteren Theil des d geht. p. 5, 1. Zu himües bemerke ich, daß es über
ü geschrieben und wohl zu erkennen ist. p. 5, 18. dliazs. Das schließende s
sehe ich nicht. Was man bisher wohl als den Rest davon ansah, ist nur ein
kleines Loch im Perg. Doch wäre für s noch Raum auf der Zeile, p. 7, 14.
dhich W. Die Hdschr. hat dhih-^ ebenso Gr., was in den Anmerkungen fehlt.
H :=: W. p. 7, 26 zi firstandanne dhanne, W. mit der Anm. danne Hs. dhanne
steht weder in der Hs., noch bei Gr. H. Das zu ßrstan- gehörende danne be-
ginnt eine neue Zeile, p. 9, 8 chiscuof. i ist nicht mehr vorhanden, p. 9, 21.
himile H. W. H. bemerkt, daß hiniila geschrieben zu sein scheine. Man unter-
scheidet wirklich ganz deutlich zwei Striche nach l vor dem Anfang des nächsten
Wortes, p. 9, 24 dauid mscr. p. 9, 25: Quhad mscr. Ebenso Gr. H = W:
Qhuad. p. 9, 30 1. adhalsangheri für adlialsangerL p. 9, 31. Israhclö. Das o
ist verschwunden, p. 9, 32 mina ist deutlich zu erkennen, p. 11, 2 uuerodheoda
druhtin ist mit der Handschrift in zwei Worten zu drucken. 11, 5 dhem. Das
*) Etwaige Bemerkungen in Braunes alid. Lesebuclie konnte ich hier leider
nicht nachsehen.
LITTEEATUR: K. WEINHOLD, ISIDOE. 379
«1 ist ganz deutlich, p. 11, 7. dheonodom Gr. Das ni ist vielmehr m. p. 11, 20.
dazs nach W. die Hdschr. Diese liest aber deutlich dhazs. p. 13, 1. I. 7iuizs-
sodes für icizssodes. p. 13, 18 f. Die Worte: endl siin uuort ferit dhurah mih
haben weder das Mscr. noch Gr. H. p. 13, 32. Ich lese dhei-a, obwohl die Ge-
stalt des r sich hier wie oft der des s so nähert, daß sie sehr schwer zu unter-
scheiden sind. p. 15, 5. quhidhit Mscr. = Gr. H. = W: quidhit. p. 15, 6.
Der Punkt an der Spitze des t in chiteda kann kauna von einer beabsichtigten
Correctur herrühren, p. 15, 7 uuazzerü die Hdschr. p. 15, 8 nemine las H.
Was er für e hielt, steht ganz getrennt von nemin und scheint nur ein Colon
zu sein. p. 15, 13. heüegan sicher. Ebenso dkar, was H. als non maxime certum
bezeichnet, p. 15, 16 bauh\7iu7ic. Vom h.ist am Schluße der Zeile gar nichts
zu erkennen und das tc steht so nahe am Eande, daß es fraglich ist, ob h je
in der Hdschr. gestanden hat. p. 15, 24 quhedhendi Mscr. = Gr. H = W.
p. 15, 28 dher selbo Mscr. := Gr. H = W. p. 17, 1 lies quhedheridemu =
Mscr. = Gr. H. p. 17, 21 lies aerdhuuasun. a und e sind nicht verschlungen.
p. 17, 30 ajigüa ist sicher, p. 17, 33 dhazs Msc. = Gr. H = W. p. 21, 12
dhes Mscr. = Gr. H. p. 21, 15. imu ganz deutlich Mscr. p. 23, 3 dheonondiu
ganz deutlich Mscr. p. 23, 6 lies eouuihd. p. 23, 7 lies widhar = Mscr. =
Gr. H. p. 23, 9 langhe Mscr. = Gr. H = W. p. 23, 14. arzelidiu. Was H für
ae hielt, ist nur eine besondere Form des e. p. 25, 21 mahtun. u ist etwas ab-
geblasst, aber sicher, p. 27, 3 uzs Mscr. p. 27, 14 drugidha Mscr. = Gr. H.
= W. p. 27, 19 uuardh Mscr. = Gr. H = W. p. 29, 10 gheha Mscr. = Gr.
H. p. 29, 12. lantscaf, so Mscr., denn das / ist deutlich erkennbar, p. 29^ 14
lies uualacehti. ce verschlungen. Ebenso p. 29, 24 hehrceischin. p. 31, 5. himi'
liscJiun. Das h nach c ist ziemlich verlöscht, aber offenbar vorhanden gewesen.
d . '
p. 33, 3 uzs sonondem Mscr. p. 33, 6 Anm. 1. tero Hs., nicht dero. p. 33, 20
chiforabodot. do ist von anderer Hand schlecht darüber geschrieben, p. 33, 21
lies dauite für davite. Das. Von dem von H. vermutheten fona erkennt man
noch na und die zweite Hälfte des o. p. 33, 25 1. ceuuin, ce verschlungen,
p. 37, 6. 8. 39, 16 lies dauides. p. 39, 16 fona ganz deutlich Mscr. ^= Gr.
H = W.
Ich wende mich nun zum lateinischen Texte, der bei Gr. H. und W. so
ungenau abgedruckt ist, daß man öfters in Zweifel geräth, ob die Herausgeber
wirklich die Lesarten der Pariser Hdschr. oder irgend einen anderen Text haben
wiedergeben wollen. Schon H. zeigt sich öfters als von Graffs Texte abhängig,
und W. hat, ohne es anzugeben, nicht selten die Lesart anderer gedruckter
Isidortexte eingesetzt, wie meine Aufzählung ergeben wird. Und doch verdiente
gerade auch der lat. Urtext eine sorgfältige Behandlung, da er an vielen Stellen
zu Rathe gezogen werden muß, um das Verhältniss der Übersetzung zum Ori-
ginale festzustellen. Auch ist selten richtig angegeben, mit welchem Worte eine
Seite der Handschrift schließt. Auch dieß wird unten zu berichtigen sein.
p. 2, 2 non fecerat et flumina hat Mscr. vor Beginn der übersetzten Worte.
Fol. l'' schließt Z. 11 mit scivit. p. 4, 1 absconsa Mscr- abscondita Gr. H. W.
p. 4, 9 lies filius für filium. p. 4, 14 splendo Mscr. das. e lumine Mscr. = Gr.
a W :=: A. p. 4, 20 et deus Mscr. p. 4, 21 scribturarum Mscr. p. 4, 24 sedis
Mscr. p. 4, 27 laetitiae ^=- A. Gr. H. W. justitiae. Schon der Übersetzung: freu-
uuidJia wegen hätte diese scheinbare Variante angegeben werden sollen, p. 6, 5
subiciam Mscr. p. 6, 17. Israel Mscr. Fol. III*^ schließt mit et p. 6, 20, das
380 LITTERATUR: K. WEINHOLD, ISIDOR.
am Anfang von 4" wiederholt ist. Fol. IV^ schließt mit creavit p. 8, 2,
p. 8, 14 fehlt iijnem im Mscr., was auch Gr. H. ohne Bemerkung einsetzen.
Fol. IV'' schließt das. mit domino. p. 8, 16 suphur Mscr. p, 8, 26 ad dextris
Mscr. p. 8, 31 psalta Mscr. psalmiota H. Gr. W. Die Worte Jsrahel spiritus
domini sind fast unlesbar, doch glaube ich Israhel doviini spiritus zu erkennen,
p. 10, 5 qui enim tetigerit vos, langet Mscr. Auch H. lässt qui — vos weg, da.
sie übersetzt sind, mussten sie als Var. notiert sein. Mit fanget schließt Fol. V**
p. 10, 13 obcediens Mscr. p. 10, 14 etiam Mscr. = Mons. Fr., nicht et. Gr.
H = Mscr. Fol. VI* schließt p. 10, 16 mit habitaho. p. 10, 17 adplicahuntar
Mscr. p. 10, 19 scies. W. ist hier A gefolgt, das zum Mscr. stimmt. H. Gr.
schreiben scient. Im übrigen ist Fol. VI'', was die ersten 1 1 Zeilen angeht,
sehr verlöscht im Mscr. Doch glaube ich überall sonst dem Drucke entsprechend
lesen zu dürfen, p. 10, 28 dum. du Mscr. p. 12, 6 dei W = A = Mscr. {di)
domini Gr. H. Fol. VIP schließt mit nomen p. 12, 10. p. 12, 13; 15 scribturis^
scribtum Mscr. p. 12, 20 dominator fortis Israhel Mscr. W = Gr. H. Fol. VII**
schließt mit psalmis p. 12, 25. p. 12, 30 intellegimus Mscr. p. 14, 2 mittit Mscr.
= Gr. H. W = A mittet, p. 14, 3 flat Mscr. H. Gr. = W. p. 14, 6; 28 cehim
Mscr. p. 14, 8 intellegitur Mscr. p. 14, 11 das erste qui fehlt im Mscr. das.
in cum Mscr. für: in eo. Fol. VIII'' schHeßt mit unitatem p. 14, 17. p. 14, 30 f.
cuique persona Mscr. = Gr. H. W = A. Mit persona schließt Bl. IX*. p. 16, S'
dextra Mscr. p. lö, 8 persone Mscr. Fol. IX'' schließt mit vocat, p. 16, 13.
p. 16, 18 predicat Mscr. p. 16, 19 celos Mscr. Fol. X* sehließt mit trinitatis
p. 16, 27. p. 16, 30 seraphin Mscr. Ebenso p. 18, 7. p. 18, 4 celesfis Msci-. das.
ima für unam. p. 18, 9 deitatem Mscr. p. 18, 12 Moysi Mscr. p. 18, 14 ds = deus
Mscr. dominus G. H. W. p. 18, 21 scrihtura. Nach diesem Worte beginnt Fol. XI**.
das. autoriiate Mscr. p. 18, 30 ejus fehlt im Mscr.; ebenso bei Gr. H. W. hat
es nach A eingesetzt, p. 20, 1 parvolus Mscr. p. 20, 2 est fehlt im Mscr. und
bei Gr. H. Fol. XI'' schließt nach filius p. 20, 4. p. 20, 11 adsumptionem Mscr.
p. 20, 20 aduUscentie Mscr. Das. nach vulva schließt Fol. Xir. p. 20, 23 dici-
tur (dr) Mscr. dicitur Gr. H. dicetur A. p. 20, 30 est vor iste fehlt im Mscr.
und bei Gr. H; von W nach A eingefügt, p. 20, 32 celi Mscr. Fol. XIIF be-
ginnt nach prophetiam p. 22, 5. p. 22, 10 Danihelo Mscr. p. 22, 19 intellege
Mscr. p. 22, 20 ebdomadas Mscr. p. 22, 22 consummeiur Mscr. Gr. A. consu-
meturü. p. 22, 24 u'^guatur Mscr. p. 22, 26 numerentur Mscr. Gr. H. = W.
p. 22, 31 hebdomada Mscr. p. 22, 32 terminatur Mscr. = A. terminantur Gr.
II. W. p. 24, 3 Danihelis Mscr. Fol. XIII'' schließt nach ebdomadae p. 24, 5.
Fol. XIV* schließt nach sacrificia p. 24, 16. p. 24, 26 adicitMscv. p. 24, 30
et fehlt im Mscr. p. 26, 11 mundus Mscr. Ebenso Gr. und A. mundanis H.
p. 26, 17 sicut fehlt im Mscr. p. 28, 3 Moysi Mscr. Das. obtenuit Mscr. p. 28, 9
gentibus Mscr. generibus Gr. H. A. W. Fol. XVI*' beginnt nach vel p. 28, 10.
p. 28, 11 edentem Mscr. manantem Gr. H. A. W. p. 28, 18 scribtum est. Die Ab-
kürzung für est steht über der Zeile, Gr. H. ließen es weg. p. 28, 23 exultavit
Mscr. = H. p. 28, 30 tuam fehlt im Mscr. und bei Gr. H. W. setzte es nach
A. und der Übersetzung ein. p. 30, 1 celi Mscr. p. 30, 2 dm = deum Mscr.
dominum Gr. H. W. p. 30, 3 intellegitur Mscr. p. 30, 4 Abrahe .Mscr. p. 30, 12
inquid '^Iscv. p. 30, 13 possedentem Mscr. p. 30, 18 expectandus. Ebenso p. 30, 22
cxpectatio und p. 30, 20 cxpjectabant. p. 30, 23 Judeoritm. p. 32, 6 memlacio
Mscr. mendacium Gr. II. W. A. Daß p. 32. 10 f. sine principe — altari in der
MISCELLEN. 381
Pariser Hs. fehlen soll, ist unrichtig, p. 32, 12. Zwischen ?h<7!c und rp^is ist
in einzusetzen mit Mscr. Gr. H. A. Fol. XVIIl^ schließt mit ejus p. 32, 24.
p. 32, 26 celo Mscr. p. 34, 5 edificiaü Mscr. Fol. XIX* schließt mit fuit p. 34, 9.
p. 34, 13; 15 Salomine Mscr. p. 34, 15 injüeta. p. 34, 15 intellegendum. p. 34, 18
iilius Mscr. = A. ejus Gr. H. p. 34, 22 infellegitur. p. 34, 22. Daß David —
ejus die Par. Hs. weglassen soll, ist falsch ; Gr. hat es auch ; H. ist vom ersten
mortem auf das zweite abgeirrt. Fol. XIX*" schließt das. nach quia. p. 34, 29
fehlt ebenso wenig david, es ist wie gewöhnlich durch dd gekürzt. Das. reg-
fiavii Mscr. Ebenso habifauit p. 34, 32. p. 36, 2 nach etiam ist et einzusetzen.
p. 36, 4 ascendit Mscr. H. Gr. Fol. XX* schließt nach radice p. 36, 6. p. 36, 14
€ideo Mscr. p. 36, 15 fehlt ad im Mscr. p. 36, 20 hahitat Mscr. Nach diesem
Worte schließt Fol. XX^. p. 36, 24 om7e Mscr. = H. Gr. = A. = W. p. 38, 1
'principes Mscr. = A. Gr. H. = W. Fol. XXr schließt mit ubere p. 38, 5.
p. 38, 16 c sequentihus Mscr. = A. sequevtibus Gr. H. p. 38, 19 sepulchium
Mscr. Das. nach gloriosum schließt Fol. XXl'', p. 38, 24 redempti Mscr. =: Gr.
Bis auf die Vertretung von ce durch geschwänztes e hoffe ich auch im
lat. Texte alle orthographischen Abweichungen genau angegeben zu haben,
namentlich im Blick auf eine zweite Auflage der praktisch angelegten Ausgabe,
für deren übersichtliche Grammatik und Glossar wir dem Verfasser sehr dank-
bar sein müssen.
LONDON, Mai 1875. E. KÖLBING.
MISCELLEN.
Germanistische Vorlesungen
an den Universitäten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz so wie in Dorpat
im Sommersemester 1875.
Encykl opädie: Encyklopädie und Geschichte der germanischen Philo-
logie: Heidelberg-Bartsch-, Einführung in das Studium der deutschen Philologie:
Basel-üeyne.
Vergleichende Grammatik: Einleitung in das Studium der ver-
gleichenden Sprachwissenschaft: Göttingen- Bezzenberger ; Encyklopädie der Sprach-
wissenschaft: Zürich-Tobler ; Wortbildungslehre der indogermanischen Sprachen:
Marburg- Justi.
Deutsche Grammatik: Berlin-MüllenhoflP; Begemann (Ak. f. m. Ph.
2. Theil); Gießen-Weigand ; Göttingen- W. Müller; Leipzig-Braune; Prag-Kelle;
Laute und Flexionen des Gothischen u. Hochdeutschen: Zürich-Schweizer-Sidler ;
ausgewählte Capitel: Kiel- Weinhold; Marburg-Lucae; Syntax: Breslau-Rückert;
Kiel-Groth.
Gothische Grammatik: Bonn-Birlinger; Münster-Storck; Zürich-Toblei'.
Althochdeutsche Grammatik: Bonn-Diez.
Mittelhochdeutsche Grammatik: Bonn-Andresen.
Altsächsische Grammatik: Basel-Heyne; Rostock-Bechstein.
Angelsächsische Grammatik: Göttingen- Wilken ; Jena-Sievers; Kiel-
Möbius.
382 MISCELLEN.
Englische Grammatik: Berlin (Ak. f. m. Ph.) -Schmidt; Breslau-Köl-
bing; Münster-Suchier: altenglische: Göttingen-Th. Müller.
Altnordische Grammatik: Breslau-Pfeiffer; Greifswald- Vogt ; Leipzig-
Braune; Marburg- Grein.
Deutsche Mythologie: Prag-Kelle; vergleichende Mythologie: Heidel-
berg-Lefmann.
Deutsche Alterthümer: Staatsalterthümer der Germanen in der mero-
vingischen Zeit: Leipzig-Brandes; Tacitus' Germania: Basel-Maehly; Innsbruck-
A. Zingerle; Münster-Parmet ; Rostock-Fritzsche.
Deutsche Rechtsq uellen: BaselHeusler; Erlangen-Vogel ; Freibui'g-
Buß; Göttingen-Frensdorff; Lex Salica: Heidelberg- Scherrer; Sachsenspiegel:
Bonn-Lörsch; Leipzig -Hock; München-Amira.
Deutsche Litteraturgeschichte: Tübingen-Keller; im Mittelalter:
Bonn-Reifferscheid; Freiburg- Paul; Zürich-Stiefel; mittelhochdeutsche: Bern-
Schöni ; Prag-Kelle; 13. — 16. Jahrb.: Straßburg-Stcinmeyer; 13., 14,, 15., Jahrb.:
Wien-Heinzel; Geschichte der Litteratur und Sprache: Bonn-Birlinger; Königs-
berg-Schade; bis auf Luther: Zürich-PIonegger; vom Ende des 15. Jahrb. bis auf
Opitz: Breslau-Bobertag; des 16. Jahrb.: Göttingen-Tittmann; des 16. und 17.
Jahrb.: Dorpat-Masing ; der neueren Zeit: Greifswald-Wilmanns; seit der Refor-
mation: Würzburg-Lexer; des 18. Jahrb.: Gießen-Zimmermann; München-Ber-
nays; seit Gottsched: Halle-Haym; seit Lessing: Erlangen-Raumer; in der Zeit
Goethes und Schillers : Wien-Toraaschek. — Deutsche Heldensage : Göttingen-
Wilken; Volkslied: Leipzig--Hildebrand; Lessing: Bonn-Reifferscheid; Göttingen-
Goedeke; Kiel-Groth; Goethe: Berlin-Grimm'; Tübingen-Köstlin; Goethes Faust:
Freiburg -Sengler; Heidelberg- Fischer; Innsbruck - Zingerle ; Tübingen-Keller;
Schiller und Goethe in der Zeit ihres gemeinsamen Wirkens: Straßburg- Scherer ;
Schiller: Bonn-Birlinger; Schillers Dramen: Zürich- Stiefel; Schillers Teil : Leipzig-
Hildebrand; die deutschen Tristandichtungen der Neuzeit: Rostock-Bechstein.
Englische Litteratur: Berlin (Ak. f. m. Ph.)-Boyle; Halle-Gosche;
Leipzig- Wülcker ; Rostock-Lindner.
Deutsche Metrik: Berlin-Müllenhoff; Graz-Schönbach; Halle-Zacher;
Königsberg-Schade ; Straßburg-Scherer.
Sprachdenkmäler: •
Gothische: Bonn-Birlinger; Erlangen-Raumer; Greifswald-Hoefer; Inns-
bruck-Zingerle ; Leipzig-Zarncke, Braune; Tübingen -Holland; Würzburg - Lexer
(goth. ahd. mhd).
Althochdeutsche: Basel-Meyer; Breslau-Rückert; Erlangen-Raumer;
Freiburg-Paul; Greifswald-Hoefer; Heidelberg-Bartsch; Innsbruck- Zingerle; Jena-
Sievers; Leipzig-Zarncke; Otfrid: Bonn-Reifferscheid.
Altdeutsche: Greifswald-Wilmanns.
Mittelhochdeutsche: des 12. Jabrhs.: Leipzig-Zarncke.
Gottfrieds Tristan: Freiburg-Paul; Göttiugen-Wilken.
Hartmanns G reg orius: Rostock-Bechstein; armer Heinrich : Straß-
burg-Scherer; Iwein : Berlin (Ak. f. m. Ph.)-Begemann.
Helmbrecht: Leipzig-Hildebrand.
La Urin: Bonn Reiöerscheid.
Minnesänger: Greifswald- Vogt ; des 12. Jahrhs.: Berlin-Müllenhoff;
Köniffsberff-Schade.
J
MISCELLEN. 383
Nibelungenlied: Bonn-Simrock; Dorpat-Meyer; Halle-Zaclier; Jena-
Sievers ; Kiel-Weinliold ; Zürich- Vetter (mit Einleitung in die deutsche Helden-
sage).
Walthervonder Vogelweide: Basel-Meyer; Berlin (Ak. f. m. Ph.)-
Begemann; Freiburg-Paul; Gießen-Weigand; Göttingen-Müller; Graz-Schön-
bach; Innsbruck-Zingerle ; Leipzig-Zarncke; Münster- Storck; Prag-Martin;
Straßburg-Scherer ; Wien-Heinzel.
Wolframs Parzival: Heidelberg-Bartsch; Marburg-Lucae; München-
Hofmann; Zürich-Ettmüller; über Wolfram: Gießen-Zimmermann.
Altsächsische: Heliand: Basel-Heyne; Leipzig-Zarncke; Marburg- Grein;
Rostock-Bechstein ; Zürich-Vettei'.
Mittelniederländische: Reinaert: Breslau-Kölbing; Zürich-Ettmüller.
Angelsächsische: Berlin (Ak. f. m. Ph.)-Zernial; Beowulf: Göttingen-
Wilken; Greifswald-Hoefer; Jena-Sievers; Kiel-Möbius.
Altenglische: Marburg- Grein; Chaucer's Cauterbury Tales: Göttingen-
Th. Müller; Prag-Martin; Straßburg-ten Brink ; Einleitung in das Studium
Chaucers: Berlin (Ak. f. m. Ph.)-Vatke.
Altnordische: Kiel-Möbius; Leipzig-Braune; Wien-Zupitza; Hrafnagaldr
Odins: Straßburg-Bergmann.
Germanistische Übungen in Semiuarien, Gesellschaften, Societäten, Kränz-
chen wurden gehalten in Basel, Berlin, Bonn, Breslau, Freiburg, Gießen, Göttingen,
Graz, Halle, Heidelberg, Kiel, Leipzig, Marburg, Prag, Rostock, Straßburg,
Tübingen, Wien, Würzburg und Zürich.
X für TJ.
Zu F. Latendorfs Anfrage oben S. 8 verweise ich auf eine Stelle in dem
1435 verfassten Namenbuch von Konrad Dankrotsheim (A. W. Strobel, Beiträge
zur deutschen Literatur und Literärgeschichte, Paris und Straßburg 1827,
S. 124):
do mache ein ickis für ein v [: su] —
und auf eine in Nikodemus Frischlins St. ChristofFel (Frischlins Deutsche Dich-
tungen. Hga:- von D. F. Strauß — Bibliothek des litterarischen Vereins in
Stuttgart. XLI (1857) — S. 184):
Schreibs alles seinem Herren zu
Oft zwey X für ein einigs v.
WEIMAR, Juni 1875. R. KÖHLER.
Johann von Morßheim, der Dichter des Spiegels des Regiments.
Christoph von Thein berichtet in seiner Selbstbiographie *), daß im
Jahre 1509 auf Simonis und Judä sein herr pfalzgraf' — oder, wie es ein paar
Zeilen vorher heißt: mein gnediger herr pfalzgraf Ludwig churfürst — wegen
Streitigkeiten mit der Krone Böhmen seinen "^hoffmeister herrn Johann von
*) Die Selbstbiographie Christophs von Thein 1453 — 1516. Herausgegeben von
Adam Wolf. Wien 1875, in Commission bei K. Gerold's Sohn. [Aus dem Archive für
österreichische Geschichte, (LUX. Bd. I, Hälfte, S. 103) besonders abgedruckt] S. 17.
384 MISCELLEN.
Morßheimb *) mit ihm und anderen nach Prag gesendet habe. Wir haben hier
zweifelsohne den Ritter Johann von Morßheim, den Dichter des im Jahre 149 7
verfassten Spiegels des Regiments, vor uns, den Johann Agricola in seinen
Sprichwörtern zweimal hofmeister in der Pfalz' nennt (s. Gödekes Ausgabe
des 'Spiegels', S. 40), über dessen Leben aber sonst gar nichts bekannt ist.
Beiläufig sei bemerkt, daß Morßheim wohl das heutige Morschheim, Dorf
im Bezirksamt Kirchheimbslanden in der Rheinpfalz, ist.
WEIMAR, August 1876. REINIIOLD KÖHLER.
Zu „lütbrechic'^ (XIX, 433).
Wenn es heißt vil stet lauthrechig lourden, so ist das : viele Städte wurden
berühmt, kamen in der Leute Mund (wegen ihres Unglücks). Lauthrechig ist
gleich mhd. lutmcere, lüthcere. kundbar, famosus. So ist das Wort gewiß nicht
aufzufassen, wie J. meint, daß — viele Städte mächtig erdröhnten und in
Trümmer fielen, sondern: viele Städte wurden vielgenannt {lauthrechig), weil
sie in Trümmer fielen. Da aber die Worte prächig wurden und ze häufen
fielen (wie es eigentlich im Text heißt) so trefflich zusammenpassen , so ist zu
erwägen, ob denn laut und prilchig zusammengehören und nicht in Hinblick auf
lauthrechig nur so geschrieben sind ? Es hieße dann vil stet laut (d. i. tumultuose)
prüchig wurden, d. i. fielen in Trümmer. SCHRÖER.
Personalnotizen.
Dr. V. Amira in München geht Michaelis 1875 als ordentl. Professor
nach Freiburg in Br.
Prof. Joseph Strobl in Mödling ist als außerord. Professor der deutschen
Sprache und Litteratur an die neugegründete Universität Czernowitz berufen.
Der außerordentl. Professor Dr. H. Suchier in Münster ist zum ordentl.
Professor daselbst ernannt worden.
Der Verein für niederdeutsche Sprachforschung, welcher am 24, Sept. 1874
in Hamburg sich gebildet, hat in einer am 20. Mai 1875 daselbst abgehaltenen
Versammlung folgende Statuten aufgestellt: §. 1. Der Verein setzt sich zum Ziel
die Erforschung der niederdeutschen Sprache in Litteratur und Dialect. §. 2.
Der Verein sucht seinen Zweck zu erreichen: 1. durch Herausgabe einer Zeit-
schrift; 2. durch Veröffentlichung von niederd. Sprachdenkmälern. §. 3. Der
Sitz des Vereins ist vorläufig in Hamburg. §. 4. Den Vorstand bilden 7 Mit-
glieder. • — Als solche wurden erwählt: Dr. Koppmann in Hamburg, Senator
Kulemann in Hannover, Bürgermeister Francke in Stralsund, Dr. Lübben in
Oldenburg, Dr. Meyer in Bremen, Dr. Mielck in Hamburg, Dr. Nerger in
Rostock.
*) Der unmittelbar hinter Johann von Morßheimb — oftenbar nur aus Ver-
sehen ohne durch ein Comma getrennt zu sein — genannte 'Turinger ritter und stadt-
halter' ist doch wohl dieselbe JPersou wie der S. 18 <renaniite herr Adam Turinger'.
BEITRÄGE ZUR KENNTNISS DER F^RÖISCHEN
POESIE.
I.
In Folge der Auflösung von „det nordiske Literatur-Samfund"
in Kopenhagen ist außer anderen wichtigen litterarischeu Unter-
nehmungen*) auch die von Hammershaimb herausgegebene Samrahmg
faeröischer Lieder nach Erscheinen des zweiten Heftes unvollendet
liegen geblieben, zum großen Bedauern aller derer, die dieser in ihrer
Art so originellen Volkspoesie ein warmes Interesse entgegengebracht
hatten. Und ein solches verdient sie in der That nach verschiedenen
Seiten hin, obwohl wir nicht verkennen dürfen, daß viele dieser Lieder
in ihrer jetzigen Gestalt nicht vor Mitte des 16. Jahrh. entstanden sein
können, z. Th. sogar in noch spätere Zeit fallen. Ob die merkwürdigen
Inseln nach dieser Seite hin vollständig abgesucht sind, oder ob eines
oder das andere Lied sich etwa jetzt noch im Volksmunde treuer be-
wahrt hat, als in Hammershaimbs Druck oder den Niederschriften aus
dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts, lässt sich natürlich aus
der Entfernung gar nicht sagen. Ich beschränke mich im Folgenden
auf das Material, welches die Aufzeichnungen von Svabo: Fseroeske
kveair eller gamle kjempe-sange samt Rujmur, samlede og optegnede
i aarene 1781 og 1782 af Jens Chr. Svabo. Heft I— III**) und Hentze:
Fseroeske sänge 1783 bieten, das aber bis jetzt durchaus nicht hin-
reichend ausgenutzt war. Schröters Hdschr. (ny kgl. saml. 346. 8".)
lag mir nicht vor. Am meisten Beachtung haben, wie leicht zu be-
greifen, die sog. Sjiirdar kvsedi, die Stoffe der Siegfriedssage be-
handeln, gefunden; über Runsivals struj handelt Gustav Storm: Sagn-
kredsene om Karl den Store og Didrik af Bern hos de nordiske
*) Z. B. der trefflichen Oldnordisk Formisere von K. Gislason, die nicht über
das erste Heft von 9G Seiten hinaus gediehen ist.
**) Der Inhalt findet sich km-z angegeben beiLyngbye: Faer^iske Qvseder etc.
Randers 1822, p. 10 f.
GERMANIA. Neue Reihe. VIU. (XX. Jahrg). 25
386 KÖLBING
Folk. Krist. 1874. p. 218 ff. ; die übrigen dem Karlssagenkreise ange-
hörigen: Geipa tdttur, Emunds rima, Odvalds rima, sowie Tiriks kappar
habe ich Germ. XX p. 236 ff. zum ersten Male besprochen. Trotzdem
bleiben außer den im zweiten Theile der Fserceske kvseder mitgetheilten
Liedern noch eine große Anzahl übrig, deren Einführung in die Litte-
raturgeschichte sich sehr wohl lohnen dürfte*). Indem ich von den
Dichtungen modernen Inhaltes, welche meist auf Verspottung einzelner
Fälle von Dummheit oder Feigheit hinauslaufen, ganz absehe, will
ich im Folgenden auf die romantischen Lieder, soweit ihr Stofif ander-
weitig bekannt und von Interesse ist, etwas specieller eingehen. Ich
zerlege sie in zwei Gruppen:
A. solche Lieder, welche direct oder indirect auf eine noch vor-
handene altnordische Prosasaga zurückgehen. An ihnen interessiert
uns nur, zu sehen, welche Gestalt der Stoflf nach und nach im Volks-
munde gewonnen hat; zur kritischen Herstellung eines etwa schlecht
überlieferten Sagatextes werden sie sich schon darum viel weniger
eignen, als z. B, die isländischen Rimur [wohl zu unterscheiden von
den sog. Fornkvsedi], weil die letzteren, viel früher aufgezeichnet,
treuer ihre ursprüngliche Fassung gewahrt haben.
B. solche Lieder, welche dem Stoffe nach verwandt sind mit nor-
wegischen Folkevisern, herausgeg. von Landstad: Norske Folkeviser,
samlede og udgivne. Christiania 1853, oder mit isländischen Fornkvsedi,
herausgeg. von Sv. Grundtvig und J. Sigurdsson. 1. 2. Kjöbenh. 1854
bis 1858. Hier steht Volksüberlieferung gegen Volksüberlieferung, und
es wird deßhalb, wo sich Unterschiede herausstellen, in jedem einzelnen
Falle zu prüfen sein, auf welcher Seite die ursprüngliche Fassung liegt.
Vorerst aber sei der Verwaltung der königl. Bibliothek zu Kopen-
hagen, welche mit bekannter Liberalität mir die Benutzung von Svabo's
und Hentze's Handschriften auf hiesiger Universitätsbibliothek erlaubt
hat, dafür der wärmste Dank abgestattet.
A.
Die mit noch vorhandenen Prosasagas verwandten Lieder.
1. Snjölfs kvsedi, verwandt mit der Asmunda saga kappabana,
herausgeg. in FAS. II p. 463 — 87 ; Inhaltsangabe in P. E. Müllers Saga-
bibliothek II p. 596 ff. Es folgt hier der Inhalt des fseröischen Liedes:
*) Man vergleiche über die fseröischen und isländischen Volkslieder die in-
teressanten Bemerkungen Maurers Germ. XIV p. 97 ff., wo man auch die sonstige,
einschlägige Litteratur angeführt findet.
BEITRÄGE ZUR KENNTNISS DER F^RÖISCHEN POESIE. 387
Hildibrand, König von Gantarvik, will nm Silkieik, die Tochter
Olafs, des Hochlandskönigs und der Königin Ingebjörg, werben. Rani
aus Isansland, ein als sehr häßlich, aber übermenschlich stark ge-
schildeter Recke, kommt ihm zuvor und hält um die Jungfrau an.
Selbst um ihre Meinung gefragt, lehnt sie die Werbung ab, und bittet
ihren Bruder Snjolfur, gegen den lästigen Freier zu kämpfen.
Am nächsten Morgen langt Hildibrand an, und ihm wird nun
dieser Kampf zunächst aufgegeben. Als er diesen besiegt und erschlagen,
und sich auch Snjolf gegentiber als tüchtiger Held bewährt hat,
nimmt ihn Silkieik als Gemahl an und zieht mit ihm nach Gantarvik.
Hild. ladet drei Nonnen zum Julschmause ein. Die zwei ersten
prophezeien^ er werde einen Sohn bekommen, der alle Altersgenossen
übertreffe an Kraft und Muth; die dritte jedoch fügt hinzu, derselbe
werde durch Hild. seines Vaters Schwert fallen. Dann entfernen sie
sich. Hild. erschrickt. Silk. räth ihm, das Schwert zu vernichten; er
kann sich dazu nicht entschließen, weil es ihn schon in so viele Kämpfe
begleitet habe, schleudert es aber in das Meer. Bald darauf schenkt
ihm seine Gemahlin einen Sohn, den er Grim nennt und der früh-
zeitig ein tüchtiger Held wird.
Eine Jungfrau sagt einem Ritter, Namens Asmund, von Hilde-
brands versenktem Schwerte, Er kehrt in Gantarvik bei einem Herzog,
Namens Golmar, ein, entfernt ihn mit Waffengewalt aus der Halle und
entehrt seine Frau Ingebjörg. Dann zwingt er Golmar mit ihm auf das
Meer hinaus zu fahren und ihm die Stelle zu zeigen, wo Hild. Schwert
versenkt worden sei. Hierauf taucht er unter und bringt dasselbe glück-
lich herauf, tödtet dann aber doch noch Golmar und nimmt Ingebjörg
mit sich in sein Land.
Snjölf in den Upplanden hält um Adalin (H. Adalos), Tochter
des Herzogs von Braunschweig, an, und erhält sie, die ihn schon ge-
liebt hat, ohne ihn zu kennen. Eines Nachts träumt ihr^ ein Ritter habe
ihren Gemahl zu Boden geschlagen. Jener meint aber, als sie ihm den
Traum erzählt, sie möge nichts fürchten : es finde sich nirgends auf der
Welt Seinesgleichen. Adalin warnt ihn.
Asmund bricht in den Upplanden ein, tödtet 100 von Snjolfs
Leuten und will Adalin entehren. Da bietet ihm Snjolf den Kampf
an. Nachdem derselbe lange unentschieden geblieben, fällt endlich Snjolf.
Asm. bindet sein Haupt an seinen Sattelbogen und rühmt sich gegen
Frau Adalin, die außen vor der Halle ihren Gemahl erwartet, seiner
Heldenthat. Jene versetzt, er könne nur durch Zauberkünste gesiegt
haben. Er will sie zu seiner Geliebten machen: da auf einmal erblickt
25*
388 KÖLBING
sie Snjülfs Haupt: da riß ihr Gürtel und ihr Herz zersprang vor
Schmerz über ihres Gatten Tod.
Asmund verrichtet weitere Heidenthaten auf Vikingerzügen und
wird deßhalb Kappabani genannt. Er erfährt von einem Ritter, Namens
Grim, der in der Nähe haust. Dieser weist Asmunds Aufforderung
zum Kampfe aus dem Grunde zurück, weil jener schon seinen Oheim,
Snjolf, durch Zauberkünste besiegt habe. Asmund solle aber fünf seiner
Leute gegen ihn schicken. Es geschieht und er tödtet sie alle. Asm.
lässt Odd von Isansland holen und Ivint, den Starken, um gegen
Grim zu kämpfen. Aber beide fallen. Da begibt sich Asm. zu Hilde-
brand. Dieser ist eben erwacht und hat geträumt, sein Schwert sei
wieder aus der Meerestiefe herauf geholt worden, und er sei dann
seinem Sohne Grim begegnet und habe ihn erschlagen. Silkieik beruhigt
ihn. [Nach H. hat sie den Traum.]
Es erscheint ein fremder Ritter mit Hildebrands Schwerte in der
Halle, der diesen bittet, gegen Grim [dessen Namen er jedoch nicht
nennt] für ihn zu kämpfen, da jener seine Herausforderung nicht an-
nehmen wolle. Da leiht sich Hild. Asmunds Schwert, das er nicht wieder-
erkennt, und reitet zu Grim hinaus, den ebenfalls böse Träume be-
unruhigt haben ; nachdem sie eine Weile gestritten, spaltet Hild. Griras
Haupt mit seinem Schwerte. Nun erst fragt er nach des Getödteteu
Namen, und erfährt, daß er seinen eigenen Sohn getödtet hat. Bei
dieser Nachricht zerspringt Hild. vor Kummer. Damit schließt das
Gedicht.
Vergleicht man den Inhalt des Liedes mit dem Auszug der As-
mundarsaga Kappabana bei Müller — der übrigens sonderbarer Weise
den wichtigen Zug von der Wiedergewinnung des Schwertes durch
Asmund (Saga p. 472) ganz übergeht — so ergibt sich unzweifelhaft
eine nahe Verwandtschaft zwischen beiden Erzählungen. Freilich fehlt
es auch nicht an Unterschieden, deren auffälligster der ist, daß in der
Saga Asmund seinen Halbbruder Hildibrand, im Liede Hild. seinen
Sohn Grim tödtet. Ganz selbständig ist in F, was von Snjülf und Adaliu
berichtet wird, sowie Hild. Kampf mit Rani. Auch die auf das Schwert
bezügliche Prophezeiung ist wesentlich anders angelegt. Trotz alledem
werden wir die Saga als Quelle des Liedes annehmen, und schon deß-
halb ihre Fassung als die ursprüngliche anerkennen müssen, weil zu
ihr eine bekannte Erzählung bei Saxo bis auf die Namen recht wohl
stimmt. Originalwerth hat also das Lied durchaus nicht: dagegen
bietet es ein interessantes Beispiel dafür, wie aus dem alten Sagenstoffe
sich etwas verhältnissmäßig neues entwickelt, wie das alte Thema neu
BEITKÄGE ZUR KENNTNISö DER P^RÖISCHEN POESIE. 389
und selbständig behandelt worden ist, auch nicht ohne Geschick, zu-
mal wenn wir dazu nehmen, daß die Dichtung in noch früherer Zeit,
als sie aufgezeichnet wurde, gewiß in sich geschlossener und vollstän-
diger im Volksmunde existiert hat und gesungen wurde.
2. Asmund Adalson. Die Quelle dieses Liedes ist ohne Zweifel
die noch ungedruckte Saga: Sigurdar saga fotar ok Asmundar Hüna-
konungs, von mir excerpiert nach Cod. Holm. perg. 7 fol. Da sieh aber
einzelne Stellen nicht wohl vergleichen lassen, so gebe ich hier zunächst
den Inhalt der Saga kurz an, dann den des Gedichtes.
Der Inhalt der Saga, die der Verfasser auf einer Steinmauer in
Cöln aufgezeichnet gefunden haben Avill, ist folgender:
Asmund ist König von Hunnenland. Von Olaf, seinem ersten Rath-
geber und steten Begleiter, dazu ermuntert, reist er nach Seeland, um
um Signy, die Tochter des Königs Knut, zu werben. Knut ist auf einem
Vikingerzuge abwesend, Signy will nicht allein über sich verfügen, und
fordert ihn deßhalb auf, im kommenden Herbste noch einmal anzufragen.
Inzwischen hat Knut auf seinem Zuge den König Sigurd von Valland
kennen gelernt und ihm seine Tochter verlobt. Die Hochzeit wird für
den Herbst angesetzt, und Signy, die nach seiner Rückkehr Asmunds
Werbung vorträgt und befürwortet, wird abgewiesen. Asmund jedoch
hat alles erfahren, erscheint mit Olaf in verhüllenden großen Mänteln
im Hochzeitssaale und schwingt seinen Speer mehrmals über den
ganzen Saal, worauf ein gewaltiger W^indstoß erfolgt und alle Lichter
erlöschen. Ehe man sie wieder anzünden kann, verschwinden die
beiden Fremden und mit ihnen die Braut, die man nun überall ver-
gebens «sucht. Asm. segelt mit der Jungfrau nach Hunaland zurück,
schickt aber dann Olaf zu dem inzwischen nach Valland zurück ge-
kehrten Sigurd und lässt ihm die Wahl zwischen dreierlei Anbieten:
entweder er (sc. Asm.) behalte Signy und entschädige Sig. in Geld,
oder zweitens, er tiberlasse ihm dafür jJi« 'Herrschaft über Hünaland,
oder endlich Sig, trete Valland ab, erhalte aber dafür die Prinzessin.
Sig. ist aber mit keinem dieser Vorschläge einverstanden, sondern dringt
auf Entscheidung durch Kampf und erscheint auch bald mit einem
Heere in Hünaland. Asmund besiegt ihn nun im Zweikampfe, ist aber
großmüthig genug, ihm trotzdem die Signy zu verloben. Sie schließen
darauf Waffenbrüderschaft.
Hrolf, der König von Irland, hat eine schöne Tochter, Namens
Helena. Asm. wirbt um sie, wird aber schnöde abgewiesen. Auch im
Kampfe muß er der Übermacht weichen, sein Heer wird vei'nichtet,
er und Olaf gefangen.
390
KÖLBING
Signy träumt schwer: Äsm. sei von einer Heerde Wölfe über-
wältigt und bei ihnen festgehalten; und veranlasst Sig. ihm zu helfen.
Es folgt ein Kampf zwischen Sigurd und Hrolf, letzterer, besiegt und
gefangen, soll hingerichtet werden, erhält jedoch auf Helenas Bitten,
die schon vor Sigurds Eintreffen die Gefangenen befreit hatte, sein
Reich wieder. Äsm. vermählt sich mit Helena; ihr Sohn Hrolfr; dessen
Söhne Asmund und Hildibrand.
Der Inhalt des faeroischen Liedes: ^
Asmund herrscht über Hünaland. Olaf sein Knappe. Asm. reitet
eines Morgens aus. Die Prinzessin lugebjörg steht am Fenster, der
Ritter gefällt ihr und sie erklärt ihrer Mama, ihn und keinen anderen
wolle sie als Gemahl, erhält aber dafür eine Ohrfeige und die Notiz,
daß sie für Sigurd Fot bestimmt sei. Die Hochzeit wurd zugerüstet,
Äsm. aber nicht eingeladen. Trotzdem will er hinreisen. Ein Geier
[gammr, etwa wie dreki, vom Schiffe gebraucht?] trägt ihn und Olaf über
das Meer. Die Scene im Hochzeitssaale verläuft wie in der Saga.
Mit seinem Herrn nach Hünaland zurück gekehrt, fragt Olaf diesen,
warum er von der geraubten Jungfrau nicht Besitz ergreife. Jener
versetzt, er werde sich, nie die Braut eines andern aneignen, und
behandelt Olaf, der ähnliche Wünsche kund gibt, sehr schroff. Sigurd,
der inzwischen erfahren hat, wo seine Braut sich befindet, eilt ihr
nach, begleitet von einem Riesen, Namens Rani. Diesem stellt sich
Olaf zum Zweikampfe, wird aber endUch von ihm überwältigt. Da-
gegen siegt Asmund jetzt über die Feinde, sucht dann den schwer
verwundeten Sigurd auf und lässt ihn heilen. Er heirathet dann Sigurds
Schwester Randarsol, während dieser Ingebjörg erhält und mit ihr in
sein Land zurückkehrt.
Diese Analysen dürften genügen, um die oben behauptete Iden-
tität beider Stoffe zu erweisen. Auch hier hat die Tradition einzelnes
umgeformt, zumal nach dem Schlüsse hin, wo F ja viel kürzer ist. Ob
freilich die Saga als directe Quelle für das Lied anzusehen ist, muß
imentschieden bleiben: es wäre wohl denkbar, daß ein entsprechendes
isländisches Reimgedicht oder eine norwegische Vise, die jetzt verloren
ist^ die unmittelbare Vorlage war.
3. Mirmans kvsedi. Die Erzählung stimmt, abgesehen von ein-
zelnen Kürzungen, genau zu der von mir (Riddarasögur. Straßburg
1872, S. 137 ff.) zum ersten Male herausgegebenen Mirmans saga. Die
Abweichungen sind gering. So bringt Brita (= Brigida) ihren Sohn
selbst zu Lotar von Frankreich (= Hlödver), der schon mit Katrin
vermählt ist. Mirm. erschlägt seinen Vater, als er mit ihm über Tische
BEITRÄGE ZUR KENNTNISS DER F^RÖISCHEN POESIE. 391
sitzt. Komisch nimmt es sich aus, daß die Heidin Brita Gott bittet,
die christliche Seele ihres Mannes bei sich aufzunehmen, und liefert
zugleich einen Beweis für das mangelhafte Verständniss der Situation.
Mirman erhält Sissala, die sicilische Königstochter, zur Gemahlin, ehe
er den Kampf mit Lundar (= Ludarius) besteht. Interessant ist die
Motivierung seiner Untreue gegen Sissala. Katrin hat, um ihn für sich
zu gewinnen, ihm einen Vergessenheitstrank eingegeben. Diesen Um-
stand führt er dann auch Sissala selbst gegenüber zur Entschuldigung an.
Endlich würden noch unter diese Rubrik gehören: 5. Koralds-
kvaedi (Svabo III), eine stofflich treue Versificieruug der Kom-äds
saga Keisarasonar (edd. Gunnlaugr f ordarson. Kaupmannahöfn 1859),
über die ich nichts specielles zu bemerken wüsste, und 6. Flövins rima
über die ich an anderer Stelle bei nälierer Besprechung ihrer Quelle
der Floventssaga Frakkakonungs, ausführlicher handeln werde.
B.
Die mit norwegischen Folkevisern oder isl. Fornkvaedi
verwandten Lieder.
Diese sind^ wenn auch nicht zahh-eich, so doch von weit größerem
Interesse als die obigen Dichtungen, und müssen deßhalb auch ein-
gehender besprochen werden.
1. Hermundur illi (bei Svabo II), dem Stoffe nach zu ver-
gleichen mit der norwegischen Vise : Hermod Ille, bei Landstad a.a.O.
S. 196 — 222 in zwei verschiedenen Fassungen (A und B) mitgetheilt.
Der Inhalt des letzteren ist kurz folgender:
Der Jarl Hjadde hat zwei Söhne Hermod Ille und Holgeir (B:
Eirik). Ersterer wird vom König von Serkland, dessen Tochter Haege
er liebt, verbannt, weil er durch Raubzüge seine Unterthanen schädigt.
Als Hsege an Holgeir verheirathet werden soll, zwingt sie durch Zauber-
runen einen Schiffer, Hermod nach Serkland zu bringen, wo er an
Hsege's Hochzeitstage eintrifft, in Verkleidung dem Festmahle beiwohnt,
im Brautgemache seinen Bruder und Nebenbuhler erschlägt und sich
so endlich die Hand der Prinzessin erzwingt.
Ich gehe nun zur Einzelvergleichung über. Nach dem fseröischen
Liede (F), sind Atli und Sigurd zwei Brüder, die über Saxland *) herr-
schen. Atli unternimmt Vikingerfahrten auf der Ostsee und vermählt sich
*) Sollte Serkland in beiden norwegischen Fassungen nicht vielleicht aus Sai-
land entstellt sein? Da auch von der Ostsee die Rede ist, so liegt diese Vermuthung
sehr nahe.
392 KÖLBING
mit der Tochter des Königs von Miklagard. Ein Jarl hat zwei Söhne:
Hermund (= Hermod) und Eirik, was zu B stimmt. In A fehlt die
wichtige Notiz über den verschiedenen Charakter der beiden Brüder,
der B V. 3 angedeutet wird ; viel ausführlicher darüber ist F v. 4 ff. :
tad er mdr av sanni sagt :
a sundur bar teirra lind.
Eirikur situr i hogalofti,
örn flygur yvir hans eyga;
hann er so i hjarta raddur,
torur ei siggja mann reidan.
Han er so i hjarta raddur,
törur ei siggja mann bleyda;
i ti vigi vil hann ei vera,
sum hjortur verdur skotin til deyda.
Hermundur vox i fadir hans gardi,
vid tad for hann fram:
honum tökti ei tan dag vera heilan,
hann blodgadi ikki mann.
Die Königstochter, welche Hermund liebt, während er ihren Vater
hasst, heißt in F Halga = Helga = Hcßge in AB.
Herrn, trifft dreimal im Walde Berserker, erst 8, dann 15, dann 50,
[ob sie der König direct gegen ihn ausgeschickt hat, ist nicht er-
sichtlich], und tödtet sie jedesmal alle. (v. 9 — 13.) Das ist in A bloß
angedeutet v. 3" (vgl. B v. 6"^): han bite folk i fotann, offenbar nur
eine Reminiscenz an den ausführlicheren Bericht in F. B hat hier un-
richtig schon den Tod Eiriks hineingebracht (v. 4 und 7, vgl. Laud-
stad z. d. St.).
Von einem j^ing (A v. 3^) ist in F an der entsprechenden Stelle
nicht die Rede. Aber das Gespräch des Königs mit dem Jarl und dessen
Unterredung mit seinem Sohne stimmen zu AB. — Mit zwölf Jahren
verlangt Herm. ein Schwert und ein Schiff, und verheert Atlis Grenzen
(F V. 18 f.). Das Gespräch des letzteren mit seiner Tochter, das in A
fehlt, hat F v. 20 ff., stimmend zu B v. 8 ff., z. Th. wörtlich; man vgl. :
Bv. 8: F. V. 20:
Ded var Serklands kongin, Hoyr tad, min ssela dottir,
han dömer domen den verste: gera skal vid hann tad vesta:
anten skal de no Hermod hengje, annathvort a galgan foera,
ella slitc med beste. ella slita millum hestar.
BEITRÄGE ZUR KENNTNISS DER F^RÖISCHEN POESIE. 393
Der Rath Helgas ist ebenfalls derselbe F v. 23 =: B v. 9 f. Nach
F beruft nun der König ein J^ing, durch welches Hermunds Verban-
nung beschlossen wird. Herrn, ist selbst anwesend und antwortet dem
König sehr muthig, er werde ihm dieß Urtheil übel lohnen. So aus-
führlich ist weder A noch B.
Daß Herm. nach gesprochenem Verbannungsurtheil noch eine
Nacht bei Helga zubringt (so B v. 15), erzählt F nicht; das passt auch
schlecht zu den folgenden abweisenden Worten Helgas, die beide Texte
ähnlich bieten, nur A deutlicher. Man vgl.
F V 29:
Hermundur gekk i salinn inn,
jumfrü Halgu ä finna:
Sitt vel, jumfrü Halga,
tu mäst vel ä mik miunast.
B V. 17: F V. 30:
Tjovanne og trselanne Tad er bsedi konur og trselur,
dei hava i lande fred, ikki fär frid i landi;
feruttan du Ille Hermod, firi hvat skal ek minnast a ])ik,
du fser inki notte-gred. er ütlagdur er firi sanni?
Diese sehr passenden Abweisungsworte F v. 30^ f. werden in B
vermisst. In Herm. Drohung gegen Helga treffen beide Texte zusammen :
B V. 18 ff. = F V. 31 f. Der lange Abschied am Schiffe B v. 21 ff. fehlt
in F. Doch vgl.
B V. 2P f. F V. 33.
No gjorde meg Hgeges ordi verr, Meiri beit honum Halgu ord,
hell alle mine löynde sorgir. enn öll hans önnur sorg.
Selbständig ist in F v. 34:
Jallinn gar for sina frü,
tad var av tungari treit:
Gud nädi mik, min ssela sseta,
nü eru vit sonaleys.
In der Schilderung von Herm. Vikingerzügen stimmt B zu F.
Nur fehlt hier die Erwähnung des Türken oder Deutschen in der Ost-
see (A V. 13 f. B V. 30 f.), was gewiß auch als späterer Einschub zu
betrachten ist. Dagegen dürfte die Notiz, daß Helga verheirathet werden
soll (A v. 15, B V. 32) * ) in F ausgefallen sein. Denn erst dieser Um-
stand motiviert Helgas Entschluß, sich an den Schiffer zu wenden.
*) Wie kann B v. 32 und 45 von Holgeir die Rede sein, als Herrn. Bnider,
wie in A, während doch v. 1 Eiiik als dessen Name angegeben wurde? Landstad be-
merkt kein Wort über diesen auffallenden Widerspruch.
394 KÖLBING
Selbständig erscheint in F Helgas Gespräch mit ihrer Dienerin,
V. 39 f.:
Halga talar vid sina ternu:
siga skal ti'i mer satt:
hvat vinnur hann Häki jall,
sum minum fadir byr naist?
Häki byr firi handan a,
eina eigir hann kyg,
litils vert tatl vinnur hann,
hann rHr ser üt a sjogv.
Diese f'ser. Namenstbrm Häki, (auch sonst häufig genug, vgl. den
Index zu FAS. HI) beweist, daß Landstad's Vermuthung (Anni. zu A
V. 16'): „I var. B kaldes han hava kalleu, hvilket vistnok er det
rette : Havmanden" unrichtig ist. Hagakallen (A v. 16) steht der ur-
sprünglichen, in F erhaltenen Form näher. Übrigens würde für jall
F v. 39^ natürlich richtiger kall gelesen werden.
Die Worte, die Helga an Häki richtet, und seine Antwort (A
v. 16 f. B V. 35 f.) fehlen in F; sicher fanden sie sich früher auch hier;
das Runenwerfeu haben alle Texte, aber nur F motiviert es v. 42:
Rämar risti hon runurnar
nidur 1 Häka bat:
„Aldri kom tu til landanar,
firi Hermundur er ä".
Noch sendet Helga nach F durch ihre Dienerin Häki ihren Gold-
ring, ohne daß dieser weiß, was er damit anfangen soll (v. 44).
Nach A v. 20 = B V. 41 sieht Hermod zuerst Häki's kleines Boot,
nach F umgekehrt Häki den SchifFszug Hermunds^ der ihr Furcht ein-
flößt (v. 48). Im folgenden stimmen die Texte in der Aufnahme Häki's
in Herrn. Schifi" und dessen Frage nach Helga. Die Antwort lautet
(v. 58), sie sei an den Herzog Geirard verlobt worden: der Name kann
nicht verschrieben sein , denn er steht im Reim v. 58 ; ebenso wenig
ist er aber mit Hermunds Bruder identisch, wie der weitere Verlauf
der Erzählung noch deutlicher zeigt. Häki fügt hinzu v. 59:
Grätur hon jumfrü Halga
vid so mikla villu:
alla sina sefina
sirgir hon Hermund illa.
Eigenthümlich ist F auch die Furcht Häki's, der in Herrn.
Schiffe keinen Wein annimmt und sich die ganze Nacht nicht schlafen
legt (v. 61 f.).
BEITRÄGE ZUR KENNTNISS DER FiERÖISCHEN POESIE. 395
Als Herrn. landet, wird Geirard gerade mit Helga getraut: alles
ist in der Kirche. Auf dem Rückweg sieht Herrn, seinen Nebenbuhler
und schwört, jener solle die Jungfrau nicht genießen, wenn er sein
Leben behalte (F v. 72). Dieser Zug fehlt in A und B.
Nach allen Fassungen erscheint Herrn, in Frauenkleidern beim
Hochzeitsmahl. Der Königstochter Kari (B v. 61) entspricht in F Beja,
die hier Geirards Schwester ist (v. 79). Nicht Herrn, ferner, wie in B
(v. 60), sondern Helga (F v. 77) wirft den Ring in den Becher. Ich
glaube, daß nur, wenn man beide Fassungen zusammennimmt, die eigent-
liche Bedeutung des Ringes sich feststellen lässt. Es ist nämlich sicherlich
ein und derselbe Ring, den Helga dem Häki gesandt hat, und der, den
Hermund jetzt als Erkennungszeichen in den Becher wirft. Das erste
Moment war in A und B weggefallen, die Übergabe des Ringes an
Herrn, in A, B und F, während der letzte Zug in F verwischt ist.
In B fällt Herrn, durch sein vieles Trinken (v. 60 f.), in F v. 78
durch seine tiefe Stimme der Prinzessin Kari (= Beja) auf. Es bedarf
kaum der Erwähnung^ daß wir hier es mit einem ganz ähnlichen Motiv
zu thun haben, wie in Hamarsheimt. Nur F hat folgenden Zug. Helga
ist traurig und denkt nicht an Essen und Trinken. Da heißt es v. 81 f.:
Kongurinn so til orda t6k:
hetta er mikil villa:
man min döttir hugsa a,
at sirgja Hermund illa.
Hefdi hann Hermundur sjät seg,
tad siggi ek for sann,
einginn madur ä Saxlandi
hefdi verit hans ovurmann.
Hefdi hann Hermundur sjat seg,
hefdi hann gjort tad svä,
so vel var hann til tess borin,
mina döttir at fä.
Kari begleitet Helga in das Brautgemach ; als sie geht, schleicht
sich Herrn, ein; Geirardr erkennt ihn, kommt aber (nach F) seiner
Aufforderung, aus dem Brautbette zu weichen, nicht nach; Herrn, er-
sticht ihn. Entsprechend A v. 47 ^ B v. 74 bemerkt Beja auch F v. 95
zuerst den Mord. Von nun an aber entfernt F sich ganz von A
und B. Dort liegt erstens kein Brudermord vor, der in der That im
norwegischen Liede das Gefühl verletzt und im Ganzen wenig moti-
viert erscheint, sondern der eines fremden, dem Gelegenheit gegeben
war, sich zu retten. Während ferner in A und B Herm. den König
396 KÖLBING
durch Gewalt zwingt, ihm Helga zur Gemahlin zu geben, wird hier
die Erzählung viel weiter ausgesponnen. Herrn, muß, als der Mord
entdeckt wird, der Übermacht weichen und sich gefangen geben. Auf
Helgas Rath lässt ihn der König nicht tödten, sondern ins Gefängniss
werfen. Nun schreibt sie heimlich einen Brief an den Jarl, Herm. Vater:
es solle ihm übel ergehen, wenn er seinen Sohn nicht befreie. Da geht
dieser zu seinem älteren Sohne, wirft ihm seine Feigheit vor und droht
ihm sein Haus in Brand zu stecken, wenn er seinen Bruder nicht rette.
Dieser rafft sich auf, greift zu seinem Schwerte und befreit den Bruder
aus dem Gefängniss. Dieser nimmt Rache, indem er den König erschlägt :
Helga achtet ihres Vaters Tod nicht, wenn nur Herm. lebt. Auch Eirik
zeigt sich tapfer; nach geschlossenem Frieden wünscht er Beja zur
Braut; sie weigert sich dessen anfänglich, weil Herm. ihren Bruder
erschlagen habe, willigt aber doch endlich ein, und es folgt die Doppel-
hochzeit.
Diese Fassung des Schlusses hat vor der norwegischen mehreres
voraus. Vor allem erscheint hier Herm. Bruder Eirik viel bestimmter
charakterisiert. Was in B v. 3 die Schilderung seiner Feigheit soll,
begreift man nicht; hier kommt sie wieder zur Sprache, freilich
nur um energisch überwunden zu werden, wo es die Freiheit des Bruders
gilt. Ferner wird auch durch die Vermählung Bejas die Handlung ab-
gerundet.
Aus dieser ganzen Vergleichung erhellt erstens, daß B, obwohl
dem Sammler der Lieder nicht einheitlich mitgetheilt, sondern aus
mehreren Berichten zusammengesetzt (vgl. die Schlußbemerkungen
Landstad's S. 221), von den norw. Fassungen die ursprünglichste,
vollständigste Gestalt am treuesten bewahrt hat, während A als eine
sehr gekürzte Redaction anzusehen ist. Die vollständigste aller Auf-
zeichnungen dieses Stoffes ist aber F, und als solche verdiente sie wohl
gedruckt zu werden.
2. Galians kvaidi. Dieß Lied ist verwandt mit der norwegischen
Vise : Ivan Erningen og Galite Riddarsonen (bei Landstad a. a. O.
p. 157 ff.). Auch hier muß eine nähere Vergleichung vorgenommen
werden. Storm bemerkt (a. a. O. p. 217) zu dem Stoffe: „en nu vistnok
tabt Saga, hörende til Artuskred«en". Diese betreffs der norwegischen
Fassung durch nichts direct gestützte Vermuthung — denn es ist in
derselben immer vom dänischen König die Rede (z. B. v. 16, 18), wird
schlagend bestätigt durch die fseröische Gestaltung des Liedes, die
Storm schwerlich gekannt und deßhalb auch unerwähnt gelassen hat.
Da hebt das Lied nämlich so an:
BEITRÄGE ZUK KENNTNISS DER F^ERÖISCHEN POESIE, 397
Tä var sigur i rikinum,
tä Artans dagar väru:
her skuldi einginn genga til bords,
ütan sum ny tidindi baru.
Das ist auch bekannthch an Artus Hofe die stehende Sitte, vgl.
Parcevalssaga, Ridd. p. 26^ flf. : "Bann (sc. Ksei) g^kk fyrir konung ok
mselti: Ef vili ydvarr vseri, er timi til bords. Ksei, sagdi konungr, |3at
skal at eingum kosti fyrr vera, enn nökkur ny tidindi koma til var. —
Ich schreibe auch die folgenden Verse aus, da sie in der norw. Fassung
(= A) fehlen und auch sonst von Interesse sind.
Kongurinn eigur einn nserskildan frsenda,
royndur i afreksverki ,
Vel er hann af attum kominn,
hann heitur Ivin sterki.
Einn kom madur i hallina inn,
vekur teim öllum sorg:
Ek ser eina villa bind
spsela ä kongins borg.
Ti svaradi Artan kongur,
talar til drangir teita:
Tar skulja hindina vid höndum taka,
ikki vid hundum beita.
Teir settu sner i hvorn taun sti,
hindin skuldi fram genga,
hon var sec so veidivan
hon vildi ikki lata sec fenga*).
Ridu teir um borgina,
riddarar og so jallar;
tad var mer af sanni sagt,
hindin festi hallar.
Ivin sterki, Herintson, wie er später genannt wird, ist zweifels-
ohne identisch mit dem Iwein der Artus dichtungeu. Die Erzählung von
der Jagd auf die Hindin erinnert sehr an den Anfang von Crestiens
Erec, wo ebenfalls ein weißer Hirsch gejagt werden soll; vgl. v. 36 ff.
Dem entsprechend heißt es in der Erexsaga: Ydr er kunnigt, at h^r
d sköginum er einn hjörtr er ver fäum aldri veiddan. (Vgl. Germ. XVI
p. 384.)
*) Es folgt derselbe Vers, nur daß die Reimworte genga-fenga in renna — kenna
verändert siud, eine sehr beliebte Erweiterung der Lieder.
398 KOLBING.
Hier setzt nun auch das norw. Lied ein. Ein Knappe, der später
Gulbrand öetisson genannt wird, fragt Ivin am Abend, wo er sein
Nachtquartier nehmen wolle. Jener versetzt, bei einer reichen Witwe,
die in Artus Lande wohnt und 15 Jahre hindurch keinen Mann bei
sich gehabt hat.
Der Verlauf der Erzählung ist im Folgenden der gleiche; aber
nach A V. 8 sind gewiß mehrere Verse ausgefallen: aus Sittlichkeits-
rücksichten pflegen diese Viser sonst nicht etwas wegzulassen. Zudem
finden sich diese Verse noch in F: v. 17 fi". :
Tä var Ivint Herintson,
hann f6r ikki vid ti hätt,
h^r svaf hann hjä enkjini
alla hesa nätt.
Am Morgen steht er auf, weckt auch seinen Knappen, und will
wieder zu Artus Halle reiten. Da heißt es:
Enkjan stendur d hallar golvi,
klapper undir riddarans kinn:
Nser skal ek tec attur vanta.
Ivin sceti minn?
Ek fer m^r til hallar heim,
sum drangir drekka vin:
skemta t(5r vid gull ok fe,
tu t6rir ikki vanta min.
Dag. vgl.:
Av. 9f. ^ Fv. 24f.:
Du skal minnast ded, Ivar Erlingen, Ivint tu tokt vid neydum mec
at du meg med valde tok, tad gekk mer vid sprangd:
du skal liggje femten är, firi tad ligg tii fimtan vetr,
alt i sä, Sterke sott. sjükur ä tinni sang.
Du skal liggje femtan är Ivin tu tökt vid neydum mec,
alt i sä Sterke s6tt, tad gekk mer i möti,
der skal ingin Isekjar koma, einginn komi tann Isekjarinn,
som deg kan vita bot. sum s^r kann räda bot.
Das folgende hat F wieder allein, v. 27 f.:
Hon bar honum reglur tvser,
allt firiütan ekka:
Heyr tä, Ivint Herintson,
tu skalt af bädum drekka.
Hann drakk af teim reglum tveimun,
tad var mikil villa;
BEITRÄGE ZUR KENNTNISS DER FJERÖISCHEN POESIE. 399
tä hann kom d borgar arm,
tä tök hans hold at spilla.
Beachtet man, daß in derselben Weise^ wie Ivin hier vergiftet
ist , später seine Heilung bewirkt wird , nämlich durch einen Trunk,
daß dazu die in manchen Punkten ähnliche Erzählung von Mirman
(vgl. oben p. 391) stimmt, so leuchtet ein, daß dieser Zug acht, in A
also nach v. 10 ausgefallen ist.
Daß Ivint seiner Geliebten sein Schwert gibt und es für seinen
Sohn bestimmt (A v. 12 ff.), fehlt in F. Weiterhin stimmen aber beide
Texte z. Th. wörtlich überein, weßhalb ich das Einzelne nicht spe-
cieller anführe; nur der Zug, wie Galian zu seinem Namen kommt,
sei hervorgehoben:
Av. SO^ff.: Fv. 493ff.:
ded kallar eg guten galen vera, ek kalli tec vera einn galinn mann,
som slser no til mödir si. vegir tu modir tina,
Ded var jönkar riddarson, Kallar tu mec galinn mann,
han var snegge til herme. nü skal navni venda,
No ma hine garpeglipanne riddarir og so hceviskir sveinar
meg fer Galidr nemne. skulu mec Galian nevna.
Darauf hin gibt ihm seine Mutter nach F die oben besprochenen
zwei Becher, nach A v. 36 ein Hörn. Der Sinn ist derselbe. Vor Artus
Halle trifft Galian einen Ritter, Namens Raudenn (A v. 41^ = F v. 60),
den er besiegt und tödtet. Diese Figur erinnert an den rothen Ritter
in der Parcevalssaga (Ridd. p. 6^") und in der Blomst. (p. 16® etc; vgl.
Mob. das. p. XI).
Von der Heilung Ivints an gehen die Traditionen sehr ausein-
ander. Nach A kämpft Ivint mit Galian, endlich gibt sich letzterer zu
erkennen und droht seinem Vater mit dem Tode, wenn er sich nicht
mit seiner [sc. Gal.] Mutter vermähle. Damit bricht das Gedicht ab.
Anders in F. König Artus hat die eigenthümliche Gewohnheit,
jeden Julabend einen Ritter nach einem Botten auf Abenteuer zu
schicken; i botaar nordur, heißt es v. 80. Damit wird das sonst Hafs-
botnar, trollabotnar genannte Meer gemeint sein, zwischen Grönland und
Norwegen ; vgl. Cleasby-Vigf. s. v. botn : the ancients fancied that these
bays were the abode of the giants. — Galian erbietet sich zu dieser
Fahrt, möge er nun Aussicht auf Rückkehr haben oder nicht. An dem
ersten Tage seiner Fahrt fesselt er 15 Trolle. Am zweiten ebenso.
Am dritten Tage gelangt er in einen dichten Wald und sieht, wie da
ein grimmer Riese des Königs Helden knebelt. Galian bekämpft ihn,
raubt dann aus einer Halle ein schönes Weib (des Riesen Tochter?)
400 KÖLBING
und übergibt sie seinem vorher übrigens nicht genannten Knappen
Harald zur Bewachung. Er selbst kämpft mit einem ungeheuren
Drachen: dieser verschlingt ihn mit Roß und Sattel; doch ist ihm der
Bissen zu schwer, Galian gelingt es mit seinem Schwerte den Drachen
zu theilen; er ist mit Giftblut bedeckt und nicht im Stande sich fort-
zubewegen. Da gedenkt er eines Versprechens seiner Mutter, vor seiner
Abreise gegeben, daß sie ihm in allen Verlegenheiten helfen wolle:
er fleht sie um Hülfe an, und sogleich erscheint sie, des Drachen Haupt
in der Hand tragend, und ein Roß mit Zaum und Sattel mit sich
führend. Sie fordert ihn auf, heimzukehren: noch seien seine Mühen
nicht beendet. Das geschieht, und nun erst folgt der Zweikampf Galians
mit seinem Vater, und zwar über den Besitz der Jungfrau, die Galian
erbeutet hat. Letzterer, absichtlich laß kämpfend, wird von Ivint ver-
spottet. Da gibt er sich zu erkennen und fügt dieselbe Drohung bei,
wie oben, welcher Ivint hier nachgibt und sich mit Galians Mutter ver-
söhnt, und eine fröhliche Doppelhochzeit beschließt das Gedicht.
F ist also wesentlich ausführlicher als A. Daß um die zuletzt
angeführten Momente A zu kurz gekommen ist, bedarf keines Beweises.
Ob dagegen der abenteuerliche Nordlandszug integrierender Theil der
Vise ist, oder erst später eingeflochten, ist ebenso schwer zu entscheiden,
als die Heimat des Sageustoö'es festzustellen ist. Zu erwägen ist nur,
daß in A der Kampf Galians mit seinem Vater, den er eben geheilt
hat (v. 54 ff.), ganz unmotiviert erscheint, während es in F an einem
Kampfobjecte nicht fehlt. — Vielleicht gelingt es einem Kundigeren,
für diesen Stoß' aus dem Artuskreise eine altfranzösische Vorlage oder
wenigstens Spuren ihres früheren Vorhandenseins ausfindig zu machen.
Auf nordischer Erfindung beruht er, mit Ausnahme vielleicht der oben
gekennzeichneten Episode, gewiß nicht.
Sowohl in Betrefi" des vorigen Liedes, wie des Galianskvaedi darf
also für bewiesen gelten, daß die faeröische Fassung den besten Text
bietet. Die Vermuthung G. Storms (a. a. O. p. 224), daß diese und
andere Lieder von Norwegen aus nach den Fserör übergewandert
seien, wird also durch die angestellte Vergleichung durchaus nicht als
richtig nachgewiesen, es erhellt daraus vielmehr, daß die norw. Viser
in den auf uns gekommenen und von Landstad veröffentlichten Ge-
staltungen nicht die Quelle jener gewesen sein können, ob in älterer
Form, diese Frage wird man vorläufig offen lassen müssen. Daß jedoch
beide Formationen unter sich eng verwandt, und nicht etwa separate
Bearbeitungen einer jetzt verlorenen Prosa sind, geht aus vielfacher
wörtlicher Übereinstimmung zur Genüge hervor.
BEITRÄGE ZUR KENNTNISS DER F^RÖISCHEN POESIE. 401
3. Kvikils bragct. Verwandt mit der norw. Vise: Kvikisprakk
Herraodson, bei Laudstad a. a. O. p. 146 ff. (= A).
Die fser. Vise (= F) beginnt damit, daß Kvikil spraki sich in
Gesellschaft einer Jungfrau befindet. Plötzlich wird er von hinten aus
dem Sessel gehoben und auf den Boden geworfen. Ein Ritter erscheint,
mit dem er kämpft. Sein Schwert zerspringt und ihm bleibt nur noch
ein kleines Messer zur Vertheidigung. 50 seiner Gegner werden schwer
verwundet, ehe es gelingt, ihn zu fesseln und ins Gefängniss zu schaffen.
Es fehlt also die Werbung (A v. 1 ff.), die Tödtung des Löwen
(v. 25), die Weinbetäubung, in Folge deren es gilt ihn zu überwältigen
(v. 26 ff.). Dag. hat F den Zug selbständig, daß die Jungfrau, trotzdem
daß sie selbst Kvikil so übel mitgespielt hat, vor ihren Vater geht
und ihn bittet, ihr den Ritter zur Bewahrung zu geben. Sie wird schnöde
abgewiesen, droht aber, nach Ivint sterki Herintsson zu schicken, der
Kvikils Bruder ist, und führt diese Drohung auch aus. Nach A schickt
Kvikil selbst, der hier Hermodson genannt wird, seinen Knappen,
um seinen Bruder Eivind zur Hülfe herbei zu holen. In der einen
Fassung scheint also eine Anknüpfung an Hermod illi, in der anderen
an Galians kvsedi beabsichtigt.
Nach beiden Texten befreit Kvikils Bruder diesen ; beide kämpfen
nun gegen den König [von Griechenland F, wie in Ragnarlikkja v. 90 ff.],
bis nach F dieser endlich um Gnade bittet und Kvikil Rosina (== Rosen-
lunde in A) zur Gemahlin erhält und mit ihr das halbe Reich, während
nach A Kvikil sämmtliche Feinde erschlagen hat (v. 60).
Schon aus den Namensformen erhellt, daß trotz einzelner Ab-
weichungen in der Behandlung des übrigens sehr einfachen vmd abge-
brauchten Stoffes, dieser selbst in beiden Dichtungen identisch ist.
Dagegen ist die Verwandtschaft beider mit Ragnarlikkja, die Landstad
p. 146 geltend macht, doch sehr oberflächlicher Art.
4. Sveinn i Vallalid. Von diesem Liede finden sich außer
der fseröischen (Svabo p. 899 ff.) noch eine isländische (Isl. Fornkv.
p. 235 ff.) und dänische (Udv. danske Viser. edd. Nyerup og Rahbek.
III. 1. p. 135 ff.) Fassung; die schwedische (Helleman Unge: Arwidsson:
Fornsänger I. p. 132) ist zu fragmentarisch, um in Betracht zu kommen.
Die fseröische steht etwa in der Mitte zwischen den beiden ersteren,
schließt sich an einzelnen Stellen fast wörtlich an den isl. Text an,
an anderen an den dän. fser. Sveinn i Vallalid = schw. : Svenn uthi
Wallanzö = dän. Svend af Voldisbv = ish Logi i Vallarhlid. Also
völlige Übereinstimmung nirgends, fser. Adalus oder Elin = isl. Adal-
list = dän. Lisbet. Der Name des Helden lautet in allen Texten Wilhelm.
GEKMÄNIA. Neue Keihe Vm. (XX.) Jahrg. 26
402 K. ZANGEMEISTKR, ARD. GLOSSEN ZU SALLUST.
Im ersten Theile der Ballade wird in F ausführlicher von Sveins durch
die Jungfrau selbst abgewiesener Werbung gehandelt; ganz eigenthüra-
lich ist F der Umstand, daß Wilh. außer dem Mörder seines Vaters
auch dessen Schwestersohn tödtet, was an die Besiegung von Herr
Nielus, Svends Bruder (dän. v. 46 ff.) erinnert. Freilich findet auch dieser
zweite Theil der dän. Ballade, der der isl. Fassung abhanden gekommen
ist, eine Parallele in F. Während Wilh. dort Svends Schwester Gjar-
ti'ud sich mit Gewalt aneignet (v. 45), Herr Nielus besiegt, sich mit
ihm versöhnt und mit jener sich verlobt, reitet er in F nach ge-
wonnenem Siege zu Jungfrau Hermintrü, die ihn freundlich empfängt
und ihm ihre Liebe gewährt, obwohl er offen bekennt, Svein und dessen
Schwestersohn erschlagen zu haben. Daß Hermintrü mit Sveinn ver-
wandt ist, wird nicht ausdrücklich gesagt, geht aber aus dem Zusam-
menhange hervor. Beides erfährt der König von Dänemark, er erscheint
mit 15 Kriegsschiffen, aber Vilhj. tödtet alle seine Mannen : der König
selbst bittet um sein Leben und bewilligt Wilh. Hermintrü's Hand und
18 Burgen als Mitgift. In welchem Verhältniss der König zu der Jung-
frau steht, erfahren wir nicht.
Der dän. Text dürfte also der verhältnissmäßig beste sein, dann
folgt F, wo sich freilich noch beide Hälften der Ballade wiederfinden,
aber nicht ohne einige Trübung der Beziehungen; im isl. Liede end-
lich ist Theil II ganz vergessen, Theil I aber dafür sehr sauber er-
halten und ausführlicher als in den beiden übrig-en Versionen.
Soweit für dießmal. In einem zweiten Abschnitte gedenke ich im
Laufe der Zeit unter Benutzung von Schröters Hdschr. über die noch
ganz unbekannten fseröischen Lieder, zu denen wenigstens in den
nordischen Litteraturen sich keine Parallelen finden, Auskunft zu geben.
An Material dazu würde es nicht fehlen.
BRESLAU, im März 1875. EUGEN KÖLBING.
AHD. GLOSSEN ZU SALLUST.
In dem aus Lorsch stammenden Sallust-Codex der Bibl. Palatina
im Vatican n. 889 finden sich auf fol. 1 — 15 viele Interlinearglossen
und darunter auch einige deutsche. Nach Dr. Heinrich Dressel, welcher
die Güte hatte diese Handschrift für mich zu anderem Zwecke zu
A. EDZARDI, ZUR TEXTKRITIK DES ROTHER. 403
untersuchen, gehört dieselbe dem Anfang des 11. Jahrhunderts, die
Glossen theils demselben Jahrhundert, theils (so sämmtliche von f. 15""
an) späterer Zeit an. Von den deutschen Glossen des 11. Jahrh. theilt
er mir folgende Proben mit:
insolens malarü artium, darüber: inpatiens ungeuuon.
ferox grimmer.
proximi familiaresq; holdun.
hortabatur schunta.
uectigales zolgodiga.
familiärem gesuasen.
hortentur schundan.
confodere erstechcan.
domi militiaeq ; heime und in here.
HEIDELBERG, Juni 1875. KARL ZANGEMEISTER.
ZUR TEXTKRITIK DES ROTHER.
1. Die Heidelberger Handschrift.
Die Heidelberger Hs. (Cod. Vat. 390, perg. [XH Jh.?J, 73 Bl. 8°.)
des „König Rother" ist bekanntlich außer kleinen Fragmenten die
einzige uns erhaltene und verdient daher wohl eine genaue Beschrei-
bung, die sie bisher noch nicht gefunden hat*). Auch Maßmanns Ab-
druck, auf den man noch immer für textkritische Fragen angewiesen
ist, so sorgfältig er auch im Ganzen ist, weist doch im Einzelnen
manche kleine Versehen auf, die wohl verdienen einmal zusammenge-
stellt zu werden. Da ich nun im October 1874 die Hs. in Heidelberg
sorgfältig vergleichen konnte, theile ich meine Resultate an dieser
Stelle mit.
Die Hs. enthält nur den Rother, und zwar auf 73 Bl. in Lagen
von je vier Doppelblättern, die letzte Lage enthält 9 Blätter, von denen
eines eingeheftet ist, dergestalt, daß der Falzstreifen zwischen 67 und
68 sich findet; ist also 70 eingeheftet? Der Schluß fehlt, wie das
Hannoversche Fragm. zeigt, wohl nur ein Blatt, welches angeheftet
*) Zu vgl. sind die uns jetzt etwas wunderlich erscheinenden Angaben Adelungs,
Nachrichten von altdeutschen Gedichten etc. 1796, p. 212 — 215: „Sie scheint durch
Feuer (!) sehr gelitten zu haben, fast alle Blätter sind schwarz [eigentlich nur das
erste und letzte] und einige Seiten ganz verlöscht" [nur die erste und z. T. die letzte].
26*
404 A. EDZAKDI
gewesen sein muß und sicher schon lange gefehlt hat, da 73'' dunkler
als die andern Seiten und mehrfach abgegriffen ist. Weit mehr gilt
dieß aber von der ersten Seite*). Diese ist übrigens durch angewen-
dete Reagentien noch viel unleserlicher geworden**) als sie offenbar
früher war. So ist vieles von dem, was Maßmann und Hoffmann noch
gelesen haben^ jetzt total unleserlich; ebenso natürlich das, was schon
jene gar nicht mehr oder doch nur undeutlich lesen konnten.
Die Hs. ist liniiert; die Verse sind nicht abgesetzt, sondern nur
durch Punkte geschieden. In Bezug auf die Schrift sei bemerkt, daß
c und t oft gar nicht von einander zu unterscheiden sind. Dieß kommt
besonders bei den Zahlen auf -zic in Betracht, wo Mm. -zit schreibt;
auch mögen die Formen goch^ zieh sich auf diese Weise erklären, in-
dem goth, zith zu lesen sein wird. Das r hat die von Wattenbach (Lat.
Paläogr. Anhg. p. 13, Z. 3 v. u.) angegebene v-artige Form***), so daß
es leicht mit diesem verwechselt werden kann. Andererseits findet sich
aber auch die ebenda (p. 14, Z. 3 v. o.) erwähnte z-ähnliche Gestalt,
so daß in diesen Fällen r mit z verwechselt werden kann. Ferner sind
t und i oft schwer zu unterscheiden, v und e sind zuweilen einander
ähnlich, so steht ein v-ähnliches e z. B. 161 vile, 216 gegeben u. ö.
Abkürzungen finden sich abgesehen von vü, w = wu und einigen
durch Striche angedeuteten n (und m) gar nicht. Im Ganzen ist die
Schrift sauber und deutlich f)^ aber keineswegs elegant. Es war offen-
bar kein für höfische Ej-eise bestimmtes Exemplar, sondern mag wohl
im Besitze eines Fahrenden gewesen sein. Buchstaben, die nicht gelten
sollen, sind nie durchstrichen und nur vereinzelt durch untergesetzte
Punkte kenntlich gemacht; sie sind vielmehr regelmäßig radiert und
zwar so, daß in der Regel die Formen noch deutlich zu erkennen
sind. Auch sind Buchstaben in die schon vorhandenen hineincorrigiert,
namenthch e; selten sind Buchstaben oder kleine Wörtchen überge-
schrieben. Für s findet sich nur die Form des langen f (auch am
Schlüsse). Dieß lange s im Drucke beizubehalten hatte Schwierigkeiten,
daher ist s gesetzt worden.
*) Die Hs. muß also lange ohne Einband benutzt worden sein.
**) Nach der Notiz von Mm. p. 157 muß dieß zwischen seiner ersten (1820)
und zweiten (1836) Lesung geschehen sein, wenn nicht nachher noch mehr auf diese
Art verdorben ist.
***) Die nach Wattenbach erst im XIII. Jh. erscheinen soll,
t) Die Schriftzüge gehören nach meinem hierin freilich sehr wenig maßgebenden
Urtheile, dem aber das allgemeine Urtheil zur Seite steht, eher dem XII. als dem
XUI. Jh. an.
ZUR TEXTKRITIK DES ROTHER. 405
Ist von einem Werke nur dinc Hs. und namentlich, wie in diesem
Falle^ eine alte erhalten, so ist es Pflicht, auch auf sonst unwichtige
Kleinigkeiten aufmerksam zu machen; denn einerseits gewinnt man
dadurch über die Sorgfalt des Schreibers ein Urtheil — und dieses ist
im vorliegenden Falle ein recht günstiges, denn wir sehen den Schreiber
sehr häufig nachträglich bessern^ oft in geringfügigen Dingen, so daß
er offenbar niedergeschriebene Worte mit der Vorlage verglich*):
andererseits erfahren wir aber aus einer Zusammenstellung der Stellen,
in denen der Schreiber die Vorsilbe ge- und die Negation ne ausließ
und später nachtrug, daß diese dem Schreiber nicht geläufig waren
(vgl. Germ. XIX, 387 Z. 5 f.). Er wird sie also auch an anderen
Stellen ausgelassen haben, wo er es nicht bemerkte und sie
daher nicht nachtrug, ne ist ausgelassen und später nachgetragen: 814.
829. 879. (vgl. 965.) 1005. 1397, dsgl. ge- 2055. 2183. 3152. 3531. 3600.
3608. 4054. 4928. 5175(9). — Mehrfach hat der Schreiber z nachträg-
lich in t corrigiert (2253. 2262. 2362. 3867. 4918), wobei die Priorität
des z nur an einer Stelle (4918) fraglich ist. Nach Analogie der vor-
erwähnten Fälle ist anzunehmen, daß in diesen Fällen in der Vorlage
t stand, während dem Schreiber z geläufig war. Übrigens bemerkte
schon Mm., daß nach der Randbemerkung bei 3420 die Hs. früher am
Niederrhein gewesen zu sein scheint.
Der Punkt am Ende der Verse fehlt in seltenen Fällen, wo Mm.
ihn setzt; ich gebe diese Fälle nicht an.
Nunmehr lasse ich die Berichtigung der bei Mm. falsch oder un-
genau angegebenen Lesarten folgen, von denen übrigens einige augen-
scheinlich nur auf Druckfehlern beruhen. H. Rückert, der die Hs. für
seine Ausgabe verglichen hat, hat manche Fehler stillschweigend be-
richtigt. Da er dieß aber in keinem Falle angegeben hat, wird auch
in diesen Fällen eine bestimmte Angabe wünschenswerth sein.
Auf der ersten Seite lese ich noch folgendes**):
westeren mere | saz ein kuninc der heiz .... er | in der stat
zu bare | da lebete er . . .are | mit vil grozin erin***) | ime dietin an-
de I . . . ne vnde si . . . ciA kuninge | biderve .... vV: nige, f ) |
*) Es wird also von den vielen verderbten Lesarten ein großer Theil wohl
auf die Vorlage zurückgehen.
**) Undeutliche Buchstaben gebe icli durch cursiveu Druck. Die Punkte deuten
die Zahl der Buchstaben an, die Mm. gelesen hat; die Endpunkte der Verse sind
durch I wiedergegeben.
***) so, nicht eren.
t) Das Wort scheint auf radiertem Grunde zu stehen, so daß mi fast wie an aussieht.
406 A. EDZARDI
die war. . . .e al vndei' tan | . . was der aller heriste m. . (.) der da zv
rome {■) ie intfinc die eronen | ( ) vther was ein h.re | sine dinc stvnden
mit erin | vü mit grozen zuht en hove | . . ne haben die böche
gilogew*) I .a. ... da htes nege brach | {Vers 18 ist ganz
unleserlich) \ Do rededen die iungen , . . .en | (Fe?'s 20 und 21 unleserlich
doch schien mir das erste Wort von 20 suvax zu lauten, ar ist deutlich) \
22 . . . rbe s buwen | do duchte sie | suvar . . . ar
ein gut I wer tan | ynde
(27) ... . ein wip {dann unleserlich) (30) . . waweden [se
irsterben?] | dan d. eronen | solden geben zo röme | ( )lsus
redete **) d . . herre (34) . . v°r . . . uil sere | kv . . wges .... er
. . . ige I unde hiz tan uvele ge | Dat . er e che . ne mineu
liph ( . ) gerne Äerich . . n en iciph \ die uan alle : adele \ . . ze . .
{Dann folgt Seite P, die schon vollständig leserlich ist).
41. urowen] uroven. — 45. heter verbunden. — 82. wände] vande.
— 94 wiphc] oder wiphe. — 98, Anm. 23 botbe] in dem Bogen des zioeiten
e ein Querstrich, also b in e corrigiert, {oder umgekehrt). — 120. bode-
scaft] am Ende eher st als ft. — 124. nu] Druckfehler statt nu. — 135.
wrsten] ivohl vursten. — 144. swören] ' nicht zu sehen, scheint aber zwischen
w und 0 fortgekratzt. — 147. vor golt sind zwei Buchstaben radiert. —
151 nam] nicht mehr ganz deutlich. — 157 uazeten] uazetln. — 159 in-
me] eher iiiiiie, — 164 gevozzot] gevazzot. — 180 hohen] hvhen. —
181. woren. — 190. nemen] niemen. — 217. triven] oder trwen? — 227.
manegerslahte verbunden. — 268 wunnenfliche. — 297. snellej suelle steht.
— 303. ir lovben getrennt. — 309 su|az***). — willest] willes. —310.
wetlicher] oder werlicher. — Nach 389 sind durch Abirren zum gleichen
Beim bei Maßmann 6 Verse ausgefallen; v. d. Hagen hat sie, ebenso
RückeH ; sie lauten in der Hs. :
Do giengen die iuncvrowin f ).
dirreff) wnder schowen.
mit in zo den schiffen.
da sie daz got wistin.
nv nekan v nichien man gesagen.
die wunder die inden kielen lagen.
400. uehe] nehe. — 408, „von [...] ausgekratzt silver?" Mm.'\ Es steht
*) So steht eher als gelogen.
**) So eher als redte.
***) Im Variantenverzeichniss deutet | das Ende einer Zeile an.
f ) cv sieht fast aii-s wie w.
ff) Es sieht eher aus wie diire, doch ist der letzte Buchstabe sicher e [nicht c).
ZUR TEXTKRITIK DES ROTHER. 407
auf radiertem Grunde von und ein undeutliches Wort, von dem sc. .e
deutlich ist, an dritter Stelle scheint ein 1 gestanden zu haben ^ jetzt toohl
a, an vierter Stelle z oder t (vgl. 590). — 420 leben] liben. — 446.
wene] we'"'; der Schreiber hatte wohl das we des folgenden Verses im
Äuge. — 468. herlich] herliA. — 476. godes] dahinter ist t und noch ein
Buchstabe (e oder i) radiert. — 478. an desse getrennt. — 492. getriiwe]
getruve. — 495. so wer.
523. Anm. 73: ^eingeschrieben'"''] ühergeschrieben. — 524. dine] loohi
aus die gemacht. — 528. ka'n] kin deutlich. — 529. ruv|vent. — 535.
wei] wor? — dingin. — 537. schade |afin. — 546 manigin. — 553. er
solde] er fehlt {Lücke oder ausgekratzt ?). — 554. mere] mer. — 558. ir
wenden getrennt. — 581. tvn oder ton? So ist häufig schioer zu entscheiden,
ob 0 oder v steht, namentlich in got, gvt. Da aber der fragliche Buch-
stabe immer oben geschlossen ist und in derselben Form auch in got (deus)
erscheint (1248. 1375), tvird doch toohl o zu lesen sein. — 584 wer die
kriechiu. — 629. zware] zvare. — 656. düre] dürt (oaer dürc?) Dahinter
ist ein Buchstabe (h?) ausradiert. — 662. si] Si. — Q66. vor intwichet
ist ein Buchstabe (wohl w von wichet) ausradiert. — 674. muze] eher
moze. — 677. dir] e in i corrigiert; dahinter h (von helfe) radiert. —
696. scal] an dritter Stelle ist a aus h gemacht oder umgekehrt. — 697.
über al getrennt. — 698. storm/egierin (das cursive ie ist radiert). —
700. svle] hinter e noch der Ansatz zu einem Buchstaben (n?). — 703.
vor zo ist si radiert. — 706. Wol] Vol. — 713. vor ich ist iz radiert
— 723. cirete] cirerte. — 741. tengelingen. — 747. turlichin.
752. helte] hette. — 756. barn auf radiertem Grunde (vielleicht stand
erst kint?). — 767. got] s. zu 581; dsgl. 111. — 814. vor ne ist ein
Buchstabe (w?) ausgekratzt, also wohl ne zuerst ausgelassen. — 840. vor
teil ist etiuas ausradiert; dsgl. 841 ein Buchstabe (r?) nach de. — 850.
dar ane getrennt. — 855. plege] statt 1 steht eigentlich s. — 862. giengen]
urspr. stand gin dann e hineincorrigiert. — 866. So | war. — 873. ge-
schein] atis n ist t gemacht durch radieren des letzten Grundstriches. —
899 wille kume getrennt. — 905. heibe] kaum i, der Buchstabe sieht aus
tcie V, kann aber auch t sein (vielleicht ist es ein v, welches nicht gelten
soll, so daß ursprünglich heve gestanden hätte?). — 910. Rnten] ich lese
deutlich knien. — 965. en uirsagete auf radiertem Grunde, darunter ist
deutlich noch v..s.g. zu lesen, also war wieder en ausgelassen. — 972.
did] kaum so, eher dit oder die (div?). — 980. daz] auf radiertem Grunde. —
992. uirman steht. — 995. unz hi getrennt. — 996. der Punkt nach herren
scheint radiert zu sein.
408 A. EDZARDI
1005. vor ne ist radiert-^ anscheinend stand zo, also tcar en ausge-
lassen. — 1009 liich hi] hucli hi, — 1015. Geantwarten] Geainvarten.
— 1018. umbe] unbe. — 1022. ir gan getrennt. — 1039. stribete] kann
ebensowohl strebete sei7i. — ande verbunden. — 1061. voi' leit zwei Buch-
staben radiert, auch leit auf radiertem Grunde. — 1063. ha^rre gote {oder
gvte?). — 1064 van] v aus w gemacht. — 1067. vorehtin] vorchtiu. —
1074. kumin. — 1086. In e] In er. — 1091. wert] eher werc. — 1099.
sehen] s aus einem andeim Buchstaben corrigiert. — 1108. zwo] e^-st stand
zowo. — 1126. V01- Der ist De und noch ein Buchstabe radiert. — was]
vas. — 1129. zo] ZV. — 1142. der hant] der übergeschrieben. — 1143.
andes verbunden. — 1144. vor her ist d radiert. — 1149. her] hir. —
1150. den] d auf radiertem Grunde, — 1168. hinter erzogen ist t weg-
gekratzt. — 1170. min vor min schon einmal radiert. — 1177. vazzete]
vazzede. — 1193. se doppelt. — 1196. lebete gen] so steht deutlich'^). —
1198. wnderis] über w scheint ein ° ausgekratzt zu sein. — 1205. vvorit]
w^rit. — 1211 sic\ — 1214. Siu] so steht sicher nicht-, ich lese svie
oder svsi. — 1227. nechein ne] nechein n (radiert) ne. — 1242. dinc] dine.
1280 aspriaiii. — 1281 vor iz ist te (Anfang von tete) radiert. — 1285.
Yerzennsicht verbunden. — 1299. gerochteu verbunden. — 1313. virstont]
oder virstvnt? — 1321. de schenken getrennt. — 1329. die (auf radiertem
Grunde, dicht dahinter noch ein radierter Buchstabe [n?]) herren.Gezam
(sie). — 1336. n'e] ne. — 1344. liere] lieve. — 1366. gebare] auf radier-
tem Grunde; darunter stand ein anderes Wort, dessen erster Buchstabe h
loar. — 1376. godis] wohl gvdis, dahinter ein oder zivei radierte Buch-
staben. — 1/579. vor nestund ist st radiert, also war ne ausgelassen. —
1380 .er] Her, H aber schwächer, wohl radiert. — 1392. trorande] od^r
trvrande. — 1396. vor ie ist d (von dechein?) radiert. — 1397. herren.
wole. — 1407. idv (w radiert) sonachit. — 1422. got] s. zu 581. — 1437-
geplegen. — 1444. iiinen] sie! — 1446. vazen] v aus w gemacht. — 1448.
trvch. — 1454. lake] laze. — 1455. zwischen de und edile ein d radiert
(stand urspr. dedile?). — 1461. vrumichliche] v aus w gemacht. — 1474.
thietherches] dietherches; da^ i ist so dicht an das di getreten, daß man
fast thet. lesen könnte, aber nie thieth.
1512, trin] der letzte Buchstabe ist loohl ein w, dessen letzter Aufstrich
zu kurz gerathen ist, vgl. 3336. — 1527. wezei] so sieht es aus, vgl. unten.
— 1530 sie! — 1537. woldir er] sie, statt woldit er. — 1538. pinke|ten.
*) Wo ich nichts angebe, habe ich allemal Mm's. Angaben mit der Hs. auch
in geringfügigen Dingen übereinstimmend gefunden. Nur in wenigen Fällen habe ich
dieß speciell angemerkt.
ZUR TEXTKRITIK DES ROTHER. 409
1544. helte] hette oder heite {ein 1 ist der fragliche Buchstabe nicht).
— 1546. sprach] spach. — 1547. leris] levis. — 1548. vor den ist er
radiert — 1595. gesidele] statt des d stand zuerst ein anderer Buchstabe
(1?). — 1601 sie! — 1639 einin. — 1649. michilicher] sie! — 1663 vragit]
Vragit. — 1668. dicht] oder dichc {oder dicho?). — 1683. vor slan schon
einmal s radiert. — 1693. vor herzogen schon einmal he radiert. ■— 1694.
crozitime] crazitime. — 1721. vor stont zioei Buchstaben (so?) radiert. —
1729. dietherichis.kemerere. — 1733. mir] mer. — 1749. wem s, getrennt.
1759. geclagit] ebensoxoohl ist gedagit zu lesen^ loie auch 1752, vgl.
3259. — 1781. hove] höre, r deutlich, nicht v. — 1812. vor lossam ist
ein Buchstabe {anscheinend s) radiert. — 1830. se en] dazwischen ist Raum,
genug für ein h., doch nichts radiert. — 1847. wole. — gelovit {oder ge-
lovet) steht auf radiertem Grunde; darunter stand m. .^g, dahinter radiert
lant (manig lant?). — 1846. virdructe] sie!— 1848. Obin au] Ob
man. — 1901. hoftich] loohl Yioicioh. — 1911. vor slachte ein Buchstabe
radiert. — 1916. trübe] ru verioischt, aber noch lesbar. — 1927, Anni. 194:
(■mochte] das erste e scheint nicht gelten zu sollen, da es halb radiert ist.
Der Schreiher hatte ivohl schon ein geschrieben: der i- Alf strich ist unten
noch sichtbar. — 1949. uruntshefte. — 1959. eilenden] das zioeite 1 aus e
corrigiert. — 1960. kemenatin.
2028. ir. botin. — 2051. vndankis. — 2055. gesehen] tinter dem g
ist noch der Ansatz ziim. s {von sehen) zw erkennen. — 2062. gine] ginc.
— 2065. schocn] mit diesem Worte beginnt eine Zeile; in der vorher-
gehenden Zeile steht am Rinde.! anscheinend von derselben Hand, aber
blasser schone. — 2070. harte] harde. — 2088. vromeliche] vromieh-
liche. — 2101. schonch] sie! — 2107. Niesic] Niesie. —2119. wolda]
wolde. — 2124. getän[ a ohne Strich. — 2135. got] s. zu 581. — 2137.
den] sie! — 2142. mere] mare. — 2155. iungeline, icie 2176 inginc, s.
die einleitenden Bemerkungen oben. — 2174. vor ginc scheint nicht en,
sondern in ausgekratzt zu sein. — 2182. Ich] I atis H gemacht. — 2183.
gesen] g wie 2055. — 2188. vor geruchit ist an ausgekratzt. — 2194.
vrowe] V aus w gemacht. — 2196. wollis] der zweite Buchstabe verwischt,
ich lese wellis. — 2201. sagit] loohl sagic. — 2217. einen {aus einin ge-
macht). — gvt] s. zu 581. — 2218. in diz getrennt. — 2219. ligin. —
2225. Diederich] eher Diederech. — 2229. nichein] nieheiu. — 2238.
mir] r deutlich {statt c?). — 2239. iuncge] eher iunege. — 2240. vir-
stanuch] virstaniich.
2253. voze] t aus z corrigiert, also steht vote. — 2255 ir scricte
getrennt. — 2257. zo übergeschrieben {gleiche Tinte und gleiche Hand). —
2258. beltliche] sieht aus icie boltliche. — 2262. sazte] t aus z gemacht,
410 A. EDZARDI
aho steht satte. — 2272. getrünwen] sie, aber kein Strich über u. —
2290. De] Die. - 2300. se] sie. - 2307. kemenatiii. — 2327. he blasser.
— 2329. uatir. — 2339. mimir] immir. — 23G2. moz] z in t corrigiert.
— 2400. Sinj es ist vielleicht Svi zu lesen, wobei der untere Bogen des
V etioas vericischt wäre. — 2430. arm] eigentlich steht arin. — 2434. vor
svarz sind zivei oder drei Buchstaben ausradiert. — 2461. Siedu] statt d
stand ursp: ein anderer Buchstabe.
2535. gegegin] gegegin. — 2550. sanftin, — 2555 hub] hob, o ganz
deutlich. — 2560. gerin] verwischt, soll vielleicht gar nicht gelten. —
2575. dem] deme. — 2578. svchte] sochte deutlich. — 2596. vor sinin
steht wo le am Bande {an richtiger Stelle). — 2668. werdiu] werdiii. — 2706.
Sprach, Anm. Isprach, vor s ein Zeichen, ivelches schicerlich ein I, viel-
leicht aber ein Ansatz zu D ist. — 2711. riet] reit. — 2726. Gevangin]
Gewangin {ivie die Hs. in diesem Worte mehrfach w hat). — Vor 2732
ist keine Lücke in der Hs. — 2744. au] Drzickfehler statt an.
2751. Swas] Swax. — 2769. untruwin. — 2772. irhancte] ir ist nicht
deutlich, man könnte auch n {oder u) lesen. — 2777. ymelot] e aus o
corrigiert, wie 3760. — 2779. mitir] mittir. — 2801. mannin] manliii. —
2822. vor der zwei Buchstaben radiert (de? od,er du?). — 2911. U^vol-
Uwol, innerhalb des U steht ein v. — 2944. ri|che, daztvischen zwei Buch[
Stäben ausgekratzt. — 2963. gerithe] oder geriche. — 2967. gerech] eher
gereth oder gereih. — 2969. ingegin. — 2970. berge, Anm. bürge] es
steht allerdings so, aber unter u ist ein Punkt, so daß also nicht u, son-
dern das übergeschriebene e gelten soll. — 2988. Ge alt, Baum daztvischen,
aber nicht radiert, statt alt kann man ebensowohl abt {vielleicht auch abe)
lesen. — 2999. rechte] schwerlich eh j es ist fast dieselbe Figur, die oben
1474 bei dietherches besprochen und als di gedeutet loard. Es steht deut-
lich redie, allenfalls redte.
3007. weimin] weiiiiiii. — 3049. godin] s. zu 581. — 3050. recthin
steht. — 3070. liehe] eher lithe. — 3086. hinter Alse ist r radiert. —
3132, entrowen, vgl. unten das über die Buchstaben am Bande gesagte. —
3141. be| strichin] in der neuen Zeile be noch einmal, radiert. — 3147.
disme] oder disine. — 3148. sie! — 3152. der Schreiber hatte erst ge-
atisgelassen, vgl. 2055 u. s. f. — 3156. Der] De. — 3219. ue''sagen] r steht
über 6. — 3227. ualandas. — 3243. der] die. — 3248. mit] trat.
3259. dagin] es ist wohl clagiii zu lesen, vgl. 1759. — 3319. rocther?
— 3332. ouelle] ouele^ das letzte e ist aus 1 corrigiert. — 3333. mit] oder
mic? — 3336. ungeuar] der zioeifelhafte Buchstabe ist kein u, sondern
ein aus v corrigiertes n, richtiger wohl w, dessen letzter Aufstrich etwas
kurz gerathen ist, vgl. 1512. — 3337. vor riter ist erlich ausgekratzt. —
ZUR TEXTKRITIK DES ROTHER. 411
3350. lace] c verwischt. — 3367 gemeze] sieht wie genieze aus. — 3372.
MiniS. — 3373- got] verhlasst, nur noch g leserlich. — gafej der letzte
Buclistabe sieht eher loie c oder t aus. — 3376. gote] s. zii 581. — Nach
3377 ist keine Lücke in der Hs. — 3379. herven] so sieht es aus. —
3384. meden] es steht rieden, doch ist das Wort verwischt. — 3389.
willen] villin. — 3396. michelen. louf. — Die Anm. 322 angeführte Rand-
bemerkung, von ungeübter Hand und mit schwärzerer Tinte geschrieben,
steht nach 3419 (nicht nach 3420). In derselben ist zu lesen rocger
{eher rotger) leve (v sieht eher aus wie n) frnt {oder frut) got sibich. —
3428. daz] so steht deutlich. — 3429. (D)ar] w am Rande, s. u. die Bemer-
kung über die Buchstaben am Rande. — 3443. dach] tach, — 3463. lies
(D)ie. — 3477. deme] de auf radiertem Grunde.
3506. Entfinc] Entfienc {das ziceite e ist hineincorrigiert). — 3531.
vor getrue sind Buchstaben ausgekratzt, ivie es scheint tru {vgl. 3608 u.
oben 3152 u. s. f.) — 3544. min] diu. — 3548. nach wole am Ende der
Zeile ist gv ausgekratzt {weil gunnen nicht mehr Platz fand). — 3555.
luf ten getrennt. — 3576. Sirae, Anm. „Es steht sinue"] nicht deutlich. —
3600. stestellit] gestellit; erst war zu stellit angesetzt, ivie der Schreiber
häufig ge ausließ und dann corrigieren musste. Über st ist g geschrieben. —
3603. Am Ende der Seite schon einmal tom radiert. — 3608. vor getra-
uen ist tru radiert. — 3651. werde] das r ist dem z ähnlich {s. oben). —
3669. here] herre. — 3670. Behalden] zwischen e und h scheint ein
halbradierter Buchstabe (c?) zu stehn, vgl. 4356. — 3671. Dan] sie! —
3703. uare] e ist radiert, also uar. — 3712. dir] dfr. — 3726. vnde]
darunter stand ande {vgl. Anm. 351; ande auch sonst in der Hs.). —
3745. leret] levet. — 3750. tisk, Anm. „tisz sieht'"'] w^spr. stand z, daraus
ist k gemacht, also steht tisk.
3760. ymelotin] e aus o gemacht, ivie 2777. — 3800. stite] sie! —
3803. De] e oder o. — 3839. constantanis steht. — 3839. nach bi steht
der sun {eher sim). — 3852. war°^] ne über war. — 3854. gestiche] sie! —
3855. heideniskin. — 3864. werde] worcte? s. unten. — 3867. saz] z ist
in t corrigiert. — 3868. Es steht vozscliemil. — 3884. gerorte] wohl ge-
zorte {auch das zweite r ist z-ähnlich). — 3929. beide] ei verioischt. —
3930. sin] übergeschrieben. — 3933. theiz] t steht nicht vor heiz. — 3940.
Svonner] statt r eher z. — 3949. dajdo. — 3950. hie] deutlich hir. — 3959.
uergist] deutlich ueiigist. — 3962. wilt] wult. — 3970. dene] deine. —
3973. hefFen] helfen. — 3977. Svowaz verbunden. — 3981. dar] dir, ideutlicJi.
4004. liete] licte. — 4012. uirwandelote. — Nach 4015 ist keine
Lücke in der Hs. — 4504. gesagen] ge urspr. weggelassen. — 4057. der]
d aus b corrigiert. — 4059. ( )rnarj n am Rande, vnar in der Zeile, also
412 A. EDZARDI
Nvnar. — 40G2. himilriclic. — 4084. basilistiü. — 4085. Roctere] siel —
4088. vordin] v ans w qemacJit. — 4119. sin] siiit. — 4126. daz] oder
dar {eher daz). — 4127. Dar] r deutlich. — 4141. uorze deutlich. — 4152.
zeichen] zerchen steht. — 4153. zvoch] sie! — suert, Anm. suret] oder
suvet (eher r). — 4156. breste. — 4177 sie! — 4188. dalcj c deutlich. —
4207. tengelere] sie! — 4245. sprach] ch scheint radiert und darüber ck
(tk ?) geschrieben zu sein.
4256. hande. — 4258. vor orkunde ist der erste Strich des k (von
künde) radiert. — 4284. ir sclagin getrennt. — 4303. geuet] verwischt,
aber noch leserlich. — 4331. ger wnnin getrennt. — 4345. (D)eginc] o steht
deutlich statt e. — 4356. vor h ist c ausgekratzt,, vgl. 3670. — 4363. vor
he ist radiert^ toahrseheinlich stand Ge (von Geuort 4365?). — 4402. ge-
biledot, bei Mm. undeutlich. — 4423. geborn] geborin. — 4435. Gesezzit
den unrechten. — 4444. allin. — 4447. sant] hant steht deutlich (Mm.
hatte wohl ein sog. deutsches 'i) gesehrieben, und dieses später als f gelesen),
4478. icht] loohl ichc. — 4494. ane] das fragliche Wort sieht dem 4498
stehenden ime sehr ähnlich und überhaupt erMären die Züge der Hs. die
Möglichlceit des Verlesens eines an aus im, denn loenn der Ansatzstrich
des m etioas loeit von links' atcsholt, so daß daninter i steht (wie 4498),
sieht im dem an sehr ähnlich, es ist also wohl unzxoeifelhaft ime zu lesen.
4501. in me] es stand imme, wovon der letzte Sti^ich des ersten m radiert
ist: in:me. — 4506. urowe] uroue. — 4509. ic] oder it. — 4523. we-
dichet] ich lese wetlichet (oder werlichet?). — 4533. werohaft] der frag-
liehe Buchstabe ist doch loohl o oder v, kaum c. — 4535. ge | tan. — 4539.
koninge, Ä7im. „konine, e ausgekratzt"] e seheint es zu sein, darunter
verblasst ein anderer Buchstabe; bis zum Punkte, der nicht fehlt, ist Raum
für zioei Buchstaben (ge?). — 4542. du in] du verwischt, dahinter ein
brauner Fleck, unter dem ich in zu erkennen glaube, dazwischen scheint
mir s zu stehn; es ist wohl dvsin zu lesen. — 4544. dir ze nie] sie! —
4543. over] o durch einen kleinen dunklen Fleck verdeckt. — 4545. uer-
smadis. — 4562. giuer is] ziemlich dicht an einander. — 4567. vor thoter
steht schon einmal tho radiert. — Von hier ab ist der rechte Theil der
Seite bis unten hin, nach unten sich bis zur halben Breite der Seite er-
iveiternd, frei gelassen; tcarum, ist nicht ersichtlich. — 4594. newart] ne-
warit. — 4596. Alciz] oder Aleiz. — 4600. intgegene] schon radiert, aber
noch leserlich. — 4600*. Hier sind ein und eine halbe Zeile so stark radiert,
daß nur noch weniges undeutlich durchscheint. Daz hieß das erste Wort
nicht, es scheint Sv und noch ein Buchstabe gestanden zu haben. Was
vor ie stand, ist nicht zu sehen, ein s kann ich nicht erkennen. Es steht:
Sv. . ic dcme | es . .r- (r radiert) Sie(?)', das loeitere ist gänzlich
ZUR TEXTKRITIK DES ROTHER. 413
unleserlich. — 4662. hantwerke] sie! — 4673. fuir] uir steht. — 4677.
weder (fehlt hei Mm.) luete (so eher als lucte). — 4687. maniger. —
4693. irkerinis] irkeiiilis steht. — 4721. Iiide] vericischt, aber leserlich. —
leuete. — 4725. eclich] oder edich. — 4726. Iz ni] Iz in. — 4728. ecliche]
oder ediche. — 4737. vil] vilo.
4775. Hie] wie Hie. — buuen] sie! — 4779. quamen] qua. — 4805.
vart] der erste Sirich des v ist sehr dick: zusammengelaufenes w? — 4809.
Hinter Jenich ist ein kleiner sich nach unte7i ziehender Tintenfisch. —
4811. wezgot] z deutlich. — 4838. dectte. Anm. fast dedte"] d eilte,
der dritte Buchstabe ist eher i als t. — 4842. Plisnm] sie! — 4849. me-
diet] der dritte Buchstabe könnte d gelesen iverden, ebensoivohl aber cl, tl
imd selbst rl (s. unten); der letzte Buchstabe ist t. — 4853. richtere] r
deutlich. — 4867. Doue gews getrennt. — 4883. ime] sie! — 4886. mit]
it at(f radiertem Grunde. — Nach 4908 tind 4925 ist keine Lücke in
der Hs. — 4913. ne übergeschrieben. — 4918. Daz] z m t corrigiert. —
biet] liet. — 4928. geserwe] ursj)r. ge ausgelassen. — 4932. edilime. —
4933. zvo] eigentl. zro? — 4955. claugestiau] cl könnte auch d gelesen tverden.
5005. lant | sprage. — 5007. urome] oder urvme. — 5012. Su|vert.
— 5021. frenkise] e deutlich. — 5070. lant, Anm. „es steht laur"] sant
steht! — 5090. horu] horin. — 5094. der] sieht so aus. — 5132. nichteiu]
nichts in. — 5145. got] s. zu 581. — wate] es sieht aus loie wort, ver-
wischt und durch Reagentien fast unleserlich geioorden; dahinter ist loohl
6 ausgekratzt (Bückert liest auch wort). — 5152. Du] wohl Nu, icie es
eher aussieht. — 5175. vor gemochte ist etivas ausgekratzt (m?)*).
Noch ein Punkt ist zu besprechen, die Absätze und die Buch-
staben am Rande. Die bei Mm. eingeklammerten großen Buchstaben
fehlen, obwohl Raum für sie gelassen ist, ohne Absatz in der Hs. 33.
45. 116. 134. u. s. f. (auch 3521 fehlt R), mit Absatz 100; der leere
Raum erstreckt sich über zwei Zeilen 100. 3005. 3229. 3371. 3485. Offen-
bar sollte der Rubricator die Initialen eintragen, was aber unterblieb.
Von 342 ab stehn statt dessen folgende Buchstaben am Rande**):
342 d- 364 n- 408 w; 3005 c; 3035 a; 3077 G; 3101 d- 3109 d- 3132 e
(Mm. Introicen!) vgl. 4389; 3155 d; 3177 d; 3207 N; 3229 d] 3241 d;
3261 d; 3285 v; 3343 d- 3371 w; 3429 w (Mm. schrieb (D)ar!)- 3463
*) Dieß Verzeichniss ist bei der Correctur noch einmal genau mit meiner
Collation verglichen und darf daher als zuverlässig bezeichnet werden.
**) Ich wage nicht zu beurtheilen, ob von derselben Hand oder nicht. Übrigens
sind lange nicht überall, wo die Anfangsbuchstaben fehlen, diese am Rande angegeben.
Sie können vom Schreiber zur Anweisung für den Kubricator an den Rand ge-
setzt sein.
414 A. EDZARDI
d (/ein der Zeile); 34S5 d; 3579 a; 3631 Zf?); 3653 a; 3737 R; 3765 cZ;
3787 i?; 3879 f/; 3955 cZ; 4079 (?; 4107 (Z; 4135 cZ; 4183 cZ; 4199 ?ü;
4241 d (eine Zeile zu tief); 4261 Ä; 4285 d; 4325 cZ; 4345 cZ; 4377 8;
UId d; 4493 d- 4579 ri; 4603 w (zwei Zeilen zu hoch); 4663 i^ (nicht
wj); 4705 cZ; 4729 d-, 4829 cZ; 4921 i?; 4955 d; 5021 d — Kein Absatz,
aber große Initiale findet sich 442. 466. 492. 654. u. s. f., wo nichts
bemerkt ist; dagegen macht die Hs. einen Absatz 100. 788. 796. 1120.
1347. 4921. — Kein Absatz noch die Andeutung eines solchen findet
sich 2017. 2803. — 3319 is^ in einer Zeile für die Majuskel Raum ge-
lassen, es ist aber nur ein kleines », (?) eingetragen.
2. Vorschläge zur Herstellung und Erklärung des Textes.
Nachdem im ersten Theil für viele Stellen die Lesarten der Hs.
festgestellt sind, sollen jetzt an einige dieser Stellen Bemerkungen in
Betreff des Ergebnisses für die Textkritik geknüpft werden. Auch will
ich bei dieser Gelegenheit einige andere Besserungs- und Erklärungs-
versuche vorbringen, die mir während meiner Beschäftigung mit dem
Rother einfielen*). Den Text Rückerts füge ich in [ ] bei.
159. iz quam in nie in chein [Hs. cheim] lant, wobei das erste
in Rother und die Seinen meinen muß : „von ihnen wurde nie in irgend
ein Land geschickt.." [quam nie in nihein R.].
389*^. Ursprünglich stand doch wohl durch [durc] wunder, vgl. 3022
[durc wunder R.].
454 f. Des sune waren ir sibene.
der ne legitiz ovh nie[r]gin nidere.
Die Vergleichung mit 468 ff. und 478 zeigt, daß hier der Text ver-
derbt ist. Wahrscheinlich ist durch Abirren des Schreibers eine Lücke
entstanden. Es mag gestanden haben:
Des sune waren ir [ziveleve.
helede?
zer verte {an die vart) waren ir\ sibene etc.**)
Wie dem auch sei, so ist zu nider legen doch wohl nicht rät zu er-
gänzen [R so: „vernachlässigte], sondern: das Klagen um seine Söhne.
Dieß ist an sich natürlicher (vgl. mhd. Wb. H^ 334'', wo übrigens Klage
2727 ß [meiner Ausgabe] nachzutragen ist) und, weil die Erwähnung
*) Andere sind in meiner Dissertation (Germ. XVIII 429 — 446) gelegentlich
bemerkt, nämlich 2973 riese] reise. — .3671 Dan] Den. — 3648. urovcht^ vorht. — 4883
ime\ in. — Vgl. auch den Herstellungsversuch von 4817 — 4878 p. 440 ff".
**) So daß wohl grade eine Zeile der Vorlage ausgefallen sein wird.
ZUR TEXTKRITIK DES ROTHER. 415
der Söhne vorhergeht wahrscheinlicher: „nie ruhte auch seine Klage";
auch, wie Rothers, wovon eben die Rede war.
480. von scaze {scate?) vn uan golde; dieselbe Wendung steht
590: golt vnde schaz. Der Schreiber hatte wohl die gewöhnlichere
Wendung silber unde golt im Sinne, corrigierte aber später nach der
Hs. [van silver und van golde R.].
656. dürt, urspr. stand wohl durch, daraus ward dort gemach t^,
indem o übergeschrieben (vgl. oben 2970) und h radiert ward, [dort R.]
873. gescheit (aus geschein gemacht), also war die letztere Form
dem Schreiber geläufig, und er corrigierte sie nach der Hs. zu gescheit.
So wurde oben gezeigt, daß er in satte, mote, vote, dat t nach der
Vorlage herstellte, nachdem er zuvor z geschrieben hatte.
So steht ferner 2201 sagit, aus sagic verlesen, 2238 muß mir aus
mic verlesen sein ; 4245 scheint sprach in sprach corrigiert zu sein.
Dieß alles scheint mir darauf zu deuten, daß die Vorlage ein mehr
niederdeutsches Gepräge trug, welches vom Schreiber herrühren, aber
auch aus dem ursprünglichen Gedichte stammen kann (vgl. Germ.
XVin, 419 f.). Es würde sich, soweit man überhaupt in dieser immer
noch dunkeln Frage urtheilen kann, etwa folgendes Verhältniss der
Überlieferungen herausstellen:
Original (um 1130 — 1140 an der niederdeut-
l sehen Grenze entstanden).
Umarbeitung [in Baiern?] anscheinend von einem
; Nieder- oder Mitteldeutschen verfasst.
Vorlage von H M
H
Ob die Bearbeitungen A und B auf H, auf dessen Vorlage, oder
direct auf die erste Umarbeitung zurückgehen, ist schwer zu entscheiden.
965. en uirsagete, so las nach dem oben gesagten der Schreiber
in der Vorlage. R. erklärt en = in, d. h, doch „meinen Mannen", also
„hätten sie abgerathen, wie ungerne hätte ich ihnen versagt". Con-
stantin will aber offenbar im Gegentheil sagen: „hätten sie mir abge-
rathen^ so hätte ich es bedauert [eure Bitte] versagen zu müssen."
Da nun in der Vorlage oder deren Quelle wohl nicht gut ev (= iv)
gestanden haben kann, wird en wohl aus ez verlesen sein.
4 IG A. EDZARDI
1091 ff. Silbe trogen sie die suert:
vnder in ne hette nigen werc [wert „We7'thschätzung,
Bedeutunj^^ R.]
der unwizende houe man,
noch ne dorfte niergen zo in gan.
„Hatte bei ihnen nichts zu schaffen (nicht die Schwerter zu tragen?)"
passt offenbar besser in den Zusammenhang.
Nach 1212 ist etwa zu ergänzen
Er mochte dich [alles?] biten (: mite),
1213. er iz dir [der Hs.] ane danc were ,
svie schiere [schere Hs.] er iz verbere!
„Er würde dich um alles bitten können, ehe du etwas dagegen hättest,
wie bald er es auch unterließe!" d. h. „Um was der dich auch bitten
möchte, du würdest ihm nichts abschlagen, er brauchte darum gar
nicht lange zu bitten" (vgl. 1066 f. 1077 ff.). Das Fehlen des Verses
wäre dann durch Abirren von e?- zu er zu erklären. [1214 svi R.].
1294. vnde andere dietherichis man. Die Wendung erinnert an den
Interpolator, der sie 4986 braucht. Vielleicht stand: die herren taten
ouch alsam (: Aspriän)? ,
1527. ivezei, d. h. ivez et? Doch erwartet man nach der Negation
ein anderes Verb: Herlint weiß ja grade Rath und sagt ihn unmittel-
bar darauf, [loeiz R.J.
1599. irlande {Irlande R.], Elfenbein aus Irland? Ist vielleicht ir
lande zu lesen?
1661 muß Grimme's Rede schließen, und die Verse 1662—1665
schildern die Befolgung des Rathes durch Asprian. Sollte Gr. wohl zu
A. sagen: Mit listigeme mote
Vragit dene grimmigen man etc.?
Dieß sind doch wohl Worte des erzählenden Dichters; es ist also
Vragit er dene etc. zu lesen. Daß Asprian vorher als redend genannt
sein muß, folgt aus der Antwort Widolts y^herre min''^.
1667. Do sprach Hs.] Do ist zu streichen [sprach do R.].
1759. her wurde des rovfens gedagit [gedegitR., s. d. Anm.].
1780 f her stiez [sie] mit der vust nider,
Daz sie indeme höre*) lagen [hove Mm. R.].
Die Überlieferung der Hs. („im Kote") ist augenscheinlich passender.
hör findet sich noch einmal im Rother, übrigens au einer Stelle (5147),
die wahrscheinlich dem Bearbeiter angehört.
*) nicht hortve wie auch gare, vare im Reim steht.
i ZUR TEXTKRITIK DES ROTHER. 417
2209. der dm gegnoz mochte sin [genoz R.]', ye gnoz? Dann würde
man aber dir erwarten.
2258. holtUche statt hlotliche oder hlodiche (vgl. bioliche 1393);
ähnliche Umstellungen des l und r sind nicht selten in der Hs. (vgl.
Germ. XVIII, 407 f.). [R. beltliche „fast in der heutigen Bedeutung des
Wortes bald, eifrig, rasch".] Der Zusammenhang erfordert die Be-
deutung „beschämt, verlegen" :
Die urowe harte ir scricte,
Den uoz sie vf züchte
Vnde sprach zo dietheriche
Harde blocliche:
Nu newart ich nee so ungezogin :
mich hat min vber mot bedrogen etc.
2400. Sin Mm. \sint R.]; Svi giebt auch genügenden Sinn.
2560. gerin] Wenn das Wort nicht gelten sollte, würde der Vers
allerdings zu kurz, was aber auch sonst in der Hs. sich findet (Germ.
XVIII, 393); geriten stellt R. her, eher wäre noch an ge\ya\rin zu denken.
2953 ff. Des kvningis amelgeres sune;
Iziie quam van eineme sinin kunne
Also manich ture wigant.
Iz hequam ist natürlich zu lesen (mhd. Wb. I, 904''); R liest: izne
quam.
2999. Her hat uns redie getan. Diese Lesart der Hs. darf nicht
ohne weiteres durch rechte ersetzt werden, so lange die Möglichkeit
einer Erklärung sich bietet. Ein Erklärungsversuch soll wenigstens
gemacht werden. Es ist an die im mhd. Wb. IV 594* unter b) be-
sprochenen beiden Stellen zu erinnern, in denen rede noch die alte
Bedeutung „das Gebührende, was sich gehört hat. Im mhd. (auch im
mnd.?) findet sich das Ableitungs-z (;') nicht mehr, wohl aber im ahd.
Hätten wir hier eine alterthümliche Form des Wortes mit alterthüm-
licher Bedeutung erhalten, so stände der Fall im Rother wenigstens
nicht allein. Die Bedeutung fiele mit rechte ziemlich zusammen {rechte R.j.
3105. Vere [R vele\, doch wohl = viere.
3255 ff. Swaz die moder redde,
Die tocheriz alliz dolete.
Constantine was wil lief;
Her inhatte (?) uf ir sprechen nit:
He liez si svigin unde clagin,
Biz si is gnoh [guoh Hs.] mohten [mothe Hs.] hauiu.
GERMANIA.. Neue Reihe Till. (XX. Jahrg.) 27
418 A. EDZARDI
haben Hf = „geben auf, sich kümmern um", das naheliegendste, weiß
ich nicht zu belegen. Mm. 's Vermuthung horte, harte ist zu beachten.
R.'s Erklärung: „•??/ enthoben c. acc. aufhalten: er hielt ihre, d. h. der
Mutter Rede nicht auf", scheint mir gezwungener. [Bartsch vermuthet
enahtte\. svigin (die Tochter), clagin (die Mutter), daher mohten (in der
Vorlage wohl mohte). [dagin R.].
3864. worcte (Hs. worde) „täte" [worte statt worhte R.].
3884. gezorte statt gezcnmte [gezornte R.].
3940. Svonne^, nämlich ouil unde guot [svannez R.].
3981. dir] dar, wie Mm. und R. schreiben, scheint nothw endig
zu sein; doch ist zu beachten, daß die ganze Stelle bis 3985 (wenigstens
3984) verderbt ist*). Soll 3981 humin conj. sein, so ist es die über-
lieferte Form haut doch nicht, was freilich wenig sagen will.
4493 f. Des koningis gekose
Was ime uals lose.
[R. hat noch das sinnlose äne vals ldse\ vgl. 18 einis zeines her ime
gedachte'^ 1145 loe leide ime der kuninc do saz (Germ. XVIII, 417).
4523. So iz allir wetlichet (werlichet?) ist. Jedenfalls liegt ein
Superlativ vor, also wohl wetlichest [so R. „kleidsam, angemessen, in
sofern auch 'wahrscheinlich', und in dieser Bedeutung hier"].
4542. tvaz of du sin noch gevahis [Fragezeichen R., muß wohl
fortfallen, denn sin nimmt den von scaden**) abhängigen Grenetiv vorweg.]
4775. Hie buuen capellane] Sic huuen [= R.] ist herzustellen.
4779. qua der Hs. ist aufzulösen quam (nicht quamen) vil manich
amme [R. quam].
4837 f. Rother saz bit voller haut
unde deilte widene die lant [Mm. dectte, R. decte].
Da es sich hier um die Ländervertheilung handelt, ist deilte wohl
zweifellos.
4849. Da ne was nehen scaz mer (niet?) liet. Das letzte t ist wohl
aus / verlesen [mer liep R.].
5094. sprach der koningin. Kann dev in der Vorlage gestanden
haben, wie Mm. vermuthet? Vgl. zu 965.
5145. Nu covfe dir selve got wort. Diese Lesart ist wohl herzu-
stellen und dafür die Erklärung R.'s zu acceptieren.
*) Übrigens stehen die Verse 3984 f. genau so in der Hs.
**) Wie doch wohl statt scanden der Hs. zu lesen ist.
ZUR TEXTKRITIK DES ROTHER. 419
3. Das Badener Fragment.
Das Badener Frgra. B, jetzt in Nürnberg auf der Bibliotliek des
Germ. Mus. (Nr. 27744), hat Mm. anscheinend nach dem Abdrucke
Graffs (Diut. II, 376 — 378) wieder abdrucken lassen, aber mit argen
Fehlern. Doch auch Graffs Abdruck ist, wie mir eine Vergleichung
des Bruchstücks in Nürnberg zeigte, in folgenden Einzelheiten zu be-
richtigen *) :
995''. h'ren. — 999. erwinden] i verlöscht^ sieht aber loie e aus. —
1000. zu vru ist nachgeschrieben {\) (her vor entrunnen Gr., fehlt Mm.)
— 1001. wir übergeschrieben, aber ausgekratzt. — w*den. — Punkt vor
nv(!). — 1002. d\ — 1004. D\ — 1007. ostantin. — 1008. h're. — zor-
net] zvrnet. — 1014. enchan verbunden. — 1017. frvm\ — 1019. entwelet-
hat (= Gr.) Ende der Seite. — 1020. wid* iw's h'ren. — 1022. Aspria-
nes] A 7'oth. — zorn was] zon waz steht. — 1026. kam* man. — 1035.
vngeb^de. — 1036. 37 in einer Zeile. — 1037. Imm\ — 1039. d^ —
1041. d*. — (1042=^ giioten = Gr.). — 1044. wid* saz. — 1046. vb* Ivt.
Auf der ersten Seite am linken, auf der zweiten am rechten
Rande ist die zweite Spalte scharf abgeschnitten, doch sind noch einige
Buchstaben und Buchstabentheile stehen geblieben;
p. 1 ch links neben 1010,
....ch „ „ 1011.
Da auf jeder Seite 28 Verszeilen stehn (1 : 994-1019, 2 : 1020 — 1045,
indem, wie angegeben, Vers 1036 f. in einer Zeile stehn), so ent-
sprechen jene . .ch, . .ch in der 9. und 10. Zeile von unten den Versen
984 f., welche lauten :
Den hanich ie doch bedwungin.
sine botin sin hiere gebunden.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß, nach Analogie der sonstigen
Reimcorrecturen in B, in dieser Hs. stand:
[Den hanich bedwungin] doch
[sine boten sin hiere gebunden] noch
Ferner scheint 974 mit . .r [H grozj geendigt zu haben, weil . .r
links neben 1000 steht; richtiger ist wohl . r zu 975 zu ziehen; vgl.
unten.
p. 2. neben 1046 steht rechts o oder der untere Theil eines d.
„ 1045 „ „ S
*) Da es bei einem so kleinen Bruchstücke unter umständen auf jeden Buch-
staben ankommen kann, so gebe ich auch die dort aufgelösten Abkürzungen an.
27*
420 A. KUZARDI, Zl'R TEXTKRITIK DKS TvOTHRR.
neben 1044 steht rechts ein halber Buclistabe; es kann
der vordere Theil des H sein.
„ 1043 „ „ d, ziemlich deutlich.
Diese Buchstaben müssten den Versen 1074, 1073 u. s. f. entsprechen,
und in der That sind deren Anfangsbuchstaben D, 8, H, D.
Neben 1042" steht rechts ein Grundstrich, der zu o, h, l, vielleicht
auch zu s gehören kann, neben 1042' steht deutlich d, neben 1042
nichts, neben 1041 ein Grundstrich, der zu 0 gehören kann, eher wie
J aussieht, aber auch zu anderen Buchstaben gehören kann; neben
1040 und 1039 steht nichts; neben 1038 scheint der obere Ansatz zu
D oder der untere zu N zu stehn. Hieraus ist wenig zu gewinnen, da
die Buchstabenreste zu vieldeutig sind. Immerhin können auch hier
die Verszeilen den Versen von H entsprochen haben, so daß neben
1038 Nu von 1064, neben 1041 Daz von 1067, neben 1042^ d (von
daz?), neben 1042*^ s (von so oder sie?) gestanden haben mag. Man
könnte annehmen, daß 1069 f. etwa lauteten:
d[az sie hetten min gemote] ) „
s[ie hiezen etc. )
Als Resultat scheint mir wenigstens das bezeichnet werden zu
dürfen, daß auch auf den beiden abgeschnittenen Spalten der Text
B mit H ziemlich genau tibereingestimmt haben muß. Da femer an
der Stelle der langen Verse 970. 971. 980 keine Buchstaben derselben
auf der erhaltenen Spalte stehen, ist daraus zu folgern, daß 970 f.
kürzer und 980 richtiger in zwei Zeilen geschrieben war, so daß das
links neben 1000 erhaltene End-r zu 975 gehört.
Die Vorlage von B muß gelautet haben:
1000 f. Nu sin wir her entrunnen.
Vn suln [wir] werden hie gebunden,
1024. Zu der porten nahen.
Da die alle sampt waren (?)
1028 f. vn gewunnin zwelf wagene,
die siben naht ze samene. etc.
Es ist möglich, daß diese Hs. besser als H war. Wenigstens
scheint B 1042:
Daz sie gnaistoten
Vil wnderlichen gnoten (vgl. 2464: Wunderen note)
H gegenüber das echte erhalten zu haben.
Vielleicht ist anzunehmen, daß an den Stellen, wo H und *B')
verschiedene Assonanzen haben, ein beiden gemeinsames Original noch
') Älit *li bezoichno ich die Voiln^re xnu R.
MEISNER, WIRNT VON GRA VENBERG. 421
größere Reimungenauigkeiten hatte, welche H und *B in verschiedener
Weise beseitigten, so
1000 f. H handen : geuangin; *B entrvnnen : gebunden, Original
vielleicht entrvnnen : geuangen.
Auch 1028 f. (H wagine : geladene, *B wagene : samene) kann sich die
Abweichung so erklären. Wahrscheinlicher ist aber, daß hier H das
echte hat, während *B aus metrischen Gründen änderte.
4. Das Hannoverische Fragment.
Das Fragment A befindet sich auf der Arnswaldischen Bibliothek
in Hannover. Auf eine Anfrage wegen etwaiger Versendung desselben
erhielt ich vom Freiherrn Walter von Waltheim die gütige Mittheilung
daß nach Herrn Dr. AI. Reifferscheids Vergleichung „der Abdruck des
Fragments bei Maßmann bis auf wenige unbedeutende, allein die
Wortschreibung betreffende Abweichungen, ganz genau ist".
ANKLAM, im Februar 1875. A. EDZARDI.
WIRNTS VON GRAVENBERG VERHÄLTNISS ZU
SEINEN VORBILDERN.
I.
Überall, wo von der Stellung Wirnts in der mhd. Litteratur ge-
sprochen wird, finden wir auch sein Verhältniss zu den Heroen des
höfischen Epos berührt. Man weist im Wigalois Anklänge an den Iwein
und Parzival nach, ja man stellt sogar die Meinung auf, daß Wirnt
einzelne Stellen aus Gottfrieds Tristan benutzt habe. — Die Sache
verdient eine nähere Untersuchung, da alle diese Urtheile zwar, wie
wir annehmen müssen, auf eine Vergleichung beider Theile basiert sind,
jedoch der Weg, auf welchem man sie fand, sich unserer Verfolgung
entzieht. Ich meine damit, daß wir noch keine speciellere Auseinander-
setzung haben, in welchem Verhältnisse Wirnt zu seinen Vorbildern
steht; wenn eine solche nun in dem Nachfolgenden gewagt wird, so
verwahre ich mich freilich im Voraus dagegen,, daß ich die Untersuchung
darüber zum Abschluß bringen will. Es soll und kann nur ein Beitrag
sein, weil die Beurtheilung der Abhängigkeit eines Dichters von einem
andern nur zu sehr Sache der subjectiven Anschauung ist; denn das
eine Element, welches bei solcher Beurtheilung in Betracht kommt,
422 MEISNER
nämlich dasjenige, in wie weit der Ton des Ganzen in beiden über-
einstimmt, lie<,4 mehr im Gefühle, als in anzuführenden Thatsachen.
Das andere Element aber, das Auffinden der Abhängigkeit des einen
vom andern in Einzelheiten, kann Gegenstand einer streng sachlichen
Untersuchung sein; und auf dieses habe ich mich im Nachfolgenden
beschränkt.
Man hat allgemein erkannt, daß Wirnt keinesfalls Gottfrieds Tristan
benutzt und nicht einmal ihn gelesen hat; ich könnte deßhalb wohl
hier Vilmars Urtheil übergehn , der eine Copierang einzelner Gott-
friedischer Stellen im Wigalois gefunden haben will. Allein, weil mich
diese hingeworfene Äußerung veranlasste, den Tristan auf diesen Zweck
hin eigens durchzusehen, so will ich auf das Resultat dieser Durch-
sicht hier zurückkommen. — Zwar vermag man zu einer Anzahl von
Versen des Tristan Parallelstellen aus dem Wigalois anzuführen, allein
es sind dieß meistentheils Ausdrücke und Wendungen, welche der
Sprache des höfischen Epos überhaupt angehören, oft sogar Phrasen,
welche, wie es mir scheint, durch allseitigen Gebrauch zur Versaus-
füllung, oder, um einen Reim zu erlangen, gleichsam privilegiert sind.
Es mögen Beispiele dafür folgen. Wig. 14,28 und ähnlich 213,25:
„do tet er sam die wisen tuont" ist parallel mit Tristan 17677, doch
ebenfalls mit Gregor 24. Erec 8G32. 10084; Wig. 16, 27: „wä nu schilt
unde sper , harnasch unde ors her" mit den ähnlichen Stellen Wig.
34, 34. 51, 1. 217, 34 parallel Trist. 13388, aber besser noch mit Iw. 4625.
Die bei Wirnt beliebte Schilderung Wig. 23, 31:
wan da was schoene unde jugent,
gewizzen unde ganziu tugent,
geburt unde sinne,
die sich Wig. 30, 9. 36, 20. 40, 8. 98, 30. 99, 25 variiert findet, treffen
wir auch im Trist. 1149; sie ist jedoch in Hartraanns Dichtungen so
zahlreich, daß Wirnt sie jedenfalls von ihm entlehnt hat. Ich merke
sie an Iwein 339. 1925. 2089. 2423. 3137. 3517. 6465; Erec 5899.
Greg. 693. Ebenso geht es der ähnlichen Exposition im Wig. 77, 29:
da was kunst unde kraft,
sselde unde manheit
diu het got an in geleit,
wozu Trist. 9725, aber besonders Erec 338. 2436. Iw. 1385 zu ver-
gleichen ist. Der Lieblingsvergleich Wirnts „wie ein Spiegelglas" (Wig.
29, 5. 42, 20. 108, 31. 182, 8. 192, 2), der bei Gottfried (Trist. 1905.
6617. 11008. 11730), wie bei Hartmann (Erec 2290. 4642. AH. 61) sich
findet, ist, wie Maßmann (zu Eracl. p. 375) nachweist, so allgemein in
WIRNTS VON GRAVENBERG VERHÄLTNISS ZU SEINEN VORBILDERN. 423
mhd. Gedichten, daß man Wirnten nicht anschuldigen kann, ihn von
einem Dichter speciell herübergenommen zu haben. — Im weiteren
finden wir zu Wig. 110, 24 u. 148, 21: „swaz ir weit, daz tuon ich"
Belege im Trist. 3372. 13938. 15960. 16251, wie im Iwein 243. 2290.
3622; zu Wig. 207, 30: „nu wil ich an die rede min wider grifen da
ich die lie" Trist. 7235 und Erec 1837; schließlich dürfen wir Aus-
drücke, wie Wig. 146, 29: „sol daz in iuwern hulden sin" oder Wig.
296, 36 „daz ich in wise uf ir zil" u. a., die freilich im Tristan (5118.
378. 12460 u. oft), aber auch in fast allen andern höfischen Dichtungen
M'iederkehren, nicht als Entlehnungen betrachten. — Mehr oder weniger
sind alle diese angeführten Ausdrücke und Verse geradezu dem höfi-
schen Ejios conventionell , ebenso wie es jene zahlreichen Berufungen
auf die Quelle oder Vorlage sind, die uns in den mannigfachsten
Variationen in allen epischen Dichtungen jener Zeit entgegentreten.
Man ist längst schon darüber hinaus, auf solche Verweisungen Gewicht
zu legen und hat sie für weiter nichts zu halten, als für eine Art Aus-
hilfe, wo ein Reim oder ein Versstück fehlt. Diese Ansicht ist dadurch
zu belegen, daß man in besseren Dichtungen, so besonders also im
Iwein, wenig solche Ausfüllungen antrifft, hingegen bei Gedichten
zweiten Ranges sie oft unangenehm, noch öfter aber gradezu naiv
hervorti'eten. Daraus folgt aber nicht, daß man den Tristan, in welchem
solche Wendungen verhältnissmäßig nicht selten sind, nicht unter die
hervorragendsten Dichtungen zu rechnen habe; denn die Vorzüge dieses
Werkes liegen nicht in einem exacten Stile. Der Wigalois nähert sich
in Anbetracht solcher aushelfenden Berufungen auf die Vorlage mehr
dem Tristan, als dem Iwein, aber Abhängigkeit darin von ersterem
zeigt er nicht. — Eine Stelle im Wigalois ist es, in welcher wir Nach-
ahmung Gottfrieds anzunehmen hätten, wenn wir nicht aus einer Parallel-
stelle im Iwein ersähen, daß diese Dichtung an dem betreflfenden Ort-
gemeinschaftliche Quelle für Wirnt und Gottfried gewesen; das Ver-
hältniss wird sich am klarsten durch eine Gegenüberstellung zeigen.
Iwein 1014: Trist. 6863:
ir ietweder sin sper daz si diu sper zestächen
durch des andern schilt stach daz si in den schilten brächen
üf den lip daz ez zebrach wol ze tüsent stucken,
wol ze hundert stücken. do gieng ez an ein zucken
do muosen si beide zücken der s werte von den siten.
diu swert von den siten; si giengen z'orse striten...
hie huop sich ein striten . . .
424 MEISNER
Wigal. 19, 8:
wan ir ietweders scliaft
brast ze raanegen stücken.
do muosen si zücken
diu swert von den siten:
do huop sich schoenez striten
enzwischen in beiden.
Die Verse im Wigalois stehen ersichtlich denen im Iwein viel
näher, als denen Gottfrieds; man mag sogar sagen, daß in Bezug auf
rhythmische Malerei die Wirntische Stelle den Vorrang vor den beiden
andern behauptet. — Es wäre möglich, noch andere Vergleiche zwischen
einzelnen Stellen des Tristan und des Wigalois anzustellen und Ab-
hängigkeit des einen vom andern darin nachzuweisen, wie beispiels-
weise, daß die Beschreibung des Hündchens, welches Wigalois für
Nereja fängt (60, 24 ff.). Anklänge habe an die des Petitcriu im Tristan,
daß Wirnt die sprichwörtliche Redensart „mit Karies lote wegen"
(Wigal. 256, 13) von Gottfried (Trist. 275) entlehnt; doch auf diese
Möglichkeiten hin darf man einen Einfluß des Tristan auf Wirnts Ge-
dicht nicht annehmen. — So ergiebt sich mir kein Zeugniss für Vilmars
Ansicht, und ich stehe nicht an, sie zu verwerfen.
Wir wenden uns nun zu dem Verhältnisse Wirnts zu den Hart-
raannischen Dichtungen. Es ist wohl etwas viel gesagt, wenn Pfeiffer
behauptet, die, wne wir sehen werden, gar nicht so geringe Anzahl
von Versen des Wigalois, welche solchen aus Erec und Iwein nach-
gebildet sind, seien „eine unwillkürliche Erinnerung" oder „eine
Folge des mächtigen Eindrucks"', den diese Werke beim Lesen auf
ihn machten. Freilich hatte die Leetüre Hartmanns auf Wirnt mächtig
gewirkt, allein wir dürfen dieß nicht aus den herübergenommenen
Stellen schließen, sondern aus der Anlage des ganzen Gedichtes, aus
dem Sprachgebrauche im allgemeinen darin und, wir möchten sagen,
aus dem Leben und Treiben, aus der ganzen W^elt, die uns Wirnt ent-
faltet und die eine echt Hartmannische ist. Öftere wörtliche Citate hin-
wiederum können nicht unwillkürliche Erinnerungen aus der Leetüre
sein; sonst erschienen sie gewissermaßen verarbeitet und offenbarten
sich nicht für den aufmerksamen Leser sofort als von fremdher Ge-
nommenes. Das Beispiel eines anderen Dichters, auf welchen Hartmanns
AVerke tiefen Eindruck gemacht, liegt nahe, das Gottfrieds, dessen
feines Urtheil über jenen, auf welches getrost noch jeder Litterar-
historiker das seinige begründen kann, der beste Bev/eis dafür ist.
Wir sind oben bereits einer unwillkürlichen Eriuncrunir Gottfrieds an
WIRNTS VON GRAVENBKKG VKHHÄLTNISS ZU SEINEN VORBILDERN. 425
Hartmann auf die Spur gekommen; daraus ersehen wir, wie eine solche
aussehn muß und wie sie sich umgestaltet; aber wörtliche Citate aus
dem Iwein oder Ei-ec finden wir im Tristan nicht. — Wenn nun also
Pfeiffers obige Ansicht etwas zu modificieren ist, so bleibt — um dieß
hier vorwegzunehmen — dennoch sein Wort bestehn, daß solche Citate
aus fremden Schriftstellern nicht eine Armuth an eigenen Gedanken
und einen Mangel an Selbständigkeit bekunden. Wirnt wollte vielmehr
^rade dadurch seine ihn nach damaliger Sitte ehrende Belesenheit
kund geben, sein Werk, wie es zu seiner Zeit ein beliebter Schmuck
war, durch Entlehnungen aus allgemeiner bekannten Gedichten ver-
edeln und — denn auch dieser praktische Zweck kommt sicher hinzu
— diejenigen zur Leetüre seines Werkes verleiten, welche die Hart-
mannisehe Poesie schon kennen und achten gelernt hatten. Was man
jetzt als litterarischen Diebstahl betrachten würde, war zu damaliger
Zeit allgemeine Sitte, nicht anders, wie es jener sonderbare Umstand
war, daß die besseren Dichter des höfischen Epos selbst sich nicht
scheuten, mehr oder weniger zu Übersetzern zu werden, ohne nur irgend
daran zu denken, den Namen ihres Gewährsmannes und sein Werk
zu nennen.
Ehe wir nun zu der Gegenüberstellung von Stellen und Situationen
aus dem Wigalois und aus Hartmanns Werken übergehn, müssen wir
erst klar sehn, was alles bei einer solchen Vergleichung auszuschließen
ist. Ich meine, dieß muß zunächst mit den Stellen geschehen, die, wie
wir oben schon bemerkt, allgemein in der höfischen Sprache übliche
Redensarten enthalten, als da sind: stehende Höflichkeitsphrasen (z. B.
sol daz in iuwern hulden sin Wigal. 146, 29; swaz ir gebietet, daz
tuon ich u. a.), ferner die Berufungen auf die Vorlage und alle Wen-
dungen, wobei die Subjectivität des Dichters hervortritt, endlich die
öfter sich wiederholenden Ausdrücke bei Schilderung von Ritterkämpfen,
bei Beschreibung von Menschen, Thieren etc. Nachdem wir alles dieß
abgesondert, bleibt ein kleiner Vorrath übrig, den wir als aus Hart-
mann entlehnt anerkennen müssen.
Wirnt hat sowohl auf den Erec, als auf den Iwein directe An-
spielungen, so daß wir verleitet werden könnten, zu glauben, daß nur
diese beiden ihm bekannt wären; allein er hat bestimmt auch den
ai'men Heinrich gelesen. Ob ihm der Gregor bekannt, bleibt sehr frag-
lich und ist besser zu verneinen, denn alle Parallelstellen aus dem-
selben zum Wigalois sind auch mit anderen aus dem Erec und Iwein
zu belegen mit Ausnahme des Verses Wigal. 14, 29: eine wile er swi-
gende saz, der wörtlich im Gregor 315 wiederkehrt. Daß „pfelle von
426 MEISNER
Alexandrie" (Wigal. 264, 6) im Mittelalter überhaupt allgemein bekannt
und berühmt waren, ist wahrscheinlich; jedenfalls darf daraus, daß diese
Bezeichnung im Gregor (880), aber nicht im Iwein und Erec vorkommt,
nicht geschlossen werden, daß sie Wirnt aus ersterera entlehnt habe. —
Die Kenntniss des Armen Heinrich bekundet sich bei dem Dichter
des Wigalois besonders durch zwei Stellen, die wir in beiden Versionen
einander gegenüberstellen.
AH 9 ff. Wigal. 8, 26 fr.:
Ob er iht des funde Ob ich mit mtnem munde
da mite er swsere stunde raöhte swsere stunde
raöhte senfter machen den liuten senfte machen
und von so gewanten Sachen und von solhen sachen
daz gotes eren töhte .... daz guot ze hoerene wsere ....
und:
AH 1363 ff. Wigal. 59, 15 ff.
Nu hete sich diu guote maget Nu het sich diu reine maget
so verweinet unde verklaget. beidiu verweinet und verklaget
vil nähe hin unz an den tot. daz si vil küme mohte leben,
dö erkande .... do wart ....
Bei weitem mehrfach berührt sich der Wigalois mit Hartmanns
Erec. Hier haben wir zunächst eine directe Anspielung auf Erec 1605 ff.
in den Versen Wigal. 163, 4 ff., wobei Wirnt selbst den Namen seines
Gewährsmannes Hartmann nennt. Man hat dieß bei unserem Dichter
nicht mit Unrecht lobend hervorgehoben, daß er gerade die Namen
seiner beiden Vorbilder — denn auch Wolframs ist im Wigalois ge-
dacht — angiebt. Vielleicht liegt auch in den Versen Wigal. 77, 11 ff.,
wo von dem „verligen" gesprochen wird und davon, daß ohne Kampf
und Mühsal kein Ruhm zu erlangen ist, eine directe Anspielung auf
Erecs Verliegen; doch müssen wir auch die Stelle Iwein 2790 ff. hierher
ziehen, wo Hartmann ebenfalls über das Verliegen spricht und als Beispiel
dafür den Erec anführt. Es kann also Wirnt ebensogut durch diese Stelle
zu seiner Reflexion veranlasst worden sein. — Wir finden im Wigalois
ganze Situationen dem Erec nachgebildet, von denen wir annehmen
können, daß sie nicht etwa bereits in den beiderseitigen französischen
Quellen standen. Zu der Schilderung des Reitpferdes der Enite im
P>ec (7263 ff. hat man als Parallelstellen ähnliche ebenso wunder-
bare Beschreibungen von ausgezeichneten Rossen in der Eneide Vel-
deckes 148, 15 ff. Flore 2736 und Wigalois 68, 10 ff. herangezogen. Auf
das Verhältniss der einzelnen zu einander ist hier nur so weit einzu-
gehen, als wir zu zeigen haben, daß Wirnts Detailschilderung der im
WIRNTS VON GRAVENBERG VERHÄLTNISS ZU SEINEN VORBILDERN. 427
Erec näher kommt, als derjenigen Veldeckes. Dieser letztere giebt das
ausführlichste Material; jeder Körpertheil des Rosses und jedes Stück
des Zaumzeugs ist mit betreffenden Eigenschaftsausdrücken angeführt,
wobei wir, wenn wir alles dieÜ jetzt lesen, nicht umhin können, über
solch sonderbare Begriffe von Pferdeschönheit zu lächeln. Alle Farben
sind in wunderlicher Mischung vertreten: ein Ohr und die Mähne weiß,
das andere Ohr, der Hals und der Schwanz schwarz, Kopf, ein Vorder-
bein und ein Theil des Leibes roth, die andere Seite falb, die „gouffen"
endlich apfelgrau; — das ist doch etwas zu viel für unser Vorstellungs-
vermögen. Und doch ist Veldecke noch von Hartmann auffallender-
weise überboten worden, welcher zwar nicht eine so glänzende Farben-
pracht entfaltet, hingegen einem Streifen längs des Rückgrates eine
grüne Färbung giebt. Dieß war unserem Wirnt auch zu arg; denn er
lässt zwar solchen Streif in seiner Schilderung bestehen, giebt ihm aber
Avenigstens schwarze Farbe, wodurch sein edles Roß zu einem drei-
farbigen wird, das man sich wohl vorstellen kann, mit weißem Grunde
und rothen und schwarzen Flecken. Nur die Farben sind also im
Wigalois andere, als im Erec, sonst ist die Zahl derselben und die
Vertheilung übereinstimmend. — Weiter finden wir noch den Einfluß
von Hartmanns Erec auf Wirnt in der Schilderung des Kampfes, den
Wigalois mit zwei Riesen besteht (56, 11 ff.). Im Erec wird ein solcher
Kampf V. 5287 ff. geschildert und wir können mit fast unbezweifelbarer
Sicherheit nachweisen, daß Wirnt diesen zum Muster genommen und
nicht allein nach einer etwaigen detaillierten Beschreibung seiner Quelle
gearbeitet hat. Dazu müssen wir auf die Einzelheiten eingehen. Daß
zwei Riesen stets zusammen als Gefährten auftreten und daß man
gegen solche nicht nach ritterlicher Art kämpfen kann, da sie keine
Ritterwaffen tragen, das sind allgemeinere Sagenzttge, die ein Dichter
dem andern nicht erst zu entlehnen braucht; aber vergleichen wir nur
Stellen, wie folgende:
Erec 5295: mit Wigal. 56, 17:
dö horter eine stimme do hortens eine stimme
jsemerlichen grimme — klägelich und grimme —
ferner
Erec 5503: mit Wigal. 58, 5:
daz ros nam er mit den sporn — sin ros nam er mit den sporn —
und die ganze Art und Weise, wie es zum Kampfe kommt und wie
der Kampf vor sich geht: da reiten beide eine lange Strecke — Wirnts
Ritter eine Meile weit, welcher Ausdruck sich auch an der betreffenden
Stelle Hartmanns findet, nur daß Erec hier schon eine Meile geritten
428 MKISNER
ist, ehe er den Klageruf hört, — beide auf unwegsamen Pfaden durch
„ruhen walt" und durch „gedrenge'', ohne einen anderen Wegweiser
zu haben, als den Klageruf der Frau; beiden gelingt es, den einen der
Riesen mit dem Speere zu tödten, dann springen beide vom Rosse zu
Boden und obgleich es nun einen harten Kampf setzt, gehen unsere
Helden doch beide als Sieger aus demselben hervor. — Wir stellen
endlich noch gegenüber: Erec 8128 ff. mit Wigalois 159, 37 ff., wo an
den beiderseitigen Helden hervorgehoben wird, daß sie nicht aber-
gläubisch sind, und ferner Erec 5924 ff. mit Wigalois 290, 3 ff., Avelche
Stellen beide eine Klage über die Ungerechtigkeit des Todes enthalten,
der rücksichtslos jung und alt, schön und häßlich dahinrafft. — Andere
übereinstimmende Züge und Situationen, wie z. B. das Vorkommen
von rothen Rittern in beiden Dichtungen (Erec 9018; (Wigalois 12,5
und 74, 11), der wunderbare Stein an Artus Hofe (Erec 1198; Wiga-
lois 42, 13); ferner die Sitte, vor dem Zweikampfe eine Messe zu
hören (Erec 662 ff. 8636; Iwein 4821. 6588; Gregor 1909 und oft;
Wigalois 79, 29. 114, 31) und schließlich die beliebte Wendung bei^
der Schilderung der Schönheit einer Frau, daß ihres Gleichen au*
Erden nicht gefunden werde (Erec 8929; Wigalois 23, 24. 67, 5. 108, 12)
— dieß ist wohl alles allgemeinerer Art und braucht wenigstens nicht
von Wirnt aus Hartmanns Erec entlehnt zu sein. Anders aber ist es
bei den folgenden Stellen, die ich nur citiere, da die Gegenüberstellung
des Textes zu viel Raum einnehmen würde.
igal 15, 33 und 29
=
Erec 8961.
28,35
=
328.
35, 23 und 56, 6
=
6230 (Büchl. 2, 479).
44,8
=
297.
52, 17
=
750.
58, 28 (252, 39.
258, 5.
274, 3. 280, 7)
=
867.
60,32
=
707. 6677. 8471.
72, 15
=
3196.
77, 29. 107, 28
=r
338. 2436. (Iw. 1385).
81, 19
=
862. 9253.
97, 16
=
7769.
103, 32
=
131.
116, 15
=
2363 (Iw. 2993. Greg. 481).
127, 35
^=
8826 (Iw. 1326).
129, 34
=
6900.
1(57, 9
=
540.
WIRNTS VON GRAYENBERG VERIIÄLTNISS ZU SEINEN VORRILDICRN. 429
173, 17 = 169.
185, 9 = 4553 (2733).
Auch hierbei dürfen Ausdrücke, die sonst in mhd. höfischen Epen
wiederkehren, wie „den schilt ze halse nemen" (Wigal. 16, 31 ; Erec
798. 3215; Greg. 1425), „als diu Sicherheit was getan" (Wigal. 19,38;
Erec 1017. 3905), „her guot kneht" (Wigal. 75, 23; Erec 699), ,.diu
sper under die arme slaheu" (Wigal. 171,6; Erec 808. 2791. 5501;
Gregor 1948; Iwein 5025) oder gar die einfachen Vergleiche: weiß,
wie ein Schwan (Wigal. 68, 39; Erec 329), grün, wie Gras (Wigal.
15, 21 und oft; Erec 740. 7314), hart, wie ein Stein (Wigal. 158, 33.
179, 2; Erec 433), lüter, als ein glas (Wigal. 120, 22. 144, 23. 213, 11;
Erec 4642) u. a. m. nicht als Entlehnungen angenommen werden. —
Schließlich erübrigt es, noch anzudeuten, daß vielleicht die Leydener
Hs. (B) des Wigalois oder vielmehr deren Vorlage dem Erec am
nächsten steht. Dieser Gedanke kam mir auf bei der Stelle Wigal.
257, 7, wo die erwähnte Hs. schreibt: Lanzelet von Arlach im Gegen-
satz zu der gewöhnlichen Lesart: Lanzelet der Arlac; erstere Schreibung
findet sich Erec 1630 wieder. Freilich kann ich zu meiner Vermuthung
vorläufig nur ein Beispiel anführen, nämlich Wigal. 284, 8, wo B mit
der ursprünglichen Lesart zu Erec 422 „überbaut" statt „oberhant"
schreibt.
Die Erörterung geht nun über zu dem Einflüsse, welchen Hart-
manns Iwein im Einzelnen auf den Wigalois gehabt hat. Auch hier
finden wir außer der directen Anspielung auf Iwein 1229 ff. in den
Versen Wigal. 165, 12 Entlehnung ganzer Situationen von Seiten Wirnts.
Eine solche ist zunächst der Kampf der Artusritter mit dem Fremden
(Wigal. 16, 25 fi'.), welcher sein Muster entschieden im Iwein (4611 ff.)
hat. Zwar findet sich die Art und Weise, wie ein solcher Kampf vor
sich geht, daß nämlich die Artusritter und an ihrer Spitze gewöhnlich
der übermüthige Kai von dem fremden Helden besiegt werden, auch
sonst in Artusromanen wieder, wie in des Strickers Daniel von Blumen-
thal und im Gauriel von Muntavel, und es kann also dieß ein Zug
der allgemeinen Sage sein, wenn wir nicht vielmehr anzunehmen haben,
daß auch für die Schilderungen des Kampfes in diesen beiden Dich-
tungen Hartmann das Vorbild ist; — jedoch ergeben Übereinstimmungen
im Einzelnen zwischen den Stellen im Iwein und Wigalois, daß der
Verfasser der letzteren nach der ersteren gearbeitet hat. Nicht wenige
Verse sind nämlich aus dieser Stelle Hartmanns von Wirnt wörtlich
herübergenommen worden, so:
...sprächen mit einem munde Wigal. 16,26. Iw. 4568.
430 MEISKER
harnascli unde ors (ros) her Wigal. 16, 28. Iw. 4625.
. . .was der erste an die vart Wigal 16, 30 = was der erste
an in Iw. 4665.
Segremors erreit in do Wigal. 17, 3. Iw. 4701.
Gäwein, der ie in riters eren schein Wigal. 18, 17. Iw. 4718.
Daraus ergiebt sich nicht bloß , daß Wirnten etwa bei seiner
Schilderung die Stelle aus dem Iwein vorgeschwebt, sondern daß er in
der That nach ihr gearbeitet hat. — Mit der Beschreibung der starken
Rüel im Wigal. 162, 23 ist die des Waldmenschen im Iwein 425 fF.
zu vergleichen; zwar sind die Ausdrücke bei Wirnt abgeblasster, doch
ist eine solche Übereinstimmung da, daß auch hier dieser als Nach-
ahmer erscheint. Beide Ungetüme haben dunkle Farbe, ungeflochtene
wirre Haare, großes Haupt, finster blickende Augen, lange graue
Brauen, große Zähne, weiten Mund und buckelige Gestalt. — Das Ge-
spräch, welches Hartmann zur Belebung der Erzählung im Iwein
(2962 ff.) einflicht, wobei er selbst und vrou Minne die Unterredner
sind, kehrt im Wigalois (149, 9 ff.) wieder, nur daß hier der Dichter
sich mit seinem „kranken sin" unterhält. Der erschöpfte Iwein, welcher,
als er aus seiner Schmach erwacht, sich fragt:
bistuz Iwein, ode wer?
hän ich geslafen unze her? (3509)
hat sein Pendant bekommen im Wigalois, der in ähnlichem Selbst-
gespräch ausruft (150, 18):
Wigalois, mäht du mir sagen,
waz Wunders hat dich her getragen
allez min leben ist ein troum . . .
und ihre beiderseitige Rettung aus solch hilflosem Zustande geschieht
durch edele Frauen und zwar in höfischer feiner Zucht, damit den
Helden ihre „schemelichiu schände" (Iwein 3490; ähnlich Wigal. 152, 13)
nicht wehe thun solle. Endlich ist vielleicht noch die Erzählung, wie
Iwein sich zu dem Abenteuer am Brunnen heimlich aufmacht, unbe-
waffnet auf seinem Pferde ausreitend, und dem getreuen Knappen be-
fiehlt, die Rüstung ihm in den Wald nachzubringen, mit der Stelle bei
Wirnt zu vergleichen, wo Gawein von Liebe zu seiner Gemahlin Florie
getrieben, heimlich von Artus Hofe sich wegbegiebt, wobei die ange-
gebenen einzelnen Züge aus dem Iwein auch wiederkehren. — Wir
schließen hieran die Entlehnungen einzelner Verse und Wendungen
aus Iwein, die sich im Wigalois finden :
WIRNTS VON GRAVENBERG VERHÄLTNISS ZU SEINEN VORBILDERN. 43I
Wigal. 18, 17
=
Iwein 4718.
18,25
=
4393.
19, 8
—
1014.
19,18
=
7124.
23,31.
30, 10.
36 20.40,9
.
98, 30. 99,
25
=
339.1925.2089.2422.3137
3517.
35, 1
=
7790.
55,3
=r
1263.
61,32
=
5012.
67,8
=
1683.
68,2
=
2959 (554 u. oft).
77,29
=
1385 (Erec 338).
78,39
=
6751.
93, 18
=
5311.
116, 34
=
5351 (5204).
127, 34
=
1326 (Erec 8826).
131,2
=
1136.
152, 13
=
3490.
152, 26
=
6309.
171,6
r=
5025.
171, 14
—
479.
175, 1
=
6724.
185,2
=
7563.
192, 25
=
2230.
238, 1
=
8065.
239, 37
(55, 25)
=
6686.
244, 33
=
6200.
Durch diese Aufstellung der von Wirnt aus Hartmanns Werken
entlehnten Stellen ergeben sich mir einige Vermuthungen, die schließ-
lich hier ihren Platz finden mögen. Sicher ist, daß aus dem Iwein viel
mehr Verse wörtlich herübergenommen sind, als aus dem Erec, und
wenn man solche wörtliche Benutzungen, wie es kaum möglich ist, als
bloße Remiuiscenzen nicht ansehen kann, so ergiebt sich daraus, daß
Wirnt eine Hs. des Iwein vor sich gehabt hat. Die aus dem Erec ent-
lehnten Stellen erscheinen im Wigalois viel mehr verarbeitet, woraus
man also eher auf unwillkürliche Erinnerungen schließen kann. Allein
ein anderer Punkt drängt sich uns bei Durchsicht der obigen Zusam-
menstellung noch auf, daß nämlich nach dem Ende des Wigalois zu
die Entlehnungen aus Hartmann abnehmen nnd zwar so bedeutend.
432 SPRENGER
daÜ in dem zweiten Drittel von Wirnts Dichtung nur etwa die Hälfte
der Parallelstellen aus Hartmann nachzuweisen ist, die wir zu dem
ersten Drittel fanden ; im letzten Theile zeigen sich kaum noch Spuren
von Entlehnungen aus Iwein und Erec. Diese Thatsache wird zunächst
dadurch erklärt, daß während des Dichtens Wirnts „kranke kunst"
gestärkt ward, so daß er überhaupt in der letzten Partie seines Werkes
eine freiere Entfaltung seines Talentes zeigt; der Hauptgrund zu obiger
Erscheinung aber ist der Einfluß Wolframs, welcher, wie später gezeigt
w^erden wird, in der zweiten Hälfte des Wigalois schnell wachsend
zunimmt.
BERLIN. Dr. HEINRICH MEISNEK.
DIE BENUTZUNG DES PARZIVALS DURCH
WIRNT VON GRAVENBERG.
Bekanntlich hat Wirnt von Gravenberg in seinem Wigalois, nach-
dem er sein Werk etwa bis zur Mitte in der Stilart Hartmanns von
Aue verfasst, dann Stücke des Parzival erhalten und von da an sich
durch Wolframs Stil beeinflussen lassen. Wie viel ihm von demselben
zugekommen, ist noch nicht ausgemacht. Lachmann handelt darüber
an zwei Stellen. Zum Iwein S. 479 bezeichnet er die Frage als offene.
Sichere Beispiele der Entlehnung von Wolfram weiß er nur aus den
drei ersten Büchern des Wigalois aufzuführen, ob Wirnt bei Z. 11569
(munt von wibe nie gelas) schon den Anfang des 5. Buches vor Augen
gehabt, scheint ihm zweifelhaft. Zu Wolfram S. XIX unten spricht er
sich dagegen so aus: 'Wirnt v. Gr. kennt (Wig. 8244) das zweite,
(Wig. 6325) das dritte, nicht das sechste (Buch des Parzival), aus dem
ihm in seinem Zusammenhang sonst Kundrie hätte einfallen müssen'.
Bei einer genauen Vergleichung des Parzival und Wigalois in dieser
Beziehung hat sich mir ergeben, daß sich Entlehnungen aus sämmt-
lichen sechs ersten Büchern des Parz. bei Wirnt nachweisen lassen.
Ich werde dieselben nach der Reihenfolge der Bücher des Parz. in
Folgendem aufführen. Doch betrachten wir vorher den Einwand Lach-
manns, den er gegen die Bekanntschaft Wirnts mit dem sechsten
Buche macht. Es ist allerdings Wirnts Art an geeigneten Stellen seines
Gedichtes an ähnliche Personen und Situationen im Parzival zu er-
innern. So erwähnt er 8242 die Bestattung des Gahmuret zu Baldac
DIE BENUTZUNG DES PARZIVALS DURCH WIRNT VON GRAVENBERG. 433
aus dem zweiten Buche und stellt 6325 die Schönheit der Jeschute in
Gegensatz zu der Abscheulichkeit Rüels und erinnert dabei an eine
Situation im dritten Buche des Parzival. An gleicher Stelle, fordert
L., hätte ihm die Cundrie einfallen sollen. Es lässt sich aber erweisen,
daß Wirnt die Cundrte gekannt hat, da er viele Züge zu seiner Rüel
der Beschreibung der ersteren bei Wolfram entlehnt hat. Ich setze
die ähnlichen Stellen aus der Schilderung beider hex\
Wig. 6292 heißt es von Rüel:
ir här enphlohten unde lanc
ze tal in ir buoge ez swanc
Parz. 313, 17 von Cundrie
über den huot ein zopf ir swanc
unz üf den mül: der was so lanc.
Ferner Wig. 6297.
groze zene, witen munt
si het, oren als ein hunt.
diu hiengen nider spanne breit.
Vergl. mit Parz. 313, 21
si was genaset als ein hunt.
zwen ebers zene ir für den munt
giengen wol spannen lanc.
Dazu vergl. auch Wig. 6394:
si het houbet als ein hunt,
lange zene, wlten munt.
Rüel hat Wig. 6323 ballen herte als einem bern. Vergl. Parz.
313, 29 Cundri truoc oren als ein ber.
Demnach scheint die Annahme zulässig, daß Wirnt die Cundrie
hier deßhalb zu erwähnen vermeidet, weil jedem seiner Leser, der mit
dem Parzival bekannt war, diese bei der Ähnlichkeit der Schilderung
von selbst einfallen musste. Auch wäre die Schilderung zu lang ge-
worden, die schon durch die Erwähnung der Jeschute an derselben
Stelle breiter geworden war.
Ich zähle nun die einzelnen Entlehnungen nach der Reihenfolge
der Bücher des Parzival auf.
Parz. I.
9, 11 din manheit ist üz erkorn
vergl. Wig. 11290 ritter wol geborn,
der manheit was üz erkorn.
56, 3 so wirt ab er an strlte ein schür,
den vinden herter nächgebür.
GERMANIA. Keue Reihe. VIII. (XX. Jahr , 28
434 SPRENGER
Vgl! Wig. 9417 herzeliebe ist ein schilr,
dem libe ein hertcr nächgebür.
vgl. auch 10987 vil herte nrichgebüre
wären in die sarjante.
Auch Wig. 11552
trasret schäm ob allen iuwern siten
lässt sich vergleichen mit Parz. 3, 5:
schäm ist ein sloz ob allen siten.
In diesem Buche des Parz. (27, 29) erscheint auch zuerst das
golt von Azagouc, das Wirnt daher entlehnt hat (s. Lachmann z. Nib.
417, 6).
Parz. II.
69, 11 da sich die ponder wurren
Wig. 8453. Sü sich der poinder wirret.
Dazu vergleiche noch
106, 2. die poynder sich tä flähten.
mit Wig. 8449. so sich die poynder flsehten.
73, 7. da wart verswendet der walt.
vgl. Wig. 11105. den walt si vers wanden.
Dieselbe Wendung findet sich noch 79, 22; 81, 9 und Wig. 10998.
78, 7 heinlich gevaterschaft
wart da zefuort mit zornes kraft,
vgl. Wig. 8848. da wurde gevaterschaft zertrant.
und 10966. da was dehein gevaterschaft.
103, 18. dö brast ir freuden klinge.
Wig. 10123. diner freuden klinge.
muoz bresten von der meintät.
An die Bestattung Gahmurets zu Baldac wird, wie schon erwähnt,
8244 erinnert. Hier hat Wirnt auch die Schilderung des Sarges von
Wolfram entlehnt. Vergleiche
Parz. 107, 1. mit golde loart gelieret,
groz riheit dran gekeret
mit edelem gesteine,
da inne lac der reine
mit Wig. 8300.
sus wart der sarc geheret,
groz richeit dran gekeret.
Vielleicht ist hier auch zu vergleichen
109, 11. der aller ritter bluome wirt
mit Wig. 10218. der ir herzen bluome was.
DIE BENUTZUNG DES PARZIVALS DURCH WIRNT VON GRA VENBERG. 435
Doch findet sich hluome schon bei Hartmann bildlich gebraucht:
a. H. 60.
Parz. III.
Es ist zu vergleichen
108, 28. ein stam der diemüete
mit Wig. 9297. her Wigalois, der triuwen stam.
denn stam in metaphorischer Bedeutung ist Wolfram eigenthümlich.
Ferner 116, 13. wipheit, dm ordenlicher site
dem vert und fuor ie triwe mite,
und Wig. 8268. mit zühteclichem sinne
lebt si nach wiplichem site:
dem volgte ganziu triuwe mite.
Zu vergleichen ist auch
131, 20. ir was sin kraft ein ganzez her
und Wig. 6364. ir einer Sterke was im ein her
wegen der Personification von kraft und sterke. Die Redensart
*einem ein her sin selbst ist sprichwörtlich und findet sich bei Wirnt
auch V. 6609. In diesem Bache findet sich auch zuerst die Form
tavelrunder, die Wirnt am Ende seines Gedichtes anwendet, obgleich
er vorher mit Hartmann tavelrunde sagt [s. Lachmann z. Iw. 4530].
Vielleicht ist noch hierher zu rechnen: 'liär üzer swarten brechen'.
Parz. 138, 17 — 19. Wig. 7711, da wenigstens Hartmann das Wort sivarte
vermeidet. Dann ist noch zu vergleichen 141, 3 sin triwe er nie ver-
scherte mit Wig. 10263. diu triuwe ist verschertet und 11502. triuwe
äne valsches scharten und zuletzt
178; 3. des ist mir dürkel als ein zun
min herze von jämers sniten.
mit Wig. 7740:
mit so jsemerlicher klage,
da von ir herze dürkel wart.
Daß Gurnamanzen's Rath dem 3. Buche des Parz. nachgebildet,
bemerkte schon L. z. Iw., S. 479.
Parz. IUI.
Vielleicht ist es nicht zufällig, dass, wie 181, 13, so auch Wig. 6547
gerade 60 Ritter erwähnt werden. Sonst bietet dieses Buch weniger.
Zu vergleichen ist etwa noch
197, 8. ietweder ors üf hähsen saz
und Wig. 6656. diu ors geliehen wanc
üf die hähsen täten nider.
28*
43G SPRENGER, DIE BENTTZUNG DES PARZIVALS etc.
203, 9. der alte und der niinve site
findet sich auch Wig. 10817.
Parz. V
ist wenig benutzt. Ausser dem schon von L. bemerkten 'munt von
wibe nie gelas' 224, 12, das Wig. 11569 wiederkehrt, ist nur noch zu
bemerken , daß der zwölfsilbige Vers Wig. 10506 uns enhale diu
äventiure gelogen in der Handschrift B ganz gleichlautend mit Parz.
224, 26 überliefert wird. Man kann zweifeln, ob hier Reminiscenz des
Schreibers vorliegt, oder ob der Dichter selbst so geschrieben hat. Doch
scheint mir letzteres wahrscheinlich und die Lesart von B in den
Text aufzunehmen. Gerade
Parz. VI
ist von Wirnt reichlich benutzt. Es ist neben den oben erwähnten
Ähnlichkeiten in der Beschreibung der Rüel und der Cundrie des
Parz. noch folgendes anzumerken:
V. 281, 21. diz msere ist hie vast undersniten
kehrt fast wörtlich wieder
Wig. 10815. diz msere ist hie mit undersniten.
Ferner ist zu vergleichen
297, 11. er was ir fuore ein strenger hagel,
noch scherpfer dan der bin ir zagel.
mit Wig. 7790. owe dir, Tot! du bist ein hagel.
vil bitter riuwe treit dtn zagel.
313, 6 wird Cundrie genannt 'der freuden schür , ebenso Lion
Wig. 9820, 10718.
Zusammenzustellen ist auch
313, 8. ein kappe wol gesniten
al nach der Franz oiser siten.
mit Wig. 10548. ir rok und ir mantel lanc,
wol bezogen unde gesniten
nach der Franzoiser siten.
315, 3 heißt es von Artus :
din stignder pris nü sinket,
din snelliu wirde hinket,
damit ist zu vergleichen
Wig. 11681. daz der werlt freude sinket
und ir ere hinket.
hinken auf ein Abstractum angewendet, findet sich im Parz. vorher
nur noch 115, 5 sin lop hinket ame spat.
JEITTELES, MITTHEILUNGEN AUS GRAZER HANDSCHRIFTEN. 437
318, 29 wird die Burg Munsalvaesche ^jämers zu genannt. Dem
ist nachgebildet bei Wirnt die Benennung der Burg Korntin als ^der
fröuden zit Wig. 9238, 11615. — Parz. 327, 12 wird der Ausdruck
'der fröuden zil von Condwiramurs gebraucht; Wig. 8359 wird Larie
so bezeichnet. Zu vergleichen ist auch Wig. 9699 minneclicher frou-
wen vil, der schoene ist gar der fröuden zil.
Ueber das sechste Buch hinaus findet sich keine Stelle, die von
Wirnt nachgeahmt wäre. Es ist also anzunehmen, daß er nur die
ersten sechs Bücher gekannt hat. Überschauen wir aber die gesammelten
Stellen, so ergibt sich zugleich, daß der Dichter diese sechs Bücher
nicht nach und nach, sondern zugleich hat kennen lernen. Das gibt
zu der Vermuthung Anlaß, daß auch Wolfram sein Werk nicht Buch
für Buch habe ausgehen lassen, sondern erst nachdem die ersten sechs
Bücher, die einen gewissen Abschluß der Erzählung geben, vollendet
waren, Abschrift und Verbreitung gestattet habe.
GÖTTINGEN. R. SPRENGER.
MITTHEILUNGEN AUS GRAZER HAND-
SCHRIFTEN.
1. Segeiis§pruche.
a) Hirtensegen.
Der in Grimms Mythologie 1. Ausg. S. CXXXVII mitgetheilte
Spruch findet sich in folgender fast wörtlich übereinstimmender Form
auf dem letzten Blatte eines lateinischen Papiercodex aus dem 15. Jahrb.,
welcher der k. k. Universitätsbibliothek in Graz gehört und daselbst
unter Sign. 38/31 4". aufgestellt ist.
Ich treib hewt aus in unser lieben frawn haws in Abrahams
garten, der lieber herr sand Mertein schol heut meinis fich phlegen ^) und
warten und der lieber herr sand wolflgangus, der lieb herr sand
peter der hat den hymelischen slussel, dy versperrent dem wolflf
und der wulpin yren drussel, das sew weder plutt lassen noch pain
schroten, des helfF mir der man, der chain übel nye hat getan vnd
dye heyligen v wunden pehüten mein fich von allen holzhunden.
V pater und v Ae Maria.
') Hs, phelhen; davor stehen die durchstrichenen Worte: phleger sein.
438 JEITTELES
Die gereimte Beschaflfenheit des Spruches ist deutlich; ich will
sie durch folgende metrische Reconstruction, die natürlich nur auf
Wahrscheinlichkeit Anspruch macht, dem Auge und Ohre erkennbarer
werden lassen.
Ich treib heut aus
in unser lieben frauen haus,
in Abrahames garten.
der liebe herr sant Märten
schol heute meines fihes
phleger sein und warten
und der liebe herr Wolfgangus,
der liebe herr sant Petrus
mit dem himelischen slüßel
die versperrent dem wolfe
und der wulpin iren drüßel,
daß seu wdder blüt laßen
noch bain schroten.
des helf mir der man,
der chain übel nie hat getan^
und die heiligen fünf wunden
behüten mein fich vor allen holzhunden.
Neben dem Endreim schlägt zugleich die Allitteration noch in
wahrnehmbaren Tönen ans Ohr, so in Vers 10. 11 loolf und loulpin,
12. 13 hlut und bain und endlich in dem Schluß verse hehiUen und
holzhunden. Die Verse 12. 13 erinnern unwillkürlich an die anklingende
Stelle des 2. Merseburger Zauberspruches: söse benrenkt, sose bluo-
trenki, sose lidirenki. Kein Zweifel nach alledem, daß in obigem
Spruch trotz arger Entstellung die ursprüngliche Form noch theil-
weise erhalten vorliegt.
Denselben Segensspruch kennt nun auch noch der lebendige
Volksmund. Es dürfte nicht uninteressant sein seine heutige Gestalt,
wie sie z. B. in Obersteiermark erscheint, mit jenem altern Texte zu
vergleichen. Ich verdanke dieselbe der gütigen Mittheilung der Freiin
Fanni von Thinnfeld in Deutsch-Feistritz, die den Spruch in der
Mitte der fünfziger Jahre um Neujahr von einem alten Manne in feier-
licher, halb singender Weise vortragen hörte. Wie mir die Freiin
schreibt, scheint der Vortragende 'ein Almhalter gewesen zu sein, der
zu Neujahr heraus ins Thal gekommen war, um seine Vorräthe zu
ergänzen, indem er auf seinen Haltersegen hin betteln gieng'.
MITTHEILUNGEN AUS GRAZER HANDSCHRIFTEN. 439
Halter Segen.
Glück herein und Glück heraus!
es trittet ein alter Almhalter in euer Haus,
im süßen Namen Jesu trittet er herein,
und alles soll gesegnet sein:
euer Rinder, Schof und Schwein
sowie der wahre Kelch und Opferwein!
Kommt der heilige Petrus mit dem Himmelsschlüßel,
spirrt allen wilden Thieren er den Rüßel,
dem Bären seine Pratzen,
dem Wolfen seine Zung'
und dem Luchsen seinen Mund,
daß er kein Häutl nit zerreißt,
kein Beinl nit zerbeißt
und kein Blutstropfen nit saufen kann.
Wer diesen Segen spricht, wird selten krank. —
Der Haltersegen ist gesprochen
auf ein Jahr mit zwei und fünfzig Wochen.
h) Waffeusegen.
Swer den segen all tag spricht, der sol daz sicherleichen *) ge-
lauben, daz in chaiu waiFen^) nicht verbimden mag. Herr, ich euphilch
mich hiut in al dein macht und in des heiligen chreuzes^) chraft und
in die cheusch meiner frawen sand Marien^). Vor allen meinen veinden^)
sichtigen und unsichtigen gesegen mich der segen, den der priester
tut mit unserm herrn über sein heiligez ^) plüt , daz unserm herrn auz
seinen heiligen fünf wunden wut'). Daz sei uns hiut und ze allen
Zeiten vor allen wuntwaflfen gut. Und vor allen unsern veinden ^) unser
sei und unser lösten zeit, vor den posen gaisten muzen wir hiut und
ze allen zeiten als wol gesegent sein als der chelch und als der wein
und als daz lebentig^) prot, daz unser herre seinen heiligen jungern
pot, vor allem ungelüche, daz uns schedleich sei an leib oder an sei.
Dar zu sprich v pr. iöif. und v ave maria.
Papierhs. 41/85 in klein 4". der Grazer Universitätsbibliothek.
Mitten unter lateinischen Tractaten, Interlinearglossen und Gedichten
befindet sich ein Blatt mit deutschem Text, an dessen Ende obiger
') Siecherleichen. ^) waffen fehlt. ') chrseutz. *) Maria. *) veite.
*) heiliges. ') wut. ') veiden. *") lemtig.
440 JEITTELES
Waffeusegen steht. Die ursprünglich poetische Form desselben ist aus
den noch erhaltenen Reimen unschwer zu erkennen. Unmittelbar voran
geht in der Handschrift folgendes Gebet: Hwan ein mensche an dem
tot leit, so sol man im daz pet vor sprechen: herr, durchgenz [mich] mit
der gab des heiligen gaist (sie), herr, trench mich auz dem Ursprung
deiner gruntlosen parmherzichait, herr, durchleuchte) mich mit dem
Spiegel deiner chlaren'*) gothait und ain pater noster, ave Maria.
Es ist dieselbe Handschrift, aus welcher Anton Schönbach in der
Zeitschr. f. d. Alterthum XVHI, 80—81 einen Wundsegen und eine
Traumdeutung mittheilte.
2. Von den vier Temperamenten^).
1. Wildu menschen art
ganz auf erden werden*),
weiser man, gelart,
daz du in derchennest am gesiebte,
Der sangwineus ■'')
gerne®) lachet, wachet'),
singet und auch muz^)
gütig sein dem guten, arg dem wichte,
Menleich und zürnet seiden®),
sein antlutz rot und offenwar gefrütet '") ;
wirt^') Zornes flamm sich melden,
in im sein mut mit grimmes räche wütet;
wild und "^) cheusch, rechtleibig,
von adel seines plütes,
an rechter stat peleibig
und ist getreues gemütes.
art der luft der selbig hat,
feucht und warm ^^) nach aller maister richte.
2. Der colericus
ist geformet, normet
und gesittet sus '■*) :
rauch sein prust und lutzel mag vertragen,
Trugehaft er ist,
') durch laicht. ») chlam. ») Titel fehlt. *) s. mhd. Worth. III, 605.
') sangvviner. ") gern. ') nemlich er ist mtmter. *) singet fehlt.
•j vne zürnet selten. ""j a. mhd. Wtb. III, ;^90. Hs. geferwet. ") weit.
") und fehlt. '^) warrab. •*) stift.
MITTHEILUNGEN AUS GRAZER HANDSCHRIFTEN. 441
sneller spräche, räche
und auch hoher list,
frezzig, als die alten maister sagen,
Freidig, geraines leibes;
er geit auch mer durch ^) rümes den durch ^) milde;
auch gert er manigs weibes
und doch lutzel mag; gelvar [ist] sein pilde;
gar raid ist sein gemute,
als oft sein har pezaiget,
zu zorn und auch zu gute
sein herz sich palde naiget.
feuers art der selbig hat,
trucken heiz den steiz, die maister sagen '^).
Von der chünste ainfluzz^)
ich wol chenne, nenne
den flegmaticus. *)
er ^) ist vaizt ^) und ungeraines ') leibes,
Weiz sein aneblick^),
gar zu plunsen^) dunsen,
und auch slseferig ^") ;
er mag vil und gert doch lutzel weibes;
Faul, frezzig unde trsege^^);
er spirzet*'^) vil und wirt auch leichte suchtig,
unsauber albege ^^)
von feuchte groz, zu der gepürde tüchtig;
die wazzersucht in irret
vil mer den ander leute;
von wizzen er sich verret,
daz ich sein lob treute '*).
wages art der selbig hat,
feucht und ehalt, daz du peweret ^^) schreibest.
Melancolicus
hat vil tadel, adel,
doch ich sagen muz
von im: er ist dechtig^^) und ist weise,
*) durich. ^) iagn. ^) chiinst ain flüzz. •») flemnatic^ ^) ez.
*) vaist. ') ungeray (sie). *) antlutz. ') vgl. Schmeller bayer. Wtb. V, 459.
•") sleffrig. Cod. pal. schlaffet dick. »») vnd tregS. ") s. mhd. Wtb. II/2, 514,
Schmeller IP, 685. ") albeg. '♦) nicht treute. '*) pewert. '«) = beda;chtig.
442 JEITTELES
Freuden [er] lutzel acht;
zu getichte phlichte
hat er unde ^) lacht
selten, an dem selben ich in preise;
Neidisch '^) und grozer cherge,
zu allen Zeiten er sorget unde trübet '),
der geitichait ain verge;
chünst und schetz er pirgef) und vergrübet^);
sein antlutz plaich geschicket ^)
und selten lang ze sehen,
oft auf die erden er plicket,
plod ist er, hör ich jehen.
Irdisch') art der selbig hat,
trucken ehalt, sagen uns die maister greise *).
Seit wir an gestalt
daz gemüte, gute
des menschen chennen^), pald
lieb dem ain '"), .hazz wir dem andern tragen,
Merch^^) du weiser lai:
wie gar freundig pündig "^)
sint durch liebe ^^) zwai,
häzzig zwai die er sich nie gesagen^*).
Gleich freut sich seins geleichen,
so sprichet der nature maister lere ^^),
daz niemant chan verstreichen:
zwo gleiche ^^) art, stat^'^) gunst, zu sammen'^) clieren ^^).
Papierhs. 40/11 in 8° der Universitätsbibliothek in Graz. Zeilen
unabgesetzt. Der Text dieses Heinrich von Mügeln angehörigen Ge-
dichtes (vgl. Schröer S. 485) ist vielfach verderbt*). In demselben Codex
steht von derselben Hand geschrieben ein deutscher Cisiojauus, den ich
demnächst in diesen Blättern zu veröffentlichen mir vorbehalte.
') vnd. *) neides. *) sarget rnd trübet. ■•) purget. *) ver-
grebet. ^) geschichet. '') In dise. *) weisen. *) chennet.
*") lieb dein. ") merich. **) verbündet, s. Lexer Handw. I, 382.
*^) durich liebew. '^) gesahen. '^) 1er. '^) gleichew. '") sart.
'8) samme. *^) der Schluß der Strophe fehlt.
*) jlch habe die Heidelb. Hs. .392, Bl. 115 zur Berichtigung herangezogen. K. B.]
MITTHEILUNGEN AUS GRAZER HANDSCHRIFTEN. 443
Grereimte Gebete des 15. Jahrh.
0 almäclitiger vater herr Jesu Christ,
die leibuarung du uns geben pist;
die sei gesegent und perait
uns allen mit aller sseligkeit,
daz uns darinne beruer kain wee:
daz welle got, sprechet benedicite,
0 herr, haiz daz ez gesegent sei.
got Avon uns und dem ezzen pei
und auch dem getrank,
daz ain iegleich mensch got also dank,
daz er sich über uns erparm.
Gelobt sei got, sprechet reich und arm,
die drivalt in dem höchsten thron,
die loben wir mit dem kyrieleison:
got vater von himelreich,
weschirm uns hie und dort ewigleich
durch ^) deinen vil heiligen namen
vor allem übel. Amen.
Groz lob sagen wir dem herrn^),
alle menschen sollen in loben gern;
mit uns ist sein parmherzigkait,
ewig ist sein weishait.
Der drivalt sagen wir lob und ere,
die ie was und ist immermere,
darumb sagen wir dank^) dir, herre gott,
umb alle die speise, der uns ist not,
und wir loben dich mit vorchte und mit schalle'*)
umb die gab und guettat alle,
die du uns geist auf erdreich.
Also hilf uns, herr, in dem himelreich;
des namen gesegent ist an ende,
sein hilf uns allez laid wende.
Got, ain loner aller gueten sache,
gib uns hie und dort gemache
') durich. , *) herren. ') dank fehlt. *) mit reichem schalle.
444 K. TH. HEIGEL
mit ganzen freuden und immermer ')
und von wem die speise ist komen her. Amen.
Da unser lieber herr zu tische saz
unt gar tugentleich zu seinen jungern'') sprach:
*ir niezet^) mein fleisch und trinket mein pluet,
daz soll eu allen wesen guet',
herr, des mach uns weise;
dein kreuz sei unser speise,
dein durnen krön*) sei unser tisch,
dein scharfez sper sei unser visch,
dein rosenvarbez pluet sei unser trank,
deine wort und deine werch*) sein^) unser gedank.
0 menschait ploz,
0 marter groz,
o wunden tief^
o pluetes chraft,
0 todes pitterkait '),
0 gotleiche süezigkait,
hilf uns zu der ewigen sseligkeit. Amen.
Papierhs. 38/37 in 4P. der Grazer Universitätsbibliothek. Mitten
unter lateinischen Tractaten stehen diese und andere deutsche Gedichte
und Gebete.
INNSBRUCK. ADALBERT JEITTELES.
BRÜCHSTÜCKE AUS EINEM PASSIONALE,
Die nachstehend mitgetheilten Bruchstücke fand ich auf der Ein-
banddecke eines Einnahraenbüchleins des Gotteshauses St. Silvester zu
Pfaffenhof en , das unter den Codices des Stiftes St. Stephan zu Augs-
burg im ]\Iünchner Reichsarchiv verwahrt ist. Die beiden Pergament-
blätter in Folio sind zweispaltig beschrieben, jede Spalte zählt 38 Zeilen.
Die überaus deutliche und gleichmäßige Schi-ift gehört der zweiten
Hälfte des 14. Jahrhunderts an, wie auch die Sprache auf diese Zeit
') ymmemer. ') zu seinen lieben jungern. ') nysset. *) dwrne krön.
*) werich. *) sei. ') pitterichkaitt.
BRUCHSTÜCKE AUS EINEM PASSIONALE.
445
verweist. Wie der Inhcilt ergiebt, gehörten die Bruchstücke ohne
ZAveifel zu einem andern Passionale als dem bekannten. Die Mundart
deutet auf Schwaben.
Die 154 Verszeilen auf dem vorderen Deckblatt enthalten Bruch-
stücke aus der Legende der hl. Maria Magdalena. Auch hier ist die
Einheit der Personen der Maria Magdalena, der Maria von Bethanien
und der Sünderin, von welcher St. Lucas spricht, festgehalten, wie
dieß unangefochten im ganzen Mittelalter geglaubt wurde, bis Jaques
Lefevre, auf die Autorität des Origenes und Johannes Chrysostomus
gestützt, 1516 die Annahme einer Verwechslung dieser Personen be-
gründete. Die Scene im Hause des Pharisäers ist völlig übereinstim-
mend mit Lucas, Cap. 7. Die Erzählung von der Krankheit des Lazarus
und von dem Zögern des Herrn ihn zu besuchen, stimmt wörtlich mit
der dem Hrabanus Maurus zugeschriebenen Lebensgeschichte der hl.
Maria Magdalena überein. (Clarus, Geschichte des Lebens, der Reli-
quien und des Cultus der hl. Geschwister Magdalena, Martha und
Lazarus, S. 144 ff.)
Die ersten 80 Verszeilen des zweiten Pergamentblattes behandeln,
wie aus den Zeilen 26 — 37 hervorzugehen scheint, den Tod der hl.
Maria von Ägypten, obgleich diese Darstellung von der gewöhnlich zu
Grunde gelegten Erzählung des Zosimas abweicht.
Unmittelbar daran reiht sich die Legende des hl. Stephan. Die
Überschrift ist in größeren Buchstaben von rother Farbe ausgeführt.
Das Mitgetheilte stimmt mit der Darstellung in den von Zainer 1572
gedruckten Vitae Sanctorum überein.
MÜNCHEN, Juni 1875. Dr. K. Th. HEIGEL.
I. Maria Magdalena.
Darnah si di salben nam.
Di si gechavft het avz der chram.
Vnd salbt im daz havbt schon.
Solih smach gie da von.
Daz dem smach niht waz gelich.
Si waz tiwer vnd rieh.
Do daz der wirt ersah alhie.
Wie iz di vraw mit im begie.
Er gedaht im an der stet.
Waer daz ein warer prophet.
So wess er wo! weih si waere.
Wan si svndet oflPenbaere.
Do er dez gedaht ze hant.
Jesvs sinen gedanch erchant.
Symonem er do an sach.
Gütlich er zv im sprach.
Wan er vor im saz.
Ich han ze sagen dir etteswaz.
Symon dez hör mich.
Symon sprach, maister sprich.
Jesvs sprach der saeldenbser.
Iz wgeren zwen geltsfcr.
Di svlten gelten einem man.
Der ein im sold svnder wan.
Fvmfzich phenning.
Di er ab im niht chvnd gewinn.
Daruah der ander gelter sin.
Fvmfhvndert phenning solt im.
446
K. TH. HEIGEL
Der moht avh im vergelten niht.
Daz vil manigem noh geschiht.
Daz begviid der herr wegen.
Daz ei niht bieten im ze geben.
Ein guter do ge vie.
Die gvlt er in beden lie.
Lieber vrevnt Symon.
Sag di warhait mir da von.
Waer dvncht mer vnder den zwain.
Dem man di grozz oder di cblain.
Gvlt hat verlazzen.
Daz horten di da sazzen.
Daz Symon sprach ane wan.
Der daz grozz hat verlau.
Der dancht mer daz ist reht.
Jesvs sprach, dv hast sieht.
Wan di red von warhait get.
Sihst dv daz weip. di da stet.
Ich chom in din havs her in.
Dv twvg niht di füzz min.
Seit ich her in chom gegan.
Seit hat daz weip mein füzz getwan.
Wan mit zsehern svnder lovgen.
Von ir herzen vnd von ovgen.
Dv hast ovh niht gechovsset mich.
Daz weip hevt gelovbt sich.
Chvssens wan di füzz min.
Seit ich bin chomen her in.
Dv salbest mir niht min hovbt.
Daz weip sich hevt gelovbt.
Salben havbt vnd füzz mir.
Da von ich sage dir.
Den man Ivtzel vergeit.
Der dancht Ivtzel svnder streit.
Wserlich ich dir daz sag.
Iz machent ir grozz clilag.
Daz man ir ir svnt verlat.
Er sprach zdem weib an der stat.
Weip dir sint din svnd vergeben.
Di levt begvnden mit in reden.
Wer ist der der di svnt verlat.
Der gewalt an got wan stat.
Ir haimlich red waz im chvnt.
Er sprach zv ir an der stvnt.
Ginch mit vride hin.
Dich hat erlöst der gelavb din.
Da mit di vraw haim gie.
Ir leben nah got si an vie.
Vnd tset daz nimmer mere.
Daz si het getan e.
Ir leben sich so gar verchart.
Daz si so raines lebens wart.
Daz ir dienst waz got gensem.
Daz im e waz wider zsem.
Und swa si in moht er lang.
Da chom si niht dann.
Vnd gie auh im allez nah.
Sin antlvtz si so gern sah.
Daz ir da von niht en waz.
Vor blang sie chavm genas.
So er chom verr von ir.
Ir lieb waz von herzen gir.
Als si waz e wider zseme.
Sam wart si genseme.
Si dient im mit trewen gar.
Ir rew waz von herzen war.
An allen dingen naigt si sich.
Vnd ir swester tvgentlich.
Di rain vraw Martha.
Si waren im berait dort vnd da.
Vnd ir brvder Lazarvs.
Vnd swenn ouh iz chom alsvs.
Daz er mit den ivngern cham.
In ir castel Bethaniam.
So enphieng si in erlich.
Mit gerndem mvt erbuten si sich.
In moht avh niht lieber sin.
Swenn er wolt sin bei in.
Doch iz von siner 1er qvam.
Daz im di ivden wurden gram.
Vnd im daz lant verboten wart.
Daz dis vrawen ser beswart.
Doch mvst er schaiden dan.
Dar nah chom Lazarvum an.
Ein totlich siechtvm.
Dhain erzney waz im frvm.
Doch taten si Jesv chvnt.
Daz ir brvder wart vngesvnt.
Do er die botschaft erhört.
Er antwvrt an dem wort.
Ez ist nicht totlicher siechtvm.
Er ist wan gottes namen frvm.
Daz got sol da von werden.
Hie gelobt avf der erden.
Jesvs het lieb Mariam.
Vnd Lazarvm und Martham.
BRUCHSTÜCKE AUS EINEM PASSIONALE.
447
Dez er an der selben stet doch.
Belaib zwen tag noch.
An dem dritten tag darnah.
Jesvs ZV sinen ivngern sprach,
Gen in Jvdeam wider.
Di ivnger sprachen, di ivden sider.
Wolten dich verstaint haben.
Jesvs sprach, ir hört doch sagen.
Daz zwelif weil des tages sint.
Iz sint niht di rehten chint.
Di da gent bei der naht.
Di brvdent schaden manichslaht.
Swer aber bei dem tag get.
Dhain schad von im niht enstet.
Do er daz vol gesprach.
Er sait in dar nach.
Vnd iah gen in sus.
Vnser vrevnt Lazarvs.
SlafFet vnd wil ich dar.
Wecchen auz sinem slaff swar.
Di ivnger sprachen ze hant.
Herr dir ist wol bechaut.
Slseffet er so wirt er gail.
Jesvs der svnder hail.
Het von sinem tot geret.
Do wanden si daz er het.
Von sinem slaff gesagt in.
Avf sinen tot waz niht ir sin.
n. Maria von Ägypten.
Und gesach menschen dhain.
An dich hevt alain.
Dez hat mich got behüt her.
Nv tu durh di gottes er.
A^nd chvm an dem ostertag.
Und mit dir ein tvch trag.
Da dv mich bedechst mit.
Wan dez tages han ich min zit.
Auf der erd volendet gar.
Dv vindest mich hie tot fvrwar.
Vnd brinch mich zv dem chloster din.
Alda sol min rv sin.
Vntz an das vrtail.
Nv var haim mit hail.
Vnd chvm als ich dir gesagt han.
Jvdas der munich schied dan.
Sin sammung nam er mit im.
An dem ostertag chom er hin.
Als si in gebeten het.
Vnd vant si tot an der stet.
Di vrawen do mit grozzer chlage.
Brahten si zv ir grabe.
Vnd bestattens wol nah ir reht.
Da manich siech wart sieht.
Von aller band siechtvm.
Got hat den christentvm.
Mit Maria gestercht wol.
So daz niemen verzagen sol.
Swaz er svnden hab began.
Er sol geding han.
Zv gottes gvt mit barmchait.
Daz bild si vns vor trait.
Vnd Maria egyptiaca.
Und di höh vraw Affira.
Die bei ir iaren.
Höh svnderinn waren.
Die got enphie doch.
Vnd biet si gesvndet noh.
Mer dann si hab getan.
Iz wser in gar verlan.
Do si genaden gerten.
Vnd sich von svnden cherten.
Da von niemen verzagen sol.
Got ist gut also vol.
Daz sin gut niemen mach.
Er denchen vntz an den lesten tach.
Wellen wir niht wider cheren.
Vnd niht gnaden an ir geren.
Wan svnden vrsevelich.
Fvr war so ist billeich.
Daz er vnser sich verweg.
Vnd daz er vnser dann phleg.
Dem wir vns haben ergeben.
Mit vnserm vrgqvelichem leben.
Manich mensch hat versvndet sich.
Vil tief. Daz doch daz himelrich.
Mit got besezzen hat.
Dez ouh noh vil ergat.
Da von svll wir den vrawen.
Vnd den heiligen getrawen.
Die avf der erd bei ir leben.
Vnd ouh svnden haben gephlegen.
Daz sie dvrh ir heilichait.
Bedenchen vnser chranchait.
448
K. TH. HEIGEL. BRUCHSTÜCKE AUS EINEM PASSIONALE.
Di an in ist gelegen.
Hie avf erd bei ir leben.
Daz si VHS ir helf geben.
Vnd darzü gen got vns wegen.
Daz wir ouh bei vnsern ta2;en.
Wider oberen als sie haben.
Daz vns der gaist werd gegeben.
Der in chom bei ir leben.
Daz wir die vrevde vinden.
Di got sinen chinden.
Hat behalten ewichlich.
Daz wir chomen in daz rieh.
(Dez) helf uns Magdalena.
(Vnd go)tes mvter Maria. Amen.
in. Von babst Stephan.
Do di Christen an allen seiten.
Not Uten bei den zeiten.
Waz der babst Stephan.
Got ein vil nvtzer man.
Der samt zV im sin pfafhait.
Mit gvter 1er er in vor sait.
Daz si iht vorhten dhain not.
Daz si liten dvrch got den tot.
Si mvsten doch sterben.
Daz in ir tot mvst werben.
Di ewig vrevd vor got.
Dann daz in ir tot.
Hrteht dez tivels gesellschaft.
Mit aller weitz vber chraft.
Svs vnd so von svzzer 1er.
Wart der Christen ie mer vnd mer.
Wan got mit sinem gaist.
Waz siuer 1er vollaist.
So daz vil haiden qvamen.
Vnd di tovf von in namen.
Da herren waren vnder.
NemesivH besvnder.
Der ein Tribvnvs waz.
Daz bedevt als ichs laz.
Der tovsent man het ze aller zit.
Dem rieh ze dienst nah ir sit.
Der tovft sich mit sin gesinde.
Mit weib vnd mit chinde.
Sin tohter Lvcilla di waz blint.
Stephanvs mäht daz selb chint,
Gesehent vnd wol gesvnt.
Di tovft sich an der stvnt.
Vnd tovft sich Olympivs.
Der ouh waz ein tribvnvs.
Mit sinem weib Exvperia.
Mit sinem gesind vber alda.
Mit sinem svn Theodolo.
Di vrolichen do.
Liten di marter dvrh got.
Daz hiraelrich braht in ir tot.
Svs mit siner pfafhait.
Macht er den gelovben brait.
Er het drei briester da.
Geweiht vnd sehs dyacen dar na.
Vnd sehzehen phaiFen da mit.
Di im hvlfen da mit ze aller zit.
Di haiden becheren.
Vnd den gelovben leren.
Nv wart Valeriano gesait.
Vnd Gallieno sin 1er brait.
Wie er den gelovben lert.
Vnd biet daz lant nah bechert.
Di sanden ir gesinde hin.
Vnd hiezzen Stephan bringen in.
Mit aller siner phafhait.
Vnd swer Christen in wurd gesait.
Di boten waren vn langen.
Biz sie brahten gevangen.
Di Christen vnd sant Stephan.
Zv im sprach Valerian.
Dv bist der selb Stephanvs.
Von dem man mir sagt svs.
Dv seist ein verchaerer.
Der alten e vnd ein lerser.
Der newen chetzrei.
Vnd mit 1er manigei'lei.
Wendest opphern ze aller zit.
Dem abgot nah dem altem sit.
Do antwurt im sant Stephan.
Du solt wizzen Valerian.
Ich hin dhain vercheraer.
Ich bin ein leraer.
Daz di vnversvnnen haiden.
In di abgot liezzen laiden
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT
DER
ERSCHEINUNGEN AUF DEM GEBIETE DER GERMANISCHEN
PHILOLOGIE IM JAHRE 1874.
VON
KARL BARTSCH*).
I. Begriff und Geschichte der germanischen Philologie.
1. Meyer, E. H., die Begründer der Sprachwissenschaft.
Westermanns illustrirte Monatshefte 1874, Noverab. S. 146—159. Wilh. v. Hum-
boldt, Bopp, ,J. Glimm. Mit Porträts, wobei aber statt J. Grimms Bild das von
W. Grimm gegeben ist!
2. Amelung. — Kölbing, E., Arthur Amelung.
Germania 19, 244—247,
3. Martin, E., Arthur Amelung. Nekrolog.
Zeitschrift f. deutsche Philologie 6, 99 — 102.
4. Bacmeister. — Holland, H., Adolf Bacmeister.
Westermanns illustrirte Monatshefte, Sept. 1874. Mit Porträt.
5. Gabelentz. — Rost, R., Hans Conon v. d. Gabelentz.
Athenaeum 1874, 12. December.
6. Lebensabriß Sr. Excellenz des Herrn Geh. Rathes Dr. H. C. v. d.
Gabelentz. Altenburg 1874. Bonde. 5 gr.
7. Qörres. — Joseph von Görres gesammelte Briefe. 2. 3. Band.
Freundesbriefe (1802 — 1845). Herausgegeben von Franz Binder. 8. München
1874. Literar. artist. Anstalt.
Gesammelte Schriften 8. 9. Band. Darin viele Briefe der Brüder Grimm, Uhlands,
Laßbergs, Lachmanns, Maßmanns etc. Vgl. Bächtold in diesem Hefte der Zeitschrift;
Theolog. Literaturblatt 1875, Nr. 5 (Rudioff); Literar. Rundschau I, 4.
8. Grimm. — Deutsche Lehr- und Wanderjahre. Selbstschilderungen be-
rühmter Männer und Frauen. 2. Band. Berlin 1874. 8.
Enthält S. 141—161 und 162—189 die Autobiographien von J. und W. Grimm
aus Justi's hessischem Gelehrten-Lexicon.
9. Helm, Gust. Martin, J. Grimm und seine Verdienste um die deutsche
Sprache. 8. (46 S.) Bensheim 1874. 6 gr.
10. Reifferscheid, Alex,, das Lycealzeugniss Jacob Grimms.
Zeitschrift für deutsche Philologie 6, 103.
11. Crecelius, W., Briefe von Jacob Grimm an K. W. Bouterwek.
Germania 19, 247—253.
*) Mit Unterstützung von K. Gislason in Kopenhagen, Th. Möbius in Kiel,
Södervall in Lund.
GERMANIA. Neue Reihe VIII. (XX.) Jahrg. 29
450 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
12. Jacob Grimm an Adelbert von Keller.
Germania 19, 504—505.
13. Haupt. — Bartsch, Karl, Moritz Haupt.
Germania 19, 238—242.
14. Zacher, J., Moriz Haupt. Nekrolog.
Zeitschrift für deutsche Philologie 5, 445 — 456.
15. Scherer, W., Moriz Haupt.
Deutsche Zeitung 1874, Nr. 765. 768.
16. Steinmeyer, E., Moriz Haupt.
Illustrirte Zeitung 1874, Nr. 1602. Mit Bildniss.
17. Freytag, Gr., Moriz Haupt.
Im neuen Reich 1874, Nr. 9.
18. Prantl, K. v., Gedäehtnissreden auf M. Haupt, E. v. Kausler, Th.
von Karajan.
Sitzungsberichte der bayerischen Akademie vom 28. März 1874.
19. Ignatius, F., Übersicht der germanistischen Thätigkeit M. Haupts.
Germania 19, 373-377. Vgl. auch Nr. 29.
20. Hoffmann. — Bartsch, Karl, Hoffmann von Fallersleben.
Germania 19, 235—238.
21. Wagner, J. M., Hoffmann von Fallersleben. Mit dem Bildnisse des
Dichters und zwei Ansichten (seinem Geburthause und Schloß Corvey).
Illustrirte Frauenzeitung 1. Jahrgang (1874) Nr. 10.
22. Gottschall, R., Hoffmann von Fallersleben.
Unsere Zeit 1874, 6. Heft.
23. Gottschall, R., Erinnerungen an Hoffmann von Fallersleben.
Die Gartenlaube 1874, Nr. 10.
24. Hei big, K. G., Erinnerungen an Hoffmann von Fallersleben.
Im neuen Reich 1874, Nr. 6.
25. Jaquet, G., Hoffmann von Fallersleben.
Sonntagsblatt von Liebetreu 1874, Nr. 9.
26. Lindau, Paul, eine Erinnerung an Hoffmann von Fallersleben.
Die Gegenwart 1874, Nr. 5 (aus dem Jahre 1868, in Elberfeld).
27. Zabel, E., Hoffmann von Fallersleben.
Die Literatur 1874, Nr. 9.
28. Aus der Schriftstellerwelt.
Blätter f. literar. Unterhaltung 1874, Nr. 6.
29. Briefe von Hoffmann von Fallersleben und Moriz Haupt an Fer-
dinand Wolf. Herausgegeben von Adolf Wolf. 8. (92 S.) Wien 1874. K. Gerold's
Sohn in Comm.
Aus den Sitzungsberichten der Akademie Bd. LXXVII, 97 ff. Vgl. Literar. Cen-
tralblatt 1874, Nr. 45.
30. Jänicke. — Strobl, Joseph, Oscar Jänicke.
Germania 19, 503—504.
31. Gombert, Dr., Oskar Jänicke. Nekrolog.
Zeitschrift für deutsche Philologie. 5, 457 — 468.
32. Wilmanns, W., Nekrolog für Oscar Jänicke.
Zeitschrift für das Gymnasialwesen 1874, S. 474—477.
33. Kausler. — Keller, A. v., Eduard von Kausler.
Germania 19, 242—244. Vgl. auch Nr. 18.
34. Köhler. — Kölbing, Eugen, Arthur Köhler.
Germania 19, 126—128.
35. Kurz. — Keller, A. v., Hermann Kurz.
Germania 19, 124-126.
I, BEGRIFF UND GESCHICHTE DER GERMANISCHEN PHILOLOGIE. 451
36. Massmann. — Bartsch, Karl, Hans Ferdinand Massmann.
Germania 19,377— 380.
37. Hocker, N., H. F. Massmann,
niustrirte Zeitung 1874, Nr. 1634.
38. Dürre, E., Hans Ferd. Massmann.
Neue Jahrbücher für Turukunst 20. Band (1874), 5. Heft.
39. Maurer. — Hertzberg, Ebbe, Konrad Maurer. In: Historisk Tids-
skrift udgiv. af den norske histor. Forening III. Christiania 1874, S. 367 — 384.
40. Menzel. — Holland, H., Wolfgang Menzel.
Westermanns illustrirte Monatshefte, Juni 1874. S. 254 — 261.
41. Petersen. — Zur Erinnerung an Professor Christian Petersen.
Zeitschrift des Vereins für hamburgische Geschichte N. F. 3. Band, 3. Heft,
Hamburg 1874.
42. Rask. — Nogle Raskiana meddelte af Karl Verner.
Tidskrift for Philologi og Paedagogik N. R. I, 284—304.
43. Thomsen, Vilh., Nogle andre Raskiana, som tillseg til foregaende
stykke meddelte.
Ebenda S. 304—313.
44. Schiller. — Lübben, A., Karl Schiller.
Germania 19, 123—124.
45. Schmeller. — Andreas Schmeller und sein baierisches Wörterbuch.
Neue freie Presse 1874, 9. October,
46. Brunn hof er, E., Ein Brief Schmellers.
Germania 19, 253 — 254.
47. TJhland. — Ludwig Uhlands Leben. Aus dessen Nachlass und aus
eigener Erinnerung zusammengestellt von seiner Wittwe. 8. (479 S.) Stuttgart
1874. Cotta. 1 Rthlr. 6 gr.
Vgl. Literar. Centralblatt 1875, Nr. 31; Blätter f. liter. Unterhaltung 1874, Nr, 46;
Magazin f. d. Liter, d. Auslandes 1875, Nr. 10; Wissenschaft!. Beilage der Leipziger
Zeitung 1874, Nr. 72; National-Zeitung 1875, Nr. 9; Wiener Zeitschrift I, 14; Saturday
Review 1874, 17. October; N. Preuß. Zeitung 1875, Nr. 44; Essener Zeitung 1874,
Nr. 172.
48. Studien zu Ludwig Uhland.
Allgemeine Zeitung 1874, Beilage 213.
49. Vilmar. — Lothholz, Gymnasialdirector Dr., zur Würdigung A.
Vilmars.
Deutsche Blätter 1874, 1. Heft, Seite 56—64. Darin auch ein Brief Vilmars
von 1860 über den Stand der Nibelungenfrage.
50. Wackernagel. — Honegger, Dr. J. J., Karl Heinrich Wilhelm
Wackernagel.
Die illustrirte Schweiz, Januar 1874, S. 17—26.
51. W. Wackernagel als Gelehrter und Dichter.
Allgemeine Zeitlang 1874, Beilage 107.
52. Egger, Dr. J., Bericht über die Sitzungen der deutsch-romanischen
und der Section für neuere Sprachen auf der XXIX. Versammlung deutscher
Philologen und Schulmänner zu Innsbruck, vom 28. Sept. bis 1. Oct. 1874.
Germania 19, 492—500.
53. Übersicht der germanistischen Vorlesungen an den Universitäten
Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, Hollands und in Dorpat im Winter
1873/74, Sommer 1874, Winter 1874/75.
Germania 19, 120—122. 254—256. 501—503.
29*
452 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
II. Handschriftenkunde und Bibliographie.
54. Codices Manuscripti, Ecclesiae metropolitanae Coloniensis, descrip-
serunt Philippus JaflPe et Guileimus Wattenbach. gv. 8. (X, 166 S.) Berolini
1874. Weidmann.
Vgl. Literar. Centralblatt 1875, Nr. 14; Jenaer Literatur-Zeitung Nr. 34.
55. Müller, Hermann, die manuscripta Germanica der Universitäts-
bibliothek zu Greifs wald,
Zeitschrift für deutsche Philologie 6, 104—119.
56. Schröder, Carl, deutsche Handschriften im britischen Museum.
Archiv für Litteraturgeschichte 4, 265 — 268. An Bächtold anknüpfend.
57. Catalogus codicum latinorum bibliothecae Regiae Monacensis.
Secundum A. Schmelleri indices composuerunt C. Halm et G. Meyer. Tom. H.
pars L Codices num. 8101 — 10930 complectens. 8. (386 S.) Monachii 1874.
Palm. 2 Rthlr.
58. Bartsch, Karl, bibliographische Übersicht der Erscheinungen auf
dem Gebiete der germanischen Philologie im Jahre 1873.
Germania 19, 449—492. Vgl. Petzholds Anzeiger 1875, Nr. 3.
59. Bibliotheca philologica, oder geordnete Übersicht aller auf dem
Gebiete der classischen Alterthumswissenschaft wie der älteren und neueren
Sprachwissenschaft in Deutschland und dem Ausland neu erschienenen Bücher.
Herausgegeben von Dr. Müldener. 26. Jahrgang, 2. Heft und 27. Jahrgang.
1. Heft. 8. Göttingen 1874. Vandenhoeck u. Ruprecht.
60. Well er, E., Repertorium typographicum. Die deutsche Literatur
im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts. Supplement. 8. (70 S.) Nördlingen 1874.
Beck. 16 gr.
61. Maltzahn, W. v., deutscher Bücherschatz des 16., 17. und 18.
bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts. 1. Abtheilung. 8. Jena 1874.
Vgl. Jen. Liter. Zeitung 1875, Nr, 33.
62. Haupts, Moriz, und Karl Schillers Bibliotheken. Abtheilung I:
Deutsche Philologie. 8. Berlin (1874). Mayer u. Müller.
III. Sprachwissenschaft und Sprachvergleichung.
63. Müller, Max, Vorlesungen über die Wissenschaft der Sprache.
Deutsch von Carl Böttiger. 1. Serie, 3. Auflage. 8. (XII, 500 S.) Leipzig 1874.
Klinckhardt. 2 Rthlr.
Vgl. wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung 1875, Nr, 28.
64. Whitney, W. D., die Sprachwissenschaft. Vorlesungen über die
Principien der vergleichenden Sprachforschung für das deutsche Publicum be-
arbeitet und erweitert von Julius Jolly. 8. (XXVIII, 713 S.) München 1874.
Ackermann. 3 '/g Rthlr.
Vgl. Liter. 'Centralblatt 1874, Nr. 31; Zeitschrift f. deutsche Philologie 6, 344 ff.
(Bezzenberger); Götting. Gelehrte Anzeigen 1874, Nr. 21; Zeitschrift f. d. Gymnasial-
wesen 1874, August; Jenaer Lit, Zeitung 1875, Nr. 6; Magazin f. d. Liter, des Aus-
landes 1874, Nr, 39; Pädagog, Archiv 16, 9; Preußische Jahrbücher 1875, Januar;
Allgem, Zeitung 1874, Nr. 342; Gegenwart Nr. 35 (Carriere).
65. Sayce, A. H., the priuciples of comparative philology. London 1874.
Trübner. 10 s. 6 d.
III. SPRACHWISSENSCHAFT UND SPRACHVERGLEICHUNG. 453
66. Jolly, J., Völkerkunde und Sprachforschung.
Im neuen Reich 1874, Nr. 12.
67. Gabelentz, Georg v. d., Sprachwissenschaftliches.
Globus von Andree 1874, Nr. 6 ff.
68. Darwin, G. H., Whitney on the origin of language.
Contemporary Review 1874, October S, 894—904.
69. Key, T. Hewitt, Language: its origin and development. 8. (562 S.)
London 1874. Bell and Sons. 14 sh.
Vgl. Athenaeum 1874, 25. Juli.
70. The origin of language.
Westminster Review 1874, October S. 381—418.
71. Alsleben, über Entwicklung der Sprache und Bedeutung einiger
Pflanzennamen.
Programm des Gymnasiums zu Dessau 1873. 4.
72. Grün, K., die Entwickelung der Sprache. 1. 2.
Wiener Abendpost 1874, Nr. 124 f.
73. Raumer, R. v., die Urverwandtschaft der semitischen und indo-
germanischen Sprachen.
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 22 (1874), 235—249.
74. Raabe, Andreas, gemeinschaftliche Grammatik der arischen und
semitischen Sprachen. Voran eine Darlegung der Entstehung des Alfabets.
8. (VII, 132 S.) Leipzig 1874. Klinkhardt. 1 Ethlr.
75. Curtius, G., zur Chronologie der indogermanischen Sprachforschung.
2. hie und da erweiterte Ausgabe. 4. (83 S.) Leipzig 1873. Hirzel. ^1^ Rthlr.
Aus den Abhandlungen der k. sächs. Gesellsch. d. Wissenschaften.
76. Jolly, J., noch einmal der Stammbaum der indogermanischen
Sprachen.
Zeitschrift für Völkerpsychologie 8. Bd. 2. Heft. (1874).
77. Bopp, Fran^ois, Grammaire comparöe des langues indo-europeennes.
Traduite par M. Breal. T. 5. Registre detaill^ redige par F. Meuuier. 8.
(235 S.) Paris 1874. Hachette. 6 fr.
78. Pott, Prof. Dr. Aug. Friedr., Etymologische Forschungen auf dem
Gebiete der indogermanischen Sprachen unter Berücksichtigung ihrer Hauptformen,
Sanskrit, Zend- Persisch, Griechisch -Lateinisch etc. 2. Aufl. in völlig neuer Um-
arbeitung. 5. Bd. Wurzeln auf labiale Mutae. 8. (LXXIX, 432 S.) Detmold 1873.
Meyer. SVa Rthlr.
79. Fick, Aug., vergleichendes Wörterbuch der indogermanischen Spra-
chen sprachgeschichtlich angeordnet. 1. Band, enthaltend den Wortschatz der
indogei-manischen Grundsprache, der arischen und europäischen Spracheinheit.
3. umgearb. Auflage. 8. (843 S.) Göttingen 1874. Vandenhoeck u. Ruprecht,
4^3 Rthlr.
Vgl. Jen. Liter. Zeitung 1875, Nr. 21 (Delbrück); Zeitschr. f. deutsch. Alt. 19, 1.
80. Kilian, Prof., Theorie der Halbvocale nebst einem sprachlichen
Curiosum über die Racenfi-age der semitischen und arischen Sprachbände.
Sendschreiben aus dem Elsaß an Prof. F. Max Müller in Oxford. 8. (18 S.)
Straßburg 1874. Trübner. 8 gr.
81. Leffler, L. F., nagra Ijudfysiologiska undersökningar rörande
konsonantljuden. Afdel. I. De klusila konsonantljuden. 8. (120 S.) Upsala 1874,
1 kr. 75 ö.
Aus: Upsala Univ. Arsskrift 1874. Vgl. Liter. Centr. 1875, Nr. 40.
454 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
82. Havet, L., l'unite linguistique europeeune, la question des deux k
arioeuropeens.
Memoires de la Sociale de linguistique de Paris II, 4 (1874),
83. Fick, etymologische Beiträge.
Zeitschrift für Tergleichende Sprachforschung 22, 371 ff. Darin got. dulgs, germ.
rova (Ruhe), got. blaggv (blau), behagen, augo, mers (märi), altn. ausa, schöpfen.
84. Fick, A., iat. lacus uad altir. loch See; germanisch lagu naß
und kirchensl. lokva Regen.
Ebenda 22, 553 f.
85. Bezzenberger, A., Miscellen.
Ebenda 22, 478—480.
86. Benfey, Th., vedisch midhä oder milha, n. (— mizhda, n. in der
Sprache des Avesta, gr. (.uad^O, m., altsl. mizda, f., got. mizdo f.), vedisch
midhvdms u. Verwandte.
Nachrichten von der kgl. Gesellschaft derWissenschaften zu Göttingen 1874, Nr. 15.
87. Benfey, Th., über die indogermanischen Endungen des Genetiv
Singul. ians, ias, ia. 4. (61 S.) Göttingen 1874. Dieterich. 24 gr.
Aus den Abhandl. der k. Gesellschaft der Wissenschaften.
88. Weise, Oscar, de linguarum indogerraanicarum suffixis primariis.
Sectio I. De adjectivis suflfixo u formatis. 8. (75 S.) Göttingen 1874. Dissertation.
89. Jolly, J., zur Lehre vom Particip.
In : Sprachwissenschaftliche Abhandlungen hervorgegangen aus G. Curtius gram-
matischer Gesellschaft. Leipzig 1874. Hirzel. S. 73—94.
90. Meyer, Gustav, zur Dvandva-Zusammensetzung.
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 22, 477 f.
IV. Grammatik.
91. FÖrstemann, Ernst, Geschichte des deutschen Sprachstammes.
1. Band. 8. (VII, 618 S.) Nordhausen 1874. Förstemann. 4 Rthlr.
Vgl. Liter. Centralblatt 1874, Nr. 31; Jen. Liter. Zeitung Nr. 31 (Sievers);
Saturday Review 17. October; National-Zeitung Nr. 261.
92. Schleicher, August, die deutsche Sprache. 3. Aufl. 8. (XI, 348 S.)
Stuttgart 1874. Cotta. 2^/3 Rthlr.
Unveränderter, von Johann Schmidt besorgter Abdruck.
93. Heyne, Moritz, kurze Laut- und Flexionslehre der altgermanisehen
Dialecte. 3. verbesserte Auflage. 8. (X, 354 S.) Paderborn 1874. SchÖningh.
Vgl. Revue critique 1875, Nr. 3.
94. Sievers, Ed., Paradigmen zur deutschen Grammatik. Gotisch,
Altnordisch, Angelsächsisch, Altsächsisch, Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch.
Zum Gebrauch bei Vorlesungen zusammengestellt, hoch 4. (5 S. m. 30 Taf.)
Halle 1874. Waisenhaus. 1 Ethlr.
Vgl. Germania 20, 104—109 (Paul); Literar. Centralblatt 1874, Nr. 21; Jen.
Liter. Zeitung Nr. 31 (Braune).
95. Meyer, Karl, Beiträge zur Kenntniss der langobardischen Sprache.
Germania 19, 129—139.
96. Bluhme, F., die gens Langobardorum. 2. Heft. Ihre Sprache. 8.
(54 S.) Bonn 1874. Marcus. % Rthlr.
Vgl. Germania 20, 109 (K. Meyer); Revue critique 1875, Nr. 30; Nuova Anto-
logia 29, 6 ; AUgem. Zeitung 1874, Nr. 351.
97. Birlinger, A., grammatische Versuche eines Kölners aus dem
XVL Jahrhundert.
Germani« 19, 94—97.
IV. GRAMMATIK. 455
98. Arndt, Ad., Versuch einer Zusammenstellung der altsächsischen
Declination, Conjugation und der wichtigsten Regeln der Syntax. 4. (24 S.)
Programm des Gymnasiums zu Frankfurt a. 0. 1874.
Vgl. Zeitschrift für deutsche Philologie 6, 120 ff. (Erdmann).
99. March, Fr. A., a comparative grammar of the Anglo-Saxon lan-
guage, in which its forms are illustrated by those of the Sanskrit, Greek,
Latin, Gothic, Old Saxon, Old Friesic, Old Norse and Old High German. 8.
(XII, 253 S.) New- York 1873. 10 sh.
100. Mätzner, Ed., englische Grammatik. 2. Theil. Die Lehre von der
Satzfügung. 1. Hälfte. 2. Auflage. 8. (IV, 529 S.) Berlin 1874. Weidmann.
3V3 Ethlr.
101. Mätzner, Ed., an english grammar, methodical, analytical and
historical. With a treatise on the orthography, prosody, inflections and syntax
of the english tongue , and numerous authorities, citied in order of historical
development. Translated from the German, with the sanction of the author, by
Clair James Grece. 3 vols. 8. (1580 S.) London 1874, Murray. 36 sh.
Vgl. Athenaeum 1875, 27. März.
102. Shepherd, H. E., the history of the English language, from the
Teutonic Invasion of Britain to the close of the Georgian era. 12. (227 S.)
New- York 1874. 7 sh. 6 d.
103. Kington- Oliphant, T. L,, the sources of Standard English. 1873.
104. Ludorff, Franz, über die Sprache der altenglischen Lay Hauelok
pe Dane. Ein Beitrag zur Kenntniss der altenglischen Grammatik. 8. (31 S.)
Münster 1874. Aschendorff. Ve I^t^lr.
Dissertation. Vgl. Zeitschrift f. d. österr. Gymnasien 1874, 8. Heft,
105. Bernard, Emil, William Langland. A grammatical treatise. 8.
(94 S.) Bonn 1874. Strauss. % Ethlr.
Dissertation. Vgl. Liter. Centralblatt 1875, Nr. 13 (R, Wülcker); Jen, Liter.
Zeitung Nr. 20 (derselbe).
106. Weymouth, E. F., on early english pronunciation with especial
reference to Chaucer in Opposition to the views maintained by A. J. EUis in
bis work „On early English pronunciation". 8. (158 S.) London 1874. Asher.
10 s, 6 d.
Vgl. Academy, 24. Octob. 1874 (Sweet) ; ferner eb. 31. October und 7. Not.
(Sweet, Ellis).
107. Wimmer, L. F. A., Fornnordisk formlära. Svensk, omarbetad upp-
laga. 8. (179 S.) Lund 1874. Gleerup. 2 kr.
108. Thorkelsson, Jon, Athugasemdir um islenzkar mälmyndir. 8.
(28 S.) Eeykjavik 1874.
Bemerkungen über isländische Grammatiken.
109. Petersen, N. M., Nogle uddrag of forelaesninger vedkommende
de nordiske sprog.
Petersens samlade afhandlinger. 4. del. Kopenhagen 1874.
110. Storm, Job., om Tonefaldet (Tonelaget) i de skandinavisoke sprog.
8. (14 S.)
Aus: Christiania Videnskabs-Selskabs Forhandlinger for 1874, S. 286—297.
111. Rydqvist, J. E., Svenska sprakets lagar. Kritisk Afhandling.
5. Bd. Ordbildning. 8. (269 S.) Stockholm 1874. Klemming. 5 kr.
112. Bidrag tili svenska sprakets qvantitetslära af J. A. A, 8. (190 S.)
Stockholm 1874. Norstedt. 2 rd. 25 ö.
456 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
113. Amclung, der Ursprung der deutschen a-Vocale.
Zeitschrift f. deutsches Alterthum 18, 161—220.
114. Bezzenbergcr, A., über die A-Reihc der gotischen Sprache.
Eine grammatische Studie. 8. (72 S.) Göttingen 1874. Peppmüller. 20 gr.
Vgl. Zeitschrift f. deutsche Philologie 6, 232 ff. (Bernhardt); Jen. Liter. Zeitung
1874, Nr. 43 (Sievers).
115. Braune, W., die altslovenischen Freisinger Denkmäler in ihrem
Verhältnisse zur ahd. Orthographie.
Paul und Braune, Beiträge I, 527 — 534.
116. Wilken, E., zur deutschen Declination.
Germania 19, 18—34.
117. Sievers, E., zur angelsächsischen Declination.
Paul u. Braune, Beiträge, I, 486 — 504.
118. Lichtenheld, das schwache Adjectiv im Gotischen.
Zeitschrift f. deutsches Alterthum 18, 17 — 43.
119. Bernhardt, der Artikel im Gotischen. 4. (19 S.)
Programm des Gymnasiums zu Erfurt 1874.
120. Braune, W., über den grammatischen Wechsel in der deutschen
Verbalflexion.
Paul u. Braune, Beiträge I, 513 — 627.
121. Pokorny, Ign., über die reduplieierten Präterita der germanischen
Sprachen und ihre Umwandlung in ablautende. 4. (29 S.) Programm des Gym-
nasiums in Landskron (Böhmen) 1874 (Prag, Tempsky).
122. Sievers, E., die reduplieierten Präterita.
Paul und Braune, Beiträge I, 504 — 512.
123. Begemann, Wilh., zur Bedeutung des schwachen Präteritums der
germanischen Sprachen, Ergänzung zu des Verf. Schrift: Das schwache Präteritum
der germanischen Sprachen. 8. (192 S.) Berlin 1874. V7 eidmann, ^j^ Rthlr.
Vgl. Zeitschrift f. deutsche Philologie 6, 230 ff. (Delbrück) ; Jen. Liter. Zeitung
1874, Nr. 45 (Sievers); Götting. Gel. Anzeigen 1875, Nr. 13 (Jolly); Revue critique
Nr. 27.
124. Schlueter, Wolfg., die mit dem Suffixe ja gebildeten deutschen
Nomina. Theil I. 8. (65 S.) Göttingen 1874. Dissertation.
125. Koch, F., linguistische Allotria. Laut-, Ablaut- und Reimbildungen
der englischen Sprache. 8. (94 S.) Eisenach 1874. Bacmeister. 20 gr.
Vgl. Liter. Centralblatt 1875, Nr, 14 (Wülcker); Herrigs Archiv 53. Bd. 1. Heft,
126. Erdmann, Oskar, Untersuchungen über die Syntax der Sprache
Otfrids. Gekrönte Preisschrift der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, 1, Theil.
Die Formationen des Verbums in einfachen und zusammengesetzten Sätzen. 8.
(XVIII, 234 S,) Halle 1874, Waisenhaus. 2 Rthlr.
Vgl. Germania 19, 437—443 (Piper); Zeitschrift f. deutsche Philologie 6, 243 ff.
(Tobler); Jen. Liter. Zeitung 1874, Nr. 45 (Windisch); Liter. Ceutralbl. 1875, Nr. 20
(E. Kuhn).
127. Knabe, C, zur Syntax der mhd, Klassiker, A. Die Präpositionen.
4. (40 S,) Magdeburger Gymnasialprogramm von 1874.
128. Grienberger, A., die Anwendung der Präpositionen im Mittel-
hochdeutschen. 8. (38 S.) Programm des Real- und Obergymnasiums zu Nikols-
burg 1874.
129. Reif f erscheid, Alex., Lexicalisch - syntaktische Untersuchungen
über die Partikel ge-.
Zeitschrift f. deutsche Philologie, Ergänzungsband S. 319—446.
V. LEXICOGRAPHIE. 457
130. Skeat, VV. W., on the prefix A- in English.
Journal of philology Vol. 5 (1874) Nr. 9.
131. Vadstein, Alb., Kasusläran i äldre Vestgötalagen. 8. (44 S.)
Lund 1874. Dissertation.
132. Piper, P., über den Gebrauch des Dativs im Ulfilas, Heliand und
Otfrid. 4. (30 S.) Osterprogramm der Realschule zu Altona 1874.
Vgl. Zeitschrift f. deutsche Philologie 6, 120 (Erdmann).
133. Moller, A., über den Instrumentalis im Heliand und das homerische
Suffix q^i ((f)Lv). 4. (24 S.) Osterprogramm des Gymnasiums in Danzig 1874.
Vgl. Zeitschrift f. deutsche Philologie 6, 120 (Erdmann) und den Nachtrag des
Verf. im Liter. Centralblatt 1874, Sp. 1190.
134. Schirm er, Carl, über den syntaktischen Gebrauch des Optativus im
Gotischen. 8. (47 S.) Marburg 1874. Dissertation.
Vgl. Zeitschrift f. deutsche Philologie 6, 485 (Bernhardt).
135. Holtheuer, R., der deutsche Conjunctiv nach seinem Gebrauche
in Hartmanns Iwein.
Zeitschrift f. deutsche Philologie, Ergänzungsband S. 140 — 182.
136. Kasten, William, an inquiry into the use of the subjunctive mood
in the English of the Elizabethan period. 4. Hannover 1874.
Rostocker Dissertation.
137. Dittmar, H., über die altdeutsche Negation ne in abhängigen
Sätzen.
Zeitschrift f. deutsche Philologie, Ergänzungsband S. 183 — 318.
138. Apelt, Otto, über den Accusativus cum Infinitive im Gothischen.
Germania 19, 280—297.
139. Gering, H., über den syntaktischen Gebrauch der Participia im
Gotischen.
Zeitschrift f. deutsche Philologie 5, 294—324. 393—433. Vgl. Bibliogr. 1873,
Nr. 89. Vgl. Wissenschaft!. Monatsblätter 1876, Nr. 2.
140. Rusteberg, F. G. A., historical development of the Gerund in the
English language. 8. (23 S.) Göttingen 1874. Dissertation.
V. Lexi cogr aphie.
141. Grimm, Jacob, und Wilhelm Grimm, deutsches Wörterbuch. Fort-
gesetzt von Rud. Hildebrand und K. Weigand.. 4. Bd. 1. Abth. 6. Lief. Be-
arbeitet von Rud. Hildebrand. (Sp. 1201—1392). 4. Bd. 2. Abth. 7. u. 8. Lief.
Bearbeitet von Mor. Heyne. (Sp. 1393 — 1776). Lex. 8. Leipzig 1874. Hirzel.
142. Helten, W. L. van, fünfzig Bemerkungen zum Grimm'schen Wörter-
buche. 8. (VIII, 86 S.) Leipzig 1874. Richter und Harrassowitz. 20 gr.
Vgl. Liter. Centralblatt 1874, Nr. 30; Jen. Liter. Zeitung Nr. 24 (Sievers).
143. Diefenbach, Lorenz, und Ernst Wülcker, hoch- und nieder-
deutsches Wörterbuch der mittleren und neueren Zeit. Zur Ergänzung der vor-
handenen Wörterbücher, insbesondere des der Brüder Grimm. 1.2. Lief. Lex. 8.
(X, 288 S.) Frankfurt a. M. 1874. Winter. Ji 24 gr.
Vgl. Germania 19, 370—371 (Bartsch); Liter. Centralblatt 1874, Nr. 4; Revue
critique Nr. 13; Trübners Literary Record Nr. 102.
144. Weigand, Fr. L. Karl, deutsches Wörterbuch. 2. verb. und ver-
mehrte Auflage. (4. Aufl. von Fr. Schmitthenner's kurzem deutschem Wörter-
buch.) 8. Halbband. (2. Bd. S. 1—480.) Gießen 1874, Ricker. 2^1^ Rthlr.
458 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
145. Schiller, Karl, und Aug. Lübbeu, mittelniederdeutsches Wörter-
buch. 5. und 6. Heft. gr. 8. (S. 513—756). Bremen 1874. Kühtmann u. Co.
ä Vfi Rthlr.
Vgl. Hansische Geschichtsblätter für 1873 (Walter).
146. Qu dem ans, C. A., Bijdrage tot een Middel- en Oudnederlandsche
Woordenboek. Uit vele glossaria en andere bronnen bijeenverzameld. 5. deel.
0— R. 8. Arnhem 1874. Marie. 4 Rthlr. 12 gr.
147. Tamm, Friedr. Aug., Bidrag tili en Svensk etymologisk ordbok.
A. 8. Upeala 1874. Dissertation.
148. Ordlista öfver svenska spräket. Utgiv. af svenska akademien.
1. und 2. Aufl. 8, (334 S.) Stockholm 1874.
149. Bech, F., zerstreute Beiträge.
Germania 19, 45 — 58.
150. Woeste, F., Beiträge aus dem Niederdeutschen.
Zeitschrift f. deutsche Philologie 6, 84—94.
151. Magnüsson, Eirikr, on the etymology of certain words in Eng-
lish terminating in sk and sh.
Journal of philology Vol. 5, Nr. 10.
152. Fritz sehe, R., die Namen der Farben.
Deutscher Sprachwart 9. Band.
153. Crecelius, W., also bar.
Germania 19, 99-101.
154. Wilken, E., mhd. bsehen.
Germania 19, 59—62.
155. Zingerle, J., Christi Blumen.
Germania 19, 182-183.
156. Jeitteles, A., Dienstag — Zinstag.
Germania 19, 428-430.
157. Müllenhoff, K., Fiur.
Zeitschrift f. deutsches Alterthum 18, 136.
158. Wilken, E., Mhd. iener, niener, niuwan, niuwene und niene.
Germania 19, 346-348.
159. Woeste, Fr., jodüte, to jodüte.
Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 10. Bd. 1874.
160. Jeitteles, Ad., lütbrechic.
Germania 19, 433—434.
161. Zingerle, J., None.
Germania 19, 349.
162. Burda, W., zur Etymologie des Wortes Thier.
Zeitschrift f. vergleichende Sprachforschung N. F. 2. Band, 2. Heft.
163. Mick, über deutsche Orts- und Flußnamen.
Deutscher Sprachwart 8. Band (1874).
164. Birlinger, A., die hohenzoUerischen Orts-, Flur- und Waldnamen.
Fortsetzung.
Alemannia II, 78-82.
165. Bück, hohenzollerische Ortsnamen.
Mittheilungen des Geschichtsvereines in Hohenzollern 6. und 7. Jahrgang.
166. Mehlis, Dr. Chr., Flurnamen aus Mittelfranken.
Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit 1874, Sp. 73—78. 114—116,
167. Regel, K., zur Endung -a in thüringischen Ortsnamen.
Zeitschrift f. deutsche Philologie 5, 324—337.
VI. MUNDARTEN. 459
168. Dung er, H., über die Ortsnamen des Voigtlandes.
Mittheilungen aus dem Archive des voigtländischen alterthumsforechenden
Vereins 1874.
169. Beyersdorf, Dr., über die slaviscben Städtenamen Pommerns.
Baltische Studien 25. Jahrg. 1. Heft (1874).
170. Mieck, Dr., über die Verbreitung des Wortes „rath" in Ortsnamen
des Reg. Bez. Trier und den angrenzenden Landestheilen.
Jahresbericht der Gesellschaft für nützliche Forschungen in Trier für 1872—73.
Trier 1874.
171. Cassel, P., Berlin, sein Name und sein Ruf. 8. (62 S.) Berlin
1874. Gülker u. Co. V3 Rthlr.
172. Rieger, M., Melibokus.
Archiv f. hessische Geschichte u. Alterthumskunde 13. Band 1874.
173. Linder, N., Svenska ortnamn och eganderätten tili sädana.
Svensk Tidskrift 1874.
174. Sidenbladb, K., Sveriges bärads- och sockennamn. 2. uppl. 8.
(196 S.) Stockholm 1873.
175. Kern, H., noms germaniques dans des inscriptions du Rhin in-
förieur.
Revue celtique 1874, Nr. 2.
176. Robleder, F., über deutsche Personennamen und ihre lautliche
Veränderung. 8. (43 S.) Landsberg 1874. Scbäffer u. Co. ^j^ Rthlr.
Auch als Programm des Gymnasiums zu Friedeberg i. N.
177. Gislason, Konr., om navnet Ymir. 4. (23 S.) Kjöbenhavn 1874.
Aus: Vidensk. Selskabs Skrifter 5. Rsekke, 4. Bd. S. 435-455.
178. Andresen, deutsche Geschlechtsnamen.
Neue Jahrbücher für Philologie u. Pädagogik HO Bd. 1. Heft (1874).
179. Bück, M., über Gescblechtsnamen auf -eisen, -isen.
Germania 19, 62—67.
180. Andresen, Dr. Ludwig Steub und die deutschen Familiennamen.
Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik HO. Bd. 5. und 6. Heft (1874).
181. Schenk, Dr. Gustav v., Familiennamen als Vornamen.
Correspondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts- und Alter-
thurasvereine 1874.
182. Bardsley, Ch. W., our english surnames: tbeir sources and signi-
fications. 8. (550 S.) London 1874. Chatto and Windus. 9 sh.
Vgl. Athenaeum 1874, Nr. 2436.
VI. Mundarten.
183. Riecke, C. F., Beiträge zur Kenntniss Deutschlands, seines Volkes
und seiner Sprache. 1. Heft. 8. Gera 1874. Griesbach. '/g Rthlr.
184. Erscheinungen, die interessantesten, im Schweizerdeutschen.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 53. Bd. (1874) S. 171—184.
185. Oosting, J., Bericht omtrent het Gymnasium te Deventer voor
den Cursus 1874/75.
Enthält eine Abhandlung über Hebels alemannische Gedichte nach ihrer sprach-
lichen Seite. Vgl. Magazin f. d. Literatur d. Auslandes 1875, Nr. 1.
186. Winter, F., die Volkssprache in der Landschaft am Zusammen-
fluße von Bode, Saale und Elbe.
Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg. 9. Jahrg. (1874) 2. Heft.
460 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
187. Heinzerling, Dr. J., die Siegerländer Mundart. 4. (17 S. und
eine lithogr. Karte.) Programm der Realschule zu Siegen 1874.
Vgl. Archiv f. d. Studium der neueren Sprachen 54, 101.
188. Nolet, J., de Brauwere van Steeland, Notice sur le particularisme
linguistique flamand de la Flandre occidentale.
Bulletins de Tacad^mie de Belgique T. 37.
189. Bibliographical list ofWorks illustratingEnglishDialects. Parti.
Publication der English Dialect Society 1873.
190. Kj ellin, Moradialekten.
Dalarnes Fornminnesförenings Tidskrift 1873.
191. Leffler, L. F., Auteckningar om Västmanlands folkspräk.
Svenska Fornminnesförenings Tidskrift 1873 — 74.
192. Proben aus dem für das schweizerdeutsche Idioticon gesammelten
Materiale. 4. (32 S.) Zürich 1874.
193. Jahresbericht über das schweizerdeutsche Idioticon, umfassend
den Zeitraum vom Weinmonat 1873 bis Ende Herbstmonat 1874. 8. (9 S.)
Zürich 1874.
194. Hintner, Val., Beiträge zur tirolischen Dialektforschung. II. 8.
Wien 1874. Beck.
Vgl. Alemannia 3. Bd. 1. Heft (Birlinger).
195. Halt rieh, J., Bericht an den Ausschuß des Vereins für sieben-
bürgische Landeskunde über den Stand der Vorarbeiten zu einem siebenbürgisch-
deutschen Wörterbuch.
Archiv des Vereins f. siebenbürg. Landeskunde 12. Bd. 1. Heft (1874).
196. Schnitze, Dr. Martin, Idioticon der nordthüringischen Mundart.
8. (VII, 69 S.) Nordhausen 1874. Förstemann. 10 gr.
Vgl. Liter. Centralblatt 1875, Nr. 4 ; Jen. Liter. Zeitung 1874, Nr. 27 (Sievers).
197. Latendorf, F., zu Laurembergs Scherzgedichten.
Germania 19, 351.
198. Walther, Dr. C. H. F., zur Geschichte des Wortes priölken.
Bremisches Jahrbuch 7. Bd. 1874.
199. Gutzeit, W. v., Wörterschatz der deutschen Sprache Livlands.
2. Theil. 1. Lief. 8. (127 S.) Riga 1874. Kyramel. 1 Rthlr.
200. Hettema, Mr. Montanus de Haan, Idioticon Frisicum. Friesch-
latijnsch-nederlandsch woordenboek uit oude handschriften bijeenverzameld. 8.
(XII, 596 S.) Leeuwarden 1874. Suringar. 8 f. 40 c.
201. Reprints of scarce Glossaries. Parti, containing seven Glossaries.
Publication der English Dialect Society 1874.
202. Ordbog, Bornholmsk, udgivet af Lserere. 8. (88 S.) 1874. 80 sk.
203. Blumenberg, Förteckning öfver egendomliga ord och uttryckssätt
i Norbergsmälet.
Vestmanlands Fornminnesförenings arskrift 1874.
204. Die deutschen Dialectdichtei*.
Beilage zum deutschen Reichs-Anzeiger 1874, Nr. 30.
205. Mundartliche Sprachproben.
Alemannia II, 159—174.
206. Stüürhandel, de. Es G'spräch vo zweeNachbere. In Truck g'geh von
Eim wo gloset und nahgschriebe häd. 8. Zürich 1874. Zürcher u. Furrer. 40 c.
VI. MUNDARTEN. 461
207. Siber, L., der Kasper vo Binze. E haimelig Gschichtli, wo der
Franz vo Kobell z' Minche ersunne und der Baslerbeppi am Rhisprung (Dr. L.
Siber) us em Oberbairisehen ins Baselditsch ibersetzt hat. 8. (15 S.) Basel
1874. Schwighuseri.
208. Blueme-Strüßli us im Vereiuhus-Gärtli im Baselbiet als Bazar-
Grüssli. 8. (80 S.) Basel 1874. Spittler. '/g Ethlr.
209. Arnold, J. G. D., der Pfingstmontag. Lustspiel in Straßburger
Mundart. Neue revidierte Ausgabe mit einer literarhistorischen Einleitung von
L. Spach. 8. (XXXIX, 249 S.) Straßburg 1874. Schultz u. Co. 1 ßthlr. 6 gr.
210. Keller, F., etle Hegabutza. Eine Sammlung von Gedichten in
schwäbischer Mundart. 16. (159 S.) Kempten 1874. Kösel. Ya Rthlr.
211. Knapp, Herrn. Georg, Hellauf und glattaweg! Gedichte in schwä-
bischer Mundart. 16. (VHI, 91 S.) Stuttgart 1873. Rupfer. 7 gr.
212. Weitzmann's, C, sämmtliche Gedichte in schwäbischer Mundart.
16. (IV, 212 S.) Stuttgart 1874. Gutzkow. Y^ Rthlr.
213. Lingg, M., Gemüthle. Gedichte in der Mundart des östlichen und
mittleren Allgäu. 8. (124 S.) Kempten 1874. Kösel. 8 gr.
214. Hagen, Casp., Dichtungen in alemannischer Mundart aus Vorarl-
berg. 8. (511 S.) Innsbruck 1874. Wagner. lV„ Rthlr.
215. Kram, Jos., Kraut und Arbes. Unterfränkische Gedichte, den
lieben Unterfranken gewidmet. 2. unveränd. Auflage. 16. Kaiserslautern 1874.
Muschi. 85 d.
216. Rosegger, P. K., Zither und Hackbrett. Gedichte in öster-
reichischer Mundart. Mit einem Vorwort von Rob. Hamerling. 2. Auflage. 16.
(XVI, 214 S.) Graz 1874. 1 Rthlr.
217. Röhricht, R., der Jirmirt, didaktisches jobsiadisches Epos in Bunz-
lauer Mundart mit Worterklärung.
Rübezahl 1874, 1. Heft.
218. Palm, H., zwei Sonette in schlesischer Mundart von Chr. Jac.
Salicen Contessa, mitgetheilt.
Rübezahl 1874, ]. Heft.
219. Ich binn ganz wiehdig uff" de Breisen. Eihärjeeses! Scheenes Lied
für 'ne Bardikularisten-Stimme. 4. Aufl. 8. Leipzig 1874. Siegismundu. Volkening.
2Y.g^-.
220. Schnozeln, Erfurter. Auswahl. In Erfurter Mundart. 1 — 3. Heft,
16. Erfurt 1874. Körner, ä 1 Ya gi"-
221. Sommer, A., Bilder und Klänge aus Rudolstadt in Volksmundart.
I-V. 7. Aufl. Rudolstadt 1874. Fröbel. k Yg Rthlr.
222. Rottmann, P. J., Gedichte in Hunsrücker Mundart. 4. Aufl. 8.
(VII, 286 S.) Kreuznach 1874. Voigtländer. % Rthlr.
223. Ahrens, J. F., Feldblom. Plattdeutsche Gedichte. 8. (132 S.)
Hamburg 1874. Richter. 12 gr.
224. Schacht, H., plattdeutsche Gedichte zum Vortrag in geselligen
Kreisen. 8. (86 S.) Hamburg 1874. Richter. Y4 Rtblr.
225. Semrau, August, Plattdeutsche Gedichte. 2. Auflage. 8. (42 S.)
Conitz 1874. Wollsdorf. % Rthlr.
226. Danne, Auguste, De lütt Heckenros. En gemüthlichen platt-
dütschen Snack in 1 Akt. 16. (19 S.) Berlin 1874. Lassar. Y4 Rthlr.
E. Blochs Dilettanten-Bühne Nr. 43.
462 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
227. Giese, Franz, Franz Essink, sin Liäwen un Driwen äs aolt Mön-
stersk Kind. Met Hölpe van ne gelährde mönsterske Aowend-Geselschupp ver-
teilt un herutgiewen. 2. Ausg. 8. (216 S.) Münster 1874. Coppenrath. ^3 Rthlr.
228. Grain Tuig, Schwanke und Gedichte in sauerländischer Mundart.
3. Aufl. 8. (96 S.) Münster 1874. Nasse. 8 gr.
229. Piening, Th., Hans un Grethen. 8. (123 S.) Altena 1874. Verlags-
bureau. ^Ii Rthlr.
230. Piening, Th., de annere Reis na'n Hamborger Dom. 1. Deel. 8.
(140 S.) Hamburg 1874. Richter. Vg Rthlr.
231. Geschichte, de, von de goUen Weig, vermengelirt mit allerhand
hüsliche Taustänn un Begewnisse von Mi. 8. (l26 S.) Wismar 1874. Hinstorff.
73 Rthlr.
232. Keller, E. 0., de Peerlotterie! En lustig Stückschen v. 011 Bohl-
mann ut Groot Zimpelhoagen. Plattdütsch verteilt. 16. (31 S.) Pyritz 1874.
Backe. 3 gr.
233. Swanneblummeu. Jierbokje for it jier 1874. 8. Herrenven 1874.
Hingst.
234. De Bijekoer, frisk jierbokje for 1874. 28. Jiergong. 8. Frentsjer
1874. Telenga.
235. Mahl, Joachim, Biddel-Maryke. In print üt it folkslibben. Nei't
holsteinsk platdütsk. Forfriske tröch Waling Dykstra. 8. (97 S.) Leauerd 1874.
Schierbeek. 75 c.
236. Holm ström, L. P., Prof pä folkspräket i Färs härad.
Samlingar tili Skanes historia, fornskundskap och beskrifning. Lund 1874.
VII. Mythologie.
237. Simrock, Karl, Handbuch der deutschen Mythologie mit Einschluß
der nordischen. 4. vermehrte Aufl. 8. (XII, 644 S.) Bonn 1874. Marcus. 3 Rthlr.
Vgl. Keusch, theolog. Literaturblatt 1874, Nr. 25 (Rudlofif); Neue Preuß. Zeitung
1875, Nr. 90.
238. Holtzmann, Adolf, Deutsche Mythologie. Vorlesungen herausge-
geben von A. Holder. 8. (VIII, 308 S.) Leipzig 1874. Teubner. 8 Mk.
Vgl. Liter. Centralblatt Nr. 46 (E. Kuhn); Blätter f. literar, Unterhaltung 1875,
Nr. 37.
239. Wolf, J. W., die deutsche Götterlehre. Ein Hand- und Lesebuch
für Schule und Haus. 2. Abdruck. 8. (XVIII, 148 S.) Göltiugen 1874. Dieterich.
24 gr.
240. Wagner, Wilhelm, Unsere Vorzeit. Nordisch-germanische Götter
und Helden. In Schilderungen für Jugend und Volk. 2. Ausg. 1. Göttersagen.
2. Heldensagen. Mit 140 Abbildungen. 8. (XIX, 483 S.) Leipzig 1874. Spamer.
2V3 Rthlr.
Neue Jugend- und Hausbibliothek. 4. Serie. N. F. 5. und 6. Band.
241. Vollmer, W., Wörterbuch der Mythologie aller Völker. In lOLiefrgu.
3. Aufl. 2 — 11. (Schluß-)Liefg. 8. Stuttgart 1874. Hoffmann, ä, V3 Rthlr.
242. Tydemann, P. H., oostorsche, westersche en noordsche mythologie.
Met 10 afbeldningen. 4*^ herziene druk. ». (4 und 307 S.) Zutphen 1874.
V. Someren. 1 f. 75 c.
Vn. MYTHOLOGIE. VIII. MÄRCHEN UND SAGEN. 463
243. Vetter, Ferd., Preyr und Baldr und die deutschen Sagen vom
verschwindenden und wiederkehrenden Gott.
Germania ly, 196—211.
244. Lütolf, AI., Kleine Beiträge zur Mythologie.
Germania 19, 214—215.
245. Mühlhause, E., die aus dem deutschen Götterglauben herrührenden
Bilder an den Häusern in der ehemaligen Provinz Oberhessen. 8. Rauschen-
berg 1874.
246. Schwebel, Oskar, Mythologisches aus der Mark Brandenburg.
Wochenblatt der Johanniter Ordens Balley Brandenburg 1874.
247. Hildebrand, K. H., Folkens tro om siua döda. 8. (142 S.) Stock-
holm 1874. 2 kr. 25 ö.
248. Regel, Karl, mitteldeutscher Fiebersegen aus dem zwölften Jahrhundert.
Zeitschrift f. deutsche Philologie 6, 94—96.
249. Schönbach, Segen aus Grazer Handschriften.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 78 — 81.
250. Steinmeyer, ein Segen.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 17, 560.
251. Schröer, Sonnenuntergang, Geiläte, Gusträte u. a. Gott folgen gehn.
Germania 19, 430—432.
252. Gericht und Bekantnuß einer Winzenheimer Hexe 1572. Mitgetheilt
von P. A. M.
Alsatia 1873—74.
253. Müller, Max, Einleitung in die vergleichende Religionswissenschaft.
Zwei Essays. 1. Hälfte. 8. Straßburg 1874. Trübner. pro compl. 273 Rthlr.
Vgl. das Ausland 1874, Nr. 38.
254. Max Müller's Science of Religion.
Edinburgh Review 1874, April.
255. Kuhn, Ad., über Entwicklungsstufen der Mythenbildung. 4. (30 S.)
Berlin 1874. Dümmler in Comm. Y3 Rthlr.
Aus den Abhandlungen der Akademie. 2. Abdruck, ebd. 1874. Vgl. Magazin f.
d. Liter, d. Auslandes 1874, Nr. 20.
256. Schwartz, W., zur Methode der Mythenforschung.
Neue Jahrbücher f. Philologie u. Pädagogik 109. Bd. 3. Heft (1874).
VIH. Märchen und Sagen.
257. Grimm, de gebroeders, Sprookjes en vertellingen. Naar de tiende,
volledige uitgave uit het Hoogduitsch door A. van der Velde. Met eeu voor-
woord van M. P. Lindo. 1* Aflev. 8. (2 und S. 1—48). s'Gravenhage 1874. van
Cleef. 35 c. 2° deel. (2 u. 238 S.) 1 f. 75 c.
258. Grimms fairy tales. Translated by Mrs. H. B. Pauel. 1874.
259. Bechstein, L., neues deutsches Märchenbuch. 26. Aufl. 8. (276 S.)
Wien 1874. Hartleben. 12 gr.
260. Deutsche Märchen. Dresden 1874. Meinhold u. Söhne.
Vgl. Nationalzeitung 1873, Nr. 595; Neue Preuß. Zeitung Nr. 299.
261. Braut, Gustav, deutsche Mythen- und Sagenmärchen für die reifere
Jugend. 2. Aufl. 16. (78 S.) W^ien 1874. Perles. 18 gr.
262. Hoffmann, F., deutsche Volksmärchen. 6. Aufl. 16. (116 S.) Stutt-
gart 1874. Chelius. 1 M. 75 d.
4G4 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
263. Villamaria, Elfenreigen. Deutsche und nordische Märchen. 2. Aufl.
8. Leipzig 1873. Spamer. 273 Rthlr.
264. Müldeuer, R., nordisches Märchenbuch. 4. Aufl. 8. Langensalza
1874. Grcßlcr.
Vgl. Thüringische Zeitung, Liter. Anzeiger 138.
265. Miildener, R., Märchen aus Süd und Nord. 3. Aufl. 8. ßraun-
schweig 1874. Schulbuchhandlung. 12 gr.
266. Dahn, Felix, die deutsche Sage.
Allgemeine Zeitung 1874, Beilage 17 ff. Anknüpfend an Schöppner (Nr. 280).
267. Henne-am-Rhyn, Otto, die deutsche Volkssage. Beitrag zur
vergleichenden Mythologie mit 1000 Originalsagen. 8. (XXII, 538 S.) Leipzig
1874. Krüger. 2V2 Rthlr.
Vgl. Jen. Liter. Zeitung 1875, Nr. 29; Westminster Review, Januar; Trübners
literary Record Nr. 104. 105; Deutsche allgemeine Zeitung Nr. 159; Europa 1874, Nr. 34.
268. Schanz, P,, deutsche Sagen. 8. Dresden 1874. Meinhold u. Söhne.
1 Rthlr.
Vgl. Schlesische Zeitung 1873, Nr. 591; Nationalzeitung Nr. 595; Neue Preuß.
Zeitung Nr. 299; Deutsche Romanzeitung Nr. 12.
269. Hoffmann, F., deutsche Sagen. 6. Auflage. 16. Stuttgart 1874.
Chelius. (IV, 404 S.) 4 Mk.
270. Aus Schutt und Ruinen. Illustrirter romantischer Sagen wart im
Gewände unserer Zeit. 1 — 4^ Liefg. 8. Wien 1874. Wenedikt. ä 4 gr.
271. Rolf US, K., Klänge aus der Vorzeit. Fromme Sagen und Legenden.
2. und 3. Bändchen. Aus Bayern und Salzburg. 8. (VIII, 166; VII, 169 S.)
Mainz 1874. Kupferberg, h}/,^ Rthlr.
272. Ploennies, L. v.. Sagen und Legenden nebst einem Anhang ver-
mischter Gedichte. 8. (179 S.) Heidelberg 1874. Winter. 1 Rthlr.
273. Jecklin, D., Volksthümliches aus Graubünden, gesammelt und
herausgegeben. I. Theil: Sagen mit Anhang: Märchen aus dem Bündner Ober-
lande, gesammelt und nach dem Räto -Romanischen erzählt von C. Decurtius. 8.
(140 S.) Chur 1874. Gsell. 2 fr.
274. Lenggenhager, G. H., Volkssagen aus dem Canton Baselland.
8. (180 S.) Basel 1874. Schneider in Comm. 24 gr.
275. Stoffel, Lau und Stöber, Oberelsässische Sagen und Volks-
märchen.
Alsatia 1873—74.
276. Birlinger, A., Schwarzwaldsagen.
Alemannia 2, 146—159.
277. Malleb rein, Franz, Murgthal-Sagen und Geschichten in Reime
gebracht. 8. (78 S.) Rastatt 1874. Hanemann. 2 Mk.
278. Birlinger, A., Aus Schwaben. Sagen, Sitten und Gebräuche. (Des
„Volksthümlichen" Neue Sammlung.) 2. Bd. 8. (535 S.) Wiesbaden 1874.
Killinger. 3 Rthlr.
Vgl. Jen, Liter. Zeitung 1874, Nr. 25; 1875, Nr. 12 (Schottmüller); Grenzboten
Nr. 19 (Rückert); Theolog. Literaturblatt X, 2 (Norrenberg) ; Schwäbischer Merkur
1875, Nr. 62 ; Neue Preuß. Zeitung Nr. 73.
279. Luib, K, Obeischwaben , seine Sage, seine Geschichte und seine
Alterthümer. 1. Lieferung. Die Gelten und die Römerzeit. 8. (48 S.) Tübingen
1874. Fues. 1 M. 40 Pf. (Mit 3 Tafeln.)
Vm. MÄRCHEN UND SAGEN. 465
280. Schöppner, A., Sagenbuch der bayerischen Lande. 3 Bde. gr. 8.
(XIV, 496; VI, 471; 470 S.) München 1874. Eieger. 3 Rthlr, 18 gr.
Vgl. Nr. 265; lUustr. Zeitung Nr. 1607; Süddeutsche Presse Nr. 163; Landshuter
Zeitung Nr. 152; Tageblatt für Kempten Nr. 151.
281. Zapf, Ludwig, der Sagenkreis des Fichtelgebirges. Mythe und Ge-
schichte. 8. (186 S.) Dresden 1874. Birkner. Va Rthlr-
Vgl. Jenaer Liter. Zeitimg 1875, Nr. 12.
282. Rusk, Miss R. H., The Valleys of Tirol, their traditions and customs,
and how to visit them. London 1874. Longmans.
Vgl. Academy 5. Sept. 1874.
283. Günther, Madame la comtesse A. von, Tales and Legends of the
Tyrol. Collected and arranged. London 1874. Chapmah and Hall.
Vgl. Academy 5. Sept. 1874.
284. Hörmann, L. v., zwei Sagenbilder aus Tirol.
Wiener Abeudpost 1874, Nr. 218 ff.
285. Kärntnerische, Strafiburger, Lavanthaler Sagen.
Carinthia 64. Jahrgang (1874).
286. Bernau, Friedrich, Sagen aus dem Erzgebirge.
MittheiluDgeii des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 12. Jahrg.
(1874), 6. Heft.
287. Knoblauch, Hugo, Von den Bergmäunlein und Rübezahls Über-
siedelung aus dem Harz ins Riesengebirge. Mitgetheilt aus einer alten Hand-
schrift.
Rübezahl 1874, Nr. 2.
288. Fritsche, H., der Junker von Eben. Kynsburgsage.
Rübezahl 1874, 1. Heft.
289. Gräße, Job. Georg Theodor, der Sagenschatz des Königreichs
Sachsen. Zum ersten Male in der ursprünglichen Form aus Chroniken, münd-
lichen und schriftlichen Überlieferungen und andern Quellen gesammelt und
herausgegeben. 2. verbesserte und sehr vermehrte Auflage. 1. — 21. Liefg. gr. 8,
2 Bde. Dresden 1874. Schönfeld, ä Ve ßt^lr.
Vgl. Wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung 1873, Nr. 97; 1875, Nr. 36.
290. Pesse, Otto, thüringische Sagen.
Sybels historische Zeitschrift 16 (1874), 1, 33—72.
291. Mühlhause, E., die auf urgermanische Culturzustände hinweisenden
Sagen in der Umgegend von Rauschenberg.
Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte. N. F, 5. Band (1874).
292. Simrock, K., Rheinsagen. Aus dem Munde des Volkes und deut-
scher Dichter. Für Schule, Haus und Wanderschaft, 7. Aufl. 8. (XII, 495 S.)
Bonn 1874. Weber. 2 Rthlr.
293. Hörn, W. 0. v., der Rhein, Geschichte und Sagen seiner Burgen,
Abteien, Klöster und Städte. 2. Auflage. 8. (552 S.) Wiesbaden 1874. Niedner.
4V3 Rthlr.
294. Djurklou, G., Svenska sagor i Svenskt landsmäl.
Svenska Fornminnesföreningens tidskrift 1873 — 74. Stockholm 1874.
295. Heller, Prof. Ambros, Rüdiger von Pechlarn. Ein kritischer Ver-
such zur Aufhellung dieses Namens.
Blätter des Vereins für Landeskunde für Niederösterreich. N. F. 2. Jahrg. (1873).
296. Elze, K., Tirol und die Eggensage.
Allgemeine Zeitung 1874, Beilage 251.
GJSBiMANIA. Neue Beihe Vm. (XX.) Jahrg. 30
466 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
297. Schercr, W., der Wasgenslein in der Sage. Vortrag am 6. Dec.
1873.
Mittheilungen aus dem Vogesenclub 1874, Nr. 2.
298. Bezzenberger, A., der Faden um die Rosengärten.
Zeitschrift f. deutsche Philologie 6, 42—44.
299. Müll enh off, K., über Reinhart Fuchs.
Zeitschrift f. deutsches Alterthura 18, 1 — 9.
300. Zacher, J., Reinhart Fuchs im Kanzleibriefsteller.
Zeitschrift f. deutsche Philologie 6, 3 — 12.
301. Körting, Gr., Dictys und Dares. Ein Beitrag zur Geschichte der
Troja-Sage in ihrem Übergänge aus der antiken in die romantische Form. 8.
(IV, 119 S.) Halle 1874. Lippcrt. 28 gr.
Vgl. Literar. Centralblatt 1874, Nr. 23; Revue critique Nr. 19; Wissenschaftl.
Monatsblätter Nr. 9; Saturday Review 17. October 1874; Allgemeine Zeitung Nr. 134.
302. Gidel, la legende d'Aristote au moyen äge.
Annuaire de P Association pour l' encouragement des etudes grecques en France 1874.
303. Studemund, zu Johannes de Alta Silva De rege et septem sa-
pientibus. Zweiter Artikel.
Zeitschrift f. deutsches Alterthum 18, 221—249.
304. Creizenach, Theodor, die Döllinger-Sage.
Im neuen Reich 1874, Nr. 40.
305. Riezler, Sigmund, zur deutschen Kaisersage.
Sybels historische Zeitschrift 1874, 3. Heft. S. 63—75.
306. Die Kaiser-Friedri ch-S age.
Beilage zum deutschen Reichsanzeiger 1874, Nr. 34 f.
307. Die Kiffhäusersage.
Augsburger Postzeitung 1874, Beilage 24.
308. Die Winkejrieds age.
Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1874, Nr. 255.
309. Bieling, Hugo, ein Beitrag zur Überlieferung der Gregorlegende.
4. (26 S.) Berlin 1874. Götz. 7,,^ Rthlr.
Vgl. Jahrbuch f. roman. Literatur N. F. 2, 245 f. (Mangold) ; Reusch theolog.
Literaturblatt IX, 26 (Birlinger) ; Herrigs Archiv 53, 458—460 (Sachse). Eine Besprechung
von Kölbing wird die Germania demnächst bringen.
310. MVssafia, A., zur Katharinenlegende. L 8. Wien 1874, Gerold.
Aus den Sitzungsberichten LXXV. Band.
311. Horst, V. d., de legende van de h. Ursula en haar elfduizend
maagden.
Onze Wächter 1874, Nr. 3.
312. Heibig, F., die Sage vom „Ewigen Juden", ihre poetische Wanderung
und Fortbildung. 8. Berlin 1874. Lüderitz. V3 Rthlr.
Sammlung-gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge, 196. Heft. Vgl. Jen.
Liter. Zeitung 1874, Nr. 44 (Schottmüller).
313. Die Sage vom ewigen Juden.
Magazin f. d. Literatur des Auslandes 1874, Nr. 31.
314. Gorius, zur Ahasversage. 4. (16 S.)
Programm des Marcellen-Gymnasiums in Köln 1874.
315. Die kriechenden Thiere in der Sage.
Europa 1874, Nr. 34.
316. Bodin, Th., die Nachtigall in der Volkssage und dem Volksglauben.
Sonntagsblatt von Liebetreu 1874, Nr. 47.
IX. VOLKS- UND KINDERLIEDER, SPRICHWÖRTER etc. 467
317. Strackerjan, ist die Eiche oder die Linde d«r Baum dee deut-
schen Volkes? 8. Oldenburg 1874.
318. Kreuzdorn und Weißdorn in Sage und Dichtung.
Europa 1874, Nr. 23.
319. Moses, Herrn., die deutschen Pflanzennamen in ihrer Bedeutung
für die Geschichte und Alterthumskunde.
Mittheilungen aus dem Archive des voigtländischeu alterthumsforschenden
Vereins 1874.
IX. Volks- und Kinde rlieder, Sprichwörter, Sitten und Gebräuche.
320. Scherer, Georg, Jungbrunnen. Die schönsten deutschen Volks-
lieder. Gesammelt. 3. Aufl. 16. (XII, 351 S.) Berlin 1874. Besser. V/^ Rthlr.
Vgl. Jenaer Liter. Zeitung 1875 Nr. 2 (Schottmüller) ; Wissenschaftl. Monats-
blätter 1874 Nr. 2; Lehmanns Magazin Nr. 44; Grenzboteu Nr. 50; Im neuen Reich
Nr. 42; Deutsche Warte VII, 12; Nationalzeituug Nr. 479; N. Preuß. Zeitung Nr. 280;
Kölnische Zeitung Nr. 329. — Eine illustrirte Prachtausgabe erschien in Leipzig bei Dürr,
321. Arnim, A. L. von, und Cl. Brentano, des Knaben Wunderhorn.
Alte deutsche Lieder. Gesammelt. 6. — 10, Lieferung. 8. Wiesbaden 1874. Kil-
linger. ä 12 gr.
322. Arnim, A. L. von, und Cl. Brentano, des Knaben Wunderhorn,
Alte deutsche Lieder. Mit Holzschnitten nach Zeichnungen von Ad, Schmitz
und Alex. Zick und einer Einleitung von Gust. Wendt. 8. 8. — 9. (Schluß) -Lief.
Berlin 1874. Grote. ä V4 Rthlr.
323. Crecelius und Birlinger, zu des Knaben Wunderhorn.
Alemannia 2, 181—191.
324. Jäger, Hermann, das Volkslied in Thüringen.
Der Salon 1874, 11. Heft, S. 1396-1408.
325. Schmolke, H., die Kämpfe der Schweizer gegen Burgund im Lichte
zeitgenössischer Dichtung.
Die Grenzboten 1874, Nr. 38—39.
326. Schmolke, H., Proben gleichzeitiger Volkslieder über die Schlachten
bei Hemmingstedt (1404 und 1500). In neuhochdeutscher Übersetzung mit-
getheilt.
Die Grenzboten 1874, Nr. 45.
327. Schmolke, H., Proben gleichzeitiger Volkslieder über die Sem-
pacher Schlacht. In neuhochdeutscher Übersetzung mitgetheilt.
Die Grenzboten 1874, Nr. 17, S. 131 — 142.
328. 110 Volks- und Gesellschaftslieder des 16., 17. und 18. Jahr-
hunderts herausgegeben von F. W. Freiherrn von Ditfurth. 8. Stuttgart 1874.
Göschen. 1 Rthlr. 26 gr.
329. 52 ungedruckte Balladen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts. Aus
fliegenden Blättern, handschriftlichen Quellen und mündlicher Überlieferung ge-
sammelt und herausgegeben von F. W. Freiherru v. Ditfurth. 8. (XII, 196 S.)
Stuttgart 1874. Göschen. 1 fl. 36 kr.
Vgl. Anzeiger f. Kunde d. deutschen Vorzeit 1874 Nr. 6;' Lehmanns Magazin
Nr. 23.
330. Die historischen Volks li eder des österreichischen Heeres von 1638
bis 1849. Aus fliegenden Blättern, handschriftlichen Quellen und dem Volks-
munde gesammelt von F. W. Freiherrn v. Ditfurth. 8. (IV, 115 S.) Wien 1874.
Seidel. Vg Rthlr.
30*
468 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
331. Jacobs, E., Soldatenlied auf die verschanzten schwedisch-kaiser-
lichen Feldlager bei Saalfeld vom Mai bis Juni 1640.
Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit 1874, Sp. 307 — .312.
332. Bauman, Ludwig, Ain Lied von demselben Krieg, darynnen et-
liche stött Schinen, Schrotzburg und anndere vösstinen verstört haben.
Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit 1874, Sp. 44—48.
333. Vetter, Ferd., Kleine Beiträge.
Germania 19, 211—214.
334. Vlämische Volkslieder des Mittelalters. Von H. Seh.
Im neuen Reich 1874, Nr. 44.
335. Böddeker, E., englische Lieder und Bdiladen aus dem 16. Jahr-
hundert nach einer Hs. der Cottoniauischen Bibliothek des Brittischen Museums.
Jahrbuch für romanische und englische Litteratur 14, 210 — 239.
336. Harlaud, J., Ballads and songs of Lancashirc. 2'^ edition. 7 sh.
337. Murray, J. GL, the ballads and songs of Scotland, in view of
their influence on the character of the people. 8. (220 S.) 6 sh.
338. Kristensen, E. T., gamle jydske Folkeviser, samlede af folke-
munde isaer i Hammerum Herred. 1.— 2. Hft. 8. (112 S.) 1874.
339. Eichorn, C, äldre Svenska folkvisor.
Svenska Fomminnesföreningens tidskrift 1873 — 74.
340. Hörmann, L. v., zwei Kinderspiele aus Tirol.
Wiener Abendpost 1874 Nr. 210.
341. Blaas, C. M., der Marienkäfer im niederösterreichischen Kinder-
spruch.
Germania 19, 67—72.
342. Dunger, Hermann, Kinderlieder und Kinderspiele aus dem Vogt-
lande. 16. (X, 207 S.) Flauen 1874. Neupert. 12 gr.
Vgl. Liter. Centralblatt 1875 Nr. 4: Jen. Liter. Zeitung 1874 Nr. 43 (Schott-
müller); Deutsche allgem. Zeitung Nr. 209; Deutscher Sprachwart VIII, 20.
343. Meier, H., das Kind und die Volksreime der Ostfriesen.
Der Globus von Andree 26. Bd. Nr. 17—18.
344. Meier, H., zur ostfriesischen Neck- und Spottlust.
Der Globus von Andree 26. Bd. Nr. 6—7.
345. Baker- en Kinder rijm en, Nederlandsche, verzameld en medege-
deeld door Dr. J. van Vloten. 3. druk, Leiden 1874. SijthofF. 30 c.
346. Halliwell, J. 0., Nursery rhymes and Nursery Tales of England
collected. New edition. 1 sh.
347. Wander, K. F. W., Deutsches Sprichwörterlexicon. 46 — 51. Liefg.
hoch 4. (Bd. 4, Sp. 129—768). Leipzig 1874. Brockhaus, ä Vs Rthlr.
348. Schröder, W. , de plattdüdsche Sprückwörderschatz d. i. dusend
plattdüdsche Sprückwörders von A — Z. Ostfresische, Oldenburgische, Hannoversche,
Mecklenbörgische u. A. En spaßig un lehrriek Bok für lütge un groote Lühde.
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 493. Leipzig. 16. (70 S.) 2 gr.
349. Schröder, W., Jan Peck de norddütsche Spaßmacher. Sammlung
plattdeutscher Humoresken, Schnurren, Gedichte, Sprichwörter etc.
Museum komischer Vorträge 7. Bd. (VIII, 216 S.) Berlin 1874. Janke. % Rthlr.
350. Schulze, Carl, die sprichwörtüchen Formeln der deutschen Sprache.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 52, 375 — 392.
IX. VOLKS- UND KINDERLIEDER, SPRICHWÖRTER etc. 469
351. Sprichwörtliche Formeln der deutschen Sprache.
Deutsche Monatshefte (Beilage zum Reichs-Anzeiger) 1874, Jiali (2, Jahrg. 4. Bd.
1, Heft).
352. Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten aus Joh. Pauli's
Schimpf und Ernst, gesammelt von A. Stöber.
Alsatia 1873—74.
353. Meyer, Jürgen Bona, Erziehungsweisheit im Sprichwort. I.
Die Gegenwart 1874, Nr. 36.
354. Das Recht im Sprichwort.
Das neue Blatt 1874, Nr. 37.
355. S uringar, Dr. W. H. D., Distichorum proverbialium sententiarum
elegantissimus liber auctore Joan. Glandorpio Monasteriensi. Collatis germanicis
Agricolae proverbiis ed. 8. (152 S.) Lugduni Batav. 1874. Brill.
Vgl, Literar. Centralblatt 1874 Nr. 31; Revue critique Nr. 38.
356. Proverbial Folk-Lore hj the Author of Songs of Solace. 12.
(lÜO S.) 1874. 1 s. 6 d.
357. Simrock, Karl, das deutsche Räthselbuch. 3. Aufl. 8. (188 S.)
Frankfurt a. M. 1874. Winter. Y^ Rthlr.
Vgl. Kölnische Zeitung 1874 Nr. 180.
358. Schönhuth, O. F. H., Gregorius auf dem Stein. 8. Reutlingen 1874.
Fleischhauer u. Spohn. 2 gr.
359. Schönhuth, O. F. H., Historie von den vier Heymonskindern.
Ebd. 5 gr.
360. Schönhuth, 0. F. H., Historie von der edlen und schönen Melu-
sine. Ebd. 4 gr.
361. Schönhuth, 0. F. H., die zwölf Sibyllen und ihre Weissagungen.
Ebd. 2 gr.
362. Schönhuth, 0. F. H., Historie von dem Ritter von Staufenberg
und der Waldfeye. Ebd. 1 gr.
363. Fortunatus und seine Söhne mit dem Glücksseckel und Wünschl-
hütlein. 8. Reutlingen 1874. Enßlin und Laiblin. 2 gr.
Ebenda: Herzog Ernst. 2 gr. Hirlande. 1 gr. Faust. 2 gr. Melusina. 2. Auflage.
2 gr. Die Schildbürger. 2 gr. Der gehörnte Siegfried. 1 gr. Tyll Eulenspiegel. 6. Aufl. 2 gr.
364. Osterwald, K. W., alte deutsche Volksbücher. 1. Band. Reineke
Fuchs. 8. (157 S.) Halle 1874. Waisenhaus. Yg Rthlr.
365. Osterwald, K. W., Erzählungen aus der alten deutschen Welt.
9. Theil. Reineke Fuchs. 8. Halle 1874. Waisenhaus. Y2 Ktblr- — 10. Theil.
Herzog Ernst. Heinrich von Kempten. Heinrich der Löwe. 8. Halle 1875.
Waisenhaus. Y2 Rthlr.
366. Schmidt, F., Reineke Fuchs. 7. Auflage. 8. Berlin 1874. Kastner.
Y2 Rthlr.
367. Fröhlich, Carl, Tyll Eulenspiegels wunderbare und seltsame
Historien. Mit vielen Figuren. Neue Auflage. 8. (151 S.) Reutlingen 1873.
Fleischhauer u. Spohn. 4 gr.
368. Schot el, Dr. G. D. J., vaderlandsche Volksboeken en Volkssprookjes
van de vroegste tijden tot het einde der 18^ eeuw. 2. dln. Roy. 8. (XV, 304;
VHI, 334 S.) Mit Abbild. Haarlem 1874. 11 f. 10 c.
470 BIBLIOGKArHlE VON 1874.
3G9. B r u uiihofer, H., zur EtliDologic; und Geschiclitc des Aberglaubens.
Der Globus von Andree 28. Bd. Nr. 4 f.
370. Stob er, A., drei Sätze aus dem elsässischen Volksaberglauben.
Alsatia 1873—74.
371. Birlinger, A., Volksthümliches aus der Baar.
Alemannia II, 119-139.
372. Haager, über Sitten und Gebräuche am Bodensee.
Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 4. 5. Heft. 1874.
373. Reinsberg-D üri ugsf el d, 0. Freih. v., culturhistorische Studien
aus Meran. 8. (IV, 192 S.) Leipzig 1874. List und Franke. 24 gr.
Vgl, Literar. Centralblatt 1874 Nr. 34.
374. Zwanziger, G. A., Mittheilungeu aus dem Görtschitzthale.
I. Bäuerliches Gespräch in Görtschitzthaler Mundart. II. Burg Reinek bei
Brücke. III. Feste und Gebräuche. IV. Altdeutsche Gfitter und Göttinnen.
Carinthia 63. Jahrg. (1873).
375. Meyer, H., Aberglaube in Ostf'riesland.
Der Globus von K. Andree 26. Bd. Nr. 10 (1874).
376. Rein sberg-Düringsf eld, 0. v., Volksgebräuche in den Kempen.
(Belgien.)
Das Ausland 1874, Nr. 24—26.
377. Köhler, Aug. Ernst, Nachklänge der altgermanischen Frühlings-
und Sommerfeier im Voigtlande.
Mittheilungen aus dem Archive des voigtländischen alterthumsforschenden
Vereins 1874.
378. Hörmann, L.v., altgrrmanische Weihnachten.
Wiener Abendpost 1874, Beilage 296.
379. Per g er, Anton Ritter v., zu Weihnachten. Vortrag.
Berichte und Mittheilungen des Alterthumsvereines zu Wien. 14. Bd (1874). 4.
380. Waizer, R., der Lieserthaler und seine Hochzeitsgebräuche.
Carinthia, Jahrgang 1874 Nr. 11.
381. Hagen, G., das Stephansreiten in Oberdeutschland.
Allgemeine Familien-Zeitung 1874, Nr. 32.
382. Djurklou, G., Unnarsboernes seder och lif efter Lasses i Lassa-
berg anteckningar. 8. (76 S.) Stockholm 1874. 2 k. 25 ö.
383. Krummel, das Oberammergauer Passionsspiel.
Zeitschrift für die gesammte lutherische Theologie, 35. Jahrgang (1874), 4. Heft.
384. Ein Weihu acht sspiel im Erzgebirge. Von Dr. C. von Weber.
Mittheilungeu des kgl. säch.s. Alterthumsvereins, 24. Heft. Dresden 1874.
385. Das Urner Spiel vom Wilhelm Teil. Nach der Originalausgabe neu
herausgegeben von Wilh. Vischer. 8. (XI, 33 S.) Basel 1874. Georg, 12 gr.
Publication der historischen und antiquarischen Gesellschaft in Basel,
X, Alterthümer und Culturgeschichte.
386. Hellwald^ F. v., Culturgeschichte in ihrer natürlichen Entwicklung
bis zur Gegenwart, 8. Augsburg 1874. Lampert u. Co.
Vgl. Liter. Centralblatt. 1874 Nr. 43; 1875 Nr. 19; Zeitschrift f. deutsche Kultur-
geschichte 1874, 9. Heft; Saturday Review, 19. Sept. 1874; Deutsche Rundschau I, 6;
Archiv f. Anthropologie VIII, 2; Lehmanus Magazin Nr. 21; Deutsche Allgeni. Zeitung
Nr. 126; Europa Nr, 12; Neue evang, Kirchenzeitung Nr. 26; Kölnische Zeitung
X. ALTERTHÜMEK UND CULTURGESCHICHTE. 471
Nr. 112; Allgem. Zeitung 1875 Nr. 3; Spenersche Zeitung 1874 Nr. 437; Die Lite-
ratur Nr. 40; Süddeutsche Presse Nr. 163; Gaea Nr. 8; Deutsche Warte VIII, 1.
387. Wright, Thomas, A history of English culture from the earliest
known period to modern times. With nuraerous woodcut illustrations. New Edition.
8. (XVI, G02 S.) Straßburg 1874. Trübner. 6 Rthlr.
388. Lubbock, Sir John, die vorgeschichtliche Zeit, erläutert durch
die Überreste des Alterthums und die Sitten und Gebräuche der jetzigen W^ilden.
Autorisierte Ausgabe für Deutschland. Nach der dritten Auflage aus dem Eng-
lischen von A. Passow. Mit einleitendem Vorwort von R. Virchow. 1. Bd. 8.
(XXXII, 303 S.) Jena 1874. Costenoble. 3 '/a Rthlr. 2. Bd. (XI, 317 S.) 2 Rthlr.
10 gr.
Vgl. Liter. Centralbl. 1874 Nr. 19, Nr. 51; Wissenschaftl. Monatsblätter Nr. 4;
Zeitschrift für die gesammte Nat. Wissenschaft IX, 2. 3; Neue evang. Kirchenzeitung
Nr. 41 ; Mittheilungen d. Vereins f. Geschichte der Deutschen in Böhmen XIII, 1.
389. Hildebrand, H, H., de förhistoriska folken i Europa. 1, Heft. 8.
(80 S.) Stockholm 1874. 2.-4. Heft. (224 S.) 1874. k 1 k. 25 ö.
390. Taciti, C, Germania. Erläutert von Dr. Schweizer-Sidler. 2. ver-
mehrte u. verbesserte Aufl. 8. (VII, 87 S.) Halle 1874. W^aisenhaus. Va Rthlr.
Vgl. Literar. Rundschau I, 4.
391. Taciti, C, libri qui supersunt. Tertium recognovit C. Halm.
2 Tomi. 8. Leipzig 1874. Teubner. ä 1 M. 20 Pf.
Vgl. Rivista di filologia II, 12.
392. Waitz, G., zur Kritik des Textes von Tacitus' Germania.
Nachrichten von der kgl. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen 1874 Nr. 18
393. Meyer, Leo, zur Germania des Tacitus.
Zeitschrift für deutsche Philologie 5, 251—271.
394. Bachmann, Disputatio qua antiquitatis Germaniae antiquias, quae
Wernigerodae asservantur, ad illustrandam Taciti Germaniam adhibere conatur.
Programm des Gymnasiums zu Wernigerode.
395. Geffroy, A., Rome et les Barbares. Etüde sur la Germania de
Tacite. 8. (XII, 439 S.) Paris 1874. Didier. 7 f. 50 c.
396. Nebelthau, Chatten, Cherusker und Fosen und der sächsische
Hessengau.
Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte, N. F. 5. Bd. Cassel 1874.
397. Die AI t er thüm er unserer heidnischen Vorwelt. Nach den in öfi'ent-
lichen und Privatsammlungen befindlichen Originalien zusammengestellt und heraus-
gegeben von dem römisch-germanischen Centralmuseum in Mainz durch dessen
Conservator L. Lindenschmit. 3. Bd. 4. Heft. gr. 4. (10 S. mit 12 Steintafeln.)
Mainz 1874. v. Zabern. % ^^^^r.
398. Müller, Dr. H. A., und Bau-Rath Dr. Osk. Mothes, illustrirtes
archäologisches Wörterbuch der Kunst des germanischen Alterthums, des Mittel-
alters sowie der Renaissance. 1. und 2. Lief. 8. (S. 1 — 80 mit eingedr. Holz-
schnitten.) Leipzig 1874. Spamer. ä Yg Rthlr.
Vgl. Die Literatur 1874 Nr. 36 (Knorr).
399. Blell, Th., Ergänzungen zu dem Aufsatz Reconstruction eines
germanischen Rundschildes' etc.
Altpreußische Monatschrift 1874, 7. Heft. Vgl. Bibliographie 1873 Nr. 374.
400. Wiberg, C. F., vära förfäders stridsvapen, efter fynd i Gestrik-
lands forngrafvar.
Svenska fomminnpsföreningens tidskrift 1873 — 74. Stockholm 1873,
472 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
401. Maurer, K., Island von seiner ersten Entdeckung bis zum Unter-
gange des Freistaates. 8. (X, 480 S.) München 1874. Kaiser.
402. Montelius, 0., Sveriges forntid. Försök tili framställning af den
svenska fornforekningens resultat. Text. I. Stenäldeni. 8. (S. 1 — 162). Stock-
holm 1874. 1 Rthlr. 10 gr.
403. Montelius, O., Sveriges forntid. Atlas. I. Stenaldern och brons-
aldern. 8. (IV, 80 S.) II. Jernaldern. 8. (102 S.) Stockholm 1872—74. 10 kr.
404. Montelius, 0., la Suede pr^historique. 8. (172 S.) Stockholm 1874.
405. Schweden, das heidnische. Ethnologie der alten Schweden.
Das Ausland 1874, Nr. 8—9.
406. Bidrag tili kännedom om Göteborgs och Bohus läns fornminnen
och historia. Utg. pä föranstaltande af länets hushällnings sällskap. 8. (126 S.)
Stockholm 1874.
407. Brunius, G., ovanligt kummel vid Forstheim.
Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1874, 4. Heft.
408. Montelius, 0., Bohuslilndska fornsaker fran hednatiden. I.Heft.
8. (S. 1—76) Stockholm 1874.
409. Stolpe, H., Björköfyndet. Beskrifning öfver fornsaker frän nordens
yngre jemalder funna pä Björkö i Mälaren. I, Stockholm 1874.
410. Sträle, G. H., Grafkärl funna i svensk jord. 4. (163 S. mit 12
Tafeln). Stockholm 1874.
411. Ulfsparre, S. B., svenska fornsaker, samlade och ritade pa sten.
8. (8 S. und 15 Tafeln.) Stockholm 1874.
412. Westmanlands fornminnesförenings ärsskrift. Utg. af J. E. Modin.
1. Heft. 8. (68 S. und 10 Tafeln.) Westeräs 1874.
413. Wittlock, J. A., Jordfynd frän Wärends för-historiska tid. Ett
bidrag tili Sveriges antiqvariska topografi. 8. (102 S. mit einer Karte und 13
Tafeln.) Stockholm 1874.
414. Dybeck, R., Runa. En skrift för nordens fornvänner. Andra sam-
lingans 1. Heft. (18 S.) Stockholm 1874.
415. Müller, Sophus, en tidsadskillelse mellem fundene fra den aeldre
jemalder i Danmark.
Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1874, 4. Heft.
416. Madsen, A. P., Afbildninger af danske Oldsager og Mindesmaerker.
Heft XXVII. Kjöbenhavn 1874.
417. Blume, Ludw., das Ideal des Helden und des Weibes bei Homer
mit Rücksicht auf das deutsche Alterthum. 8. (51 S.) Wien 1874. 12 gr.
Programm des akademischen Gymnasiums. Vgl. Liter. Centralbl. 1875 Nr. 24;
Blätter f. d. bayer. Gymnasial-Schulwesen XI, 3; Nordd. AUg. Zeitung 1874 Nr. 273.
418. Müllenhoff, K., zum Schwerttanz.
Zeitschrift f. deutsches Alterthum 18, 9 — 13.
419. Angerstein, W., Volkstänze im deutschen Mittelalter. 2. Aufl.
8. (32 S.) Berlin 1874. Lüderitz. 6 gr.
Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge 58. Heft.
420. Schöber, Beiträge zur Geschichte der Jagd und der JagdwafFen
in Österreich.
Jagd-Zeitung 1874, Nr. 6—8.
421. Perger, A. Ritter v., Studien über die mittelalterliche Hirschjagd.
Jagd-Zeitung 1874, Nr. 2 f.
X. ALTERTHÜMER UND CULTURGESCHICHTE. 473
422. Freytag, G., Bilder aus der deutschen Vergangenheit. 2. Band.
1. Abth. 8. Aufl. 8. (VIII, 468 S.) Leipzig 1874. Hirzel. 1^4 Rlhli'.
423. Birliuger, Sittengeschichtliches aus Elsaß-Lothringen.
Alemannia II, 139 — 146.
424. Birlinger, A., aus dem Buch Weinsberg.
Germania 19, 78-95.
425. Ennen, L., aus dem Gedenkbuch des Hermann Weinsberg.
Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte, Jahrg. 1874.
426. Liliencron, K. Frh. v., Mittheilungen aus dem Gebiete der öffent-
lichen Meinung in Deutschland während der 2. Hälfte des 16. Jahrhs. 4. (66 S.)
München 1874. Franz in Comm. 1 M. 90 Pf.
Aus den Abhandlungen der Akademie. Vgl. Liter. Centralbl. 1875, Nr. 34.
427. Köhler, R., mittelalterliche Ansichten über die Träger des Namens
Petrus.
Germania 19, 426-428.
428. Köhler, R., das Schicksalsrad und der Spruch vom Frieden.
Germania 19, 189 — 194.
429. Zingerle, J., u. R. Köhler, Nachträge zu Lemckes Jahrbuch
VI, 350.
Germania 19, 349—350.
430. Bodin, K., Kartenspiel und Würfellust in der guten alten Zeit.
Sonntagsblatt 1874, Nr. 12.
431. Linde, A. van der, Geschichte und Litteratur des Schachspiels.
1. Band, (mit 415 Diagrammen). 8. (XII, 422, 34, 50 S.) Berlin 1874. Sprin-
ger. 6 Rthlr. 20 gr. — 2. Bd. (125 Diagramme). 8. (XV, 524 S.) Ebd. 6 Rthlr.
20 gr.
Vgl. Liter. Centralbl. 1874, Nr. 26; 1875, Nr. 15; Jen. Liter. Zeitung 1874,
Nr. 51 (Schaarschmidt) ; AUgem. Zeitung Nr. 315; Petzholds Anzeiger Nr. 10.
432. Müller v. Fürstenwalde, E., häusliches und öffentliches Leben der
alten Deutschen.
Sonntagsblatt 1874.
433. Cori, K. R. J. N., Bau und Einrichtung der deutschen Burgen im
Mittelalter mit Beziehung auf Oberösterreich. Mit 104 Abbildungen. (184 S.)
Linz 1874. Haslinger. 2 Rthlr.
434. Zeller-Wertmüller, H., die heraldische Ausschmückung einer
zürcherischen Ritterwohnung. Gezeichnet und erklärt. 4. (18 S. und 4 Tafeln.)
Zürich 1874.
Mittheikmgen der autiquar. Gesellschaft in Zürich Bd. 18, Heft 4.
435. Eye, v., ein Maigellein vom 16. Jahrhundert.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1870, Sp. 270 — 272. Ist ein Trinkgefäß.
436. Birlinger, Sigmaringische Inschriften auf Gläsern, Thon- und Metall-
Arbeiten.
Alemannia II, 195—196.
437. Ilwof , Dr. F., über Haus- und Hofmarken besonders in den öster-
reichischen Alpenländern.
Mittheilungen der k. k. Centralcommission 1874, Supplementband 3. 4. Heft.
438. Jacobs, E., Anschaffungen für die gräfliche Küche zu Stolberg
bei herrschaftlichem Besuch; 17. und 18. März 1499.
Anzeiger f. Kunde d. deutschen Vorzeit 1874, Sp. 280.
439. Jeaffreson, John Cordy, a book about the table. 2 vols. 1874.
Vgl. Athenaeum 1875, Nr. 2459.
474 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
440. Der Hopfen. Seine Herkunft und Benennung. Zur vergleichenden
Sprachforscimng. 8. (XII, 24 S.) Homburg 1874. Steinhäuser.
Vgl. Liter. Centralbl. 1875, Nr. 12.
441. Hehn, Victor, Culturpfianzen und Ilausthiere in ihrem Übergang
aus Asien nach Griechenland und Italien so wie in das übrige Europa. Histo-
risch-linguistische Skizzen. 2. un)gearb. Auflage. 8. (XII, 553 S.) Berlin 1874,
Boniträger. 2"/^ Rthlr.
Vj^l. Liter.' Centralbl. 1874 Nr. 52; Revue critique 1875 Nr. 16; Blätter f. d.
bayer. Gymnasialschulweseu XI, 4; Zeitschi ift f. d. österr. Gymnasien 26, 7.
442. Häser, H., Lehrbuch der Geschichte der Medicin und der epi-
demischen Krankheiten. 3. Auflage. Geschichte der Medicin. 1. Bd. 1. 2. Lief.
Jena 1874. Mauke.
443. Scheins, Heilsbronn als Kurort.
Zeitschrift für deutsches Altertlium 18, 153— 155.
444. Richter, Albert, Lesen und Schreiben im Mittelalter.
Westermanns illustrirte Monatshefte 1874. Mai, S. 161—171.
445. Wim m er, L. F. A., Runeskriftens oprindelse og udvikling i Norden.
Med 3 Tavler og Afliildinger i Teksten. 8. (270 S.) Köbenhavn 1874. Prior.
Aus: Aarböger for nordisk Oldkyndighed 1874, p. 1—270. Vgl. Liter. Centralbl.
1874 Nr. 45; Revue critique 1875 Nr. 15.
446. Bugge, Sophus, om Runeskriftens Oprindelse.
Christiania Videnskab Selskabs Forhandlinger for 1873, S. 1 — 3.
447. Schmoll er , Gustav, Straßburgs Blüte und die volkswirthschaftliche
Revolution im XHL Jahrhundert. Rede. 8. (35 S.) Straßburg 1875. Trübuer.
Quellen und Forschungen zur Sprach- und Cnlturgeschichte der germanischen
Völker von B. ten Brink und W. Scherer. VI. A^gl. Wissenschaftl. Beilage der Leip-
ziger Zeitung 1875 Nr. 16.
448. Boßler, die Straßennamen zu Weißenburg. 8.
Programm des CoUegiums zu Weißenburg 1873.
449. Ehrsam, N., älteste Feuerordnung der Stadt Mülhausen 1449.
Alsatia 1873—74.
XL Kunst.
450. Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kun.sttechnik des
Mittelalters und der Renaissance, herausgeg. von R. Eitelberger v. Edelberg.
7. Bdchen. Schedula diversarum artium des Mönches Theophilus. Übersetzt von
A. Hg. 1. Theil. — Anonymus Bernensis über die Bindemittel und das Coloriren
von Initialen. Zum ersten Male aus der Berner Hs. herausg. und mit einer
Übersetzung versehen von H. Hagen. 8. (XLVtl, 400 S.) Wien 1874. Brau-
müller. 273 I^*^^i'-
Vgl. Literarischer Handweiser Nr. 158.
451. Otte, Heinrich, Geschichte der deutschen Baukunst von der Römer-
zeit bis zur Gegenwart. Mit über 300 Holzschu. u. mehreren Tafeln. 5. (Schluß-)
Liefg. hoch 4. (VIH, 135 S.) Leipzig 1874. T. O. Weigel. 24 gr.
Vgl. Liter. Centralbl. 1874 Nr. 50; Jen. Liter. Zeitung 1875 Nr. 2; Lehmanns
Magazin Nr. 10; Jahrbücher d. Vereins v. Alterthumsfreunden im Rheinlande 55. 56. Heft;
Neue evang. Kirchenzeitung 1874 Nr. 33.
452. Danskf Min desmserk er. 2" Rfekkc. 1. Hfte. Roeskilde Domkirke,
beskreven af A. Kornerup. 5. Afdeling. Kopenhagen 1874.
453. Stephens, G., Lindormen, der flöi fort med kämpen og bans best.
Illustreret Tideude 1874 Nr. 762.
XL KUNST. XII. RECHTSGESCHICHTE U. RECHTSALTERTHÜMER. 475
454. Wessely, J. E., Iconographie Gottes und der Heiligen. 8. (XVI,
458 S.) Leipzig 1874. T. O. Weigel. B% Rthlr.
Vgl. Liter. Centralbl. 1874 Nr. 50.
455. Ilg, Alb,, die Bedeutung der St. Eligius-Legende für die Kunst-
geschichte.
Mittheilungen der k. k. Centralcommission, Supplementband, 5. Heft, Wien 1874.
456. Schaepman, Dr. H. J. A. M., Herrad von Landsperg en haar
Hortus deliciarum.
Het Gildebook. Tijdskrift voor kerkelijke kunsten etc. 1 Jahrg. Utrecht 1873. 4.
457. Müller, H., altdeutsche Schnitzwerke.
Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte 1874, Heft 2 ff.
458. Fröhlich, F. J., Beiträge zur Geschichte der Musik der älteren
und neueren Zeit. 2. Band. Musikalische Documente. hoch 4. Würzburg 1874.
Stahel. 2 Rthlr. 12 gr.
459. Eitner, R., das Walthersche Liederbuch.
Monatshefte für Musik-Geschichte 1874 Nr. 10.
460. Friedländer, Dr. Ernst, eine Liederhandschrift des kgl, Staats-
archivs zu Aurich aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts.
Monatshefte für Musik-Geschichte 1874 Nr. 1.
XIL Rechtsgeschichte und Reehtsaltert hüm er.
461. Waitz, G., deutsche Verfassungsgeschichte. 5. Bd. Die deutsche
Reichsverfassung im 9—12. Jahrhundert. 1. Bd. 8. (IX, 447 S.) Kiel 1874.
Homann.
Vgl. Götting. Gel. Anzeigen 1874 Nr. 44 (Selbstanzeige); Liter. Centralbl. 1875
Nr. 15.
462. Rive, F., Geschichte der deutschen Vormundschaft. 2. Bd. 2. Ab-
theilg. 8. (VI, 177 S.) Braunschweig 1874. Schwetschke. 4. M. (compl. 12 M.)
Vgl. Liter. Centralbl. 1874 Nr. 11.
463. Bluhme, F., die Mundschaft nach Langobardenrecht.
Zeitschrift für Rechtsgeschichte 11 Bd. 3. Heft (1874).
464. Amira, K. v.. Erbenfolge und Verwandtschafts-Gliederung nach
den altniederdeutschen Rechten. 8. (X, 225 S.) München 1874. Ackermann.
Vgl. Jen. Liter. Zeitung 1874 Nr. 46; Kritische Vierteljahrsschrift XVH, 3.
465. Schröder, Rieh., das eheliche Güterrecht und die Wanderungen
der deutschen Stämme im Mittelalter.
Historische Zeitschrift 16. Jahrg. 2. Heft (1874) S. 289—311.
466. Sperling, H., zur Geschichte von Buße und Gewette im Mittel-
alter. 8. Straßburg 1874. Schmidt. 8 gr.
467. Boos, H., Die Liten und Aldionen nach den Volksrechten. 8.
(70 S.) Göttingen 1874, Peppmüller. 16 gr.
Vgl. Revue critique 1875 Nr. 28.
468. Deloche, Maximin, La Trustis et l'Antrustion royal sous les deux
premieres races. 8. (XVI, 397 S.) Paris 1873.
Vgl. Historische Zeitschrift 1874, 4. Heft S. 344 ff.
469. Maurer, K., Freimarkt.
Gennania 19, 1—5.
470. Hertzberg, Ebbe, Grundtrajkkeue i den seldste norske proces.
Kristiania 1874,
476 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
471. Maurer, K., das Gottesurtheil im altnordischen Rechte.
Germania 19, 139—148.
472. Maurer, K., Schuldkuechtschaft nach altnordischem Rechte.
Sitzungsberichte der k. bayerischen Akademie der Wissenschaften 1874, 1. Heft.
Vgl, Kritische Vierteljahrsschrift 1874, 4. Heft (Brauner).
473. Maurer, K., über den Hauptzehnt einiger nordgermanischer Rechte.
4. (91 S.) München 1874. Franz in Comm.
Aus den Abhandlungen der Akademie. Vgl. Liter. Centralbl. 1875 Nr. 16 ; Kri-
tische Vierteljahrsschrift XVII, 2.
474. Steffenhagen, Dr. Emil, deutsche Rechtsquellen in Preußen vom
XIII. bis zum XVI. Jahrhundert. 8. (VIII, 248 S.) Leipzig 1875. Duncker
u. Humblot.
Vgl. Götting. Gel. Anzeigen 1874 Nr. 47 (Selbstanzeige); Jen. Liter. Zeitung
1875 Nr. 1 (Behrend); Altpreußische Monatschrift 1874, Heft 8 (Toppen); Kritische
Vierteljahrsschrift XVII, 2 (Stobbe) ; Lit. Centralbl. 1875 Nr. 37.
475. Friedrich, über die Zeit der Abfassung des Tit. I, 10 der Lex
Baiuwariorum.
Sitzungsberichte der Münchener Akademie 1874, 3. Heft.
476. Lex Salica herausgegeben von J. Fr. Behrend nebst den Capitu-
larien der Lex Salica bearbeitet von A. Boretius. 8. (XXIV, 168 S.) Berlin
1874. Guttentag. 1 Rthlr. 15 gr.
Vgl. Liter. Centralbl. 1874 Nr. 44; Jen. Liter. Zeitung Nr. 19 (Sohm).
477. Boretius,. Alfr.,' Beiträge zur Capitularienkritik. 8. (X, 169 S.)
Leipzig 1974. Duncker u. Humblot. 1 Rthlr. 6 gr.
Vgl. Literar. Centralblatt 1874 Nr. 33 (Dümmler) ; Jen. Liter. Zeitung Nr. 31
(Sohm).
478. Winter, F., Eiko von Repgow und der Sachsenspiegel.
Forschungen zur deutschen Geschichte 14. Band (1874), S. 305 — 345.
479. Rockinger, gelegentliche Bemerkungen zu den Hss. des kleinen
Kaiserrechtes, insbesondere über eine Rechtsbücherhandschrift in Münster ver-
meintlich vom J. 1449.
Sitzungsberichte der k. bayer. Akademie 1874, 4. Heft.
480. V. Martitz, die Magdeburger Fragen kiitisch untersucht.
Zeitschrift für Eechtsgeschichte 11. Band, 3. Heft (1874).
481. Die Verbreitung des Magdeburger Stadtrechts im Gebiete des
alten polnischen Reichs ostwärts der Weichsel.
Deutsche Monatshefte 2. Jahrg. (1874) 4. Bd. 2. Heft.
482. Kelle, J., Magdeburger Schöffenurteile.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 309 — 314.
483. Dun gel, Adalb., Banntaidinge von Ober-Wölbling und Ober-Loiben.
Aus dem Stiftsarchive von Göttweig mitgetheilt.
Blätter des Vereins f. Landeskunde f. Niederösterreich, N. F. 2, Jahrg. Wien 1873.
484. Riezler, Weisthum von Wolterdingen.
Alemannia II, 179—181.
XIII. Litteraturgeschichte und Sprachdenkmäler.
485. Gervinus, G. G., Geschichte der deutschen Dichtung. 5. Band.
5. Auflage. Herausgeg. v. K. Bartsch. 8. (VI, 887 S.) Leipzig 1874. Engel-
mann. 3Y3 Rthlr.
XIII. LITTERATUEGESCHICHTE UND SPRACHDENKMÄLER. 477
486. Vilmar, A. F. C, Geschichte der deutschen National -Literatur.
16. verm. Aufl. 8. (VIII, 632 S.) Marburg 1874. Elwert. 2 Rthh-.
487. Brugier, G., Geschichte der deutschen National-Literatur. Nebst
kurzgefasster Poetik. Für Schule und Selbstbelebrung. Mit vielen Proben und
einem Glossar. 4. verb. Aufl. 8. (LXXIV, 655 S.) Freiburg i. B. 1874. Herder.
1 '73 Rthlr.
Vgl. Liter. Handweiser Nr. 164; Blätter für liter. Unterhaltung 1875 Nr. 25.
488. Kluge, Herrn., Geschichte der deutschen National-Literatur. Zum
Gebrauch an höheren Unterrichtsanstalten und zum Selbststudium bearbeitet.
5. verb. Aufl. 8. (VIII, 224 S.) Allenburg 1874. Bonde. '^/.^ Rthlr.
Vgl. Wissenschaft]. Beilage der Leipziger Zeitung 1874 Nr. 58; N. Jahrbücher
f. Philol. 1874, 5. 6. Heft; Archiv f. d. Studium der neueren Sprachen 52, 415 (Nie-
meyer); Liter. Handweiser Nr. 165.
489. Pi schon, F. A., Leitfaden zur Geschichte der deutschen Literatur.
14. verm. u. verb. Aufl. bearb. v, H. Palm. 8. (VI, 262 S.) Leipzig 1874.
Duncker u. Humblot. 28 gr.
Vgl. N. Preuß. Zeitung 1874, Beilage 244.
490. Rumpelt, Dr. H. B., Grundzüge der deutschen Literaturgeschichte
zum Gebrauche für Schulen. 2. stark verm. u. verb. Auflage. 8. Breslau 1873.
Gosohorsky. 22Y„ gr.
Vgl. Literar. Handweiser Nr. 165.
491. Gredy, F. M., Geschichte der deutschen Literatur für höhere Lehr-
anstalten , zum Privat- und Selbstunterricht. Neu bearbeitet von AI. Denk.
5. verb. Aufl. 8. (XU, 159 S.) Mainz 1874. Kirchheim. Vg Rthlr.
Vgl. Liter. Handweiser Nr. 164.
492. Leitfaden für die Geschichte der deutschen Literatur. Mit An-
hang: von der Dichtkunst. Herausg. von einem Verein von Lehrern. 1. und 2.
Aufl. 8. Potsdam 1874. Rentel. 5 gr.
Vgl. Liter. Handweiser Nr. 165.
493. Literatur-Merkbüchlein. Kleines Lexicon für Freunde der
deutschen Literatur. 2. verm. Aufl. 8. Breslau 1874. Hirt. 10 gr.
494. Mai er, E., Leitfaden zur Geschichte der deutschen Literatur.
5. Aufl. 8. (XIV, 173 S.) Dresden 1874. Ehlermann. Vg Rthlr.
495. Ohorn, A., Grundzüge der deutschen Literaturgeschichte. Ein Leit-
faden für die Oberclassen der höheren Töchterschulen, Mittelschulen und ver-
wandter Anstalten. Mit einem biographischen Anhang. 8. (VII, 90 S.) Biele-
feld 1874. Bacmeister. 8 gr.
Vgl. Blätter f. literar. Unterhaltung 1875, Nr. 25.
496. Obermüller, L., Leitfaden beim Unterricht in der deutschen
Literaturgeschichte, zugleich Repetitionsbuch. 2. verm. Auflage. 8. (4 u. 176 S.)
Haarlem 1874. Bohn. 1 f. 25 c.
497. Oltrogge, C, Geschichte der deutschen Dichtung von den ältesten
Zeiten bis auf die Gegenwart, in kurzer, übersichtlicher Darstellung für Schulen
und zur Selbstbelehrung. 3. Aufl. 8. (XVI, 638 S.) Leipzig 1874. 0. Wigand.
1 Rthlr.
498. Reuter, Wilh., Literaturkunde, enthaltend Abriß der Poetik und
Geschichte der deutschen Poesie. Für höhere Lehranstalten etc. 6. Auflage. 8.
(VIII, 215 S.) Freiburg i. Br. 1874. Herder. 14 gr.
Vgl. Liter. Handweiser Nr. 150; Philothea 38, 12.
478 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
499. Schwarz, C.W. G. E., Geschichte der deutschen Literatur. 2. Aufl.
8. (XXXI, 421 S.) Amsterdam 1874. Binger. 2 Kthlr.
500. Weber, G., Geschichte der deutschen Literatur von ihren An-
fängen bis zur Gegenwart. 10. völlig umgearb. Aufl. 8. (IV, 249 S.) Leipzig
1874. Engelmann. ^4 ^thlr.
501. Wolff, Emil, Leitfaden zur Geschichte der deutschen Dichtung.
Nach unterrichtlichen Grundsätzen in drei Kursen bearbeitet. 8. Leipzig 1874.
Siegißmuud u. Volkeniug. k 8 gr.
502. Lange, Otto, Literaturgeschichtliche Lebensbilder und Charakteri-
stiken. Biographisches Repertorium der Geschichte der deutschen Literatur.
2. verm. u. verb. Auflage. 8. (VlII, 378 S.) Berlin 1875. Gärtner. 1 V3 Rthlr.
Vgl. Literar. Handweiser Nr. 164; Natioual-Zeitung 1874 Nr. 539; Kölnische
Zeitung Nr. .319.
503. Wolff, Emil, Umrisse und Bilder aus der Literaturkunde. 1. Buch.
8. (96 S.) Leipzig 1874. Schäfer. V3 Rthr.
504. Sonnenburg, Ferd., die Heroen der deutschen Literatur. In
lebensgeschichtlicher Form. Zum Gebrauche auf Gymnasien, Real- und Töchter-
schulen, sowie für Lehrer und zum Privatstudium. 3 Bde. 8. (VIT, 326; 583;
729 S.) Braunschweig 1874. Vieweg. 5^6 Rthlr.
505. Wyß, Fr., die deutsche Poesie der neueren Zeit mit einleitenden
Literaturbildern aus früheren Perioden. 2. Auflage. 8. (X, 211 S.) Bern 1874.
Dalp. 1 M. 60 Pf.
506. Jonckbloet, W. J. A., Geschiedenis der nederlandsche letterkunde.
2® deel. 2* geheel omgewerkte uitgave. 8. (8 und 505 S.) Groningen 1874.
Wolters. 6 f. 25 c.
507. Brink, Jan ten, Letterkundige Schetsen. l"" Aflev., 8. (S. 1 — 64).
Haarlem 1874. Bohn. 55 c. (Etwa 14 Liefg.)
508. Taine, A. H., Histoire de la littdrature anglaise. 3* editiou, revue
et augmentee. T. 5*^ et compldmentaire. Les Contemporains. 18. (III, 484 S.)
Paris 1874. Hacbette. 3 f. 50 c.
509. Taine's, H., History of English Literature. Translated from the
French by H^ van Laun. 4 vols. Edinburgh 1874. ä 7 s. 6 d.
Vgl. Dublin Review Januar 1874; Fortnightly Review Decemb. 1873 S. 693—714.
510. Taine, H.A., den engelske Literaturs Historie. Renaissancen 1
England. Oversat af H. S. Vodskov. 3 — 5. Heft. 8. (ä 80 S.) Kopenhagen 1874.
Gyldeudal. ä 36 sk.
511. Scherr, Joh., Geschichte der englischen Literatur. 2. vorm. und
verb. Aufl. 8. (VII, 267 S.) Leipzig 1874. 0. AVigand. IV3 Rthlr.
Vgl. Blätter f. liter. Unterhaltung 1875 Nr. 20 (Äsher); Allgera. Zeitung 1874,
Nr. 301; N. freie Presse Nr. 3670; Hamburgischer Correspondent 1875 Nr. 63.
512. Gäts chenberger , Stephan, Geschichte der englischen Dichtkunst
und Skizze der wissenschaftlichen Literatur Englands. 2. Aufl. 8. London 1874.
Wohlauer. 7 Mk.
Vgl. Blätter t. liter. Unterhaltung 1875 Nr. 20 (Asher); Hamburg. Correspondent
1874 Nr, 263; N. freie Presse Nr. 3620; Thüriug. Zeitung Nr. 136; Zeitschrift f. weib-
liche Bildung III, 3; Saturday Review 21. Aug, 1875.
513. Craik, Gcoi-ge L., a manna! of English literature and of the history
of english language. 2 vols. 12. Leipzig 1874. Tauchnitz. k y„ Rthlr.
Vgl. Liter. Centralbl 1875 Nr. 22; Lehmanus Magazin Kr. 27*.
XIII. LITTERATURGESCHICHTE UNO SPRACHDENKMÄLER. 479
514. Collier's History of english Hterature, abridged aud adapted for
use in Dutsch schools by P. H. van Moerkerken. 2'^ edition corrected and re-
vised. 8. (9, 231 S.) Amsterdam 1874. Akkeringa. 2 f.
515. Ruggeri, Charles, a manual of the history of English literature.
8. (32 S.) Messina 1874.
516. Minto, William, Characteristics of English poets from Chaucer to
Shirley. London and Edinburgh 1874. Blackwood.
Vgl. Academy 24. Üctob. 1874.
517. Claeson, G., Ofversigt af Svenska spräkets och literatui-ens historia.
Lärobok. 3. uppl. 8. (214 S.) Stockholm 1874. 1 k. 75 ö.
518. Winkel -Hörn, F., Ofversigt af danska och norska literaturens
historia. För svenska skolor utarbetad under medverkan af G. Upmack. 8. (VIII,
152 S.) Stockholm 1874. 1 k. 25 ö.
519. Ebert, Adolf, allgemeine Gescbichte der Literatur den Mittelalters
im Äbendlaude. 1. Bd. Geschichte der christlich-lateinischen Literatur von ihren
Anfängen bis zum Zeitalter Karls des Großen. 8. (XII. 624 S.) Leipzig 1874.
F. C. W. Vogel. 4 Rthlr.
Vgl. Liter. Centralbl. 1874, Nr. 29; Saturday Review 15. August; Liter. Anzeiger
XIV, 4; Theolog. Literaturblatt 1875, Nr. 1; Archiv f. Liter. Geschichte 4, 518—522
(Teulfel) ; Zeitschrift f. wissenschaftl. Theologie XVIII, 1 ; AUgem. evang. luth. Kirchen-
zeitung Nr. 4; Revue critique 1875 Nr. 23; Liter. Handweiser Nr. 16.
520. Scherr, J., almindelig Literaturliistorie. Oversat og bearbeidet med
saerligt Hensyn til Norden af Fr. Winkel Horu. 1 — 5. Levering. 8, (ä 64 S.)
1874. ä 48 sk.
521. Mo r eil, J. E., a history of European literature in the middle ages
and modern times. 12. (214 S.) 2 s. 6 d.
522. Stern, A., Katechismus der allgemeinen Literaturgeschichte. 8.
Leipzig 1874. Weber. 24 gr.
Vgl. Im neuen Reich 1874 Nr. 50; Das neue Blatt Nr. 43.
523. Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgeschichte der
germanischen Völker. Herausg. von B. ten Brink und W. Scherer. 1. 2. Heft.
8. Straßburg 1874. Trübner.
524. Springer, A., die Weltliteratur im Mittelalter.
Im neuen Reich 1874, Nr. 40.
525. Kuhn, P. Alb., die ideale und ästhetische Bedeutung der mittel-
hochdeutschen Poesie. 4. (30 S.).
Programm von Maria-Einsiedeln 1874.
526. Hackel, die Ursachen des Verfalles der deutschen Literatur im
Mittelalter. 8.
Programm der Oberrealschule in Linz 1874.
527. Wattenbach, Wilh., Deutschlands Geschichtsquellen im Mittel-
alter bis zur Mitte des 13. Jhdts. 2. Bd. 3. Aufl. 8. (412 S.) Berlin 1874. Hertz.
528. Kurz, Heinrich, die deutsche Literatur im Elsaß. 1. u. 2. Auflage.
8. (47 S.) Berlin 1874. HeinersdorflF. Yg Rthlr.
Vgl. Die Literatur 1874 Nr. 36 (Knorr); Über Land und Meer Nr. 2.
529. Seh er er, Wilh,, Vorträge und Aufsätze zur Geschichte des geistigen
Lebens in Österreich und Deutschland. 8. (^VI, 431 S.) Berlin 1874. Weidmann.
2% Rthlr.
Vgl. Im neuen Reich 1874, Nr. 47; N. Freie Presse Nr. 3685; Wieper Abend-
post Nr 266; Bohemia Nr. 322; Schwab. Kronik Nr. 2^6: Volkszeitung Nr. 267;
480 BIBLIOGRAPHIE VON 1«74.
Deutsche Rundschau I, 4; Nordd. Allg. Zeitung Nr. 273; Kölnische Zeitung 1875,
Nr. 25; Preußische Jahrbücher 3. Heft; Saturday Review 16. Januar; Weser Zeitung
Nr. 10197; Zeitschrift für deutsches Alterthum XIX, 1.
530. Gelbe, Th., das deutsche Volksepos. Vortrag.
Deutscher Sprachwart 8. Bd. (1874) Nr. 23.
531. Storm, Gust., Sagnkredsene om Karl den Store og Didrik af
Bern hos de nordiske Folk. Et Bidrag til Middelalderens litterfere Historie.
Udgivet af den norske historiske Forening. 8. (IV, 247 S.) Kristiania 1874.
Vgl. Germania 20, 226 ff. (Kölbing).
532. Hammerich, Fr., älteste christliche Epik der Angelsachsen, Deut-
schen und Nordländer. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte. Aus dem Dänischen
von A. Michelsen. 8. (VH, 280 S.) Gütersloh 1874. Bertelsmann. iV^ Ethlr.
Vgl. Bibliographie 1873 Nr. 512; Liter. Centralbl. 1875 Nr. 9.
533. Zittel, Emil, die epischen Dichtungen des Lebens Jesu. Vortrag.
8. Mannheim 1874. Löflfler. 4 gr.
534. Scherer, W., Rolandslied, Kaiserchronik, Rother.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 298—306.
535. Schercr, W., Geistliche Poeten der deutschen Kaiserzeit. Studien.
1. Heft. Zu Genesis und Exodus. 8. (VHI, 77 S.) Straßburg 1874. Trübner.
^3 Rthlr.
Vgl. Blätter f. liter. Unterhaltung 1875, Nr. 11 (Rückert).
536. Schercr, W., Deutsche Studien. IL 8. Wien 1874. Gerold in
Comm.
Aus den Sitzungsberichten der Akademie. Behandelt den Minnegesang des 12.
Jahrhs.
537. Sauter, Franz, Ästhetische Excursionen. Leipzig 1874. Günther.
Enthält S. 161 — 176: Tannhäuser und Genossen.
538. Mossmann, die von Meister und Rath der Stadt Colmar am
10. Sept. 1549 bewilligte Ordnung der Meistersängerschule.
Alsatia 1873—74.
539. Schönbach, Dr. Anton, über die Marienklagen. Ein Beitrag zur
Geschichte der geistlichen Dichtung in Deutschland. Festschrift der Universität
in Graz. 4. Graz 1874. Leuschuer. 1 7,3 Rthlr.
Vgl. Literar. Centralbl. 1875 Nr. 16; Jen. Liter. Zeitung Nr. 8 (Steinmeyer);
Revue critique Nr. 8.
540. Wackernagel, Philipp, das deutsche Kirchenlied von der ältesten
Zeit bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts. 43. 44. Liefg. (Bd. 4, XXIV S. und
S. 1041 — 1184). Leipzig 1874. Teubner. k Va Rthlr.
541. Kehr ein, Jos., das deutsche katholische Kirchenlied in seiner
Entwickelung von den ersten Anfängen bis zur Gegenwart. 8. Neuburg a. D. 1874.
12 gr.
Vgl. Der Katholik 1874, November.
542. Neubauer, J., die katholische Dichtung in der deutschen Literatur
seit der Reformation bis zur Gegenwart. 8. Prag 1874. Calve. 12 gr.
Vgl. Liter. Handweiser Nr. 152.
543. Reißmann, A., Geschichte des deutschen Liedes. 8. (VI, 284 S.)
Berlin 1874. Guttentag. 2 Rthlr.
Vgl. Liter. Centralbl. 1874 Nr. 51.
544. Dannehl, L., Beiträge zur Geschichte des deutschen geistlichen
Liedes. 4. (27 S.)
Programm des Progymuasiuras zu Sangerhausen 1874.
XII[. L1TTERA.TURGESCHICHTE UND SPRACHDENKMÄLER. 481
545. Weiland, Th., die Zeit Karls V. im Lichte der politischen Volks-
dichtung. 8. (42 S.).
Programm des Gymnasiums zu Constauz 1874.
546. Haueis, Emil, das deutsche Fastnachtspiel im 15. Jahrh. 8.
Programm des Realgymnasiums zu Baden (bei Wien) 1874.
547. Hellwald, Ferd. v., Geschichte des holländischen Theaters. 8.
(Vm, 150 S.) Rotterdam 1874. 2 f. 75 c.
Vgl. Literar. Centralblatt 1875 Nr. 2 ; Athenaeum Nr. 2445 ; Deutsche Rund-
schau I, 10.
548. Preger, Wilh., Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter.
1. Theil. 8. (VIII, 488 S.) Leipzig 1874. Dörfflinger u. Francke. 3 Kthlr.
Vgl. Liter. Ceutralbl. 1875 Nr. 31; Literar. Rundschau I, 7; AUgem. Zeitung
1874 Nr. 343 (Scherer); Allgem. evang. luther. Kirchenzeitung 1875 Nr. 7; Theolog.
Literaturbl, Nr. 8; Theolog. Jahresbericht X, 4; Histor. polit Blätter Bd. 75 Nr. 9 ff.;
Zeitschrift f. d, gesammte luther. Theologie 36, 4.
549. Weinhold, K., mittelhochdeutsches Lesebuch. Mit einer kurzen
Grammatik des Mittelhochdeutschen und einem Glossar. 3. durchgesehene Aufl.
8. (VI, 277 S.) Wien 1875. Braumüller.
550. Wackernagel, Ph., Edelsteine deutscher Dichtung und Weisheit
im 13. Jahrhundert. 4. Aufl. 8. (XXXVI, 312 S.) Frankfurt a. M. 1874. Heyder
u. Zimmer. 2 Rthlr.
551. Schauenburg, Ed., und Rieh. Ho che, deutsches Lesebuch für die
Oberclassen höherer Schulen. 1. Theil. (,13-, 14., 15. und IG. Jahrh.) 2. Aufl.
8. (VIII, 307 S.) Essen 1874. Baedecker. 1 Rthlr. 2 gr.
Vgl. N. Preuß. Zeitung 1874 Nr. 288.
552. Pütz, Wilhelm, altdeutsches Lesebuch mit Sprach- und Sach-Er-
klärungen für höhere Lehranstalten und zum Selbstunterricht. 4. verb. Auflage.
8. (VI, 141 S.) Leipzig 1874. Baedeker. 12 gr.
553. Dittmar, G., Lesebuch zu den classischen Perioden der deutschen
Literatur. 2 Abtheilungen. 8. (XII, 226; X, 375 S.) Neuwied 1874. Heuser.
V2 u. Ve Rthlr.
554. Gude, C, Auswahl deutscher Dichtungen aus dem Mittelalter, gr. 8.
(VI, 186 S.) Leipzig 1874. Brandstetter. 12 gr.
Vgl. Würtemberg. Schulwochenblatt 1874 Nr. 40; Liter. Anzeiger XIV, 4; All-
gem. Schulblatt II, 4.
555. Lindemann, W., Blumenstrauß von geistlichen Gedichten des
deutschen Mittelalters. Den Freunden religiöser Dichtung gewidmet. 8. (XV,
529 S.) Freiburg i. B. 1874. Herder. 1 Rthlr. 24 gr.
Vgl. Jen. Liter. Zeitung 1874 Nr. 51 (Sievers) ; Liter. Handweiser Nr. 162 ; Liter.
Rundschau I, 2; Sonntagsblatt der N. Preuß. Zeitung 1875 Nr. 27; Stimmen aus
Maria-Laach Nr. 1.
556. Gostwick, German poets and their times, 1874.
557. Wülcker, R. P., altenglisches Lesebuch. Zum Gebrauche bei Vor-
lesungen und zum Selbstunterricht. 1. Teil, die Zeit von 1250 — 1350 um-
fassend. 8. (XII, 228 S.) Halle 1874. Lippert. IV2 ßthlr.
Vgl. Germania 20, 360 ff. (Kölbing); Liter. Centralblatt 1875 Nr. 5 (Schipper);
Zeitschrift f. d, österr. Gymnasien 26, 2 (Znpitza); Revue critique 1875 Nr, 23; Herrigs
Archiv 53, 448 (Asher).
GEBMANIA. Neue Reihe VIII. (XX.) Jahrg. 31
482 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
558. Zupitza, Julius, alteuglisches Übungsbuch zum Gebrauche bei
Universitätsvorlesungen. Mit einem Wörterbuche. 8. (VI, 137 S.) Wien 1874.
Braumüller. 1 7^ ßthlr.
Vgl. Germania 20,360flF. (Kölbing); Liter. Centralblatt 1874 Nr. 22; Revue critique
1875 Nr. 23; Lehmanns Magazin Nr. 6.
559. Wolzogen, H. v., Beitrag ziu- Sammlung deutscher Stabreime.
Deutscher Sprachwart, 8. Bd. (1874) Nr. 22.
560. Gemoll, W., der Vers von vier Hebungen und die Langzeile.
Germania 19, 35-44.
561. Seyd, Beitrag zur Charakteristik und Würdigung der deutschen
Strophen. 8. Berlin 1874. Moeser. ^a Rthlr.
562. Haller, G., über Lai, Virelai und Leich.
Die Literatur 1874 Nr. 9; mit einem Nachtrag: Deutsche Virelais in Nr. 23.
563. Hildebrand, Karl, die Verstheilung in den Eddaliedern.
Zeitschrift für deutsche Philologie, Ergänzungsband S. 74^139. Berichtigungen
und Nachträge S. 617—622. Vgl. Bibliogr. 1873 Nr. 529.
564. Gislason, K. , en anmaerkning (zu Nogle Bemserkninger om
Skjaldedigtenes Beskaffeuhed i formel Henseende. 1872).
In: VidenskabSelskabs Skrifter 5, ßaekke, 4. Bd., S. 457—461.
565. Kraemer, R. von, Svensk metrik pä grundvalen af musikens
rytmik och med belysning hemtad frän andra spraks versbyggnad. 1. Heft.
(107 S.) Stockholm 1874. 1 kr.
A. Gothisch.
566. Friedr. Stamm's Ulfilas oder die uns erhaltenen Denkmäler dei
gothischen Sprache. Text, Grammatik und Wörterbuch. Neu herausg. von
M. Heyne. 6. Aufl. 8. (XII, 442 S.) Paderborn 1874. Schöningh. IV3 Rthlr.
Vgl. Revue critique 1874 Nr. 47; Deutscher Sprachwart VIII, 21.
567. Bosworth, Joseph, The Gothic and Anglo - Saxon Gospels, in
parallel columns, with the versions of WyclifFe and Tyndale. 2"'^ edition. 8.
(616 S.) London 1874. Smith. 12 sh.
568. Uppström, A., Aivaggeljo Jjairh Mat])aiu eller fragmenterna af
Matthaei evangelium pä götiska jemte ordfirklaring och ordböjningslära. 2. uppl.
ombesörjd af V. Uppström. 8. (120 S.) Stockholm 1874. 2 kr.
569. Gering, Hugo, zwei Parallelstellen aus Vulfila und Tatian.
Zeitschrift für deutsche Philologie 6, 1 — 3.
B. Althochdeutsch.
570. Henning, Rud., über die sanctgallischen Si^rachdenkmäler bis zum
Tode Karls des Grossen. 8. (XVI, 159 S.) Straßburg 1874. Trübner. 1 V3 Rthlr.
Vgl. Liter. Centralblatt 1875 Nr. 8; Jen. Liter. Zeitung Nr. 14 (Steinmeyer);
Götting. Gel. Anzeigen Nr. 21 (Bezzenberger).
571. Dümmler, E., zur Lorscher Beichte.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 308.
572. Seiler, Fr., die ahd. Übersetzung der Benediktinerregel.
Paul und Braune, Beiträge I, 402 — 485. S. 1 — 36 auch als Hallesche Dissertation.
573. Seh er er, W., Litterarhistorische Gespenster. I. Kero.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 145—149.
XIII. B. ALTHOCHDEUTSCH. C. MITTELHOCHDEUTSCH. 483
574. Friedländer, E., und J. Zacher, ein deutsches Bibelfragment
aus dem achten Jahrhundert.
Zeitschrift für deutsche Philologie 5, 381 — 392.
575. Rödiger, die Wiener Genesis.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 263—280.
576. Zarncke, über den althochdeutschen Gesang vom beil. Georg.
Berichte der k. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften 1874, 23. April (40 S.).
577. Bartsch, K., ahd. Glossen aus Scheftlarn und Tegernsee.
Germania 19, 434-437.
578. Bartsch, K., Berichtigungen zur Zeitschrift für deutsches Alter-
thum. (16, 94 ff.)
Germania 19, 383—384. Zu den Prudentiusglossen.
579. Bartsch, K. , Bruchstücke einer Handschrift von Heinrici Sum-
marium.
Germania 19, 215—216.
580. Hymnen, die Murbacher, nach den Handschriften herausgegeben
von Ed. Sievers. 8. (VI, 105 S.) Halle 1874. Waisenhaus. 1 Rthlr.
Vgl. Germania 20, 81 ff.; Lit. Centralblatt 1874 Nr. 35; Zeitschrift für deutsche
Philologie 6, 236 ff. (Erdmann) und dazu Sievers ebd. S. 375.
581. Fertsch, Otfrid der Weißenburger Mönch. 8.
Programm des CoUegiums in Weißenburg i. E. 1874.
582. Erdmann, 0., zur Erklärung Otfrids.
Zeitschrift für deutsche Philologie 5, 338—349. — Vgl. auch oben Nr. 126,
583. Rieger, Max, eine neue Runeninschrift.
Zeitschrift für deutsche Philologie 5, 375—381.
584. Albert, Dr. J. H., ein Runenstein in Tyrol.
Der Globus 1874, Bd. 26 Nr. 23.
585. Stephens, G., en Runesten i Tyrol.
Illustreret Tidende 1874 Nr. 786.
586. Steinmeyer, E., Sangallensia.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 17, 431 — 504.
587. Müllenhoff, K., ein Vers aus Sangallen.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 261 — 262.
C. Mittelhochdeutsch.
588. Zupitza, Jul., Bruchstücke mhd. Dichtungen. II. III.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 17, 588—590. 18, 89 — 124.
589. Birlinger, A., und W. Crecelius, altdeutsche Neujahrsblätter
für 1874. Mittel- und niederdeutsche Dialectproben. 4. (VI, 147 S.) Wies-
baden 1874. Killinger. 1 Rthlr. 6 gr.
Vgl. Reusch, theolog. Literaturblatt 1874 Nr. 22 (Norrenberg).
590. Schönbach, A., zu Zeitschrift 17, 84.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 81 — 82.
591. Alexius. — Schönbach, A., über Sant Alexi;;s.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 82 — 89.
592. Alpharts Tod in erneuter Gestalt von K. J. Schröer. 16.
(62 S.) Leipzig 1874. 2 gr.
Reclams Universalbibliothek Nr, 546.
593. Athis- und Prophilias. — Hoverdeu, Graf, eine Blasonirung
aus dem mhd. Gedichte Athis und Prophilias,
Der deutsche Herold 1874 Nr. 4—5.
31*
484 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
594. Ave Maria. Von A. Schönbach.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 160.
595. Berthold. — Ahlfeld, Bruder Berthold von Regensburg, der
größte deutsche Prediger des Mittelalters. Ein Vortrag am 21. Jan. 1874
gehalten. 8. (31 S.) Halle 1874. Mühlmann. 6 gr.
Vgl. wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung 1874 Nr. 27; Jen. Liter. Zei-
tung Nr. 47 (Graue); theolog. Jahresbericht IX, 8; Evang. luth. Kirchenzeitung Nr. 32;
N. Prcuß. Zeitung Nr. 80.
596. Bibel. — Gemoll, W., Bruchstücke einer gereimten Bibelüber-
setzung.
Germania 19, 339—343.
597. Boner. — Gercke, die dialectischen Eigenheiten von Ulrich
Boner. 8. (21 S.)
Programm der hohem Bürgerschule zu Northeim 1874. Vgl. Zeitschrift f. deutsche
Philologie 6, 251.
598. Chroniken, die, der deutschen Städte. 11. Bd. Die Chroniken
der fränkischen Städte. Nürnberg. 5. Band. 8. (X, S. 441—888.) Leipzig 1874.
Hirzel. 4 Ethlr.
Vgl. Liter. Centralblatt 1875 Nr. 22; AUgem. Zeitung 1874, Beilage 293.
599. Eggenlied. — Tirol und das Eggenlied.
Wiener Abeudpost 1874 Nr. 206.
600. Eilhart. — ■ Jacob, G., Bruchstücke aus Eilharts Tristan.
Verhandlungen des historischen Vereines von Oberpfalz und Regensburg.
29. Bd. (1874) = Germau. 18, 274 ff.
601. Ernst. — Barts-ch, K., Bruchstücke von Herzog Ernst A.
Germania 19, 195 — 196.
602. Erzählungen. — Die altdeutsche Erzählung vom rothen Munde
herausg. von A. v. Keller. 4. Tübingen 1874. (Universitäts-Programm.)
603. Reifferscheid, Alex., der Schlegel.
Zeitschrift für deutsche Philologie 6, 38 — 41.
604. Freidank. — Bacmeister, A., Freidanks Bescheidenheit. Spruch-
sammlung aus dem 13. Jahrb. 16. Stuttgart 1874. Neff. 16 gr.
605. Gedichte, zwei geistliche, aus Schlesien. Von H. Rückert.
Germania 19, 75 — 77.
606. Zwei Achener historische Gedichte des 15. und 16. Jahrhunderts.
Herausgeg. von H. Loersch und A. Reifferscheid. 8. (98 S.) Aachen
1874. Kaatzer.
Vgl. Liter. Centralblatt 1875 Nr. 15; Götting. Gel. Anzeigen 1874 Nr. 35;
Kölnische Zeitung Nr. 201; Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte III, 11.
607. Birlinger, A., Sprüche im Kölner Dialect.
Germania 19, 97-98.
608. Nolte, Dr., niederrheinische Sprüche und Priameln.
Germania 19, 303—305.
609. Birlinger, A., Ein alter guter Spruch.
Alemannia II, 100.
610. Müllenhoff, K., Inschrift aus Limburg an der Lahn.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 156 — 157.
611» Müllenhoff, K., die Limburger Inschrift.
Ebenda 18, 258—259.
612. Scheins, Achener Kerkerinschrift,
Ebenda 18, 260.
613. Steinmeyer, E., Notiz.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 317.
XIII. C. MITTELHOCHDEUTSCH. 485
614. Glossen, zwei, aus dem XIV. Jahrh. von A. Lütolf.
Alemanuia II, 28—32.
615. Hartmann. — Schleyer, Dr. H. , Untersuchungen über das
Leben und die Dichtungen Hartmanns von Aue. 4. (56 S.) Naumburg 1874.
Programm der Landesschule Pforta 1874. Vgl. Germania 19, 317 f. (K. Bartsch).
616. Schmid, Ludwig, des Minnesängers Hai-tmann von Aue Stand,
Heimat und Geschlecht. Eine kritisch -historische Untersuchung. Mit einem
Wappenbilde. 8. (XII, 200 S.) Tübingen 1875. Fues.
Vgl. Germania 20, 373—378 (H. Fischer); Zeitschrift für deutsche Philologie 6,
485 ff. (Kiuzel); Jen. Liter. Zeitung 1875 Nr 29 (Schreyer); Alemannia III, 1; Mit-
theilungen für Geschichte der Deutschen in Böhmen XIII, 5 (Berger); Schwäbische
Chronik 1874 Nr. 286; Correspondenzblatt f, d. gelehrten Schulen Würtembergs 22, 3.
617. Paul, zum Leben Hartmanns von Aue.
Paul und Braune, Beiträge I, 535 — 539.
618. Paul, H., über das gegenseitige Verhältniss der Handschriften von
Hartmanns Iwein.
Paul und Braune, Beiträge I, 288 — 401.
619. Benecke, Gr. F., Wörterbuch zu Hartmanns Iwein. 2. Auflage, be-
sorgt von E. Wilken. 1. 2. Liefg. 8. (S. 1 — 256.) Göttiugen 1874. Dieterich.
ä 24 gr.
Vgl. Götting. Gel. Anzeigen 1875, IG (Selbstanzeige); Lit. Centralblatt 1875
Nr. 13 (Paul); Jen. Lit. Zeitung Nr. 21 (Harczyk); Eevue critique Nr. 32.
620. Heinrich von Freiberg. — Bech, F., urkundliche Nachricht
über das Geschlecht und die Heimat der Dichter Heinrich und Johannes von
Freiberg.
Germania 19, 420—424.
621. Heinrich von Morungen. Von Fedor Bech.
Germania 19, 419.
622. Zur borg, die Heimat Heinrichs von Morungen.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 319—320.
623. Heinrich von Pfolspeundt. — Häser, nachträgliche Bemerkung
zu den Untersuchungen des Herrn MufFat in Betreff der „Bündt-Ertzney" Hein-
richs von Pfolspeundt.
Sitzungsberichte der k. bayer. Akademie der Wissenschaften 1874. Bd. H.
624. Heinrich der Vogler. — Wegen er, die Entstehung von Dietrichs
Flucht zu den Heunen und der Rabenschlacht.
Zeitschrift für deutsche Philologie, Ergänzungsband S. 447 — 581.
625. Heldenbuch, das kleine, von K. Simrock. 3. Auflage. 8. (XIV,
550 S.) Stuttgart 1874. Cotta. 3 Rthlr.
626. Hildebrandsliede, zum jüngeren, von A. Edzardi.
Germania 19, 315—326.
627. Hugo von Trimberg. — Schäfer, Simon, zur deutschen Lite-
raturgeschichte des 16. Jahrhunderts. 8. (28 S.) Bonn 1874. Dissertation.
Handelt über die Eennerbearbeitung von 1549.
628. Johannes von Freiberg s. Nr. 620.
629. Kaiserchronik. — MüUenhoff, K., ein Lied in der Kaiserchronik.
Zeitschxift für deutsches Alterthum 18, 157 — 159.
630. Welzhofer, Heinrich, Untersuchungen über die deutsche Kaiser-
chronik des 12. Jahrhunderts. 8. München 1874. Ackermann. 10 gr.
Vgl. Jen. Literatur-Zeitung 1875 Nr. 5 (Bernhard),
486 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
631. Konrad von Würzburg. — Seh ei b 1er, G. , zu den lyrischen
Gedichten Konrads von Würzburg. I. Der Strofenbau. 8. Breslau 1874.
Dissertation.
632. Kudrun. — Gudrun, übersetzt von K. Simrock. 9. Auflage. 8.
Stuttgart 1874. Cotta. 1 '/„ Rthlr.
633. Bacmeister, A., Gudrun, altdeutsches Heldengedicht neudeutsch
bearbeitet. 2. Auflage. 8. Stuttgart 1874. Nefi'. Vs K^blr.
634. Bacmeister, A. , die Königstochter Gudrun oder die schöne
Wäscherin. 8. (64 S.) Reutlingen 1874. Fleischhauer und Spohn. 3 gr.
635. Kürenberg. — Vollmöller, K., Kürenberg und die Nibelungen
Eine gekrönte Preisschrift. Nebst einem Anhang: Der von Kürnberc. Heraus
gegeben von K. Simrock. 8. (48 S.) Stuttgart 1874. Meyer und Zeller. 12 gr
Vgl. Germania 19, 852 ff. (Bai-tsch); Jen. Liter. - Zeitung 1874 Nr. 12 (Sie
vers); Liter. Centralblatt Nr. 20; Wissenschaft!. Monatsblätter II, 7; Zeitschrift f. d
österr. Gymnasien XXV. 5 (Scbönbach); Archiv f. Lit.-Geschichte V, 1 (Schröder)
Schwäbische Chronik 1874 Nr. 63; Allgem. Zeitung Nr. 132; National-Zeitung Nr. 159;
Staats -Anzeiger f. Würtemberg Nr. 34; Blätter f. liter. Unterhaltung 1875 Nr. 11
(Rückert).
636. Scher er, W., der Kürenberger.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 17, 561 — 581. Vgl. Germania 19, 356 ff.
(Bartsch).
637. Seh er er, W., Noch einmal der Kürenberger.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 150 — 153.
638. Laiirin. Ein tirolisches Heldenmärchen aus dem Anfange des
Xin. Jahrhunderts, herausg. von K. Müllenhoff. 8. (78 S.) Berlin 1874.
Weidmann. Yg Rthlr.
Vgl. Germania 20, 94—194 (K. Bartsch); Jen. Liter. Zeitung 1875 Nr. 4 (Stein-
meyer); Zeitschrift f. d. österr. Gymnasien 26, 5; Blätter f. d. bayer. Gymnasien XI, 3;
Lehmanns Magazin 1875 Nr. 18.
639. Legende. — Leben des heil. Dominicus. Prosalegende aus dem
Anfang des 14. Jahrhunderts. Herausg. von Dr. J. König.
Freiburger Diöcesan-Archiv VIII (1874), 331—359.
640. Margarete. — Vogt, F., über die Margaretenlegenden.
Paul und Braune, Beiträge I, 263—287.
641. Mariengrüssen, zu den. Von E. Steinmeyer.
Zeitschrift f. deutsches Alterthum 18, 13 — 16.
642. Marien Himmelfahrt. Von A. Schönbach.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 53, 121 — 123. Gedicht des 14. Jh.
aus einer Hs. in Seitenstetten.
643. Marienleben, Grazer. Von A. Schönbach.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 17, 519 — 560.
644. Marner. — Meyer, Fei., über Leben und Dichten des Marner. 8.
(55 S.) Berlin 1873.
Gießener Dissertation.
645 Schneider, B., de vita et carminibus Marneri poctae raedii aevi.
8. (89 S.)
Leipziger Dissertation 1873.
646. Mystiker. — Haupt, Jos., Beiträge zur Literatur der deutscheu
Mystiker. 8. (56 S.) Wien 1874. Gerold in Comm. 8 gr.
Aus den Sitzungsberichten der Akademie. Vgl. Zeitschrift für deutsche Philo-
logie 6, 248 ff. (Schönbach).
Xin. C. MITTELHOCHDEUTSCH. 487
647. Nibelungenlied, das. Schulausgabe mit einem Wörterbuch von
Karl Bartsch. 8. (IV, 299 S.) Leipzig 1874. Brockhaus. % Rt'ilr.
Vgl. Jen. Liter. Zeitung 1875 Nr. 12 (Sievers); Correspondenzblatt für die ge-
lehrten Schulen Würtembergs XXII, 2; Hamburg. Schulbl. 1874 Nr. 590.
648. Nibelungenlied in der ältesten Gestalt. Schulausgabe. Herausg,
und mit einem Wörterbuch versehen von Adolf Holtzmann. 3. umgearb.
Auflage besorgt durch Alfred Holder. 8. (XVI, 376 S.) Stuttgart 1874. Metzler.
I Rthlr.
Vgl. über diese und die folgende Nummer Jen. Liter. Zeitung 1875 Nr. 12
(Sievers); Saturday Review 19. Sept. 1874; Schwäbischer Merkur Nr. 241; Trübners
Literary Eecord Nr. 104 f.; Allgem. Zeitung 1875 Beilage 6; über Land und Meer
Nr. 3; Europa 1874 Nr. 42; Literaturfreund II, 13.
649. Dasselbe. Volks- Ausgabe. 8. (IV, 282 S.) Stuttgart 1874. Metzler.
Va Rthlr.
650. Nibelunge Noth, der, und die Klage. Nach der ältesten Über-
lieferung herausgegeben von Karl Lachmann. 8. Abdruck des Textes. 8.
(297 S.) Berlin 1874. Reimer. '/^ Rthlr.
651. Das Nibelungenlied. Schulausgabe. Mit Einleitung und Wörter-
buch von Karl Simrock. 16. (XII, 210 S.) Stuttgart 1874. Cotta. % Rthlr.
Vgl. Jen. Liter. Zeitung 1875 Nr. 12 (Sievers); Kölnische Zeitung 1875 Nr. 298.
652. Das Nibelungenlied. Aus dem Mittelhochdeutschen volksthüm-
lich übersetzt von L. Gerlach. 3. Auflage. 2 Theile. 8. (124 und 131 S.)
Dresden 1874. Kaufmann. 12 gr.
653. Bacmeister, A., das Nibelungenlied für die Jugend bearbeitet.
2. Auflage. 8. Stuttgart 1874. Neff. ^4 Kthlr.
654. Körtge, H., das Nibelungenlied nebst der Klage. Für die Jugend
erzählt. 8. (112 S.) Braunschweig 1874. Zwißler. 10 gr.
655. Schmidt, F., die Nibelungen. 5. Auflage. 16. (208 S.) Berlin
1874. Kastner. '/^ Rthlr.
656. Rosses, het Nevelingen-Lied un de Heldenliedern der Oude Edda.
8. (36 S.) Amsterdam 1873. Loman.
657. Fischer, Hermann, die Forschungen über das Nibelungenlied seit
Karl Lachmann. Gekrönte Preisschrift. 8. (272 S.) Leipzig. 1874. F. C. W.
Vogel. 1% Rthlr.
Vgl. Germania 19, 352 ff. (Bartsch); 20, 111—122 (Fischer); Jen. Liter. Zeitung
1874 Nr. 44 (Paul); Revue critique 1875 Nr. 33; Archiv für Litt. Geschichte V, 1
(Schröder); Saturday Review 19. Decb. 1874; Schwcäbischer Merkur Nr. 193; Petzholds
Anzeiger Nr. 8, 9; Zeitschrift f. d. österr. Gymnasien XXV, 5 (Schönbach).
658. Schultz, A. H. , der gegenwärtige Stand der Nibelungenfrage.
Programm des Gymnasiums zu Schleiz 1874, S. 5 — 27. 4.
659. Meyer, Karl, die Nibelungensage. 4. (40 S.) Basel 1873. Pro-
gramm des Pädagogiums.
660. Task, Mil,, zur Vergleichung der Iliade und des Nibelungenliedes.
Programm des Gymnasiums zu Kronstadt 1873.
Vgl. Herrigs Archiv 54, 219.
661. Lexicalisches zu den Nibelungen.
Correspondenzblatt für die gelehrten Schulen Würtembergs 1874 Nr. 2.
662. Knöpf 1er, Alois, die Stadt Wien im Nibelungenliede.
Germania 19, 343—346.
663. Sauter, Franz, der Nibelungen Not und Klage. Ein Abstecher zum
Bayreuther Festbanquet. In: Sauter, Aesthetische Excursionen, Leipzig 1874,
S. 1 — 42. Verlegt die Heimath des Liedes in den Nibelgau in Würtemberg!
488 BIBLIOGKAPIIIE VON 1874.
664. Keller, A. v., Bodmers Einleitung zu den Nibelungen.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1874, .300 — 302.
665. Oswald von Wolkenstein. — Rasch, Gustav, das Stammschloß
des Minnesängers Oswald von Wolkenstein.
Die Literatur 1874 Nr. 22—23.
666. Passional. — Zingerle, J. V., über zwei Tirolische Handschriften.
I. Altes Passional,
Zeitschrift f. deutsclie Philologie 6, 13 — 33.
667. Philipp. — Walder dorff, Hugo Graf v. , Regensburger Bruch-
stücke der Weltchronik des Rudolf von Ems und des Marienlebens von Bruder
Philipp. 8. (58 S.) Stadtamhof o. J.
Sonderabdruck aus dem 30. Bd. der Verhandlungeu des historischen Vereines
für Oberpfalz und Kegensburg.
668. Plenarien, die deutschen, (Handpostillen) des 15. und zu Anfang
des 16. Jahrh. (1470 — 1522). Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Volks-
bildung in jener Zeit, besonders in Süddeutschland. Von Prof, Dr. J. Alzog.
8. (74 S.) Freiburg i. B. 1874. Herder. 6 gr.
Aus dem Freiburger Diöcesan-Archiv abgedruckt.
669. Predigten, elsässische. Von A. Birlinger.
Alemania II, 1—28, 101 — 119.
670. Diefenbach, L., mitteldeutsche Predigtbruchstücke.
Germania 19, 305-314.
671. Reinfrid von Braunschweig , zur Kritik des. Von 0. Jänicke.
Zeitschrift für deutsches Altertbum 17, 505 — 518.
672. Reinmar von Hagenau, zu. Von E. Regel.
Germania 19, 149—182.
673. Schmidt, E., Reinmar von Hagenau und Heinrich von Rugge. 8.
Straßburg 1874. Trübner. 1 Rthlr. 6 gr.
Quellen iind Forschungen von ß. ten Brink und W. Scherer. 4. Heft. Vgl.
Liter. Centralblatt 1875 Nr. 13 (K. L.) ; Jen. Liter. Zeitung Nr. 22 (Paul); Blätter für
literar. Unterhaltung Nr. 34.
674. Reinolt, Historie von Sent. Von A. Reiff erscheid.
Zeitschrift für deutsche Philologie 5, 271—293.
675. Rolandslied, das. Herausgegeben von Karl Bartsch. 8. (XXH,
382 S.) Leipzig 1874. Brockhaas. 1 Rthlr.
Dichtungen, deutsche, des Mittelalters. Herausgeg. von K. Bartsch. 3. Bd. Vgl.
Liter. Centralblatt 1874 Nr. 20; Revue critique 1875 Nr. 7; Blätter f. literar. Unter-
haltung Nr. 11 (Eückert); Blätter f. d. bayer. Gyranasialschulwesen X. 6; Allgem. Zei-
tung 1874, Beilage 198; N. freie Presse Nr. 3515.
676. Bartsch, Karl, zum Rolandsliede.
Germania 19, 385—418.
677. Rothe. — Witzschel, A., Beiträge zur Textkritik der thüringi-
schen Chronik des Johannes Rothe. 4. (14 S.) Programm des Gymnasiums zu
Eisenach 1874.
678. Witzschel, A., zu Job. Rothe's thüringischer Chronik.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1874, Sp. 251 — 254.
679. Rudolf von Ems s. Nr. 667.
680. Rudolf von Penis. Von Pf äff.
Zeitschritt für deutsches Altertbum 18, 44—58.
681. Salomon und Morolt. — Schau mberg, W. , Untersuchungen
über das deutsche Spruchgedicht Salomon und Morolt. 8. (29 S.)
Leipziger Dissertation.
XIII. C. MITTELHOCHDEUTSCH. 489
682. Sündenklage. Von E. Steinmeyer.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 137 — 144.
683. SÜsskind. — Krätzinge r, Pfarrer Dr. G., ein Jude unter den
deutschen Minnesängern.
Deutsche Blätter 1874, S. 519—525.
684. Tauler. — Bitthom, 0., Tauleri vita et doctrina. 8. (34 S.)
Jena 1874. Dissertation.
685. Todtentanz, der jüngere. Von Max Rieger.
Germania 19, 257 — 280.
686. Ulrich von Zatzikhoven. Von J. Baechtold.
Germania 19, 424-426.
687. Vaterunser. — Schöubach, A., mystische Auslegung des Va-
terunsers.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 71 — 78.
688. Vintler, Hans, die pluemen der tugent. Herausgegeben von J. V.
Zingerle. 8. (XXXIII, 403 S.) Innsbruck 1874. Wagner. 2 Rthlr. 24 gr.
Vgl. Liter. Centralblatt 1875 Nr. 17; Allgera. Zeitung 1874 Nr. 248 f.
689. Pich 1er, die pluemen der Tugent von Hans Vintler.
Wiener Abendpost 1874 Nr. 89.
690. Walther von der Vogelweide. — Zingerle, J. V., ein Gang zur
Vogelweide.
Im neuen Reich 1874 Nr. 12.
691. Zingerle, J. V., Walther von der Vogelweide.
Wiener Abendpost 1374 Nr. 226.
692. Eberty, J., über Walther von der Vogelweide. 4. (17 S.) Pro-
gramm der Städtischen Realschule 1. Ordnung in Potsdam 1874.
693. Reissenberger, Dr. Karl, über Walther von der Vogelweide. 8.
(20 S.) Hermannstadt 1874.
Vgl. Liter. Centralblatt 1874 Nr. 34.
694. Schrott, J., die Heimath Walthers von der Vogelweide.
Allgemeine Zeitimg 1874, Beilage 186.
695. Schwebel, Oskar, der Sänger für Kaiser und Reich: Walther von
der Vogelweide.
Daheim 1874 Nr. 23.
696. Walther von der Vogelwcide.
Europa 1874 Nr. 44, S. 1377—84.
697. The greatest of the Minnesingers.
Westminster Review 1874, April, S. 406—430.
698. Bezzenberger, H. E., zu Walther von der Vogelweide.
Zeitschrift für deutsche Philologie 6, 33 — 37.
699. Stiehlberger, M., die Heimstätte Walthers von der Vogelweide.
Illustrirte Zeitung 1874 Nr. 1632.
700. Das Fest Walthers von der Vogelweide. (J. J.)
Im neuen Reich 1874 Nr. 44.
701. Das Fest auf der Vogclweide.
Wiener Abendpost 1874 Nr. 236.
702. Bartsch, Karl, Hern Walthers sanc.
Germania 19, 506—507.
703. Wirnt von Gravenberg. — Meissner, Heinrich, VVirnt von
Gravenberg. Beiträge zur Beurtheilung seiner literarhistorischen Bedeutung. I.
8. (37 S.) Breslau 1874. Dissertation.
490 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
704. Wolfram's Titurel. Von Herforth.
Zeitschrift für deutsches Alterthum 18, 281—297.
705. Förster, Paulus Traugott, zur Sprache und Poesie Wolframs von
Eßchenbach. 8. (76 S.) Leipzig 1874. Dissertation.
706. Wolframs von Eschenbach Wappen.
Allgemeine Zeitung 1874, Beilage 70.
707. Dichtungen des 16. Jahrhunderts nach Originaldrucken heraus-
gegeben von Emil Weller. 8. (126 S.) Stuttgart 1874.
119. Publication des litteiarischen Vereins.
708. Gedichte, zwei, aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Mitgetheilt
von R. Reuß.
Alsatia 1873—74.
709. Ilg, aus einem Nonnengebetbuch des 16. Jahrhunderts.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1874, 298 — 300.
710. Brant. — Einige deutsche Gedichte von Sebastian Brant. Mitge-
theilt von K. Schmidt.
Alsatia 1873—74.
711. Ship of Pools translated by A. Barclay. 2 vols. 4. London 1874.
Sotheran.
712. Schmidt, C, notice sur Sebastien Brandt.
Revue d'Alsace 1874, April ff.
713. Fischart. — Wacker na gel, W., Johann Fisehart von Straßburg.
2. Ausgabe. 8. (VIII, 214 S.). Basel 1874. Schweighauser. 1 '/a Rthlr.
Vgl. Theolog. Literaturblatt X, 19.
714. Franck, Sebastian. Vom J. Rupp.
Religiöse Reform herausg. von L. Ulrich 1874 Nr. 10.
715. Holtzman. — Prantl, V., Daniel Holzman's Fronleichnamsspiel
vom J. 1574.
Allgemeine Zeitung 1874, Beilage 94.
716. Klage, eine brüderliche. 1521 oder 1522. Mitgetheilt von J. K.
S e i d e ra a n n.
Archiv für Litteraturgesehichte 4, 277—280.
717. König. — Baechtold, J., der Miuorit H. König von Solothurn
und seine Reisebeschreibungen. Nebst einem Überblick über den Antheil Solo-
thurns an der deutscheu Literatur. 8. Solothurn 1874.
Vgl. Liter. Centralblatt 1875 Nr. 4.
718. Luther, Dr. Martin, Passional Christi und Antichristi. Mit Bildern
von Lucas Cranach dem Alteren. Aufs Neue aufgelegt. 8. (47 S.) Leipzig 1874.
Hoifmann.
Vgl. Liter. Centralblatt 1874 Nr. 13.
719. Murner. — Wimpheliugii, J., Germania ad rempublicam Argen-
tinensem et Th. Murneri ad rempublicam Argentinam Germania nova. 4.
Straßburg 1874. Schmidt. 1 Rthlr.
720. Sachs, Hans, herausgegeben von Ad. von Keller. 8. Band. 8.
(769 S.) Stuttgart 1874.
121. Publication des litterarischen Vereins.
721. Lutz el berger, E. K. J., Hans Sachs. Sein Leben und seine
Dichtung. Eine Festgabe zur Errichtung des Denkmals in Nürnberg am 24. Juni
1874. Mit dem Bildniss von H. Sachs nach einem alten Holzschnitt. 8. (IV,
204 S. und 46 S. Anhang.) Nürnberg 1874. Ebner. % Rihlr.
XIII. D. MITTELNIEDERDEUTSCH, E. MITTELNIEDERLÄNDISCH. 491
722. Hans Sachs. Ein Lebensbild aus der Reformationszeit. 8. Nürn-
berg 1874. Lohe.
723. Weste rmayer, Hans Sachs, der Vorkämpfer der neueren Zeit.
8. Nürnberg 1874. Soldan.
724. Schultheiss, Hans Sachs und die Meistersänger in Nürnberg. 8.
Nürnberg 1874. Recknagel.
725. Waldis', Burchard, Leben und Dichten. Von C. Sali mann.
Baltische Monatsschrift N. F. 5. Bd. (1874).
D. Mittelniederdeutsch.
726. Lübben, August, Mittheilungen aus niederdeutschen Handschriften
4- (25 S.) Oldenburg 1874.
Programm des Gymnasiums.
727. Meyer, Leo, über eine niederdeutsche Handschrift des 16. Jahr-
hunderts. Vortrag. 8. Dorpat 1874.
728. Kelle, J., mittelniederdeutsche Glossen.
Zeitschrift f. deutsches Alterthum 17, 582—588.
729. Josefs Gedicht von den sieben Todsünden in fortlaufenden Aus-
zügen nebst Inhaltsausgabe zum ersten Male nach der Handschrift bekannt
gemacht von Dr. Babucke, Rector des kgl. Progymnasiums zu Norden. 8.
(38 S.) Norden 1874. Braams. 10 gr.
Niederd. Gedicht des 15. Jahrh. , 7958 Verse , Hs. im Besitz des Vereines zu
Emden. Vgl. Archiv f. Lit.-Geschichte IV, 3 (Schröder); Theolog. Literaturblatt X. 4.
730. Freybe, A., das Mecklenburger Osterspiel vollendet im J. 1464
zu Redentin, übertragen und behandelt. 8. (XIV, 425 S.) Bremen 1874. Küht-
mann. 5 M.
Vgl. Liter. Centralblatt 1875 Nr. 16; Gott. Gel. Anzeigen Nr. 14; Zeitschrift f.
deutsche Kulturgeschichte 1875 Nr. 3; Allgem. Ev. luth. Kirchenzeitung Nr. 12; Blätter
f. liter. Unterhaltung Nr. 11 (Rückert); Europa Nr. 12; Nationalzeitung Nr. 141; N.
Preußische Zeitung Nr. 62.
781. S om m er , G., mittelniederdeutsches Bruchstück von Otto's von Passau
Schrift: die 24 Alten.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1874, Sp. 40-44.
732. Frommann, zu dem mud. Bruchstücke von Otto's von Passau
'24 Alten'.
Ebenda Sp. 80.
733. Weiland, L., die Sachsenchronik und ihr Verfasser.
Forschungen zur deutschen Geschichte 13 (1874), 457 — 510.
734. Roth, K. , die Schlacht von Alischanz (la bataille d'Aliscans).
Kitzinger Bruchstücke. Niederdeutsches Gedicht vom Anfange des 14. Jahrhs.,
abermal aus der Urschrift herausgegeben, ergänzt und erläutert. 8. (80 S.)
Paderborn 1874. Schöningh. 12 gr.
E. Mittelniederl ändisch.
735. Nordhoff, Maerlants Merlin.
Germania 19, 300—302.
736. Jacob van Maerlant's Spieghel historiael. 2" Partie. Uitgegeveu
door F. V. Hellwald , onder medewerking van Dr. M. de Vries en Dr. F.
Verwijs. 3. Aflev. 4. Leiden 1874. v. Doesburgh. 1 Rthlr.
492 BUiLIOGKAPHlE VON 1874.
737. V er dam, J., Aankoopeu voor de Bibliothek der Maatschappij (een
fragment uit de 2" partie van den Spieghel historiacl, twee fragmenten uit
Maerlants historie vau Troyen etc.). Handelingen en Mededeelingen van de
Maatschappij der nedeil. Letterkunde 1874.
738. Budding, D., Mijn laatate woord over den Dietscher Jacob van
Maerlant en zijne so genoemde vlamingschap. (Ter beantwoording van de ge-
leerde beeren Leendertz, Wzn. en E. Vervvijs. 8. (41 S.) Utrecht 1874. 50 c.
739. Reinaert. Willems Gedicht van den vos Reinaerde und die Um-
arbeitung und Fortsetzung Reinaerts Historie. Herausgeg. und erläutert von
Ernst Martin. 8. (LH, 521 S.) Paderborn 1874. Schöningh. 3 Rthlr.
Vgl. Jen. Liter. Zeitung 1874 Nr. 33 (Steinmeyer); Gott, Gel. Anzeigen Nr. 42
(Wilken); Deutsche AUgem. Zeitung Nr. 174.
F. Angelsächsisch.
740. Wülcker, R., über die neuangelsächsischen Sprüche des Königs
Alfred.
Paul und Braune, Beiträge I, 240—262.
741. Bosworth, Joseph, the Gothic and Anglo-Saxon Gospels, in pa-
rallel columns, with the versions of V^ycliffe and Tyudale. 2nd edition. 8.
(616 S.) London 1874. J. R. Smith. 12 sh.
742. Schipper, J., zum Codex Exoniensis.
Germania 19, 327—338.
743. Murray, J. A. H., on the Rushworth Glosses or Versions of the
Anglo-Saxon Gospels.
Philological society 6. Nov. 1874, Vgl. Academy 21, Novemb. 1874, S. 561—562.
744. The Blickliug Homilies of the 10. Century. Edited by K.Morris.
Part. L 8. London 1874. Trübner.
Publication der Early English Text Society.
G. Mittelenglisch.
745. Wülcker, R., über die Sprache der Ancren Riwle und die der
Homilie Hali Meidenhad.
Paul und Braune, Beiträge I, 209—239.
746. Essays on Chaucer, bis Words and Works. Part. IL London 1874.
Der erste Theil erschien 1868.
747. Haies, The name of „Palamon" in Chaucer's Knights Tale.
Academy 1874, 17. Junuar, S. 65 f.
748. Cursor Mundi (The Cursor of the World). A northumbrian poem
of the 14. Century. Edited by R. Morris. Part. L 8. London 1874. Trübner.
Publication der Early English Text Society. Vgl. Athenaeum vom 31. Juli 1875.
749. Evangelium Nicodemi in altschottischer Mundart aus Ms. Harl.
4196. fol. 206 (14. Jahrb.) von Dr. Carl Horstmann.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 53, 389 — 424.
750. Ziepel, C, the reign of Richard IL and comments upon an alli-
terative poem on the deposition of that monarch. 4. (42 S.) Berlin 1874,
Vgl, Liter, Centralblatt 1874 Nr. 32 (Wülcker).
751. The Gest Historiale of the destruction of Troy, an alliterative
romance. Edited by D. Donaldson. Part. II. 8, London 1874. Trübner.
Publication der Early English Text Society.
XIII. H. ALTNORDISCH. 493
752. The history of tbe holy Grail, englisht, about 1450 by H. Lo-
nelich. Edited by F. J. Furnivall. Part. I. 8. London 1874. Trübner.
Early English Text Society.
753. The dialogues of St. Gregory the Great and Old English Version.
Edited by H. J. Coleridge. 8. London 1874. Burns a. Co.
753% 753'' vgl. Nr. 104, 105.
754. Die altenglische Legende von St. Brandan aus Ms. Ashmol 43,
fol. 71'', herausgegeben von C. Horstmann.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 53, 17 — 48.
755. Die Legenden von St. Dunstan und St. Cristopher. Aus Ms.
Land 108. Von C. Horstmanu.
Jahrbuch für romanische und englische Literatur 14, 32 — 41.
H. Altnordisch.
756. Saemundar Edda hins fröcta. Kritisk handudgave ved Svend Grundt-
vig. Anden pä ny gennemarbejdede udgave. 8. (270 S.) Kjöbenbavn 1874.
Vgl. Liter. Centralblatt 1874 Nr. 21 (K. Hildebrand).
757. Edda, die ältere und die jüngere, nebst den mythischen Erzäh-
lungen der Skalda, übersetzt und mit Erläuterungen begleitet von Karl Sim-
rock. 5. verb. Auflage. 8. (VII, 525 S.) Stuttgart 1874. Cotta. 2V3 Rthlr.
Vgl. Kölnische Zeitimg 1874 Nr. 129.
758. Holm, R. J., Mundsmag af den aeldre Edda. (Völvens Spaadom,
Vejtams-kvide, Vavtrudnes-Maal og vers af Havamaal). Trykt som Manuskript.
8. (38 S.) Odense 1874. 24 sk.
759. Schierenberg, G. A. B., Völuspä, der Vala Wahrschau. 8. 1874.
760. Vielgewandts Sprüche und Groa's Zaubersang (Fiölsvinnsmäl-
Grougaldr), kritisch hergestellt, übersetzt und erklärt von F. W. Bergmann.
8. (III, 186 S.) Straßburg 1874. Trübner. lV„Rthlr.
Vgl. Germania 19, 359—369 (Kölbiug) ; Götling. Gel. Anzeigen 1874 Nr. 25
(Liebrecht); Blätter f. Uter. Unterhaltung 1875 Nr. 37.
761. Ettmüller, Ludwig, Beiträge zur Kritik der Eddalieder.
Germania 19, 5 — 18.
762. Grundtvig, Svend, til Saemundar Edda (2. udg.).
Nordisk Tidskrift for Philologi og Paedagogik N. R. I, 182—188.
763. Die deutsche Heimath der Edda-Lieder.
Europa 1874 Nr. 10.
764. Kölbing, E., zu Gudrunarkvidha II.
Germania 19, 351—352.
765. Runen. — Stepheus, G., den aeldste skandinavisk christelige
Basrelief- Sten med Ruuer.
lUustreret Tidende 1874 Nr. 752.
766. Müllenhoff, K., Runen in Berlin.
Zeitschrift füi* deutsches Alterthum 18, 250 — 257.
767. L in dal, P. J., Granskade runinskrister.
Svenska Fomminnesföreningens tidskrift 1873—74. Stockholm 1874.
768. Rydberg, V., Till tolkeningeu of Nordens aeldste runeinskrifter.
Ebenda.
769. Rydberg, V., om Tanumstenen.
Bidrag tili Käunedom om Göteborgs och Bohusläns fornmiuneu och historia. I.
Stockholm 1874.
494 BIBLIOGRAPHIE VON 1874.
770. Bvuzelius, N. G., Ulfs runsten i Tulestorpskyrkogarelsmur.
Saralingar tili Skänes bistoiia, fornkunskap och beskrivning 1873. Lund 1874.
771. Dybeck, R., Närikes lunstenar.
Runa. Ell skrift för Nordens fornvänuer. I. 6. Stockholm 1873.
772. Dybeck, R., Bökstadsstenen i Upland.
Ebenda IL 1. Stockholm 1874.
773. Bugge, Sophus, Tolkning af runeindskriften pä Rökstenen i Oster-
götland. Et bidrag til kundskab ora svensk sprog, skrift og skaldekunst i
oldetiden. 1.
Antiqvarisk Tidskrift för Sverige utgifven af kgl. Vitterhets Historie oeh Antiq-
vitets Akademien. V. Stockholm 1873.
774. Skalden. — Geisli eda Olafs drapa ens holga. Efter „Bergs-
boken« utgifven af G. Cederschiöld. 4. (XVI, 30 S.) Lund 1874.
Limds Univ. Arsskrift I. X. 1873.
775. Wennberg, Lars, Geisli. Einarr Skülason orti. Ofversättning
med Anmärkningar. 8. (75 S.) Lund 1874. Dissertation.
776. is lend in ga dräpa Hauks Valdi'darsonar, ein isländisches Gedieht
des Xm. Jahrhunderts. Herausg. von Th. Möbius. 4. (65 S.) Kiel 1874.
Programm der Universität.
777. M 41 shättakvaeäi (Sprich Wörtergedicht), ein isländisches Gedicht
des XIII. Jahrhunderts. Herausgeg. von Th. Möbius. 8. (74 S.)
Aus: Zeitschrift für deutsche Philologie, Ergänzungsband S. 3 — 73. Nachträge
und Berichtigungen S. 615 — 616.
778. jjättr af jjori hast ok Bardi birtu. Gefin üt af [)0rleifi Jonssyni.
8. (11 S.) Kaupmannahöfn 1874.
779. Sagas. — Billeder af Livet paa Island. Islaudske Sagaer. Paa
Dansk ved F. W. Hörn. 2. Sämling. 8. (364 S.) Kjöbenhaven 1874.
Band 1 erschien 1871.
780. Kölbing, E., Bruchstücke einer Ami'cus ok Amilfus Saga.
Germania 19, 184—189.
781. Bandamanna saga efter skinnboken No. 2845, 4° a kongl.
Biblioteket i Köpenhamn. Utg. af G. J. Chr. Cederschiöld. 4. (XIV, 24 S.)
Lund 1874. Akademische Abhandlung.
Vgl. Germania 19, 443—448 (Maurer).
782. Sagan af Hrana bring. Gefin üt af Thorleifi Jonssyni. 8. (34 S.)
Kaupmann ah. 1874.
783. Wulff, F. A., Notices sur les Sagas de MÄgus et de Geirard et
leurs rapports aux epopees fran9aises. 4. (44 S.) Lund 1874. Akademische
Abhandlung.
784. Storm, Gustav, om Ynglingatal og de Norske Ynglingekonger i
Danmark.
In: Historisk Tidskrift 3. Bd., auch separat Christiania 1873. Vgl. Historische
Zeitschrift 1874, 4. Heft, S. 400 ff.
785. Arnason, J., Islenzkar )iiodsögur og Aefintyri. Deutsches Sach-
und Namen-Register. 8. (S. 583—604). Leipzig 1874. Hinrichs V3 Rthlr.
786. Biskop Ey st eins Jordebog (den rode Bog). Fortegnelse over de
geistlige Gods i Oslo Bispedömme omkring Aar 1400. Efter oflfenlig Foran-
staltaing udgivet ved H. S. Hvitfeldt. 1. Hft. (S. 1—192.) Christiana 1873. 8.
Xni. I. ALTSCHWEDISCH, K. MITTE .LATEINISCHE POESIE. 495
I. Altechwedisch.
787. Själinua Trost. Utg. af G. E. Klemming. 8. Hft. 4. Stock-
holm 1873.
Samlingar ufgiftia af Svenska Fornskrift-Sällskapet Haft 60.
788. Legendär ium, ett fornsvenskt. Utg. af F. A. Dahlgren. Bd. 3.
Hft. 4. Stockholm 1873.
Ebenda Hft. 61.
789. Heliga Birgitt as Uppenbarelsa. Utg. af G. E. Klemming. Bd. 4.
Hft. 2. Stockholm 1874.
Ebenda Hft. 62.
790. Fragment af äldre Vestgöta-lagen. Utg. af G. E. Klemming. 8.
Stockholm 1874.
Bilaga tili.: Svenska Fornskrift-Sällskapets Allmänua Ärsmüte 1874.
791. Stadga för St. Görans gille vid Kopparberget. Utg. af G. E. Klem-
ming. 8. Stockholm 1874.
Ebenda.
K. Mittellateinische Poesie.
792. Voigt, Oberlehrer Dr., Untersuchungen über den Ursprung der Ec-
basis Captivi. 4. (29 S.) Berlin 1874. Programm des Friedrichs-Gymnasiums.
793. Bernheim, Dr. E., der Glossator der Gesta Berengarii imperatoris.
Forschungen ztir deutschen Geschichte 14 (1874), 138 ff.
794. Pannenborg, Dr. A., noch einmal Magister Guntherus.
Forschungen zur deutschen Geschichte 14 (1874), 185 ff.
795. Walder dorff, Hugo Graf von, Hi'otsuit von Gandersheim.
Verhandlungen des historischen Vereines von Oberpfalz und Eegensburg 29. Bd.
(1874).
796. Baudouin, Ad., Pamphilus de amore. Comedie latine du 10"
siecle. 8. (162 S.) Toulouse 1874.
Vgl. Revue critique 1874 Nr. 39.
797. Des Magisters Petrus de Ebulo liber ad honorem Augusti. Nach
der Originalhandschrift für akademische Übungen herausg. von E. Winkelmann.
8. (XII, 96 S.) Leipzig 1874. Dunker und Humblot. 2 Mk.
Vgl. Liter. Centralblatt 1875 Nr. 8 (Peiper).
798. Waltharius. Lateinisches Gedicht des 10. Jahrhunderts. Nach
der handschriftlichen Überlieferung berichtigt, mit deutscher Übertragung und
Erläuterungen von J. V. Scheffel und A. Holder. 8. (VI, 180 S.) Stutt-
gart 1874. Metzler. 1% Rthlr.
Vgl. Jen. Lit. Zeitung 1875 Nr. 36; Zeitschrift f. d. österr. Gymnasien XXVI, 3
(Keller); Götting. Gel. Anzeigen Nr. 5 (Pannenborg); Blätter für liter. Unterhaltung
Nr. 2 (Brambach); Saturday Review 29. Dec. 1874; Theolog. Literaturblatt 1875 Nr. 1
(Birlinger); Schwab. Merkur 11. Oct. 1874; Allgem. Zeitung, Beilage 288; Trübner's
Literary Record Nr. 108.
799. Dümmler, E., Grabschrift des Grafen Sendebad.
Zeitsclu-ift für deutsches Alterthum 18, 306—308.
800. Dümmler, E., Gedichte des Naso.
Ebenda 18, 58—70 und Nachtrag S. 280.
801. Wattenbach, W., Gauymed und Helena.
Ebenda 18, 124—136.
496 MISCELLEN.
802. Wattenbach, W., Lateinisches Liebesgedicht.
Germania 19, 297—300.
803. Wattenbach, W., Areuga de commendatione studii.
Germania 19, 72—74.
804. Wattenbach, W., aus einer Humanistenhandschrift.
Anzeiger für Kunde der deutscheu Vorzeit 1874, Sp. 212-216, 244—251,
272—278.
805. Wattenbach, W., zu den lateinischen Reimen des Mittelalters.
Ebenda Sp. 148 f.
806. Hertzberg, W., das Gedicht über den Mongoleneinfall.
Forschungen zur deutschen Geschichte 14 (1874j, 599 — 612.
807. Nolte, Dr., eine Handschrift der Stadtbibliothek zu Verdun.
Anzeiger für Kunde der deutscheu Vorzeit 1874, Sp. 373 f.
808. Nolte, Dr., Grabschrift auf den Erzbischof Rainald von Dassel.
Ebenda Sp, 374 f.
809. Nolte, Dr., Nicolaus Abt des Klosters Sigeberg.
Ebenda Sp. 375 f.
810. Peiper, R., europäischer Völkerspiegel.
Ebenda Sp, 101—106.
811. Peiper, Lamentatio missae.
Ebenda Sp. 145 — 148,
812. Peiper, R., zur Geschichte der lateinischen Comödie des 15. Jahr-
hunderts.
Neue Jahrbücher für Philologie u. Pädagogik 110 Bd. 3. Heft (1874),
MISCELLEN.
Bericht
über die Sitzungen der deutsch-romanischen Section auf der XXX. Versamm-
lung deutscher Philologen und Schulmänner zu Rostock, vom 28. September
bis 1. October 1875.
1. Sitzung. X)ienstag den 28. September, Nachmittag 1 Vi Uhr, Die
Section wird, nachdem sie sich im Auditorium VIH hiesiger Universität con-
stituiert hat, von Professor R. Bechstein aus Rostock mit eiuer Begrüßungs-
rede eröffnet, in welcher er zunächst die Fachgeuossen in Rostock willkommen
heißt. Er gedenkt sodann der Verluste, welche seit der letzten Philologen- Ver-
sammlung in Innsbruck unsere Wissenschaft in ihren Vertretern betroffen hat.
Zuerst wird genannt Dr. Karl Hilde brand, welcher am 17. April dieses
Jahres nach kurzer Krankheit zu Halle verschied. Im Jahre 1873 habilitierte
er sich daselbst als Docent für Germanistik, besonders für das Nordische. Er war
mit einer Ausgabe der Edda beschäftigt, die er unvollendet hinterließ. Ein
weiterer Verlust ist der am 11. September ersolgte Tod von Prof. Dr. Heinrich
Rückert in Breslau, von welchem Prof. Dr. Bartsch in einer der nächsten
Sitzungen einen Lebensabriss und eine Charakteristik geben wird. Darauf wendet
sich Redner zu den erfreulichen Ereignissen des abgelaufenen Philologenjahres.
Mit Freude begrüsst er die Wiederaufnahme der Michaelis 1859 eingegangenen
MISCELLEN. 497
Zeitschrift für deutsche Mundarten von Frommann, deren erstes Heft vor
nicht langer Zeit erschienen ist. Auch die Gründung eines Vereines für nd.
Sprachforschung, über den Dr. N erger aus Rostock berichten wird (vgl.
4. Sitzung), ist von Wichtigkeit. Dann wird mitgetheilt, daß Dr. A. Lübben
in Oldenburg von seinen Stunden am Gymnasium auf 3 Jahre bei vollem Ge-
halt entbunden sei, um sich der Herausgabe des mnd. Wörterbuches ganz
widmen zu können. Die hierauf bezügliche Correspondenz des Vorsitzenden
mit dem Reichskanzleramt und der oldenburgischen Regiei ang wird vorgelesen,
und Redner von der Section ermächtigt und beauftragt beiden Behörden den
Dank der Section auszudrücken.
Bei der nun folgenden Wahl wird Prof. Bartsch zum Vicepräsidenten,
Dr. Karl Nerger und Privatdocent Dr. Felix Lind u er zu Schriftführern
erwählt. (Stud. phil. Wieg an dt hatte die Güte die Verhandlungen zu steno-
graphieren.) Darauf schrieben sich folgende 43 Mitglieder in das Album ein:
Professor Karl Bartsch aus Heidelberg; Director Bauermeister aus
Ribnitz ; Oberlehrer Dr. Fedor ßech aus Zeitz; Professor Reinhold Bechstein
aus Rostock; Dr. Wilh. Begemann aus Berlin; Dr. Büddeker aus Schwerin;
Dr. A. Edzardi aus Anklam; Gymnasiallehrer Dr. Eggert aus Schwerin:
Cand. phil. Fritzsche aus Rostock; Oberlehrer Dr. W. Geber ding aus
Berlin; Director Giseke aus Schwerin; Professor Imelmann aus Berlin; Di-
rector Keck aus Husum; Director K. £. H. Krause aus Rostock; Dr.
Friedrich Latendorf aus Schwerin; Professor Adolf Laun aus Oldenburg;
Privatdocent Dr. F. Lindner aus Rostock; Dr. August Lübben aus Olden-
burg; Oberlehrer Dr. Lücking aus Berlin; Professor Dr. Mahn aus Steglitz
bei Berlin; Oberlehrer Dr. Meyer aus Cottbus; Dr. Karl Nerger aus Rostock;
Stud. phil. Neumann aus Heidelberg; Oberlehrer Dr. Pfundheller aus
Stettin; Realschullehrer P. Piper aus Altona; Geh. Hofrath Bürgermeister
Pöble aus Schwerin; Oberlehrer Dr. Ch. Rauch aus Berlin; Dr. F. Rosiger
aus Altona; Professor Karl Sachs aus Brandenburg; Realschullehrer Dr. F.
Schildt aus Schwerin; Dr. C. Schirm er aus Altona; Gymnasiallehrer Dr.
Schmolling aus Stettin; Dr. Schneider aus Segeberg; Rector Dr. Seitz
aus Marne; Gymnasiallehrer Starck aus Schwerin: Privatdocent Dr. S tim-
min g aus Kiel; Dr. A. Theobald aus Hamburg; Dr. Thüneu aus Stral-
sund; Privatdocent Dr. F. Vogt aus Greifswald; Bibliothekssecretär Dr. C.
Walther aus Hamburg; Oberlehrer Dr. Werner aus Schwerin; Cand. phil.
Westphal aus Schwerin; Stud. phil. Wiegandt aus Rostock.
Folgende Schriften waren eingesandt: 1. in einem Exemplar, welches den
Acten einzuverleiben ist, die dem „Verzeichniss der Doctoren, welche die philoso-
phische Facultät in Tübingen im Decanatsjahre 1873 — 1874 ernannt hat", bei-
gefügte Publication von Prof. Adelbert von Keiler „die altdeutsche Erzählung
vom rothen Munde" durch den Herausgeber; 2. in vielen Exemplaren „Vortrag
über das encyklopädische Wörterbuch der französischen und deutschen Sprache
von Prof. Dr. C. Sachs, gehalten in der Gesellschaft für neuere Sprachen in
Freiburg im Breisgau von Prof. T. Merkel" (Berlin 1875) durch die Langen-
scheidt'sche Verlags- Buchhandlung. Prof. Bechstein stellt a mehrere Exemplare
seiner jüngsten Schrift zur Verfügung „Aus dem Kalendertagebucb des Wittenberger
Magisters und Marburger Professors Victorin Schönfeld 1555 — 1563" (Rostock
1875), und Prof. Bartsch legte in einigen Exemplaren die Schrift vor „Due
G£RMANIA, Neue Reihe Vin. (XS.) Jahrg. 32
498 mSCELLEN.
antichi testi dialettali publicati da K. Bartsch e A. Mussafia" (Roma 1875),
Separatabdruck aus der Rivista di Filologia Romanza.
Nach Festsetzung der Tagesordnung für die nächste Sitzung, macht Prof.
Sachs auf das neu erschienene orthographische Wörterbuch von Sanders auf-
merksam, welches zur Ansicht aufgelegt wird. Schluß der Sitzung um 2 Uhr.
2. Sitzung. Mittwoch den 29. September früh 87^ Uhr. Dr. A. Lüb-
ben eröti'net die Sitzung mit seinem Vortrage: Zur Charakteristik der mnd.
Literatur.
Die Angaben des von Albrecht von Bardewik verfaßten ältesten Lübecker
Rechts vom Jahre 1294 und der von demselben begonnenen ältesten Lübecker
Chronik vom Jahre 1298, welche leider Fragment geblieben ist und nur bis
1301 reicht, zeigen uns zunächst, daß erst in dieser Zeit das Mnd. zur lite-
rarischen Verwendung kam, da bis dahin nur wenige Urkunden von geringem
Belange in mnd. Sprache erschienen. Das Lateinische hatte bis zum Jahre 1300
die Oberhand , von da an finden wir einige nd. Urkunden mit lateinischen
vermischt, bis gegen 1400 das Nd. die lateinische Sprache verdrängte. Man
kann also etwa um 1300 den Anfang der mnd. Literatur ansetzen. Dann aber
zeigen uns diese ältesten grösseren mnd. Schriftdenkmäler, daß die Sprache,
besonders in Rechtsdarstellung und Geschichte, überhaupt auf dem Gebiete der
Prosa zuerst etwas geleistet hat. Der Vortragende geht nun die verschiedenen Ge-
biete der Poesie und Prosa durch und vergleicht sie mit der mhd. Die Ndeutschen
des 12. und 13. Jhdts dichteten meist hochdeutsch. Erst im 14. und 15. Jhdt.
finden wir der Poesie eine Stelle in der mnd. Literatur eingeräumt. Minne-
lieder und weltliche Lyrik begegnet uns zwar selten, dagegen eine Fülle von
geistlicher Lyrik, die jedoch für ihren eintönigen Inhalt selten durch Schönheit
der Form entschädigt.
Redner hebt nun besonders die nd. Bearbeitung des Reineke Vos her-
vor, welcher die Ehre der nd. Poesie gerettet hat. Der Erfolg dieses Ge-
dichtes ist- unzweifelhaft auch der nd. Sprache selbst zuzuschreiben, welche in
ihrem Verhältniss zum Hochdeutschen als Sprache der Naivetät gegenüber der
Sprache der Reflexion bezeichnet werden kann. Darauf vergleicht der Vor-
tragende das Drama im Mnd. und Mhd. Er findet, daß das mnd. Drama sich
wohl mit dem mhd. messen kann, ja daß es zuweilen das letztere überflügelt.
Leider kommt das nd. Drama erst zur Ausbildung, als der literarische Verfall
des Nd. schon begonnen hatte.
Von dem Gebiete der Poesie wendet sich nun der Vortrag zu dem der
Prosa, auf dem die nd. Literatur die gleichzeitige hd. weit übertrifft. Inhalt
und Form der mnd. Prosa tritt uns gewissermaßen gleich zu Anfang ausge-
bildet entgegen. Vollständig systematisch ausgebildete Rechtsdarstellungen, Frie-
densschlüsse und Documente sind fast ebenso häufig als Chroniken , deren
historischer Werth freilich den sprachlichen oft nicht erreicht. Von mnd. Prosa
auf dem Gebiete der kirchlich-theologischen Literatur wird besonders hervor-
gehoben der Seelentrost von 1407 und das Lübecker Passionale von 1471.
Daneben findet sich noch eine Menge sogenannter Arznei- und Kräuterbücher.
Die Glanzperiode der mnd. Literatur fällt zusammen mit der Glanzperiode der
Hansa. Mit ihr wuchs und sank das Mnd. Diese Periode umfaßt etwa die
Zeit von 1300—1500.
MISCELLEN. 499
Nach dieser Zeit zeigt sich in allen Schriften, welche in ud. Sprache
gedruckt sind*), ein merklicher Rückgang in Orthographie, wie Flexion und
Syntax, so daß man mit dem Jahre 1600 das Ende des Mnd. ansetzen kann.
Das Nnd. verlor und verliert täglich an seiner Reinheit durch das Vordringen
des Hochdeutschen; es gleicht jetzt einer ungeheuren Eiche, die zwar von
der Wurzel aus noch mächtige Schößlinge treibt, aber ihre majestätische Krone
verloren hat.
Eine Discussion knüpfte sich an diesen Vortrag nicht und nachdem der
Vorsitzende dem Redner seinen Dank ausgesprochen, hält Prof. Sachs einen
Vortrag über das Thema: Wie hat falsche Gelehrsamkeit und Volksweisheit
die Sprache beeinflußt?
Der Vortragende gab zunächst eine gedrängte Übersicht über die Haupt-
momente , welche im Mittelalter die halbe Gelehrsamkeit vieler Autoren und
die Volksweisheit beeinflußten. Er gab ein Bild von der Entstellung der alten
Autoren in mittelalterlichen Gedichten, handelte von den Einflüssen der Kreuz-
zügö auf die Vorstellungen und Sprache des Occidents, von den fränkischen
und bretonischen Sagenkreisen, die neben den religiösen und abergläubischen
Vorstelhmgcn wesentlich auf die Gemüther wirkten und sprachumgestaltend sich
geltend machten. Der specielleren Besprechung wurden dann unterzogen Aus-
drücke aus dem Gebiete der Religion, besonders die aus Scheu vor dem Ge-
brauche des Namens Gottes und des Teufels entstandenen Verdrehungen von
Schwurformelu, die Namen der Heiligen und der zum Theil nach ihnen genannten
Kalendertage und Feste. Es folgt eine Besprechung einzelner Namen von Sternen,
wie Bär, Septentriones, Polarstern, Tremuntane, darauf wird eine größere Zahl von
geographischen, besonders Städtenamen, besprochen, welche aus dem Keltischen,
Lateinischen, Slavischen, den romanischen und orientalischen Sprachen und selbst
aus der eigenen Sprache des betreÖ^'enden Volkes durch Missverständniss oder
das Bestreben , sich unter dem fremdartigen Laut etwas Bestimmtes vorstellen
zu können, verderbt sind. Eine Anzahl umgedeuteter historischer Namen schloß
diesen Abschnitt.
Die falsche Gelehrsamkeit, welche besonders im Dictionnaire de l'Acad^mie
sich vielfach geltend macht und gegen die das Volk mit oft feinem Tacte
protestiert, wird darauf besprochen und dies führte zu einer Untersuchung ähn-
licher Fälle , wo im Deutschen Wörter von Halb- oder Ungebildeten missver-
standen und corrumpiert sind und zwar wiederum nicht nur Fremdwörter,
sondern auch gute einheimische, deren wahre Bedeutung aber in Vergessenheit
gerathen ist. Dieser letzte Gesichtspunkt wurde weiter verfolgt in den ver-
schiedenen Gebieten der Mineralogie, Botanik und Zoologie, Physik, Chemie
und Medicin , in Namen von Krankheiten und einigen in der Apotheke ge-
bräuchlichen Medicamenten. Auf dem Felde der Grammatik, welche seit der
Bildung der romanischen Sprachen , wie des Englischen, zu manchem Missver-
ständniss Veranlassung gegeben hat , der Arithmetik , Musik und Architektur,
der schönen Literatur wie des Handelslebens , der Namen von Speisen und
Kleidungsstücken, der Gewerbe und besonders des Kriegshandwerks und der
Marine wurde an einzelnen charakteristischen Beispielen, deren Zahl bei längerer
*) Cf. C. M. Wiechmann: Mecklenburg'« altnieiiersächsische Literatur. Schwerin,
Bärensprung. 1864—70.
32='^
500 MISCELLEN.
Zeit bedeutend aus dem reichhaltigen Manuscript hätte vermehrt werden können,
gezeigt, wie überall das oben nachgewiesene Bestreben umbildend und die
Sprache corrumpierend gewirkt hat.
Nach diesem Vortrage entspann sich eine kurze Debatte zwischen Prof.
Sachs und Dr. Theobald und es wurde die Sitzung um 10 Uhr geschlossen.
3. Sitzung. Donnerstag den 30. September früh 8 Uhr. Professor Mahn
beginnt mit seinem Vortrage über die celtischen Sprachen und deren Einfluß
auf die deutsche, englische, französische und die übrigen romanischen Sprachen.
Da dieser Vortrag nächstens in Druck erscheint, soll hier nur ein oberfläch-
licher Auszug gegeben werden. Aus der Einwanderung der Kelten in Europa
vor den Germanen erklärt der Vortragende die zahlreichen Überreste besonders
geographischer Namen, welche sich aus dem Celtischen bis jetzt erhalten haben.
Außerdem wurden von den nachdrängenden Völkerschaften eine Menge Wörter
aus dem Celtischen aufgenommen, welche zur Bezeichnung ihnen bis dahin
fremder Gegenstände dienten. Die einzelnen Behauptungen werden mit einer
Fülle von Beispielen belegt.
Die Discussiouj welche sich über diesen Vortrag erheben zu wollen schien,
mußte abgebrochen werden , da wegen der allgemeinen Sitzung die Sections-
sitzung um 9 Uhr auf 2 Stunden unterbrochen wurde.
Um 11 Uhr wurde die Sitzung wieder begonnen. Prof. Bartsch hielt
zunächst den versprochenen Nekrolog auf Heinrich Rückert (cf. 1. Sitzung),
welcher in dieser Zeitschrift abgedruckt werden wird.
Darauf wurde die Wahl des Präsidenten für die Section bei der im
nächsten Jahre in Tübingen stattfindenden Philologen- Versammlung vorgenommen.
Als Präsident wird gewählt Prof. Dr. Adelbert v. Keller und als Viceprä-
sident Prof. Dr. Ludwig Holland. Nachdem die Tagesordnung für die 4. Sitzung
festgestellt ist, berichtet Dr. Theobald über den XIV. Nederlandsche Taal- en
Letterkundig Congres te Maastricht*). Die Versammlung, welche ursprüng-
lich in Leyden abgehalten werden sollte, kam in Maastricht zusammen. Auch
an den nd. Verein waren Einladungen ergaugen und ihnen auch Folge geleistet
worden. Da die Bestrebungen des nd. und nl. Vereins eng verwandt sind, ist
ein kurzer Bericht über die Versammlung zu Maastricht gerechtfertigt. Redner
gibt nun einen kurzen Überblick über die Verhandlungen in den 3 Sectionen,
die sich dort gebildet hatten. Er beginnt in umgekehrter Reihenfolge bei der
dritten, welche sich mit Schauspielkunst, Kunstgeschichte und Buchhandel be-
schäftigte. Es wird hingewiesen auf die Förderung alles Volksthümlichen in
den Niederlanden, auf die entwickelte Volksliteratur und die allenthalben ver-
breiteten Liebhabertheater. In der zweiten , der historischen Section trat der
Gegensatz zwischen Protestantismus und Katholicismus ziemlich schroff hervor.
Die erste Section war die für Literatur. Verschiedene Vorschläge wurden dort
eingebracht. Es sollten die vlämischen Eigenthümlichkeiten mehr und mehr
fallen gelassen werden, um eine möglichst enge Verschmelzung zwischen dem
katholischen Belgien und dem protestantischen Holland zu erreichen. Einige
verlangten auch politische Einheit, Andere eine Vereinigung der wissenschaft-
lichen Bestrebungen mit Niederdeutschland, welche für die Niederländer wie für
*) Dr. Theobald gab die den Congreß betreffende Schrift „XIV^'= Nederlandsch
Taal- en Letterkundig Congres te Maastricht Programma" zu den Acten.
MISCELLEN. 501
die Norddeutschen gleich vortheilhaft sein wird. Bestimmte Beschlüsse wurden
jedoch nicht gefaßt.
Nach diesem Bericht wird die Sitzung um 12 Uhr geschlossen.
4. Sitzung. Freitag den 1. October früh 8 Uhr. Dr. Begemann be-
ginnt die Sitzung mit seinem Vortrage über das Annolied. Es werden zuerst
die Ansichten der verschiedenen Herausgeber besonders über die Zeit der Ab-
fassung des Annoliedes und der Kaiserchronik , sowie die Entlehnungen des
Annoliedes aus der Vita und umgekehrt ausführlich vorgeführt. Der Vortragende
will Lachmann's Ansicht, daß das Gedicht von einem kölnischen Geistlichen
um die Zeit der Aufhebung der Gebeine des Heiligen, also etwa um 1183
verfaßt sei , mit Modificationen wieder aufnehmen. Ausführlich wird nun ein-
gegangen auf die so oft vorkommende Bezeichnung sante Anno. Dies sante
unmittelbar vor dem Namen ist die ofiFicielle Bezeichnung officiell heilig ge-
sprochener Personen. Die Canonisation Anno's aber erfolgte erst 1183. Der
Dichter hätte vor dieser Zeit den Titel sanctus nicht anwenden dürfen. Dies
deutet darauf hin, daß das Gedicht erst nach 1183 verfaßt sein könne. Dieser
Ansicht steht gegenüber: 1. die vielen alterthümlichen Wörter und Redewen-
dungen, die neben neueren Formen im Annoliede vorkommen; 2. die Verse:
diz vunfti ist Sigeberg sin vili liebi stat
dar uflfe steit nu sin graf,
welche deutlich darauf hinweisen, daß das Gedicht vor der Überführung der
Gebeine des Heiligen verfaßt ist.
Der Vortragende findet folgenden Ausweg aus diesem Dilemma. Das uns
vorliegende Annolied ist die Umarbeitung eines älteren Gedichtes , die älteren
Sprachformen sind vielfach stehen geblieben, die Bezeichnung seinte aber ist
überall vor dem Namen erst später eingefügt. Auf eine Umarbeitung eines
früher einheitlichen Stoffes , der Lebensbeschreibung des Bischofs Anno deuten
auch die vielen unbegründeten Abschweifungen , die sich der Dichter erlaubt,
um sein Werk in stattlicherer Form erscheinen zu lassen. Das führt zur Be-
sprechung des Verhältnisses der Kaiserchronik zum Annolied. Der Vortragende
nimmt hierbei an, daß beide auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen, da ja die
Existenz einer älteren Chronik im Eingange der Kaiserchronik schon ausdrücklich
bezeugt wird. Dadurch wird aber die Ursprünglichkeit des Anuoliedes gewaltig
erschüttert. Um nun den Inhalt des ursprünglichen Liedes zu erhalten, werden
alle die Abschnitte , die nicht unmittelbar zur Lebensbeschreibung des Anno
gehören oder Wiederholungen enthalten, ausgeschieden werden müssen. Diese
Ansicht wird unterstützt durch die Veröffentlichung eines Theiles des Anno-
liedes in der kleinen Schrift von Bonaventura Vulcanius, De literis et lingua
Getarum sive Gothorum, welche darthut, daß dem Vulcanius ein kürzeres Ge-
dicht, welches nur den Anno zum Gegenstande hatte, vorlag. Nach der Ansicht
des Vortragenden werden also nur stehen bleiben können Vers 19 — 92, resp.
116 und Vers 575 bis zum Ende. Diese enthalten den oft recht poetischen
Kern des Liedes, alles Übrige ist wahrscheinlich spätere Zuthat.
Darauf wird ein von Dr. Theobald und Prof. Sachs eingebrachter
Antrag einstimmig angenommen, welcher dahin zielt, die Sympathie der deutsch-
romanischen Abtheilung der deutschen Philologen - Versammlung mit den Be-
strebungen des niederländischen Vereins in wissenschaftlicher Beziehung durch
eine Zuschrift an den Bibliothekar Di-. Hansen in Antwerpen darzuthun. Prof.
502 MISCELLEN.
Bcchsteiu wird mit Absendung derselben, welche folgenden Inhalt hat, be-
auftragt: „Die deutsch-romanische Abtheilung der XXX. Versammlung deutscher
Philologen und Schulmänner spricht Ihnen und Ihren Freunden ihre lebendige
Sympathie aus für Ihr auf Anbahnung näherer Beziehungen zwischen der nieder-
ländischen und volksthümlich niederdeutschen Literatur gerichtetes Streben und
gibt sich der Hoffnung hin, daß es gelingen werde ^ die nahe Verwandtschaft
der Sprachen durch eine übereinstimmende Schreibweise klarer als bisher in's
Licht zu stellen,"
Hierauf berichtet Dr. N erger über den Verein für niederdeutsche Sprach-
forschung. Er gibt eine kurze Geschichte desselben , sowie einen Überblick
über die Ziele und die nächsten Publicationen des Vereines, worüber in der
Zeitschrift für deutsche Philologie von Höpfner und Zacher, Bd. VI, Heft 4,
p. 471 — 477 ausführlich gehandelt ist. Der Berichterstatter fügt hinzu, daß
für das erste Jahrbuch, welches Ostern 1876 erscheinen wird, Sagen und
Bräuche aus dem Sachsenwalde , sowie ein Wörterverzeichniss des Tischler-
handwerks in Aussicht genommen ist. An letzteres sollen sich dann auch die
anderen Gewerbe in gleicher Behandlung anschliessen. Auch die Schriften des
Nicolaus Russ sollen von dem Berichterstatter im Auftrage des Vereines heraus-
gegeben werden.
Der Aufforderung zum Beitritt in den niederdeutschen Verein entsprachen
7 der Anwesenden.
Darnach hält Dr. Theobald einen Vortrag über eine Vereinbarung
über phonetische Schreibweise für Dialectforschung. Der Vorti*agende macht
zunächst aufmerksam auf den großen Nutzen, welchen eine neue phonetische
Schreibweise für die Dialectforschung haben würde. Er stellt drei Gesichts-
punkte für die Ausarbeitung eines neuen Schreibsystems auf:
1. Jeder einfache Laut muß durch ein einfaches Zeichen,
2. jeder zusammengesetzte Laut muß durch ein zusammengesetztes Zeichen,
3. verschiedene Laute müssen durch verschiedene Zeichen ausgedrückt
werden.
Der Vortragende macht einige Vorschläge zu einer entsprechenden Schreib-
art sowohl der Consonanten als auch der Vocaie. Darauf wurde eine Com-
mission, bestehend aus den Herren Prof. Sachs, Dr. Theobald, Dr. N erger
und Dr. Begemann erwählt, welche mit bestimmten Vorschlägen für ein
neues phonetisches Sthreibsystem vor die deutsch-romanische Section der näch-
sten Philologenversammlung treten soll.
Prof. Bech stein gibt zum Schluß einen kurzen Überblick über das,
was in der Section während der diesjährigen Sitzungen vorgekommen und schlielit
die Sectionsverhandlungen bald nach 10 Uhr.
ROSTOCK, im October 1876. Dr. F. LINDNER.
Der Briefwechsel der Brüder Grimm mit Joseph Görres.
Nachdem schon vor vierzehn Jahren die Familienbriefe des gewaltigen
Streiters von Koblenz erschienen sind, liegen nun als 8. und 9. Band der ge-
sammelten Schriften von Joseph von Görres die Freundesbriefe desselben
in sorgfältiger Ausgabe durch Franz Binder, Mitredacteur der historisch- poli-
tischen Blätter, vor (München 1874). Der Grundstock der ganzen Sammlung
MISCELLEN. 503
ist die reichhaltige Correspondonz mit Männern wie Achim von Aiuim, Brentano,
Creuzer, Diepenbrock, Giovanelli, Dietz, Grüner, Perthes, Räß, Stein, Windisch-
mann etc.; uns aber fesselt vor allem die unvergängliche Zierde der Sammlnug,
der Briefwechsel zwischen Görres und den Brüdern Grimm. Ein schönes Stück
Geschichte der deutschen Philologie in ihrer Jugendzeit zieht hier an uns
vorüber und „es macht einen rühi-end erfreulichen Eindruck — schreibt Böhmer,
der schon 1853 die Abschriften der Görres'schen Briefe an Jacob und Wilhelm
Grimm besorgte — zu sehen, wie die ersten Begründer sich in den Anfängen
abmühten. Die Wissenschaft ist gewachsen seitdem, aber nicht die Liebe".
Zugleich ist mit diesen Briefen eine längst gefühlte Lücke im äußeren Leben
der Brüder und ihrer Entwickelungsgeschichte ausgefüllt. Fast ein halbes
Hundert Episteln sind es, die das Brüderpaar an Görres richtet (Jacob 20,
Wilhelm 19) imd beinahe auf jedes Schreiben liegt die Antwort vor. Den
ersten Brief schreibt Jacob 1810, den letzten Wilhelm 1828, die schreibselige
Zeit für die Freunde sind die Jahre 1810 — 15; Görres läßt sich hie und da
noch bis in das dritte Decennium hinein in seiner geistreichen Weise vernehmen,
aber längst hat es ihn vom friedlichen Port der Forschung weggerissen in
die stürmische See der politischen und kirchliehe.n Polemik. Daneben bieten
die prächtigen Briefe von Arnim, die von Creuzer u. A. eine Fülle von Auf-
schluß über die Grimm , deren dritter Bruder Ludwig Emil , der Maler und
Kupferstecher, ebenfalls dem Görres'schen Freundeskreise angehört.
Für Görres war die Zeit, während welcher er mit den Meistern der
deutschen Philologie verkehrte und in der auch seine eigt^ien Schriften über
altdeutsche Literatur entstanden sind, die schönste seines sturmbewegten Lebens.
„Den unklaren, kosmopolitischen Schwindel seiner Jugendjahre hat er hinter
sich gelassen und obwohl wir die Keime der späteren römisch - katholischen
Richtung sich bereits bilden sehen , treten sie doch noch zurück gegen die
warme deutsche Gesinnung , die ihn beseelt" (Raumer , Geschichte der germ.
Phil, p, 366). Es ist die Zeit, wo die Romantiker — wenn auch noch in un-
klarer Weise — die Begeisterung für die alte Literatur und Kunst des deutschen
Volkes wecken und Heidelberg auf eine Weile der blühende Mittelpunkt dieser
Bestrebungen wird. Achim von Arnim befindet sich seit 1805 daselbst und
mit ihm Clemens Brentano; das „Wunderhorn" war erschienen; die „Zeitung für
Einsiedler", die sich zwar nur ein halbjähriges Dasein fristen konnte, wurde
gegründet; Mitarbeiter derselben waren: Grimm, Görres, Uhland, Docen, Tieck,
Hölderlin etc., auch bildeten die Heidelberger Jahrbücher eine Zeit lang das
Centralorgan der romantischen Chorführer. In dieses Heidelberg siedelte nun
Görres im Jahre 1806 über, zwei Jahre lang war er Privatdoeent und be-
schäftigte sich namentlich mit Mythengeschichte. Am 24. Juni 1808 beginnt
Görres seine Vorlesungen über altdeutsche Literatur (s. Familienbr. p. 506),
nachdem er schon 1807 seiner Schwiegermutter die „Progressen" vermeldet
hatte, welche er und seine Frau im Altdeutscheu gemacht, daß sie Gedichte
bis zum XII. Jahrh. hin bald ohne Anstand lesen könnten wie neudeutsch
(ib. 482). In demselben Jahr erscheinen Görres' „Volksbücher" und 1808 die
Abhandlungen über dun „gehörnten Siegfried und die Nibelungen" in der Ein-
siedlerzeitung. Während des Heidelberger Aufenthaltes nun vermitteln die Freunde
Arnim und Brentano den freundschaftlichen Verkehr mit den Brüdern Grimm,
die längst durch Savigny, Brentano s Schwager, namentlich mit Arnim befreundet
504 MISCELLEN.
waren. Übrigens war Jacob Grimm schon 1805 auf der Heimreise von Paris bei
Görres in Coblenz eingekehrt (siehe unten). 1808 im September wendet sich
Görres wieder nach Koblenz zurück. Die Brüder Grimm weilen bei Anfang
ihres Briefwechsels mit Görres in Cassel, Jacob, der Bibliothekar, ist eben
Staatsrathsauditor geworden. So berichtet der Symboliker Creuzer aus Heidel-
berg im März 1808 an Görres: „Die Grimm's schreiben fleißig und haben
diese Woche eine lange gründliche Recension der v. d. Hagen'schen großen
Sammlung deutscher Gedichte des Mittelalters geliefert (Heidelb. Jahrb. 1809,
Creuzer war mit Daub Herausgeber derselben). Der älteste ist neben dem
Bibliothekariat Auditeur des Staatsrathes geworden" (Freundesbr. Nr. 24).
Jacob Grimm wendet sich in seinem ersten Brief (Nr. 36 der Sammlung)
vom 20. März 1810 mit einer Bitte an Görres, er ersucht ihn um ein Cob-
lenzer Manuscript des Tristan, das — wie aus der Antwort (Nr. 41) hervorgeht
• — gar nicht existiert. Görres rückt sogleich mit seinen literarischen Plänen
heraus , mit Lohengrin und der nicht zu Stande gekommenen Bibliotheca Va-
ticana , die er mit G 1 ö c k 1 e zu veröffentlichen beabsichtigte. Auf Ferdinand
Glöckle, der sich damals in Rom aufhielt, fällt wenig günstiges Licht aus den
Briefen. Görres charakterisiert ihn nach seiner drastischen Art folgendermassen :
„Glöckle ist von Geburt ein Schwein und von Erziehung ein Bruder Lüderlich
und Sauffaus" (Freundesbr. Nr. 170), oder er nennt ihn anderswo „einen Kerl,
der ohne Zweifel immer halb besoffen geschrieben" (ib. Nr. 178). Über seine
eigenen Pläne läßt sich Görres so aus: „Glöckle schreibt mir eben von Rom,
er habe den Tristan von Gottfried von Straßburg ergänzt, mit zwanzig in zwei
Spalten geschriebenen Pergamentblättern mehr als in der Müller'schen Samm-
lung. Dazu könnte ich Ihnen allenfalls verhelfen, wenn Sie noch Geld zu Ihrer
Arbeit geben wollen; einen Louisdor für 1000 Verse nämlich. Glöckle hat nun
binnen 3 Jahren in Rom seinem Vater 5000 Florin rheinisch durchfiltrirt und
weiß dafür nichts aufzuzeigen, als einen Pack alter unverständlicher Reime, von
denen der gute Mann glaubt , daß sie recht gut , wenigstens von seinem
Sohne und auf seine Kosten , ungeschrieben hätten bleiben können. Er weigert
sich daher halsstarrig, künftig noch etwas weiter herauszugeben und der Herr
Sohn muß daher mit eigenen Flügeln, das ist mit eigener Feder, fliegen. Darum
ist ihm denn nicht zuzumuthen, das er ohne Entgelt immerfort copiere. Er ist
indessen die Zeit über sehr fleißig gewesen und wir hätten Stoff zu einer Bi-
bliotheca Vaticana in vielen Bänden, wenn ich nur einen Verleger finden wollte.
Indessen lasse ich hier den Lohengrin des Wolfram von Eschilbach drucken,
ein recht gutes und recht sehr historisch interessantes Gedicht von 8000 Versen,
dabei ganz national, indem Heinrich der Vogler darin die kaiserliche Rolle
spielt. Von des Dichters — der mich sehr interessiei't — Leben weiß ich so
gut wie gar nichts. Die Haymonskinder, ein ganz vortreffliches Gedicht von
10,000 Versen, wird wahrscheinlich Perthes übernehmen. Dietrich's Flucht zu
den Hunnen habe ich von der Hagen für seine Sammlung überlassen." Die
Antwort Grimm's auf diesen Brief, ist — wie so manche andere — verloren
gegangen. Noch im selbigen Monat Juli bietet Görres dem Freund in Cassel
seine Vermittlung an zu Allem, was er aus der Vaticana bedürfe (Nr. 42). In
diesem Briefe finden sich zwei Urtheile über Mitforschende: „Aus von der
Hagen wird, besonders wenn die gute Aufsicht seiner Recensenten fortdauert,
wohl ein tüchtiger Gelehrter werden; Büsching aber ist ein allzufader Prinz
MISCELLEN. 505
von dtr gutinüthigeu, wiedeikäueuden Art, wie sie in Deutschland gar zu
häufig sind."
Schon in dieser Zeit trägt sich Jacob Grimm mit der Idee, den Rein-
hart Fuchs herausssugeben, da eben im Vatican die deutsche Handschrift auf-
gefunden war und Görres bietet hülfreiche Hand zur Erlangung derselben
(Nr. 46). Jacob antwortet hocherfreut (Nr. 47), auch Wilhelm legt zum ersten
Mal ein Blatt bei. Eeiche gegenseitige Belehrung, Beurtheilung ihrer eigenen
Arbeiten, Austausch literar. Hülfsmittel. Endlich am 1. März 1811 kann Görres
die Glöckle'sche Abschrift des Reiuhart Fuchs, wofür 4 Louisdor bezahlt werden,
an Jacob übersenden (Nr. 57), zugleich berichtet er von neuerhaltenen Denk-
mälern: Hartmann's Gregorius und Konrad's Roland. Aus dem gleichen Briefe
erfahren wir, daß die oben erwähnte, bei Perthes in Hamburg angekündigte
Ausgabe der Heymonskinder unterbleiben wird, da Otto Runge, der die Zeich-
nungen dazu liefern sollte, unterdessen gestorben. Auch an Wilhelm werden
freundliche Worte gerichtet: „Wenn ich bisher — schreibt Görres — Ihrem
Bruder geschrieben, dann war das Wort auch immer an Sie mitgerichtet 5 über
dem Haupte jedes der beiden Dioscuren steht ein Stern und ich muß mich
immer wieder von neuem bei meiner Frau, die dergleichen besser behält, er-
kundigen, welchen von Ihnen beiden ich eigentlich hier (1805) gesehen und
ich weiß es auch in diesem Augenblick wieder nicht. Darauf paßt nun gut,
was Sie am Anfang ihres Briefes über die Gemeinschaftliehkeit Ihrer Arbeiten
bemerken, und es entschuldigt meinen Irrthum , daß ich Ihren Bruder für den
Verfasser des Aufsatzes in den Studien gehalten oder angeredet" (W. Grimm,
über die Entstehung der altd. Poesie in den Studien von Daub und Creuzer,
Jahrg. 1808). Beide Brüder antworten (Nr. 60). Jacob schreibt am 17. Mai
1811: „Ich habe aus der gleichfolgenden Ursache noch nicht recht auf Ihren
lieben Brief vom 1. März geantwortet und will es jetzt nachholen. Sie glauben
nicht, wie uns diese Correspondenz freut und wie gern wir Ihnen schreiben,
wir haben alles zusammen und theilen auch hier nichts; wen Sie vor einigen
Jahren (1805) von uns gesehen haben, das bin ich; ich hatte Sie aber nur
so kurz gesehen, nur bei einem Mittagessen und weiß blos noch, daß ich Sie
über den damals erschienenen Lother und Maller fragte und was Sie darauf
antworteten und dann noch unbedeutende Kleinigkeiten, z. B. die Suppe weiß
ich noch genau , die wir aßen und wie Sie vorschöpften. Es war mir damals
so warm und fremd in Coblenz, ich kam gern nach Haus, wo ich wußte, daß
vieles anders geworden war, der Krieg war eben ausgebrochen und ich fuhr
alle Augenblicke in 's Thal, um die Zeitungen zu lesen und die Nassauer Sol-
daten trommeln und pfeifen zu hören. Von Ihnen wußte ich damals wenig, nachher
aber hat uns der Clemens (Brentano) desto mehr erzählt und dadurch und
nach und nach ist es so geworden, daß es zu meinen liebsten Wünschen ge-
hört, daß Sie uns ferner gut und freundschaftlich bleiben, was ich hier ganz
aufrichtig hinschreibe." Ferner: „Wir haben in der Literaturzeitung vorläufig
angezeigt, daß wir den ungedruckten Theil der alten Edda, welcher gar vor-
trefflich ist, und den Reinhart Fuchs herausgeben werden 5 außerdem soll eine
Sammlung altspanischer Romanzen, meistens aus dem Kreise Karls des Großen
erscheinen , wo sich ein Verleger findet ; des Drucks sind sie höchst würdig.
Hagen scheint es wirklich übel zu nehmen , wenn ein anderer etwas gutes
herausgeben will; wenn man fragt, was ihm dazu ein Recht gibt, so ist nichts
506 MISCELLEN.
zu antworten, als daß er ein paar Gedichte fleißig hat abgedruckt und andere
einfältig erneut, dabei mit literarischem Fleiß ausgestattet, dies erkenne ich
von Herzen gerne an, nur muß er sich dessen nicht überheben, um so mehr,
da er viel Geld hineinstecken kann, was andere müssen bleiben lassen. Seine
Falschheit und mancherlei Wege, die er braucht, um sich und seine Unter-
nehmungen auszuposaunen, sind mir zuwider, ich fange aber an, ernstlich daran
zu glauben. Docen ist mir viel lieber, dieser schreibt mir freundschaftlich und
auf alle Art gefällig. Hagen hatte uns auf eine merkwürdige Weise eine für
ihn und uns bestimmte Abschrift obiger Edda vorenthalten, nun haben wir
durch eine sehr glückliche Connexion, durch unseren Gesandten (Hammerstein)
in Copenhagen alles viel besser wie er und sind ihm in vielem zuvor. An
Fleiß wollen wir auch nicht sparen und unsere Sagensammlung ist schon so
glücklich fortgeschritten, daß wir in diesem Stück vermuthlich jedem die Spitze
bieten dürfen, so wenig sie uns selbst genügt, um schon jetzt oder in den nächsten
Jahren dem Publicum vorgelegt werden zu können. An dem äußerlichen Ruf
ist uns nicht vierteis so viel gelegen, als an der Sache und an Ihrem freund-
lichen Rath. Ich weiß nicht, ob Ihnen schon meine Abhandlung über den
Meistergesang zugekommen ist, sonst will ich sie Ihnen zuschicken. Ich habe
Unrecht gehabt, sie so einzeln drucken zu lassen, ohne alles genauer und all-
gemein verständlicher abzuhandeln. Ohne die besondere Veranlassung wäre es
auch nie geschehen und das Bessere bleibt mir ein andermal unbenommen" etc.
Wilhelm berichtet, daß sein erstes Werk „Altdänische Heldenlieder" fertig ge-
druckt sei und am 12. Juni 1811 übersendet er dem Freunde ein Exemplar
(Nr. 63). Zugleich wird die Übersetzung des ersten Gesanges der Edda bei-
gelegt und um ein Urtheil gebeten. Durchaus neu scheint folgende Bemerkung
zu sein: „Wir haben uns mit dem Isländer Ras k zu der Herausgabe der Edda
verbunden ; er wird einen kritisch berichtigten Text liefern und wir die Über-
setzung, historische und mythische Betrachtung. Das ist dem Buche gewiß
vortheilhaft; wenn sich nur ein Verleger finden wollte, jetzt nach der Messe
schreien sie sämmtlich über Schreckenszeiten. Mein Bruder ist auf einer kleinen
Reise nach Dresden, die dortigen Manuscripte einmal genauer zu untersuchen;
vor dem anderen Monat wird er nicht zurückkommen."
Brief Nr. 67 von Jacob bringt ebenfalls neues Detail herbei; aus dem-
selben geht hervor, daß die Briider an einer Ausgabe und Commentierung der
Schildbürger sammelten, die ihnen von der Hagen, dem Wilhelm davon
gesprochen, vorweggeschnappt mit seinem Narrenbuch. Nach den folgenden
Briefen zu urtheilen, haben die Brüder große Noth wegen eines Verlegers für die
Edda; Cotta, der sich des Buches annehmen will, stellt ungünstige Bedingungen,
auch Perthes in Hamburg will nicht anbeißen ; dazu tritt nun der böse Hagen da-
zwischen, „der sich wie jener Esser von jeder Speise auf einen Teller legen lassen
will, ohne zu wissen, ob er sie essen und verdauen kann" (Nr. 91). Hagen kündigt
einen bloßen Abdruck der eddischen Lieder an, der noch im nämlichen Jahr
erschien. Görres, dem von der Hagen auch in die Sonne tritt, indem er ihm
„das Roß Bayard aus dem Stalle führen will", ärgert sich schwer über diese
Betriebsamkeit: „Hagen's Ankündigung des bloßes Textes ist ja abgeschmackte
Vielfresserei; es ist eine wahre Besessenheit in dem Menschen, herauszugeben.
Gäbe er nur erst einmal eine verbesserte Auflage von sich selbst heraus" (Nr. 93).
Über Jacob's Beurtheilung von Rask's isländischer Grammatik schreibt Görres
mSCELLEN. 507
im gleichen Brief an Wilhelm: „Ihre oder Ihres Bruders Recension der islän-
dischen Grammatik in der Hallischeu Literaturzeitung hat mir recht wohl ge-
fallen. Es ist ein eigener scharfer Blick in den Mechanismus der Sprache darin,
den ich bewundere, weil ich ihn nicht habe, da ich Sprachen immer unge-
bührlich sehr als Werkzeuge angesehen habe , ohne zu bedenken , daß das
Werkzeug selbst wieder eine Wissenschaft ist und hat. Nur das Ende der
Recension ist mir im Ausdruck zu mild , ich hätte es nicht eben schneidend,
aber unwilliger gewollt."
Aus Nr. 104, Wilhelm G, an Görres, vom 3. September 1812 ist zu
entnehmen, daß schon um diese Zeit an die deutsche Heldensage Hand
gelegt worden: „Wir sind Willens, die testimonia, die sich hin und wieder in
den anderen altdeutschen Gedichten, bei den Chronikschreibern und sonst
über den Fabelkreis der Nibelungen gefunden, besonders abdrucken zu lassen,
es wird bei der Geschichte desselben gute Dienste leisten." — Am 14. No-
vember übersenden die Brüder ihre Ausgabe des Hildebrandliedes; Wilhelm
berichtet von dem Plan der Gründung ,,altdeuts eher Wälder": „W^ir haben
auch daran gedacht, ein Journal für altdeutsche Literatur herauszugeben, etwa
alle Monat ein Heft von 2 — 3 Bogen, für viele kleinei-e merkwürdige Quellen,
deren wir eine Menge besitzen, für specielle Untersuchungen, doch müßte alles
einen bleibenden Werth haben, da uns solche Lumpereien wie in Gräter's
Alterthumszeitung verhaßt sind. Sie erlauben wohl, daß wir in der Ankündigung
der HoflFnung Ihrer Theilnahme gedenken. Die Edda — versteht sich — bleibt
unsere Hauptsache, wir arbeiten eben das Glossarium zum dritten Mal durch,
eine unglaublich mühsame Arbeit, wobei einen der Gedanke an das Ganze nur
frisch erhält; der Druck könnte jetzt anfangen, wenn wir nur von den Buch-
händlern nicht auf eine so lästige Weise abhingen." — Treffend charaktisiert
Görres die Eigenart der beiden Brüder, wenn er (Nr. 109) an Wilhelm schreibt:
„Ob ich gleich Ihren Bruder in seiner Weise, die die Kehrseite Ihres eigenen
Wesens ist, nicht minder ehre und liebe, bin ich doch auch Ihnen in eigen-
thümlicher Neigung zugethan, die bei allem, was ich von Ihnen lese, sich mehr
und mehr rechtfertigt. Man trifft so selten auf etwas, was Einen nicht auf
irgend eine Weise verletzt und da das nie bei Ihnen der Fall ist, so darf man
ohne Bedenken der Natur vertrauen, da ohnehin das Gegentheil, die Grimasse,
bei aller Schönschwätzerei sich leicht verräth. Ihre Reden erscheinen mir immer
wie vom guten Geist in mir geredet. Ihr Accent ist milder, der Ihres Bruders
etwas schärfer und seine Weise ernster; sonst ist's derselbe Geist."'
Zum Neujahr 1813 übermachen die Grimm ein Exemplar der eben er-
schienenen Kinder- und Hausmärchen. Jacob hätte gewünscht, noch eine
andere Arbeit beilegen zu können, seine Sammlung altspanischer Romanzen,
die der Verleger schon seit einem Jahr als Manuscript zurückhalte. Wie man
weiß, verzögerte sich der Druck der „al sennor Jacobo Görres" gewidmeten Silva
de romances bis 1815. Zugleich wird gemeldet, daß das erste Heft der
„Altdeutschen Wälder" erschienen sei. Wilhelm fügt folgendes bei: „Lassen
Sie sich unser Märchenbuch wohl gefallen; wollen Sie es recensieren, so
wird es mich sehr freuen, Sie werden gewiß etwas sehr schönes darüber sagen.
Es ist ganz eigentlich Absicht, daß es ein Erziehungsbuch werden soll und
wenn Sie von dieser Seite einige Bemerkungen darüber machen wollten, wäre
es mir besonders lieb. Man wird es leicht bemerken, daß es keine Hände ge-
508 MISCELLEN.
arbeitet, die sich in poetischen, zierlichen Darstellungen geübt, dergleichen in
unserer Zeit nicht selten sind, es ist im Gegetheil lieber jeder zarte, süße und
holde Ausdruck vermieden, der verweichlicht und verallgemeinert und der Ge-
danke so viel als möglich au der Wurzel gefaßt worden. Meine Hoffnung ist,
daß das Buch bei Kindern, wo man es nur versucht, gleich seine Kraft be-
währen wird. Mögen Sie auch über die altdänischen Lieder etwas sagen , so
ist mir das nicht weniger lieb; Arnim wollte vor Jahren einmal eine Recension
schreiben, ich glaube aber, er hat es vergessen und ich mag ihn nicht besonders
daran erinnern. Mehrere haben mir gesagt, daß sie Freude daran gehabt, also
ist doch das Buch nicht umsonst auf der Welt gewesen; Göthe hat mir durch
seinen Secretär sehr höflich mit einigen ihm nachgeschlagenen^ inwendig kupfernen
Perioden danken lassen, was mir nicht zulieb gewesen; so viel ich weiß, fürchtet
er sich, bei dem Wunderhorn zu viel gesagt zu haben, so daß man ihn eines
zu großen Antheiles an dergleichen Dingen beschuldigen könnte." — Den Ein-
druck, den die Märchen auf seine Kinder ausgeübt, schildert Görres gar hübsch
in seinem Antwortschreiben vom Januar 1813 (Nr. 112): „Die Kindermärchen,
von meinen Kindern mit Verlangen erwartet, sind nachgekommen und seither
nicht aus den Händen zu bringen. Mein jüngstes Mädchen, Arnim's Pathchen,
weiß schon viele der Erzählungen und besonders die mit Eeimen zu erzählen.
Mein älteres hat sie schon in die Stadt unter die Kinder gebracht und schon
drei Tage nach der Ankunft des Buches kam ein Bube, um das Buch, wo vom
Blutwürstchen und Bratwürstchen stände, zu leihen. Abends mußte meine Frau
immer sieben vorlesen und nach -dem Eindruck zu urtheilen und der immer
anhaltenden Aufmerksamkeit hat sich Alles, wie auch natürlich, gar wohl be-
währt. Sie haben Ihren Zweck vollkommen erreicht und in der Kinderwelt sich
einen Denkstein gelegt, der nicht zu verrücken sein wird." Die Dedication
der spanischen Romanzen macht Görres mit Lohengrin, „den Brüdern Grimm
in Cassel zugeeignet", zum voraus wett. Im August verspricht er als Beitrag
zu den „Wäldern" „ein altes Volksgedicht von Herzog Ernst, älter als das
Epos" (Nr. 120).
Im folgenden Briefe (Nr. 121) weiß Wilhelm von einer kleinen literarischen
Streiferei zu berichten: „Ich war im vorigen Monat (Juli 1813) ein wenig im
Paderbornischeu und Corveiischen, wo schöne Gegenden, hohe Berge und alte
Erinnerungen sind. Ich habe da für unsere Märchen und Volkssageu gesammelt,
jene Sage vom Kaiser Rothbart mit seinen Reichthümern besitzt fast jeder
große Berg und ein Hirte hat sie mir auf der Spitze des alten Köter-Berg
wieder gut und eigenthümlich erzählt; auch alte Hunensagen gibts da noch,
wie sie sich von ihren meilenweit auseinanderstehenden Burgen ihre Hämmer
zuwerfen."
(Schluß im nächsten Heft.)
SOLOTHURN, im Juli 1875. JACOB BAECHTOLD.
Nachtrag zu Germania XX, 37S.
Bei der Besprechung des lat. Isidortextes nach Weinholds Ausgabe
(p. 379 ff.) verstehe ich unter A: Isid. Hispal. opera omnia. Romae 1803.
Vol. VI. E. KÖLBING.
PF
3003
Jg.20
Germania
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY
imi .:.JSt